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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

DOI Artikel:
Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1887, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0331

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II. Iahrgang. Left )7

Iuni pS7


tM Kerairsgegeben von ArieöricH 'UecAL W—

„Dic Kmist fiirAlle" crscheinl in halbnwnnllichen Hesicn von !>/-—s Bogcu rcich illustricrleii Textes und ca. 4 Bildcrbeilagcn in Umschlag. AboiincmcntspreiS im
Bnchliandcl odcr durch dic Post iRcichsposliicrzcichiiis S!r. Slgi. banr. Bcrzcichnis 4I0> s M. so Pf. flir das Vierteljahr ls Hefte); das ciiizelne Hcft
7ö Pf. — Jnserate <iiur durch R. Mosjc) die vicrgcspalicnc Nonpareillezcilc sü Ps. lo.voo Beilagcu Sü M., bei gröbercm Format oder Umfang PreiSausschlag.

Der Pariser Salon 1867
von Stto Brandes (paris)

ährend deiu gewvhnlichen Sterblicheu der Monat
Mai die Freuden des Lenzes mit seineu Blüten-
gaben bringt, hat er für die Pariser Kuustkritiker die
große interiiatiouale Kunstallsstellung im l?als.is cl'iuclustris,
den „Salou" als Gescheuk. Da heißt es sich tage- uud
wocheulang mit bemalter Leiuwaud und formgewordenem
Marmor eiusperren, die laugen, eudlos laugen Galerien
durchwandern und in hastigen Gedaukeusprüugeu von
einem Gegenstand zum anderu sich lveudeu, bis der Geist
erlahmt uud iu deni Kopfe ein förmlicher Caucan dcs
Geseheneu eiutritt. Und das Alles, während draußen die
laue Luft uud das Webeu des Frühlings zum Verkehr
mit der lebeudigen Natur lockeu, die so schöu ist, so schön wie
sie Pinsel und Meißel uiemals wiederzugeben vermögeu,
während fröhliche Menschenscharen hinauswandern in
Wald und Flur, um im Frühlingssonuenschein eiu Herz-
Erfrischungsbad uach der laugeu Dumpfheit des Winters
zu nehmen.
Recht schwer würde es vielleicht dem Kritiker werden,
auf seinen Frühlingsanteil trotz aller Pflichten zu ver-
zichten, wenu seiue Thätigkeit ihm nicht doch einen Blick iu
das eröfsnete, was die Natur am vollendetsten geschaffen,
einen Blick in die Künstlerseele. Wie angreifend und müh-
sam eine Besichtigung der 3000 Bilder, welche aus den
7000 eingesandten ausgesondert sind, auch sein mag, hoch-
interessaut und lohnend bleibt dennoch die Dechiffrierung
dessen, was das schaffende Judividuum längere oder kürzere
Zeit bewegt. Spiegelt sich doch ini Salon gleichsam unsere
Zeit mit ihren Sorgen und Hoffuuugen, mit ihren Wünschen
und Enttäuschungeu.
Jmmer mehr verschwindet aus den heutigen Aus-
stellungen die transcendentale, die religiöse nnd Heiligen-
Malerei; auch die großen Geschichtsbilder, die das Unter-
tauchen in die Vergaugenheit zur Vorbedingung haben,
wobei dem Taucher uur allzu häufig die Luft ausgeht,
werden seltener, und das Leben, das, wo man es auch
anpackt, immer interessant ist, bildet heute fast ausschließ-
lich, vornehmlich aber auch in unserm „Salon", den Vor-
wurf sür die künstlerischen Aufgabeu.
Die Uunst für Alle II.

Dieses Leben in seiner bunten Vielgestaltigkeit empört
sich aber von selbst gegen alle Konventiou und erweist sich
daher auch spröde gegen eine konventionelle Darstell-
u ng. Eiu Zug nach Realität geht heute durch die ganze
Knnstwelt. Man werfe nnr eineu Blick auf die Bühne,
auf welcher die alten Formen zerbrochen werden, wo man
mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Träger der
Haudluug iu der Abhängigkeit von ihrer physischen und
moralischeu Unigebuug, von der wirklichen und sittlichen
Atmosphäre, von Luft und Licht, von Liebe und Haß dar-
stellt. Dasselbe gilt heute in der Malerei, ohne daß man
sich freilich schou ganz durchgerungen. Luft und Licht
heißen die beiden Desiderate, die sie als Vorbedinguug
allgemeiu fordert, wenu über das Verfahren, die Frage
des „Wie?" auch die Ausichten auseinander gehen mögen.
Die Schulmalerei hat sich überlebt. Sie wird, wie
eiu geistreicher Kritiker ueulich sagte, eines schönen Tages
in den Armen des Herrn Cabanel, vom Jnstitut, als
Leiche gefundeu werden. Mag die Reaktion gegen die
Formel der Schule etwas zu lebhaft eingetreteu sein, hat
die französische Malerei das „neue Gebot": »II kaut
eclaircür la palstte« vielleicht auch allzuschroff befvtgt,
dem Asphalt allzu heftig deu Krieg erklärt und sich all-
zusehr der kreidigen Manier zugewandt; die mildernde
Zeit wird auch in dieser Beziehung das Allzuviel abschleifen,
und die schöne Wahrheit wird iu ihrem hellen Glanze
erscheinen.
Diese Vorbemerkungeu, die gewissermaßen die Ton-
art angeben, in welcher der diesjährige Salon gesetzt,
konstatieren gleichzeitig, daß mit demselben ein neuer,
mächtiger Schritt gegen den Realismus in der Kunst
geschehen.
Wenn ich mir hiernach ein relatives Gesamturteil
erlauben soll, so ist der Salon besser als sein Vorgänger.
Diese Note, so sehr sie auch in dem nativnalen Teile
der Ausstelluug verdient ist, so sehr bestimmeu sie auch
die Ansländer, die ihr Bestes hierher gesandt. Die Ameri-
kaner, die Skandinavier, die Belgier, Holländer, Spanier
und last uor least wir Deutsche tragen redlich zu der
SL
 
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