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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 12
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Galland, Georg: Wilhelm Lode über die moderne Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0208

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s78

Die Kunst-knalle .

Nr. l2

weder zu den Linen noch zu den Anderen stehen,
sondern dem Guten überall, wo wir es treffen,
huldigen, schmeicheln uns, die heutigen Ideen Bodes
längst vertreten zu haben. Vielleicht minder glücklich
und minder scharf im Ausdruck, aber jedenfalls nicht
minder ehrlich. Lin besseres Resums aller unserer
früheren Artikel „Zur Kritik der Moderne" könnten
wir selber nicht liefern, als sie der gehaltvolle Aus-
satz des verehrten Autors bietet, dem daher die ge-
bührende Aufmerksamkeit zu schenken, uns eine ebenso
angenehme wie lohnende Pflicht ist. Wir thun dies
keineswegs lediglich, um uns den Reiz einer so
eklatanten Genugthuung zu verschaffen, sondern vor
Allem der Lache zu Nutz und Frommen. Doch mag
auch etwas Schadenfreude dabei sein, den Leuten,
die bisher nie daran zweifelten: das „Moderne"
habe auf der ganzen Linie gesiegt, alle Intelligenzen
fänden sich in dessen unbedingtester Anerkennung zu-
sammen, ein Kunstwerk könne — ob schön oder
unschön sei nebensächlich — heute nur mitzählen,
wenn es „modern" aufgefaßt ist, eine Kunstzeitschrift
z. B. für Innendekoration müsse, um heute auf der
vollen Höhe zu stehen, nicht etwa Proben edlen, echt
künstlerischen Geschmacks, sondern Abbildungen von
möglichst übertriebenen und lächerlich unpraktischen
Zimmerausstattungen bringen — ihnen aus dem
Munde des eigenen Führers die Wahrheit ver-
künden, ihnen die rosigen Brillen fein säuberlich
putzen, ihnen die trüben Augen einmal gründlich
auswischen zu lassen. Hoffentlich sind die Folgen
der Kritik so heilsame, wie es das Ansehen des
Kritikers verdient.
Bode geht davon aus, daß es berechtigt sei,
fetzt von der Kunst des lH- Jahrhunderts — analog
der des (Quattrocento oder Cinquecento — als von
einer abgeschlossenen künstlerischen Lpoche zu reden,
die am Schluffe freilich gleichzeitig die Symptome
für die Folgezeit und deren Tendenz erkennen läßt.
Diese Tendenz sei, im Gegensatz zu dem „historischen"
Zuge des abgelaufenen Jahrhunderts, das Bestreben,
eine eigene Bahn zu gehen, sich um Traditionen
u. dgl. so wenig wie möglich zu kümmern. Dieses
Bestreben würde, soll es nicht geradeweg zur Barbarei
führen, nur bis zu einem bestimmten Grade zu ver-
wirklichen sein. Am meisten Aussicht auf Lrfolg
scheint nach der Ansicht des Autors das Kunsthand-
werk bei solchem Vorwärts auf eigener Bahn zu
haben.
Indeß hält Bode die Malerei für die maß-
gebende Kunst wenigstens des fff. Jahrhunderts:
Ihre Lntwickelung liege klar vor uns, ihre
Charakteristik lasse sich so bestimmt geben, wie die
irgend einer schon fern liegenden Kunstepoche. Aller-
dings fügt er einschränkend hinzu, das Urtheil über
viele Maler des letzten Jahrhunderts laute noch
heutzutage verschieden, sie und ihre persönlichen Ver-
ehrer seien noch gewissermassen zu interessirt bei der

Arbeit. Also sagen wir minder zuversichtlich: Die
Charakteristik jener Kunstepoche schwankt noch in der
Geschichte. And wer z. B. nur auf der pariser
Weltausstellung von fsfOO die Zentenarausstellung
der französischen Kunst mit einiger Aufmerksamkeit be-
trachtete, muß überzeugt worden sein, daß nicht
wenige bedeutende Künstler der Zeit und des einen
Landes noch keineswegs die ihnen gebührende Be-
achtung gefunden haben und daß alle bisherige
Geschichtsschreibung, die das fH. Jahrhundert auf
den Wertb seiner Kunst hin prüfte, für später gewiß
ebenso viele Beispiele der Linsicht wie der Ver-
blendung und der Verbohrtheit in verkehrte Grund-
anschauungen darbieten dürfte.
wenn Bode den französischen Kunstgenius an
die Spitze der allgemeinen Lntwickelung stellt, so
kann dies in mehrfacher, doch nicht in feder Be-
ziehung als richtig unterschrieben werden. Weniger
begründet scheint mir die Charakteristik der neueren
französischen Malerei als ausgesprochen eigenartig,
modern und national, d. h. wohl als mit der aus-
ländischen Malerei verglichen im höheren Maße so
geartet. Die zweifelsohne nationale Kunstgesinnung
auf dem pariser Boden sei ohne Weiteres zuge-
standen, doch über die Frage der höheren Ligenart
und des Ansehens des dort Modernen ließe sich
streiten. Ja, mir scheint es bei jedem folgenden
pariser Aufenthalt immer deutlicher, daß hier, neben
modernen Strömungen, die überdies im Ausland
viel mehr als an der Seine beachter werden, ein
eminent konservativer Zug so bestimmend für den
ästhetischen Geschmack sehr großer Kreise, für das
öffentliche Kunstleben hervortritt. Lin Besuch der in
Frankreich noch immer hervorragendsten modernen
Sammlung, der Luxembourg-Gallerie, lehrt es in der
That Jeden, der sehen will, wie die als „modern"
bezeichneten Richtungen selbst heute noch in der
französischen Hauptstadt im Hintergründe stehen.
Sie scheint gegen deren Hochkommen ein Palladium
in der niemals unterdrückten Verherrlichung der
formalen, der femininen Schönheit stets besessen zu haben.
Ls giebt keinen Grt in der ganzen Welt, der für so
modern gehalten und dabei stets so konservativ war,
wie Paris.
Auf der letzten Weltausstellung sah man in
mehr als dreißig französischen Sälen unter Tausenden
Gemälden kaum ein Dutzend pointillistisch oder
ähnlich behandelte Freiluft - Landschaften. Unser
Autor ist nicht entzückt von dieser Richtung; nament-
lich im Bildniß findet er den pleinairistischen Ge-
danken unstatthaft: „Die wie im Nebel gesxenster-
haft erscheinenden Porträtgestalten eines Carrisre,
die beim grellen Schein des Kaminlichtes oder der
Lampe gemalten Bildnisse eines Besnard sind
jedenfalls Absonderlichkeiten, die keine Berechti-
gung haben, da sie die Anforderungen an das
Porträt theilweise stark beeinträchtigen."
 
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