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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [21]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0320

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°°H7>a der Jordan'scheii Bilder schon im Nekrolog des
Künstlers gedacht ist, so beginnen wir heute mit des
berühmten Engländers Philipp Calderon reizender „Obst-
verkänferin". Sie gehört zu dem als Dekoration eines
Speisesaals gedachten dreiteiligen Friesbild als dessen linker
Flügel. Es soll „die Früchte und Blnmen der Erde"
darstellen, und thut das wie man sieht ohne alle Ein-
mischnng von Pomonen, Floren und anderen ansprnchs-
vollen Damen in liebenswürdig nnmittelbarer Weise, indem


Klrxander IVagner

es im Mittelstück Mädchen, die Kränze flechtcn zu cinem
Fest, während andere die Tafel decken, nnd in den Seiten-
bildern unsere Oliven- und eine Traubenverkäuferin vorführt,
wie sie etwa in Genua oder unter den Manern von St. Elmo
ihre Waren feilhalten. Jm Übrigen gibt er sie alle als
echte Engländerinnen, weil er offenbar genau wie unser
Makart von der ganz richtigen Ansicht ausgeht, daß doch
seine Landsmänninen mindestens ebcnso schön aber jcden-
falls besser gewaschen seien, als ihre neapolitanischen Kolle-
ginnen, und er fie überdies ganz gewiß besser darstellen
könne. Man wird ihm das Zengnis nicht versagen dürfen,
daß ihm das ungewöhnlich geglückt ist, nnd daß er dabei
einen überraschenden Reiz großer uiid edler Form mit köst-
licher Naturfrische zu vereinigen gewußt hat, so daß sein
Gemälde eine Hauptzierde des englischen Saals auf der

letzten Berliner Ausstellung bildete. Ja, es strömt eine
so strahlende Heiterkeit auf den Beschauer aus, daß man
sich kaum eine passeudere Verzierung eines Festgemaches
denken kann.
Jn seiner „Windmühle bei Rotterdam" ist Malchus,
der sich sonst immer die venezianische Lagune mit dem
prächtigen Hintergrund der Riva dei Schiavoni oder
irgend eines cinsamen Jnselklosters mit Vorliebe zur
Darstellung aussuchte, an die Nfer des Rheins zurückgckehrt
und hat dabei seiner Aufgabe einen seltenen Reiz abge-
wonnen. Denn die abenteuerlichen Formen einer solchen
Windniühle, wie man sie dort überall sieht, benehmen dem
Ganzen sofort die Nüchternheit. Dieser Eindruck wird ver-
stärkt durch ihren Widerschein im leisen Zittern der Wasser-
fläche, durch die fernen Schiffe und Barken am schnurgeraden
Üfer und die grünen Baummassen der „Gracht," überwölbt
vom feuchten Nebelgrau des Himmels. Das atmet alles
ein geheimes Leben voll tiefer Gemütlichkeit, so daß es
uns bald vollständig gefangen nimmt. Holland mit seinen
Kanälen ist darum eine Welt für sich, ebenso vollständig
abgeschlossen als harmonisch, sie hat sich auch kaum ge-
ündert in den dreihundert Jahren, seit sie uns seine Maler
anfgeschlossen. Baron Matchus war früher österreichischer
Offizier, der die italienischen Feldzüge von 1859—6b
mitmachte, um dann erst den Degen mit der Palette zu
vertauschen. Daß er sich gerade jetzt diese Szenen tiefsten
Friedens mit Vorliebe zur Darstellung aussncht nach dem
Lärm der Feldlnger, das begreift sich bei einer so echt
künstlerischen Natnr, wie er sie überall in seinen Werken
zeigt, schon beffer als ein notwendiges Gegengewicht für
die Erinnerung an furchtbare Erlebnisse. Besonders bei
solch' tiefem Gemüt, wie es alle seine Bilder beseelt und
ihnen imnier einen eigenartig fesselnden Zug leiser Schwermut
beimischt, gleichviel ob er die Lagune mit ihrer brennenden
Sonnenglut oder die graue Nebelluft eines holländischen
Kanals darstellt, da es iinmer mit echt poetischer Empfindnng
geschieht.
Zu den Schülcrn nnd Nachfolgern Pilotys, die sich nach
und nach eine bestimmte künstlerische Jndividualität aus-
gebildet, ihren eigenartigen Wirkungskreis geschaffen haben,
gehörtalseiner derhervorragendsten Alexander Wagner.
Ein geborener Deutsch-Ungar aus Pest, zog ihn, nachdem
er zuerst mit Glück und Geschick eine Reihe großer Historien-
bilder zumeist aus der ungarischen-Geschichte gemalt, bald
das Reiterleben seiner magyarischen Landsleute am meisten
an. Er hatte erst das große Bild eines Turniers für den
Pester Redoutensaal gemalt, in welchem Mathias Corvinus
als köstlich frische junge Heldengestalt den Sieg davon-
trägt. Bald folgten aber eine Anzahl Pußtenbilder nach,
wie das, welches wir unsern Lesern heute nach einer Hand-
zeichnnng des Künstlers vorführen. Das Gemälde selber hatte
freilich meisterhaft geschildert, was hier nicht wiederzugeben
war, die kknermeßlichkeit des Ranmes, in dem sich der Vor-
gang abspielt. Gerade dadurch zeigte es in packendster
Weise die ganze wilde Poesie solchen Hirtenlebens, die
selbst heute noch auf den Münchener Akademieprofessor
nnwiderstehlich zu wirken scheint, wie sie sich denn auch in
seincn übrigen hier mitgeteilten Studien widerspiegelt. Allein
darauf hat er sich selbstverständlich nicht beschränkt, obwohl
 
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