Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

DOI Heft:
Nummer 8
DOI Artikel:
Meyer, Bruno; Jessen, Jarno [Mitarb.]: Berliner Kunstsalons
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0141

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 8

4- Die Aunst-Halle

B

Werliyer Tuysksaloys.
en Schwerpunkt der gegenwärtigen Ausstellung im
Künstlerhause haben wir ohne Frage in der ansehn-
lichen Sammlung (über hundert Nummern) von Werken des
jüngst verstorbenen Pau l Souchay zu suchen. Lr gehörte
wohl zu denjenigen Künstlern, von deren Ligenart man
nach ihrem gelegentlichen Erscheinen vor der Geffentlichkeit
mit vereinzelten Werken auf Ausstellungen kein recht klares
Bild bekommt. Lr zeigte sich als ein gefälliges Talent,
das sich in den verschiedensten Richtungen versuchte und es
auch nicht an beinahe großen Anläufen fehlen ließ. Aber
eine gewisse Einheit des Charakters wollte sich nicht offen-
baren. An dieser Borstellung von ihm wird durch diese
umfängliche Kollektiv - Ausstellung kaum etwas geändert,
nur der Zusammenhang des oft unvereinbar scheinenden
wird deutlicher. Zunächst lernt man ihn als vortrefflichen
Skizzisten schätzen, der jede Wirklichkeit fast im Fluge nach
Form und Farbenerscheinung in frappanter Treue festzu-
halten verstand und dabei von einer verftändnißvollen Liebe
für die heimlichen Reize auch des AUereinfachsten beseelt
ist, durch die er auch dem Beschauer jeden noch so un-
scheinbaren Ausschnitt der Natur lieb und werth zu machen
versteht, Pier handhabt er neben der Geltechnik auch
Aquarell und Pastell mit erfreulicher Sicherheit. Bei
weitem weniger gelingen ihm die Ausgestaltungen zu
fertigen Bildern. Der flott hingeworfene weibliche Akt in
Pastell, kaum drittellebensgroß, bekommt herbe Steifheiten
bei der Ilebertragung in den naturgroßen Naßstab („Bei
der Toilette") und muß sich kompositionelle Zuthaten von
stark philiströsem Anstrich gefallen lassen; eine andere weib-
liche Aktstudie von stimmungsvollster bildlicher Abrundung
kommt in erweitertem Rahmen ausgeführt („verlassen")
mit branstigem Inkarnat auch nicht entfernt wieder zu
ihrer originalen Wirkung. (Doch mag nicht unerwähnt
bleiben, daß der hier etwas beschnitten vorhandene „Rücken-
akt in Pastell" in dem Pastellbilde der letzten Kunstaus-
stellung „Am kühlen Waldbach" erst zu wahrem künst-
lerischen Leben erweckt worden ist.) Die „Märtyrerin" ist
nichts als ein Kostüm-Porträt vor einer gemalten Koulisse.
In der „Versuchung" glaubt man in ein abgerundetes
koloristisches Meisterwerk eine akademische Studie nach
einem der bekannten typischen alten Kopf-Modelle hinein-
gemalt zu sehen . . . Doch wir wollen nicht uns in
Einzelheiten verlieren. Angesichts der heutigen anspruchs-
vollen Skizzirmanier, die theils technisches Unvermögen zu
maskiren, theils besseres Können aus markloser Nach-
giebigkeit gegen Modethorheiten zu verheimlichen sucht,
verdient der bei diesem früh Heimgegangenen uns ent-
gegentretende „Ernst, den keine Mühe bleicht", dieser tiefe
Respekt vor der weihe der eigenen Arbeit unsere Poch-
achtung und erweckt den Wunsch, daß die Zeit bald
wiederkehren möchte, wo diese Charaktereigenschaften wie
ehemals als unentbehrliche Voraussetzungen wahrer
Künstlerschaft zu Ehren kommen.
Ueber alles Uebrige müssen wir diesmal kurz sein.
Dem Gesammt-Auftreten der Stuttgarter fehlt nach den:
Niveau ihrer Leistungen jede Berechtigung. Man wagt
kaum, einige so zu sagen Lichtpunkte hervorzuheben, und
man genirt sich, von manchem gar zu „primitiven" Notiz
zu nehmen, vorüber! . . . Daß penry Luytens Trip-

tychon „Die Kinder der See" seiner jüngst besprochenen
Kollektiv-Ausstellung fern gehalten worden ist, hat ihr zum
Segen gereicht . . . Unter dem Namen Larrier-Belleuse
finden wir eine ihre Toilette beendigende Balleteuse mit
Bezeichnung „I'eboilö". Es ist schlimm, wenn inan einen
mit Recht berühmten Namen zu vertheidigen hat!
vom Verein für Griginal-Radirung zeigt F. Lilers
eine Strandszene, L. Sandrock ein Pafenbild, beide von
vortrefflicher Arbeit und ebenso außerordentlicher Bild-
wirkung. Auch Gtto Protzen verdient um mehrerer
Blätter willen ehrenvolle Erwähnung. Th. Recknagel
und mehr noch Tini Rupprecht erfreuen durch ausge-
zeichnete weibliche Pastell-Brustbild-Studien in Lebensgröße.
Gustav Croy . .? Non oapisoo! B. M.
In der Weihnachtsausstellung bei Ed. Schulte ist aufs
Neue den verschiedenen Standpunkten mit Geschmack
und Geschick Rechnung getragen. Das Pauptwort führen
dieses Mal die Landschafter, aber auch Figurenbilder und
Stillleben sind gebührend berücksichtigt. Eine neue Anzahl
farbenreicher Naturabschriften hat Karl Vinnen ans
Worpswede entsendet. Sie alle tragen des Künstlers
Wahrzeichen, die Freude an lebhaftem Kolorit, an dein
frischen Lufthauch und der kulturunberührten Stille seines
Moorlandes. Das „Frühlingsweben", der „Moorweg", der
„Stille pof" sind mit des Poeten Gemüth und des Realisten
Naturanlage geschaut. Dankbar genießen wir die Spenden
seines gesunden und sympathischen Pinsels, ohne des Be-
dauerns perr zu werden, daß der weg von Worpswede
nach Barbizon noch ein recht weiter ist. Es ist nicht jedem
Auge gegeben, einen schlecht gemalten Schäfer und seine
schlecht gemalte peerde oder flüchtige Laubkronen der Bäume
zu übersehen. Uns wächst der Naturgenuß, den eine ge-
malte Landschaft bereitet, in dem Maße, als das Stimmungs-
fluidum von der Gffenbarung einzelner Feinheiten begleitet
ist, und Turner, der Vater der Monets und Sisleys, steht
soviel höher über dieser Gefolgschaft, als er gewissenhafter
im Detail und folglich wahrer inalte. Mit feinen stillen,
graugrünen Farbentönen fällt Eggersdörfers „Nondbild"
angenehm trotz seiner Anspruchslosigkeit auf. Auch der
Münchener Paul Lrodel erreicht in einigen Bildern
feinen Stimmungsgehalt durch seine grauen Valeurs.
Keller-Reutlingens vornehme, tüchtige Art erfreut in
dem saftigen Grün und den Sonnenlichtern seines
„Sommers", wie in dein „perbstabend" und einem kleinen
Birkenbildchen von entzückender Feinheit. Bei Wilhelm
Feldmann scheint die Güte der einzelnen Arbeit unter
einer gewissen Massenproduktion zu leiden. Er hat im
Kunstsalon Wertheim gleichzeitig eine Anzahl Bilder aus-
gestellt. In seinen Naturausschnitten liebt er ebenso die
Intensität einer leidenschaftlich veranlagten Seele in
glühenden Pimmeln mit zerrissenem Gewölk und tief-
tönigen Schollen auszusprechen, wie Dämmer- und
Mondschein-Zartheit. Lr scheint uns als Elegiker am
anziehendsten. polzapfel ist am glücklichsten in
seinem „Pafenbild" und zeigt in seinen anderen Land-
schaften bei freizügiger Komposition eine gewisse Nüchtern-
heit. Max Uth beweist seine zeichnerische Genauigkeit
auf einigen belgischen Aquarellen, die Volksszenen charakte-
ristisch schildern. Genicke wie Richard Eschke zeigen
Fleiß, ohne über die Konvention hinauszukommen. Frie-
drich von Schennis wiederholt auf einer Komposition
 
Annotationen