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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 4
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Rücklin, R.: Die Emailkunst auf der Pariser Weltausstellung
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Imhof, Franz: Franz von Defregger: zu seiner Ausstellung in der Akademie der Künste zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0068

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54

Die Kunst-Halle

Nr. §

und kleinlichen Genauigkeit. Ist auch seine-ch)alette nicht
sehr umfangreich — sie erschöpft sich der Hauptsache
nach in den Hellen Elfenbeintönen des Fleisches und
den mächtig wirkenden, tiefdunklen, aber fein ge-
stimmten Hintergründen —, so ist die koloristische
Gesammthaltung doch nichtsdestoweniger eine ebenso
kraftvolle, wie vornehme. Gin größeres Triptychon,
Diana mit zwei ihrer Jägerinnen darstellend, sei be-
sonders hervorgehoben.
Ganz im Ginne und großentheils auch nach den
Vorbildern der alten Meister der Renaissance arbeitet
Alfr. Meyer. Seine Farben sind tief und leuchtend,
seine Malweise fein detaillirend, glatt und ruhig.
Alles gediegene Leistungen in altem Stil, aus denen
ein Bestreben, die Emailtechnik dem modernen Kunst-
empfinden dienstbar zu machen, mindestens nicht er-
sichtlich wird. Geine Darstellungen sind im Gegen-
satz zu den, von seinen Kollegen verwendeten Holz-
rähmchen, in breite, ganz stach gehaltene Lederrahmen
eingelassen; der Gedanke ist gut, der Gegensatz der
matten, porigen Oberfläche des Leders zu dem tiefen
Glanze des Emailbildes vorzüglich. Namentlich fein
wirkt die theilweise Aufhellung des Leders mit auf-
gepudertem Goldstaub; es ist damit ein metallisches
Element in die Einrahmung gebracht, was deren
Verbindung mit den: Eingefaßten begünstigt. Hie
und da wäre wohl eine etwas diskretere Tönung des
Leders erwünscht.
Mit Garnier möge diese Rundschau der fran-
zösischen Emailkünstler geschlossen sein: er erscheint als
Maler weniger bedeutend, und hat auch hauptsächlich
größere Ziervasen und Platten ausgestellt, deren
Dekorationen er breit in modernen: Ginne zu behandeln
strebt. Die Zeichnung ist manchmal zu derb gerathen
und die Farbenstimmung fast durchweg in einer etwas
übersättigten Goldstimmung gehalten, wie sie der
reichliche Gebrauch von transparentem, rothem Email
auf Goldgrund leicht hervoröringt. Dadurch erhält
die Farbenharmonie überhaupt etwas Einseitiges und
Unabgeschlossenes, so daß diese Leistungen gegen die
feine, kühle Tönung der Gefäße Feuillütres entschieden
zurückstehen. Eine größere, figürliche Darstellung
Garniers möge ihrer unleugbar reichen und prächtigen
Darstellung wegen noch genannt sein.
(Schluß folgt.)
X
Hoy DekpeMei-.
Zu seiner Ausstellung in der Akademie der Künste
zu Berlin.
die kürzlich eröffnete Defregger-
Ausstellung in denselben Räumen
' Unter den Linden, in denen vor einiger
Zeit die Werke von Ludwig Knaus in ihrer behaglichen
Sprache zu uns redeten, hat die Berliner Akademie
der Künste uns abermals einen tiefen Einblick in die
Gestaltenwelt und Schaffensweise eines echten
Künstlers gewähren wollen, der ein hochangesehenes
Mitglied dieser königlichen Körperschaft seit langen
Jahren ist. Schon der Name Defregger macht heute,
trotz ungezählter neuer Eindrücke, welche wir den
letzten Kunstepochen verdanken, das Herz Vieler höher-
schlagen, erweckt eine Fülle erhebender und angenehmer
Erinnerungen aus unserer Jugendzeit, als der Maler

unsere Begeisterung für die Tyroler Volkshelden
Andreas Hofer, Speckbacher und den tapfern Schmied
von Kochel so gewaltig zu schüren wußte.
Damals war der jugendliche Enthusiasmus, der
natürlich noch keine Ahnung von rein koloristischen
Aufgaben der Malerei besaß, von dem Glauben
durchdrungen: der Maler habe nur unterhaltend
oder packend zu schildern und Niemand verstehe dies
überzeugender als Meister Defregger, weil der als
geborener pusterthaler, als anhänglichster Sohn der
Tyroler Erde, am besten Mittel und Wege kenne,
die Dinge und Menschen seiner geliebten Heimat zu
studiren. Sein Talent, das stark genug war, ihn, den
Bauerssohn (geb. 30. April s835), einst von der
heimatlichen Scholle nach Innsbruck und München
zu treiben, führte ihn doch wiederum als Künstler,
voll zärtlicher Liebe für die Heimat und seine Lands-
leute, an die Stätte seines Ursprungs zurück. „Mich
sendet Liebe, die mich reden heißt", singt Dante. Und
wenn die tiefste Empfindung nach des Dichters
Meinung „Gönne und Sterne bewegt", soll sie nicht
auch den Künstler und sein Werk bewegen? Läßt
sich nicht auch von Defreggers Schaffen sagen, daß
Liebe ihm Stift und pinsel von Anfang an in die
Hand drückte?
Aber wie anders gestaltete sich etwas Aehnliches
z. B. bei Rembrandt, bei Millet, bei Gegantini. Die
Ursachen, doch nicht die Wirkungen waren die näm-
lichen wie bei Defregger. Zwar ist es für die Frage
des künstlerischen, des malerischen wertstes eigentlich
ganz gleichgiltig, welche der Auffassungen ethisch höher
stehe oder formal ästhetischer sich vor uns präsentire.
Der Bauernsohn Millet drückte seine innige Theil-
nahme für den Landmann seiner normannischen Heimat
pessimistisch aus, indem er ihn als von der Tafel ir-
discher Lebensfreuden ewig Verbannten, als ein im
Joche harter, unermüdlicher Arbeit verblödetes Wesen
schilderte. Go verlangte es der brutale Wahrheitssinn
dieser naturalistischen Richtung; sie mochte nichts
formal beschönigen. Doch in geistiger, sittlicher Be-
ziehung beschönigte sie, vielleicht unbewußt. Wenigstens
gelang es ihr, in das wachs empfindsamer Seelen den
Heiligenschein seines irdischen Martyriums zu drücken.
Oft preßte sie dem Beschauer durch jenes Mitleid,
das sich nicht bethätigen läßt, das Herz im Busen
grausam zusammen.
wie anders, wie völlig entgegengesetzt geht es
demselben Beschauer vor den Werken Defreggers,
die in so stattlicher Zahl in der Berliner Akademie
vereinigt sind. Er schaut da wohl gar mit
unverhohlenem Neide, ungeachtet seiner freudigen
Genugthuung, auf das einfache, arme, aber unsagbar-
glückliche Völkchen von bildsaubern Sennerinnen und
flotten Holzknechten, die mit ihrer Bedürfnißlosigkeit
das irdische Paradies behalten haben; denn blühende
Gesundheit, Kraft, Leibesschönheit und Freiheit helfen
ihnen die Lebensfreuden immer von Neuem erwecken.
Dafür hat ihr gefeierter Maler in all diesen Bildern,
die uns mit wenigen Ausnahmen, zum Mindesten aus
den Illustrationen der Familienblätter, längst bekannt
sind, die reizendsten Beispiele und Variationen seines
erprobten dankbaren Themas geschaffen. Es ist aber,
wie bei den alten Niederländern Ostade und Teniers,
allein die Arbeit niemals zu sehen, in der Defreggers
menschenselige Anschauung nicht den höchsten, be-
glückenden Ausdruck findet, sondern überall das
Vergnügen, Spiel und Tanz, trautes Familienglück,
Unterhaltungen voll Humor und Schalkhaftigkeit,
behagliche Muße. Freilich giebt schon ein Blick auf
 
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