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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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F., O.: Die Verwendung der Fliesentäfelung in der Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0460

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Pulten nach Boucher.

Vir Verwendung der Flicsenräfclung
in der IVoffnnng.

von D. F.

ie moderne Keramik gehört zu den
Zweigen des Kunstgewcrbes, welchen es
durch sorgfältiges und unablässiges Studieren
und Nachbilden der alten Vorbilder gelungen
ist, sich wieder ans den Höhepunkt technischer
Leistungsfähigkeit emporzuarbeiten. Diese
Schulung au den Originalen der nahen
und fernen Vergangenheit hat die Wieder-
belebung der F-liesenfabrikation zur Folge
gehabt, nachdem sowohl die Herstellung wie
die Verwendung dieses glänzenden Hilfs-
mittels der Wanddekoration noch im Laufe
des 18. Jahrhunderts fast gänzlich aus-
gestorben war.

Es giebt kaum eine Art alter Fliesen-
dekoration aus dem Orient und dem Abend-
lande, wenn man von den kostbaren und
kunstreich gearbeiteten Mosaikfliesen der
Perser des Ib. Jahrhunderts absieht, die
nicht innerhalb der letzten drei bis vier
Jahrzehnte in den keramischen Werkstätten
von Frankreich, England, Holland und
Deutschland wieder mit Erfolg hervor-
gebracht worden wäre. Die Geschichte der
Fliesen beginnt mit den zinnglasierten
Wandbekleidnngen, deren gewaltige Über-
reste in den Ruinen der assyrischen Städte
nnd der achaemenidischen Königspaläste von
Susa in Persien zutage gekommen sind.
Ihr Kennzeichen ist eine dem Zellenschmelz
verwandte Technik, welche die einzelnen
Farbflächen durch Thonstege trennt und vor
dem Jneinanderfließen im Brande bewahrt.
Sie hat mit einigen Veränderungen sort-
gelebt im islamitischen Orient und in den
Azulejos der spanischen Bauten bis in die
Neuzeit hinein. Parvillier in Paris, der
diese Fliesen mit Zellenglasierung bei der
Restaurierung altosmanischer Bauten in
Brussa kennen lernte, hat sie zuerst in die
moderne Keramik eingeführt, wo das Ver-
fahren bald von Th. Deck in Paris, von
Villeroy und Boch in Deutschland und

vielen anderen mit
vollster Sicherheit ge-
übtwurde.

Die metallisch glän-
zende Wirkung der
Fayencefliesen mit
Lüstersarben, die eben-
falls im Orient im i
Mittelaller entstanden
sind, haben am meisten
die englischen Kunst-!
töpfer ausznnützen ver-
standen, oyne sich aber
in der Zeichnung an
alte Muster zu binden.
In England, das ge-
genwärtig überhaupt
an der Spitze der
Fliesenfabrikation
steht, wird in der
Nachahmung der
türkisch-kleinasiatischen
Fliesen des 16. Jahr-
hunderts — der in
Ornament und Technik
wirkungsvollsten Fliesen, die jemals ge-
schaffen wurden — namentlich von de Morgan
das höchste geleistet. In Holland wiederum
haben die Manufakturen von Makkum, von
I. Thooft und Labouchere in Delft, von
i Rozenburg im Haag die Arbeit ihrer Delfter
Vorfahren ausgenommen und in den ein-
farbig blau bemalten Fayencen die alte
Meisterschaft vollauf wieder erlangt. Die
gleiche Art der altholländischen Blaumalerei
' Pflegt neuerdings mit Erfolg auch in Deutsch-
land die Mettlacher Sleingutfabrik von
Villeroy und Boch.

Mit der Wiedergewinnung aller Technik
der Vergangenheit ist aber die Leistungs-
fähigkeit der heutigen Industrie noch nicht
erschöpft. Sie ist erweitert worden dadurch,
daß auch Porzellanfabriken — wie die kgl.
Manufaktur von Charlottenburg — sich
, dieses früher allein der Fayence reservierten
^ Zweiges der Keramik bemächtigt haben.
Ferner dadurch, daß gegenwärtig das in
sich abgeschlossene, künstlerisch entworfene
Fayencegemälde mehr in den Vorder-
grund treten kann, seit man fehlerlose Platten
von einem Umsang aus dem Feuer zu
bringen weiß, der früher unerreichbar war.

Mit dieser reichen Entfaltung der
modernen Industrie hat aber der Verbrauch
künstlerisch dekorierter Wandfliesen nicht
Schritt gehalten. Am allerwenigsten in
Deutschland. Jene Massenverwendung von
Wandfliesen ist ja in Europa niemals
heimisch gewesen, wie sie die muhammeda-
nischen Moscheen ausweisen, bei welchen oft
die weiten Jnnenräume fast vollständig,
von der Außenseite wenigstens die Portale
und Kuppeln mit glänzender Fayence über-
zogen sind. Aber auch von der viel be-
scheideneren Verwendung der blauen Delfter
Fliesen, welche in den niederländischen und
norddeutschen Bürgerhäusern des 17. und
18. Jahrhunderts allgemein üblich war, ist
bei uns noch wenig zu verspüren. Damals
bedeckten die Platten, manchmal mit ge-
schlossenen Bildchen auf jeder Fliese, manch-
mal mit größeren Darstellungen, die über

ganze Felder sich erstreckten, nicht nur die
Wände der Treppenhäuser, der Küchen und
Badestuben, die Umgebung der Kamine und
Kachelöfen, sondern sie dienten auch häufig
zur vollständigen Auskleidung ganzer Räume.
Ein wohlerhaltenes Beispiel der letzteren
Art, eine deutsche Arbeit des 18. Jahrhunderts,
ist erst kürzlich im Leibnizhause zu Hannover
neuerdings eingebaut worden. Wenn man
heute von vereinzelten Badezimmern vor-
nehmster Ausstattung, wie sie im königlichen
Schlosse von Berlin sich finden, absieht, be-
schränkt sich der Verbrauch von Fliesen-
gemälden in Deutschland im wesentlichen
auf Wandfüllungen in anspruchsvoll ein-
gerichteten Restaurationslokalen. Ihre weit-
hin reichende dekorative Wirkung, ihre Un-
empfindlichkeit gegen Staub und Ruß macht
sie auch für diesen Zweck überaus geeignet.
Aber auch in der privaten Wohnungsaus-
stattung wäre ihnen eine ausgiebige Ver-
wendung zu wünschen. Sie sind nicht nur
dort am Platze, wo staubige nnd feuchte
Lust diese reinlichste und solideste Wand-
bekleidung wünschenswert oder notwendig
macht, wie in Treppenhäusern, Baderäumen,
Küchen nnd dergleichen. Die Fliesengemälde
kleineren Umfanges sind mit ihrer har-
monischen Wirkung, mit ihrem aufhellenden
Glanze auch für die Wohnräume selbst ein
sehr beachtenswerter Wandschmuck. Auch
auf ihre Eignung als Füllung von einzelnen
Möbeln, Bordbreltern, Büffets, Tischen
u. dergl., oder von Holzvertäfelungen mag
hingewiefen werden.

Die Engländer sind, wie in der Her-
stellung, so auch in der Verwertung be-
malter Fliesen uns weit voraus. Allerdings
muß man dabei beachten, daß die von
Nebel nnd Ruß durchsetzte Atmosphäre
Londons die Fliesen fast unentbehrlich er-
scheinen läßt. Sie sind daher dort ein
selten fehlender Bestandteil der Dekoration
geworden, dem man den weitesten Raum
zu überlassen geneigt ist. Nachdem das
South-Kensington-Museum mit der Ein-
richtung eines ganz mit modernen Fliesen-
malercien ausgekleideten Raumes (des
Grillroom) vorangegangen ist, hat das
Beispiel in Privathäusern viele Nachahmer
gefunden. Der Umstand, daß im englischen
Hause der Kamin noch nicht vom Ofen
verdrängt ist und daß das Treppenhaus

Ält-Hannoorr.

Fliese von villeroy L Boch.
 
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