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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 6
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Zur Kritik des neuen Buchschmuckes
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0104

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86 -——Die Aunst-Halle — Nr. 6

bricht und sich lediglich als phantastisches Formen-
spiel kennzeichnet. Was sich daraus entwickeln wird,
läßt sich noch gar nicht absehen. Heute schon von
einem neuen deutschen Stil zu reden, ist jedenfalls sehr
verfrüht und Triumphrufe sind wahrlich noch nicht
am Platze. Eckmann ist zweifellos ein bedeutendes
Talent, er besitzt ein starkes wollen bei großer
Selbständigkeit, Eigenschaften, die ihn jedenfalls zu
einem Pfadfinder befähigen, wir sehen Werden und
Gärung, der Klarheit stehen wir aber noch sehr fern.
Liegt in Eckmanns Bestrebungen noch ein starkes
Künstlerbewußtsein, so haben seine schwächeren Nach-
ahmer einfach alles Bestehende über Bord geworfen,
um einer wilden Anarchie zu huldigen, die keine
Konstruktion im Ornament mehr kennt und mit einem
Gewirr rhythmenloser Linien auszukommen glaubt.
Die Etile sind immer aus dem Geist der Zeit heraus
entstanden; ist denn die Anarchie wirklich die Signatur
unserer Tage?
Dieser Zweifel erhebt sich auch angesichts der
neuesten Versuche, die Zierschrift „zeitgemäß" zu ge-
stalten. Und hier muß ernstlich gewarnt werden.
Schrist soll vor allem deutlich sein, und wenn ihr auch
anmuthige Verschlingungen und geschmackvolle Aus-
gestaltungen ganz gut thun, so sind die plumpen Ein-
schachtelungen der ohnehin meist übermäßig ausge-
stalteten Buchstaben, wie wir sie heute so oft auf
Titeln der Bücher antreffen, einfach ein Unfug. Sie
nehmen sich aus wie schlecht operirte und falsch zu-
sammengefügte Gliedmaßen. Leider muß aber auch
das andere Extrem die Buchstaben auf einen möglichst
gleichen Kegel zu bringen und sie im Schnitt einander
ähnlicher zu machen, große Bedenken erregen, denn
dabei kommt der Charakter der Schrift und ihre Klar-
heit ebenfalls zu kurz, wir bedauern lebhaft, daß
bei den: Druck des amtlichen Katalogs der Aus-
stellung des Deutschen Reiches in Haris (sstOO) der
Versuch mit einer Type gemacht worden ist, die be-
sonders in den Versalien sehr abfällt, ganz zu ge-
schweige von dem krausen und oft läppischen Beiwerke
womit Bernh. pankok dieses monumentale Buch
„verziert" hat.
Diesen Extremen gegenüber hat die Strömung
der Zeit aber auch Gutes hervorgebracht und es ist
eine durchaus erfreuliche Erscheinung, daß der Buch-
schmuck sich müht, möglichst einfache Ausdrucksmittel
zu finden, die es vermeiden, der pbantasie des Lesers
zu fühlbare Zügel anzulegen . . .
wir leben in einer Zeit der Bewegung, in der
Alles und nicht zum Rundesten die Kunst nach Er-
neuerung drängt. Auch die Illustrationskunst ist in
einer Umwandlung begriffen, die zweifellos Gutes in
ihrem Schoße birgt; ihr Wesen wird am besten da-
durch sehr glücklich gekennzeichnet, daß für Illustration
das Wort „Buchschmuck" gebräuchlich geworden ist.
Aber nur wenn das gute Alte und das gute Neue
sich verbinden, werden wir segensreiche Folgen zu er-
warten baben.
Hüten wir uns aber ganz besonders vor Ueber-
treibungen. Auch die gewiß löbliche Einfachheit kann
übertrieben werden und zu einer Gleichmäßigkeit der
Erscheinungen führen, die leicht langweilig werden
könnte. Deshalb darf auch neben der einfachen Strich-
manier die farbige Zeichnung nicht vernachlässigt
werden, denn dauernder Reiz üegt einzig und allein
nur in der Abwechselung. Gesunder Sinn wird auch
hier das Richtige finden und die drohenden Klippen
zu vermeiden wissen."

Müycsteyer Rriek.
m Künstlern erein sind auf die mageren Wochen
die fetten gefolgt. Besonders unsere Landschafter
sind theilweise mit sehr bemerkenswerten Kollektionen
vertreten. Line Serie dankbarer Motive aus der Um-
gebung von Starnberg und Konstanz bringt PaulThiem.
Ls ist immer ein liebevolles Naturversenken kündendes
Landschaftsstück, das der Künstler uns mit sicherer, ziel-
bewußter Technik bietet. Lr weiß die feinsten Lichtnüancen
zu geben, aber er übertreibt sie nicht auf Kosten der
Wirklichkeit, um mit seinem Können zu glänzen, weniger
harmonisch und nicht durchgängig von bestem Geschmack
sind Bössenroths Naturausschnitte. Das sind Moment-
aufnahmen, gesehen durch ein starkes Temperament, aller-
dings von einem noch fortschreitenden, stellenweise hervor-
ragenden Können. Line neue Erscheinung ist uns Lrich
Kuithan, ein Landschafter mit mehr zeichnerischem Stil.
Line schlichte Romantik, die aber nichts von Sentimentalität
hat, spricht aus den Bildern. Seine Personen sind ihm
nicht nur Staffage; z. B. in dem Bilde des im Walde
Rast haltenden Ritters liegt eine tiefe Märchenstimmung.
Manchmal muß man an Schwind denken. Aus dem Ganzen
spricht eine stark eigenartige Persönlichkeit, jedenfalls ein
schlichter „Unzeitgemäßer". Der zarte Malerpoet Theodor
Meyer-Basel bringt eine große Zahl von Gelbildern,
Aquarellen (Feldblumen), Pastellen, Radirungen und Hand-
zeichnungen. Die zarten Landschaftsstimmungen sind wiederum
äußerst fein im Ton und lassen trotz der Aehnlichkeit der
Motive doch keine Einförmigkeit aufkommen. Die Damen
Rita Spielhaus uud Therese Weber zeigen in ihren
Dachauer Bildern viel Können; man könnte manches Bild
als einen echten Dill oder Hölzel ausgeben, aber deßhalb
darf nicht verschwiegen werden, daß die Ansätze von
individueller Auffassung noch ziemlich gering sind. A. Sieberts
Bilder aus Lapri und Rothenburg sind in viel Sonne
getauchte Landschaften, die besonders in den Abstufungen
des verschiedenen Grüns schönes Können verrathen. Heinrich
Raschs Bilder vom holländischen Strande und die Pastelle
aus Thüringen wirken hier doppelt so intim, wie im
Glaspalaste. Neu sind einige dekorative Entwürfe des
geschätzten Künstlers. Von den Landschaften haben wir
uns noch solche von Ernst Kirchner, I. G. Fritzsche, Völker
und Raudner notirt.
Mit Figürlichem spricht vor Allem die Kollektion
Grützner an. wie famos die Behandlung des ver-
schiedenen Roth auf dem Bilde des lesenden Prälaten
— und dann wie charakteristisch das feine, kluge
Gesicht dieses Kirchenfürsten; dann ein Falstaffbild, das
geradezu wie ein Porträt anmuthet. Dem „Bruder
Kellermeister" begegnet man immer gern wieder, denn
er ist doch nie wieder derselbe. In einer Blüthenlaube
sehen wir ein kindlich vergnügtes Mädchengesicht; auch
einen Feldblumenstrauß bringt Grützner, der die bunte
Herrlichkeit in intimen Einklang zu bringen weiß. Von
den von Pappe ritz ausgestellten Bildnissen gefallen uns
die frisch hingestrichenen Porträts des Regenten Luitpold
am besten, von großem malerischen Können spricht das
Bild des Mohren vom Künstlerfeste, das koloristisch
ungemein wirkungsvoll ist. Die Damenxorträts zeigen des
Künstlers Gewandtheit, das glanzvolle Kutour einer Dame
 
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