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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 5
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J., F.; Jessen, Jarno [Mitarb.]: Von den Berliner Ausstellungen
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Nr. 5

Die Aun st-Halle -Z-

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zuweilen besser gelingen, obgleich sie gewöhnlich zu schwer
erscheinen. Im Kolorit betont er eine Art bläuliches
weiß, das verhängnißvoll an zu stark mit Berliner Blau
behandelte Wäsche erinnert. Sonst sind die „Schlittschuh-
läufer" d'Lspagnats fein im Schneeton der Landschaft
und charakteristisch in den gleitenden, biegenden Bewegungen
der Staffage-Figuren. Lin Bild Pissarros erinnert trotz
seiner Tüpfeleien in den dunklen, grauen und grünen
Tönen an einzelne Lorots. Monet hat einen Strand
wie ein Schulbube hingefegt. Liebermann giebt seinem
„Dünen" - Pastell einen gewissen Stimmungshauch, patzt
dafür erbarmungslos bei dem „Schulmädchen". Lin neuer
Thoma „Luna und Lndymion" verleugnet in gewissen
koloristischen und zeichnerischen Feinheiten den Meister
nicht, wirkt jedoch in den Gestalten des mythischen Liebes-
paares ziemlich steif und gequält. Fritz Klimsch Marinor-
und Bronzeporträtköpfe erfreuen durch sorgfältige Wieder-
gabe physiognomischer und anatomischer Feinheiten. Man
empfindet immer die Zuverlässigkeit seiner porträtirung.
Jarno Jessen.

Lckmann-Ausstellung und van der Velde-
Ausstellung.
Die Neuausstellungen bei p. Pirschwald (pohen-
zollern - Kaufhaus) und im Kunstgewerbe - Museum
werden allen Interessenten unseres Kunstgewerbes reiche
Anregungen bieten: Lckmann und van der Velde zeigen
hier die Mannigfaltigkeit und Originalität ihres Könnens
in zahlreichen Neuschöpfungen, wer im Kunstgewerbe das
Spiegelbild unserer schnelllebigen Zeit zu sehen liebt, die
Nervosität, die sich im Ornament mit einer Impression der
Naturformen oder linearer Willkür begnügt, wer in der
Architektur die Ruhe der Bauglieder durch ein Spiel
elastischer Sprungfedern abgelöst wünscht, wird Lckmann
und van der Velde als Befreier rühmen. Anhänger älterer
Stile werden sich ablehnend verhalten und den dogmenlosen
wird das Mißfallen über Gewagtes und Unzulängliches
nicht ausbleiben.
Die Lckmann-Ausstellung im Lichthofe des Kunst-
gewerbe-Museums legt von dem Fleiß und der Vielseitig-
keit des Meisters aufs neue Zeugniß ab. Lr führt seine
Tapeten und Möbelstoffe, Drucktypen, Teppiche, Kacheln
und Muster für Leinenweberei vor und scheint uns am
glücklichsten in seinen Tapetenentwürfen. Pier zeigt er
sich als der fleißige Student naturalistischer Formen. Lr
verwendet das zierliche Rankwerk des Popfens, der Wald-
rebe, der Physalis, die großzügige Blüthenornamentik des
Philodendron, die Gradlinigkeit der Narzisse zu eigenartigen
Mustern. Lr bringt Jedes von ihnen in den verschiedensten
Farbenstellungen, und es ist interessant zu beobachten,
welche verschiedenartige Wirkungen auf diese weise erzielt
werden. So erscheint die Narzisse weit natürlicher in gelb-
braunem als in purpurrothem Tone. Ueberträgt man
Naturmotive auf kunstgewerbliche Gegenstände, so sollte
die Wirklichkeit sowohl im Kolorit als in der Form soviel
als möglich gewahrt bleiben. Mit Eckmanns purxurtönung
scheint uns der Narzisse wie der LIematis und der Thee-
rose Gewalt angethan. Interessant ist es, den tapferen
Neuerer hin und wieder auf die Ornamentik einer alten
Schule zurückgreifen zu sehen. Lr fügt sich jedoch dann
nicht ganz und sucht wie auf dem „pelleborus"-Muster
durch gewisse Anhängsellinien das Dazwischenfahren eines

oppositionellen Geistes anzudeuten. In der hiesigen Aus-
stellung hat Lckmann wiederum den Kreis seiner naturali-
stischen Motive auch mit Thierformen erweitert. In den:
Friesstreifen des „Widder"-Musters wird der Widderkopf
ziemlich erkenntlich benutzt, wie auf einer Kachel der Fuchs-
kopf. Ls scheint uns sehr fraglich, ob diese Art der
Groteskbehandlung erstrebenswert ist. Sie macht hier
den Eindruck der Naturvergröberung. Neben Renaissance-
Grotesken gestellt, wirken sie wie Eulenspiegeleien neben
feiner Satire. Professor Lckmann ist in: rechten Fahr-
wasser, wenn seine leichte pand frei mit der modernen
Linie schaltet, die sich so berechtigt den Namen „Makkaroni"
oder „Bandwurm" verdiente, piermit erzielt er überall
gefällige Wirkungen. Japanische Vorbilder liegen seinen:
Künstlernaturell besser als romanische, gothische oder Re-
naissance-Motive. In der Farbenstellung der Tapeten
beweist Lckmann einen unfehlbar malerischen Blick, wie
fein ist die Tonstimmung von Lichtgrün und prüne, oder
Lichtgrün und Grange bei der „Palmetten" - Tapete, oder
das Moosgrün und Terrakott des „Rondo"-Musters. Lr
erfreut gerade auf diesem Gebiet zuweilen durch gesunde,
kraftvoll leuchtende Farben. Dies erreicht er auf keinen:
seiner Teppiche, die ausnahmslos den Lindruck einer ge-
wissen Fahlheit, einer dekadenten Stimmung Hervorrufen.
Trotz einiger vornehmer und diskreter Stücke, wie des
sandfarbenen init der Orange Borte, oder des tauben-
grauen mit dunkelblauen: Muster, oder des blaßgrünen mit
dunkelblauen Motiven, ist er hier meist der Ueberästhet.
Seine Drucktype:: wirken nicht immer glücklich, häufig un-
klar und selbst unschön. In den Kretons und Velvets,
von denen besonders einige der Letzteren kräftig und schön
in der Färbung herauskommcn, stört häufige Kraßheit der
Töne und fast an allen die Ungefügigkeit der Dessins.
Pier sind die Lngländer weit in: Vordertreffen. Das
Schneeglöckchen - Motiv für Leinenweberei bietet reizvolle
Einzelheiten, wirkt jedoch in: Fonds durch die langen
Pflanzenstiellinien steif und dürftig. —
van der Velde, der nach Berlin übergesiedelte Brüsseler
Meister, führt sich in Pirschwalds pohenzollern Kaufhaus
mit noch größerer Mannigfaltigkeit vor. In Möbeln,
Zimmerausstattungen, Schmucksachen und Nutzgeräthen
sehen wir ihn Neuschöpfungen bieten. Auf einigen aus-
gestellten Photographieen giebt er wohl nur unerhebliche
Proben als Architekt und Architektur - Bildhauer. Als
Techniker operirt van der Velde mit seinen ganz persön-
lichen Konstrnktions- und Dekorationsprinzipien. Jede
Baulinie seiner Möbel soll ihren Nutzzweck greifbar zum
Ausdruck bringen, jede immer nur als Träger oder Stütze
wirken. Das hervorspringende, rundbogige Profil erscheint
ihm als Verbindungsmotivirung unumgänglich, wenn er
das Ornament als Dekor zu umgehen sucht, so ist in seiner
Bogigkeit und der zu allerlei eckigen Schlußgliedern abge-
bogenen Linie doch nur ein schwächliches Surrogat geboten.
An seinen Möbeln vermeidet er farbige polzbeizungen,
er bevorzugt Lschenholz, bedient sich auch des Mahagony
und verwendet neuerdings zu sehr glücklicher Wirkung
Paduk und das wie helleres Mahagony wirkende Guinea-
polz. Ungemein schlicht und für das pervortreten des
Baumaterials sehr günstig angelegt, scheint uns ein in
blauen: Granit auszuführender Zier-Brunnen, während
einzelne Möbel, Schreibtische und Stühle praktischen An-
forderungen gut entsprechen und angenehm wirken, scheinen
 
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