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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 21
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Juanita: Die Pariser Salons, 2
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sprechenden Talents und offenbart darin ein un-
streitiges Streben nach Wahrheit. Das gelbliche
Kolorit der Luft und des Wassers ist nicht an-
sprechend, die Einheit der zu großen Komposition
läßt vielleicht zu wünschen übrig. Welche Sicherheit
aber, welche Individualisirung in der Behandlung des
im Wasser watenden Mannes zu Pferde, des andern
sich bückenden Fährmannes und der Gruppe der
Pferde im Hintergrund! Hierher gehören die Bilder
des alten Liebhabers der Landleute, Jules Breton,
des Meisters, der noch immer an.der Spitze seiner
Kunst steht und der gemäßigten Abendbeleuchtung
treu bleibt. „Das Heu" und „Das Unkraut" stellen
zwei kräftige Sennerinnen in halber Lebensgröße
vor. Der sichere Pinselstrich, die kraftvolle Zeichnung,
die markige Haltung der Gestalten sind ansprechend
und ausgezeichnet wie immer bei diesem Meister.
Viel Treffliches bietet uns die Sitten- und
Genre-Malerei. Ehre gebührt vor Allem dem
Maler Joseph Bail, der dieses Jahr seine blanken
Kupferkessel vernachlässigt, um uns in seinem Bilde
„Ts Kepos äes Kervantss", ein Stück Leben vor die
Augen zu führen. Voriges Jahr schon in seinem
Aschenbrödel, dieses Jahr noch mehr zeigt der
Künstler, was er leisten kann, wenn er sich mit dem
Leben noch vertrauter macht. Drei Frauen in
holländischer Tracht mit weißen Hauben und weißen
Kleidern sitzen an einem mit Silbergeschirr weiß ge-
deckten Tisch, ein grünlicher Lichtstrahl fällt aus den:
Fenster links auf die reizenden Gesichter. Kolorit,
Zeichnung, Gruppirung, alles ist vortrefflich an
diesem Stimmungsbilde, dessen Behandlung an den
Künstler Thardin erinnert, dein Bail so große Be-
wunderung zollt.
Als echte Stimmungsbilder erwähnen wir von
Discrö Lucas, dem Maler der Hüttenbewohner der
Bretagne, Ts Könöclloits und TiöZenäe Lretomw,
in denen die naive Frömmigkeit dieser einfachen
Menschen vorn Maler in sympathischer weise durch
fein beobachtete Licht- und Schatteneffekte hervor-
gehoben wird.
Eine ähnliche Wirkung erzielt der Maler Henri
Royer mit seinem Interieur „Tg. 8onpo", ein ge-
mächliches, einfaches Bild mit reizender Beleuchtung
in dem Halbdunkel der Abendstunde. Diese Maler
haben ihre Bilder mit Liebe gemalt und verstehen ihre
Kunst. In ärmlichere Umgebung versetzt uns Geoffroy
mit seinem Bilde „Dö8 KsschnsZ", in dem er uns die
vom Schicksal nicht verwöhnten ergebenen Armen
anschaulich auf die Leinwand führt. Mit Meister-
hand sind die verschiedenen physionomien mit ihrer
naiven Lebensxhilosophie gezeichnet und gemalt, um
so bewunderungswürdiger, da der Maler in den-
selben Grundton des Kummers und der Armuth eine
große Mannigfaltigkeit gelegt hat.
Zwei Maler, Laparro mit seiner spanischen
Heilkrautverkäuferin, Taro - Delvaille in seinen
Bildern „Ts Dlls" und „la NLnneuro" stehen ihrem
Stoffe kalt gegenüber, geben aber durch die scharf
abgezeichneten Umrisse, die gelbliche Beleuchtung,
das unverschönerte Kolorit, den realistischen Eindruck
eines Manet, jedoch stört nichts Häßliches die Be-
handlung.
Hier sind wir weit von Aman-Jean entfernt,
der in Louis Ridel einen treuen Anhänger hat,
der sich aber von seinem Vorbild nicht beherrschen
läßt. In seinem Bilde sieht man in der
röthlich blauen Abenddämmerung zwei röthlich blau
gekleidete reizende Frauengestalten am Ufer eines

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zu blauen Wassers ein sich entfernendes Schiff mit
ihren Blicken verfolgen. Die Hingebung, die schmerz-
liche Haltung sind richtig wiedergegeben, wenn auch
nur angedeutet, die Behandlung des Bildes ist die
eines feinen Koloristen würdig.
Mangel an Raum zwingt uns, viele andere
gute Bilder unbeachtet zu lassen und zu den Porträts
überzugehen, die hier wie immer die größte Mannig-
faltigkeit der Auffassung und der Behandlung an den
Tag legen. Nie war Bonnats Pinselstrich sicherer,
nie die Auffassung einfacher, tiefer durchdacht, als
in dem Bilde des Präsidenten Loubet, dessen Aehn-
lichkeit sehr besprochen wird. Der Maler hat sein
Modell genauer beobachtet als wir und gewiß einen
bestimmten Ausdruck der Physiognomie des Präsidenten
mit dem ihr eigenen Kennzeichen in seiner charakte-
ristischen weise wiedergegeben.
In seinem Bilde des Papstes Leo XIII. hat
Benjamin Tonstant es verstanden, sein glänzendes
Kolorit zu dämpfen, um es dem kalten, blassen
Antlitz des Prälaten anzupassen. Es fehlt dem
Bilde vielleicht an jener psychologischen Tiefe, an
die uns der Künstler gewöhnt hat- vielleicht ist der
Lichteffekt auf dem durchsichtigen Gesichte gesucht, um
den ironischen Ausdruck, den er dem Prälaten ver-
liehen, hervorzuheben; die Behandlung des Kolorits
jedoch vom Purpur bis ins Röthlichgelbe übergehend
ist meisterhaft. In dem großen Brustbilde der
Königin Alexandra von England (das gemalt wurde,
als sie noch Prinzessin von Wales war) zeigt uns
der Künstler die psychologische Auffassung einer
Physiognomie, nicht ganz die Apotheose der Königs-
würde wie bei den: im vorigen Jahre ausgestellten
Bilde der Königin Viktoria, in der aber die Vor-
nehmheit der Fürstin bei der rafsinirten Behandlung
der durchsichtigen Fleischtöne, der Uebereinstimmung
der Farben der Kleider des Geschmeides glänzend
hervortritt.
Nie vielleicht seit seiner Jugend hat sich der
83sährige Meister Hebert als größerer Künstler er-
wiesen, als in den zwei bezaubernd schönen kleinen
Porträts in halber Lebensgröße, die er dieses Jahr
ausstellt. Die Zartheit der Behandlung, der
Modellirung ist von keinem anderen lebenden Maler
übertroffen. In dem aus grünlichblauen Hinter-
gründe hervorleuchtenden Gesiebte des grün ge-
kleideten vornehmen Mädchens, in dem herrlichen
schwarzlockigen, dunkeläugigen Kinderköpschen fühlt
man eine solche Fülle der durchdachtesten Be-
obachtung, ein solches Studium der Licht- und
Schatteneffekte, daß man nur bewundernd dastehen
kann und dem Maler dankbar sein muß, daß er es
gewagt hat, dem vor einem halben Jahrhundert vor-
herrschenden Olair-odseur zu huldigen.
Henner nennt Porträt eine auf der Seite
liegende nackte Frauengestalt, deren Profil im
Schatten ganz verloren ist. Herrlich wie immer sind
die warmen Fleischtöne dieses blendend verführerischen
Körpers, herrlich die Lichteffekte, das mysteriöse
Halbdunkel des Hintergrundes, denen der Künstler
einen uns bekannten, nie uns ermüdenden Reiz ver-
leiht. Etwas Neues zeigt er in dem andern Bilde,
dem farbensatten Profil eines rothhaarigen, schwarz-
gekleideten Mädchens, das sich auf dem türkisblauen
Hintergrund (der zu viel Raum einnimmt) scharf ab-
zeichnet.
Erwähnen wir neben diesem Meister, des Reich-
thums der Farben wegen, Roybet, dessen seit
einigen Jahren wachsender Ruhm jedoch nicht auf

Die Aun st-Halle
 
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