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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 11
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Gustav, Leopold: Münchener Böcklinfeier
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Imhof, Franz: Berliner Kunstschau: Salon Ed. Schulte
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0196

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M .——Die Aunst-Halle -z-—- Nr. ss

in seltenem Wohllaut dahin; aus dem Klagelied wird ein
Lied zum Preise des Meisters. Nachdem die Büste wieder
unseren Blicken verhüllt, spielt das Orchester Beethovens
Nachtgesang. — Dann solgt „Tizians Tod".
Pofmannsthal hat seiner dramatischen Dichtung erst zu
dieser Feier einen Abschluß gegeben, wir erblicken einen
Altar: vor Tizians Pause Bang erwarten seine Schüler
und seine Kinder den Tod des Meisters. Doch zuerst bleibt
die Gruppe regungslos, während pertha Ritter Goethes
„Anakreons Grab" in pugo Wolffs Tondichtung singt.
Ein Bild von eminent malerischer Wirkung! Die Wechsel-
reden zum Preise Tizians könnten auf Böcklin geschrieben
sein. Die von verschiedenen Münchener Bühnen herbei-
gerusenen Akteure schmiegten sich dem linearen Stil des
wiener Neuromantikers manchmal nur tastend an, denn
Pofmannsthals Dichtungen liegen den Ausgaben der
regulären Schaubühne doch noch sern. Doch dies that
keinen Eintrag, um das Ganze als einen seinen künst-
lerischen Genuß zu empfinden . . . Nachdem die poffnung
aufgelebt, daß Tizian am Leben bleibe, sinkt sie rasch
dahin. „Ein neuer Stern blitzt aus, wenn ein alter, müder
Mann in Todesschlas sinkt". Schmerzbewegt nahen alle
dem Sterbezimmer des Meisters. Die Bühne bleibt leer.
Der wiederum unsichtbar gesungene Kinderchor von
Beethoven schloß die Feier. Ungleich seinem Meister
Maeterlinck weiß uns Pofmannsthal den Tod in ver-
söhnender Form ahnen zu lassen, wie Böcklin es selbst ge-
than hat, er, der Schöpfer der Todteninsel!
Leopold Gustav.
X
Müycsteyep Hrüef.
och nachträglich habe ich über einige bemerkenswertste
" Kollektionen im Kunstverein zu berichten. Franz
Grässel brachte wieder einige seiner famosen Enteabilder.
Dieses Mal beweist er zugleich, daß er auch außerhalb des
Bereiches seines Federviehs viel Gutes leistet. Auf einem
Entenbilde ist der landschaftliche pintergrund weiter aus-
geführt und der pauch des Vorfrühlings, der über dem
Ganzen liegt, fein gegeben. „Aus der Mühle meines
Vaters" und die „Schmiede" mit dem eindringenden
Sonnenlicht sind Interieurbilder, die sorgfältigstes Studium
verrathen. Sehr reizvoll ist die eingefrorene Mühle; das
Damenporträt in holländischem Kostüm ist etwas hart in
den Farben; „Schnauzet" ein lebensfrisches Pundeporträt.
— von einem älteren, wenig bekannten Maler Johann
Wilhelm Eordes (^82^—^869) war eine stattliche Zahl
Gemälde und Skizzen ausgestellt. Der in Lübeck geborene
Künstler und Schüler von Schirmer und Lessing verbrachte
seine letzten Lebensjahre in Weimar. Damals sind u. A.
die „letzte Ehre" der Berliner Nationalgalerie entstanden,
piervon zeigt die Kollektion eine Studie; auch Cordes
„wilde Jagd" ist in einer Skizze vertreten. Manches er-
scheint uns heute etwas nüchtern, aber wir verkennen nicht
den eigenartigen Künstlercharakter, der, mit scharfem Blick
für die Natur begabt, das Gesehene mit peinlicher Sorg-
falt gestaltete. In seiner Jugend hat er sich auch mit
pistorienbildern und Schwindscher Romantik versucht, dann
wandte er sich der norwegischen Landschaft zu; er gelangte
bei diesem Studium zu einer für seine Zeit bemerkenswerth
Hellen, sonnigen Farbenbehandlung. Die Kollektion geht
übrigens in das Eigenthum des Lübecker Museums über,
von zeitgenössischen Malern bringt Ed. St epp es in
einer Anzahl Landschaften gleichsam Reflexe eines innig
erschauten Waldlebens. Den Künstler selbst hat Albert
Lang porträtirt. Ls ist ein Bild, das zugleich von starkem

Können, wie von hoher Lharakterisirungskunst Zeugniß
giebt. weniger hoch steht sein weiblicher Akt, dagegen ist
das Bild eines Perri: eine subtil gemalte Leinwand.
Pans von Bartels bringt prächtige Aquarelle und Gel-
bilder. Mir scheint der Künstler iu der Technik noch ge-
wachsen. Auch in den Bildern, in welchen er nicht das
Meer, seine panxtdomäne, malt, sondern holländisches
Genre, Fischhallen, Blumengärtchen und Anderes, ist er
von seltener Frische und Unmittelbarkeit. Technisch virtuos
ist das tobende Meer in Abendbeleuchtung.
Keck zugreikend sind die technisch tüchtigen Landschaften
Emmy Lenbachs; beachtenswertste Parkparthien malt Sally
wiest; freilich wirken die Farben nicht immer glücklich zu-
sammen- Andersen-Lundby zeigt uns diesmal, daß er nicht
nur den winterlichen Wald stimmungsvoll zu gestalten
weiß. Karl Permann Müllers Landschaften haben etwas
von Thomascher Schlichtheit, ohne von jenem Meister ab-
hängig zu sein. Permann partwich bringt zwei sehr intim
gemalte Porträts; diejenigen von Schaltenegger sind noch
unausgeglichen; er ist mehr Draufgänger, wobei ihm
nicht immer das Glück lächelt. Josef Schäfer bringt das
Bild Martin Greifs. Er hat den schlichten Dichter ganz
hübsch charakterisirt, leine Malweise, durchaus ehrlich und
sorgfältig, ist doch etwas nüchtern. Unser unlängst ver-
storbener Gysis ist mit einem subtil gemalten Stillleben
vertreten; diese edle, harmonische Farbengebung ist von
seinen Schülern selten erreicht worden. . . Rudolf Maison
bringt die Statue eines sitzenden Wotan. Obwohl in
schwermütiges Sinnen versunken, liegt etwas erhaben Ueber-
menschliches in der Pallung des Gottes. Es ist ein Werk,
dessen Eindruck haftet; in der Marmorbüste eines perrn
weiß Maison neben technischer Virtuosität flott zu
charakterisiren.
wie aus vorstehendem Berichte zu ersehen, bringt der
Kunstverein z. Zt. viel Gutes und Interessantes. Münchens
Kunstleben ist reich genug, um regelmäßig beachtenswerthe
Werke ausstellen zu können.
Leopold Gustav.
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Hepliyei- ^uyskscstsa.
Salon Ed. Schulte.

ie diesmalige Ausstellung führt den Polländer Nico
w. Iungmann aus volendam beim Berliner
Publikum ein. Den Lesern der „Kunst-Palle" war er schon
vor drei Jahren in einem unserer englischen Kunstbsrichte
mit einer Sonderausstellung, die in London bedeutenden
Erfolg hatte, vorgestellt worden, und es gab sich seitdem
hier der erst jetzt erfüllte Wunsch kund, die eigentümlichen
Arbeiten dieses jungen polländers in Berlin kennen zu
lernen. Unter allen dortigen Archaisten, die ihre hohen
zeichnerisch-koloristischen Mittel dazu verwenden, um als
Söhne der Primitiven des t6. Jahrhunderts zu erscheinet:,
scheint inir Iungmann der frischeste, sympathischeste und
geschickteste. Seine Vollendamer Bauerntyxen, die reizvolle
Gruppe „Junge Mutter und Kindchen", und endlich das
figurenreiche Langbild (mit Lampionbeleuchtung) „Rückkehr
der Pilger von Kevelaer" lassen gerade durch die seltsam
monotone, leise stilisirte Physiognomik der Gestalten das
eckige, gedämpfte Wesen jener holländischen Volkstypen
frappant zum Ausdruck kommen. Iungmann meint es
 
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