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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 4
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Imhof, Franz: Franz von Defregger: zu seiner Ausstellung in der Akademie der Künste zu Berlin
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Galland, Georg: Eine neue Radierung nach Adolf Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0069

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Nr. §

Die Kunst-Halle -z-

55

jede Leinwand, auf diese gebräunten, sehnigen, offenen,
zufriedenen und stolzen Menschen deutlich zu erkennen,
daß solches Glück zur unumstößlichen Voraussetzung
die treu erfüllte Arbeit hat. wer möchte auch darum
die sittliche Idee der Werke Franz Defreggers niedriger
einschätzen als z. B. bei Millet oder Israels?
Aber auf den sittlichen Gedanken kommt es bei
Malwerken wohl nur nebenbei an. Das sittlichste
gemalte Kunstwerk kann doch zugleich das aller-
schwächste sein. Die Vorführung so edler, meinet-
wegen erlesen schöner stammverwandter Typen, wie
hier die Tyroler „Madln" und „Buabn" läßt allerdings
die Brust des deutschen Beschauers vor Stolz schwellen,
warum sollen auch gerade die Meunier, Lagae u. a.
mit ihrer einseitigen Vorliebe für menschliche Arbeits-
thiere, zweibeinige Schindmähren, Gebrechlichkeiten
aller Art allein Recht behalten? Nicht weil, sondern
obwohl die kerngesunden Figuren Defreggers prächtige
Exemplare einer adlig geborenen Menschenrasse
sind, bilden sie dennoch nicht unwürdige Elemente
echt malerischer Darstellung.
Meister Defregger hat sich frühzeitig zu der
Höhe entwickelt, die seinen kunstgeschichtlichen Rang
bedingt hat; seitdem hat seine Kunst kaum irgendwie
markante Phrasen durchlaufen. DieIugendzeichnungen
in Bleistift mit Deckfarben von (860, die man in
der Akademie sieht, können wohl nur vom Standpunkt
der Kuriosität mitzählen. Seine künstlerische Laufbahn
begann eigentlich erst, als er (867 zu piloty kam.
Mehr noch als der verwundete Jäger von (868
zeigt die figurenreiche Szene „Speckbacher und sein
Sohn Ander!" von (86H schon die volle malerische
Reife. Darin aber, daß aus dein einfachen Sitten-
schilderer frühzeitig der malende Historiker Tyrols
wurde, darf man nicht lediglich den Einfluß pilotys
erkennen, sondern mehr noch den der persönlichen
Natur, die zu allen Zeiten neben dem Herzbewegenden,
Sinnigen und Holden — sich auch zur körperlichen
Kraftübung des zur Vertheidigung des Vaterlandes
berufenen Mannes hingezogen fühlte, wie man aus
den zu verschiedenen Zeiten entstandenen Gemälden:
Der Ringkampf, Die Faustschieber, die Kraftprobe
u. s. w. entnehmen kann. Es war also nur ein
Schritt, wenn er, um den stolzen Freiheitssinn, die
Heimatliebe, den Muth seiner Landsleute angemesseu
zu verbildlichen, sich entschloß, auch die heroische
Vergangenheit seiner Landsleute vorzuführen.
Herrliche, unvergeßliche Volkstypen sind da von
ihm geschaffen worden. Man sehe nur den heim-
kehrenden Tyroler Landsturm von (80s), den Kriegs-
rath des Volkshelden Speckbacher, einzelne Andreas
Hofer-Szenen. Freilich darf andrerseits nicht verschwie-
gen werden, daß es manchmal an der sonst bewährten
malerischen Kraft auffällig inangelt. Das künstlerische
Feingefühl Defreggers, der koloristische Reiz des
Stofflichen, der bereits bei den: alten Speckbacherbilde
so ungemein angenehm überrascht, diese und. andere
malerische (Qualitäten treten gewöhnlich bei Ge-
mälden mittleren und kleineren Formats überzeugend
hervor. Dafür geben uns zumal seine überaus zahl-
reichen Gelstudien dieser Ausstellung recht bemerkens-
wertste Beweise. Diese „Studien" — wie sie wenig-
stens im Katalog genannt werden — dürfen heut-
zutage ohne Weiteres als fertige Gemälde passiren:
Pitoreske Straßenansichten wie die (86s) gemalte
Gasse aus der Schweiz, Interieurs wie die im Uhr-
saal hängende famose, als Helldunkelmalerei geradezu
vollendete „Stube in der Fusch" mit dem grünen Kachel-
ofen, selbst Landschaften wie die schlicht und breit hin-

gesetzte Alpenstudie von (87s) und ein ausdrucksvoller,
lieblicher Frauenkopf wie die „Junge Wittwe" von
(875, der keinem „älteren" Lenbach nachsteht — um
nur ein Paar augenfällige Proben herauszugreifen!
Für die übrigen Werke gilt dasselbe. Das zierliche
Interieur „Holzknechte" von (88^ wirkt koloristisch so
fein wie ein guter Ostade; dagegen erscheint das
Genrebild „das erste Pfeifer!" für die große Leinwand
etwas leer. Die akademische Defregger-Ausstellung
enthält u. a. übrigens auch einen weiblichen Akt und
mehrere ungleiche Bildnisse aus verschiedenen Zeit-
abschnitten. Die Mehrheit der Besucher wird sich
indeß durch den rein künstlerischen Standpunkt in seiner
unbedingten Bewunderung gerade für die größern
Kompositionen des Münchener Meisters, dessen hohe
Ehrung in Berlin wir nur mit Freude und Genug-
thuung begrüßen, keinen Augenblick beirren lassen.
Franz Imhof.
X
kine neue ftaMung
nach Mott Menrel.
ie nur verhältnißmäßig wenig bekannte friederi-
zianische Schilderung Meister Menzels „Von soir,
Messieurs V liegt der neuen, hervorragenden Radirung
von Hugo Struck zu Grunde. Sie erschien soeben in
zwei Ausgaben im Kunst-Verlag von Fritz Gurlitt,
Berlin XV, Leipzigerstraße Das Original gehört ganz
gewiß nicht zu jenen Schöpfungen der Malerei, die den
Sinnen des Beschauers freundlich schmeicheln, wie hier
der „alte Fritz" elastischen Schrittes in das nur durch
wenige Laternen schwach erhellte geräumige Treppenhaus
eines Gebäudes, wo noch eben die feindlichen Offiziere
fröhlich und ahnungslos tafelten, spöttisch grüßend eintritt,
wie die wilden Bewegungen Hals über Kopf, die mehr
komisch als tragisch wirkende Bestürzung der herabschwan-
kenden Flüchtlinge, die im Hintergründe nur in sehr breiten
Massen kühn angedeutet sind, hier gegeben sind — dies
Alles vereinigt sich in diesem Gemälde Menzels mit einer
wunderbaren Lichtführung, einem magischen Helldunkel zu
einer Szenerie von erstaunlicher Krast des malerisch-
geistigen Ausdrucks, von einer geradezu an Kompositionen
Rembrandts erinnernden Phantastik.
Hugo Struck, der begabte Berliner Radirer, hat all'
die künstlerischen Oualitäten des Originals mit wirklichem
verständniß erfaßt und ist der interessanten Schöpfung
des Altmeisters in keiner Beziehung etwas schuldig ge-
blieben. Um der bedeutenden radirten Arbeit den ihr
gebührenden Rang zu erhalten, hat sich der Verlag ent-
schlossen, nur zwei erlesene Abdrucksgattungen in den
Handel zu bringen, und zwar ;o Drucke mit dem Stern von
der unverstählten Platte auf Atlas pooo Mk.), 1.00 Drucke
mit der Marke auf ächt japanischem Papier (850 Mk.).
Beide Ausgaben tragen den Stempel des Deutschen Kunst-
verleger-Vereins, sowie die eigenhändige Unterschrift des
Künstlers. Die hohen Preise und die kleine Anzahl der
Blätter schließen allerdings den Erwerb des Werkes für
größere Kreise von selbst aus; doch dein ehrgeizigen und
anspruchsvollen Sammler wird der Besitz der Struckschen
Arbeit hohe Freude bereiten. G.
iL
 
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