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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 12
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Galland, Georg: Wilhelm Lode über die moderne Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0209

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Nr. f2 -—Die Run st-Halle - N9

„Diese Richtung der Malerei", fährt er fort,
„hat überhaupt den Nachtheil, daß sie die Zeichnung,
die Form sehr vernachlässigt, indem sie dieselbe nur
ganz unbestimmt in den: flimmernden Licht zur Er-
scheinung bringt. . . . Doch hat sie in der Malerei,
wenn wir auch noch nicht beurtheilen können, wie
weit sie etwas bleibend Bedeutendes leisten wird, ihre
Berechtigung, da sie mit rein malerischen Mitteln
arbeitet. Wem: wir aber die Elastik jetzt vielfach
Aehnliches anstreben sehen, so ist diese Richtung hier
gewiß eine verfehlte, da die Gesetze der Plastik andere
sind, wie die der Malerei, und von dieser nicht un-
gestraft vergewaltigt werden. Wenn die modernsten
Bildhauer ihre Büsten, ihre Statuen, gleichgiltig ob
sie in Marmor oder Bronze, behandeln, als ob sie
flüchtige Skizzen in Thon wären, so versündigen sie
sich in gröbster Weise gegen das Material; wenn sie
den Marmor nur anlegen, als ob man die Gestalt
oder Büste in der Ferne, von Licht umflossen, vor
sich sähe, wenn sie die Bronze rauh und pockennarbig
erscheinen lassen, als ob sie Eisenschlacke wäre, so
vergessen sie, daß ein Hauptreiz der Marmorarbeit
in der Politur und im warmen Ton liegt, die sie
dem lebenden Körper nahe bringen, daß der Glanz
der Patina bei der Bronze wieder andere Lebens-
erscheinungen besonders anziehend wiedergiebt."
Noch schärfer als über die „motiv- und form-
lose Malerei der modernsten farbigen Nnturalisten"
spricht sich der vorliegende Aufsatz über die gegen-
sätzliche Richtung der „Stilisten" und „Symbo-
listen" aus, wiewohl diese nach strenger Form,
Komposition und gedanklichem Inhalt streben. Ihren
Werken mangle es gewöhnlich an Frische und
Naivität; statt dessen finde man Gesuchtheit, Un-
verständlichkeit und — Stillosigkeit. Bode geht in
der Ablehnung dieser Richtung viel weiter, als wir
jemals zu gehen Anlaß sanden. Jeder der Herren
Stilisten suche, um originell zu erscheinen, seine
eigenen phantastischen Ideen zum Ausdruck zu bringen,
möglichst absonderlich. Jeder möchte seinen „privat-
stil" haben, „während doch der Stil gerade das un-
gesuchte Ergebniß der ganzen künstlerischen An-
schauung einer bestimmten Zeit ist." Heute komme
es manchmal vor, daß ein Künstler dasselbe Motiv
abwechselnd in „naturalistischer" und „stilisirter"
Behandlung gebe; und er rede sich dabei ein, be-
sonders wohl und weise gethan zu haben.
Dann heißt es weiter: „So formlos und ver-
schwommen die Malerei der Naturalisten ist, so unklar
und wüst sind meist die Ideen in den Bildern der
Stilisten. Allegorische, symbolistische und selbst
biblische und mythologische Darstellungen sind nur
dann erträglich und berechtigt, wenn ihr Inhalt zu-
gleich Gemeingut der Beschauer ist, wenn er sofort
Jedem verständlich ist und ein Ausdruck der An-
schauungen und Empfindungen der Zeit darin ge-
geben wird." An Stelle der alten Begriffe und

alten Symbole, welche aus einer naiven Anschauung
der Natur früher sich gebildet haben, sei neuerdings
nichts gleich Sinnvolles gesetzt worden. „Halb todte
Begriffe verbinden unsere Symbolisten mit der
eigenen zügellosen Phantastik und glauben, gerade
in den Räthseln, die sie dem Beschauer aufgeben,
liege der Reiz oder gar der Werth der Kunst" . . .
Die ganze Richtung fuße auf der der englischen
praeraffaeliten, die „auch nur eine gesuchte, künstlich
anempfundene Nachahmung einer bestimmten Richtung
der italienischen Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts"
sei. Mit diesen englischen praeraffaeliten theilen die
modernen Symbolisten „die Unwahrheit und das
Gezierte in der Empfindung, die gesuchte Gebunden-
heit in der Form, die versteckte, greisenhafte Sinnlich-
keit unter der Maske herber Keuschheit." Nomina
sunt ocliosu. Es wäre aber höchst interessant, hier
etwa die Namen Moreau, Khnopff, Henri Martin,
Ludwig von Hoffmann zu lesen, um nur die meist-
genannten zu erwähnen . . . Andererseits möchte
man wohl gern von dem Autor, der da generell
urtheilt: „Unsere prosaische und kritische Zeit hat
aber die alten Begriffe, die alten Symbole über den
Haufen geworfen; sie glaubt nicht mehr an die
phantasievollen Borstellungen, die eine kindlich naive
Anschauung der Natur von ihren Kräften und
Mächten sich gebildet hatte, aber sie hat nichts
dafür an die Stelle gesetzt" — hören, wie er sich
zu Künstlern wie Schwind, Böcklin, Thoma stellt.
Noch absprechender lautet Bodes Urtheil gegen
die stilisirenden Maler in den folgenden Sätzen:
Mit den Naturalisten haben diese Künstler vielfach
die ganz unbestimmte, formlose malerische Behand-
lungsweise gemein ... sie verkennen auch nicht,
gleich jenen, die Bedeutung des Materials für die
künstlerische Wirkung. Dem skizzenhaften, nur die
malerische Erscheinung andeutenden Streben wfierer
Modernen entspricht das Zurückgreifen auf die
Pastellmalerei, deren oberflächliche Behanölungsweise,
deren Helle, unbestimmte Wirkung auch auf die Gel-
malerei übertrageil wird. Dadurch ist der Eindruck
des Materials in den Gemälden vielfach nicht nur
ein falscher, sondern zugleich ein sehr unerfreulicher.
Waren die Bilder aus den ersten Jahrzehnten des
Jahrhunderts durch ihre blecherne, todte Farbe ab-
stoßend, so sind die modernen Bilder durch die
kreidige, erdige Wirkung ihrer Hellen, bunten Farben
kaum weniger unerfreulich .. . Alle großen Maler
der Vergangenheit haben nicht durch Schmieren
und Patzen, nicht durch Mauern und Versaußen
deil Reiz ihrer Malerei erzielt, sondern durch die
Schönheit der Färb eil als solche, die sie durch
sorgfältigste Bereitung und Mischung, durch eigen-
artigen Auftrag und Behandlung zu erzielen wußten.
Ein Gemälde, dessen Farben unerfreulich, dessen
Lichter grell oder dessen Schatten schwer und un-
durchsichtig sind, ist kein volles Kunstwerk, und mag
 
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