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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 13
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Galland, Georg: Die Berliner Geschichtsmalerei vor Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0231

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Nr. (3

Die Aun st-Halle

Und das hätte ein Menzel, wäre er 50 Jahre
früher an die Arbeit seiner sriderizianischen Dar-
stellungen gegangen, auch sicherlich gekonnt, früher
wie später. Später hatte er bekanntlich erst, gleich
einem Gelehrten, alle erhaltenen Dokumente des ver-
flossenen Zeitalters in ihren verstecken aufstöbern
müssen. Lin erheblicher Theil seiner Vorarbeit wäre
ihm erspart geblieben, ohne daß ihm dadurch die
künstlerische Lösung seiner Aufgabe unmöglich gemacht
worden wäre. Ls wäre wohl auch seltsam, wenn
große Ereignisse immer nur aus geringwerthige
künstlerische Zeugen gestoßen sein sollten. Hat nicht
z. B. ein Alfred Nethel den Eindruck der Revo-
lution von (8fl8 in seinem berühmten Todtentanz un-
mittelbar sestgelegt; hat nicht der große Rembrandt
in seiner sogenannten Nachtwache eine Amsterdamer
Schützenabtheilung in Bewegung und der Spanier
velasquez ein anderes Zeitereignis die Uebergabe
von Breda, gemalt — Darstellungen, die nicht nur
„Historien", sondern vor allem echte Kunstwerke sind?
Zugleich lehren die zuletzt erwähnten Beispiele,
daß die moderne Historienmalerei nicht so neuen
Datums ist, wie viele glauben. Zn Italien wurden
bereits im (6. und im (7. Jahrhundert Schlachten-
szenen und Belagerungen von vasari und Salvator
Rosa, in Frankreich im (7. Jahrhundert von van Loo,
Lebrun, van der Meulen, in den Niederlanden damals
von Pieter Snayers u. A. gemalt. Ls gab also schon
zur Zeit der Renaissance nicht wenige Historien- und
Kriegsmaler, die man zu den deutschen Kriegsmalern
der eben verflossenen Epoche in parallele setzen kann.
Um so auffälliger, daß das (8. Jahrhundert in
dieser künstlerischen Richtung sich so unbedeutend be-
thätigt hat. Friedrich II. und seine Kriegsersolge
wären freilich dazu angethan gewesen, die schaffenden
Kunstkräste zu entflammen. Aber andererseits war
es bekanntlich gerade dieser so weitsichtige große Fürst,
der, weil er das geringste Maß von Achtung für
deutsche Kunst empfand, die heimischen Talente lähmte.
Seine französisch verfaßte Abhandlung: ,,vs la
IckttürLtnro ckcklkinanäs (1780)" zeigt außerdem, wie
absprechend er über die poetische und historische
Litteratur seines Volkes in: Allgemeinen urtheilte.
Ulan weiß auch, welche Abneigung er hatte, den
Künstlern zu einem Bildniß zu sitzen. Ihre Studien
der Person des Monarchen mußten sie z. B. bei einer
Parade oder beim Manöver machen, wenn sie sich
nicht aus flüchtige Erinnerungen verlassen wollten.
Der alte Schadow, der bekannte Bildhauer, er-
zählt in seinem Buche „Kunstansichten" — einer
Selbstbiographie, die erst (8§A herauskam, daß die
jungen Künstler im Mai (780 früh Morgens mit
den ausrückenden Soldaten zum Thore hinaus-
spazierten; sie sanden da lebende Wouwermans d. h.
also wirkliche Szenen, die an Gemälde lvouwermans
erinnerten. „Die gelben Reiter u. A. kampirten im
Freien. Thodowiecki nahm da seinen König, und es

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ist das Blatt: der König zu Pferde im Profil, das
beste, was die totale Erscheinung wiedergiebt. Der
alte Ziethen nahm den zweiten Rang rc." Zn Er-
mangelung besserer Bildnisse des alten Fürsten hat
Thodowiecki's Reiterkontersei Friedrichs ll. später-
mehrere Künstler sichtlich beeinflußt. Aber diese Un-
gunst der Verhältnisse bezüglich künstlerischer Studien
erklärt das niedrige Niveau der Berliner Historien-
malerei bei Lebzeiten des Königs doch keineswegs.
Mehr überhaupt die Thatsache, daß danmls an aus-
giebigen heimischen Talenten überhaupt Mangel war.
Bernhard Rode, geb. (725 in Berlin, Daniel
Thodowiecki, geb. (726 in Danzig und allenfalls
noch Frau Anna Dorothea Therbusch, geb.
Liszewska, geb. (72( in Berlin, möchte ich die nam-
haftesten Kräfte nennen, die sich hier in Historien
versucht hatten. Auch lag das herrschende Uebel an
dem geradezu kläglichen Zustand der Akademie der
Künste, die unter dem Franzosen Lesueur nichts
weiter als eine Zeichenschule bedeutete. Hierin hatte
auch nach dem Tode Lesueurs (783, die Berufung
des Berliners Rode an die Spitze der Akademie zu-
nächst garnichts ändern können; vielleicht hat sie nur
das Selbstgefühl der heimischen Künstlerschast
moralisch zu stärken vermocht.
Kurz vor seinem Tode erwies Friedrich der
Akademie noch die lvohlthat, daß er dem schwer-
geprüften Institut in dem Minister Freiherrn von
Heinitz einen thatkräftigen, vielmögenden Kurator
gab. Heinitz soll es gewesen sein, der die Künstler
sogleich nachdrücklichst aus die dankbaren vater-
ländischen Stoffe hinwies und durch dessen Förderung
die erste akademische Kunstausstellung noch im Todes-
jahr Friedrichs des Großen, (786, beginnen konnte.
Zn das damals verbesserte alte Reglement der
Akademie wurde u. A. die Abhaltung von Kunst-
ausstellungen als eine dauernde Einrichtung in
Berlin ausgenommen. Ivie Gottfried Schadow und
die zeitgenössischen Bildhauer seit diesem Zahre ((786)
unaufhörlich an der monumentalen Verherrlichung
des gestorbenen großen Königs arbeiteten und ihre
plastischen Modelle und Entwürfe zu einem Friedrichs-
den km al aus die Ausstellungen schickten — so haben
gleichzeitig die Maler die Thaten, die Siege, die
Tugenden Friedrichs in Bildern, manchmal noch
allegorisch, zumeist aber realistisch, vorgesührt.
And für die, welche persönlich jene Glanzzeit Preußens
nicht miterlebt, kam bald eine wichtige anregende
(Quelle hinzu, aus der sie die Kenntniß der sriderizi-
anischen Kriegsepoche mit allen Details schöpfen
konnten: nämlich die von Archenholz verfaßte
„Geschichte öes Siebenjährigen Krieges", die (78s)
im Berliner Historischen Taschenbuche und vier Zahre
daraus erweitert, zweibändig, erschien.
(Ein zweiter Artikel folgt.)
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