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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 12
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Meyer, Bruno: Berliner Ausstellungen
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0216

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(86

4- Die Aun st-Halle -4

Nr. (2

Ls begreift sich, daß in der heutigen Zeit der
Skizzirwuth das Interesse der so recht „Modernen" sich
mit Vorliebe den Beckerschen Skizzen und Studien zu-
wendet; und möchten sie nur recht gründlich angesehen
werden! Diese Generation wußte noch, daß die Skizze
mit völliger Unterordnung der Mittel der Festlegung des
Motivs zu dienen hat. So drängt sich denn hier auch
nirgend das Farbenmaterial, die Pinselführung, der
Duktus des Stiftes vor: Ueberall steht die Erscheinung
mit treffender, aber nicht einseitiger Betonung des Haupt-
interesses an dem Gegenstände rein in der vorderen Linie.
Daher auch wirken diese Blätter selbst bei der größten
Flüchtigkeit der Darstellung schon bildmäßig, beinahe fertig,
man kann sich jedenfalls bereits das Bild vorstellen, das
daraus etwa werden möchte.
Noch eine beiläufige Bemerkung! Der nochi mmer
strahlend reizvolle „venetianische Karneval", durch
Milsters vorzügliche Lithographie allgemein bekannt, zeigt
auch schor: starke Sprünge in der Farbenschicht. Möchten
doch all solche retrospektiven Ausstellungen, die an der-
gleichen Erfahrungen ja leider nur zu reich zu sein pflegen,
den Ansporn geben, daß der erprobten Solidität des Mach-
werkes von allen Seiten wieder die gebührende Aufmerk-
samkeit geschenkt wird. Ls ist doch gar zu elend, daß die
Werke der hohen Kunst, die für die „Ewigkeit" geschaffen
sein sollten, durch Vernachlässigung des Handwerkes zu
solcher Lintagsblüthe herabgekommen sind.
Nicht unerwähnt bleiben darf das höchst ansprechende
und charaktertreue Bildniß des Heimgegangenen von Lrnst
Hildebrand. —
Von dem noch Uebrigen im Künstlerhause kann man
sehr kurz sein. Manches mag man ganz gern sehen. Mit
Ausnahme der packenden Figur des Galeerensträflings sind
die Sachen, mit denen hier die Erinnerung an Julius
Schrader belebt wurde, recht minderwerthig. Lin anderer
Todter ist Franz Heynacker, der überraschend verschieden
ist, aber in einigen Zeichnungen und Porträts wenigstens
zeichnerisch genügt, dagegen mit seinen nazarenisch-praeraffae-
litischen religiösen Bildern herzlich dürftig wirkt, trotz der
überall ausgewandten Sorgfalt des Details. Unter den
Lebenden interessirt Georg Müller-Breslau mit einer um-
fassenden Sammlung von Gemälden und Entwürfen jeden-
falls am meisten; feine Figuren lassen freilich zu wünschen
übrig, aber in den Landschaften, Motiven aus dem Riesen-
gebirge und von der Riviera, erfreut durchweg die Poesie
des Farbenlebens der Natur. Die Landschaften aus der
Mark und aus Sizilien von woldemar Friedrich, der auch
ein paar dekorative Entwürfe und Studienköpfe hinzufügt,
bieten Einzelnes von Belang. Zwei Seestücke von Karl
Leipold wirken fein im Ton, aber stofflich minder günstig.
Von Fritz Behrendt, Berlin, ist eine ganze Sammlung
von sommerlichen Naturschilderungen vorhanden.
B. M.
Im Vorderraum hat Herr Baumeister Becker, Grune-
wald-Berlin, eine Malerei „Venus und Adonius" als
echten Rubens ausgestellt. In einer Schrift erklärt er die
auffälligen Mängel des Bildes als Eigenschaften des
Jugendstiles des Meisters. Das ist eine thörichte Er-
klärung. weder ist die quammig-quapxige Venus schon
das Ideal des in Italien weilender: jungen Rubens ge-
wesen, noch ist diese reife vlämische Landschaft — übrigens
das Beste auf der Leinwand — in jungen Jahren gemalt

worden. Die Trivialitäten und Verzeichnungen lassen
eine Gehülfenhand erkennen (vielleicht die des v. wolfvost
oder Erasmus Ouellinusst die das Origenal jener Gruppe
oder eine Originalskizze des Meisters in freier weise
kopirte.
III. Salon Gur litt.
Bei Gurlitt sind zum ersten Male ausgestellt die
Werke des Malers Richard Guhr-Berlin. Die Sachen sehen
aus, wie wenn sie ein hochgradig Kurzsichtiger gemalt
hätte, der jede kleine Form in nächster Nähe für sich sieht,
aber nicht den geringsten Ueberblick über einen größeren
Formenkomplex gewinnen kann. Dabei scheint das ge-
sucht zu sein; denn der biedere Grenadier, den er uns
u. A. schildert, ist in der Zeichnung (Studie) ganz er-
träglich, während im Gemälde Kleinigkeiten hineingebracht
und ein Ton durchgeführt ist, daß man an karikaturistische
Absicht denken könnte. Hoffentlich zeigt der Künstler bald
Abgeklärteres.
Aehnlich absichtlich muthet auch Manches in den
Landschaften von Franz Hoch-München an. Dagegen ver-
mittelt uns die Ausstellung des weiteren zwei sehr inter-
essante Bekanntschaften. Karl O'Lzmch von Town-Graz
beherrscht in seinen (etwas gleichförmigen) Landschaften
einen stellenweise fast an das Großartige streifenden
Stimmungston, ohne — trotz sehr breiter Massenbehandlung
— in die Unarten des „modernen" Manierismus zu
verfallen.
Line höchst beachtenswerthe Erscheinung ist sodann
Richard Fehdmer-Antwerxen, der eine beträchtliche Anzahl
zum Theil imposant großer Aquarelle ausgestellt hat. Er
beweist in ihnen malerischen Blick für das Kleine wie für
das Große, ungewöhnlich markige Technik, virtuosen Vor-
trag, der auch dem Detail zur Wirkung verhilft, und
somit Alles in Allem eine mächtige Gesammtwirkung.
wollte man auf Einzelnes eingehen, so wäre beinahe
jedes einzelne Bild irgendwie erwähnenswerth. Am be-
zeichnendsten vielleicht für feine ganze Art ist der (respek-
tabel große) „Gartenwinkel".
Frau Louise Begas - Parmentier, Berlin hat zu der
Ausstellung einige neue Aquarelle und Lithographien bei-
gesteuert, die recht erfreulich anmuthen. Der technischen
Erziehung der bedeutenden — namentlich Fern- —
Wirkung wegen verdient ein in einfacher Federzeichnungs-
manier dargestellter Liliensternkegel hervorgehoben zu
werden. B. M.
X
Aunstchromk
* Berlin. Für die Eröffnung der neuen akade-
mischen Hochschule für die bildenden Künste kann
der ursprünglich in Aussicht genommene Termin, der
Oktober d. I., nicht innegehalten werden. Zu diesem
Zeitpunkt sollen nur die bisher in der Straße Siegmunds-
hof befindlichen Meisterateliers nach der Hardenberg-
straße verlegt werden. Die Eröffnung der Hochschule wird
erst am t- April tZ02 erfolgen. — Unter der Rubrik
„Kunstmarkt" berichten wir von einer Versteigerung des
künstlerischen Bestandes des Salons Fritz Gurlitt in der
Leipzigerstraße. Die für das Berliner Kunstleben dauernd
von großer Bedeutung gewesenen Ausstellungen dieses
Salons, dessen Verdienste unvergessen bleiben dürften,
werden zwar aufhören, doch verbleibt die rühmlichst be-
kannte Firma als Kunstverlagsgeschäft, und es ist zu
 
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