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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 21
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Juanita: Die Pariser Salons, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0377

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Nr. 2f

so festem Boden haftet. Zeine Gelehrten, die, nach
dem Reichthum der Kleidung im Stil Ludwigs XI ll.,
welcher der Maler so sehr zugethan ist, zu urtheilen,
sehr eitel sind, die kecke Auffassung und fette
Ausführung des Porträts eines bekannten Journalisten
wirken packend. Die Modelle erwarten, daß ihre Bilder
eher in einer Galerie Platz finden, als in dem Kreis
ihrer Familie.
Lin gutes Männerporträt giebt uns Andre
Brouillet mit dem Bilde des Herrn G. Griard,
des Rektors der pariser Universität, in vollem
Ornate. Zinnreich ist die Auffassung des ernsten
und doch sanften Gesichtes dieser bedeutenden persön-
lichkeit; kein störender Ton, kein greller Lichteffekt
schadet der trefflichen Leistung. Lin anderes, ebenso
einfach aufgefaßtes, durchdachtes Bild liefert der Maler
Bordes in dem Porträt des Herrn Paul Laffitte,
in welchem er die lebendige Physiognomie und
natürliche Haltung, den geistreichen Kopf des Denkers
auf die Leinwand wirft. Der Maler und der Be-
obachter sind gleich lobenswerth.
Aimö Morot, den wir als Geschichtsmaler
kennen, zeigt in der Behandlung eines ausgezeichneten
Frauenporträts die Fertigkeit und Virtuosität eines
echten Porträtisten, den die akademischen Ztudien
nicht zum Nachahmer seiner Meister gemacht haben;
trefflich sind die Fleischtöne, das Atlaskleid, der graue
Mantel ausgeführt.
Tosson, ein jüngerer Maler mit modernen
Tendenzen, zeigt eine stehende, schwarz gekleidete
junge Frau, im Profil gesehen, in einer weitläufig
angegebenen Landschaft; hier ist der englische Lin-
fluß nicht zu verkennen.
Torrn on stellt ein packendes Bild einer merk-
würdigen, nicht schönen Frau aus, das er Vorträt
äe -leanim nennt, die zugleich fette und geschmeidige
Malweise, die violetten und grünlich grauen Farben
zeigen einen Meister der Technik und des Kolorits.
Lrwähnen wir noch Thabat mit seinem Bild-
niß der Gemahlin des französischen Gesandten in
Konstantinopel, Mr. Tonstans (dem von weißem
Haar umgebenen, durchsichtigen Antlitz hat er einen
großen Reiz verliehen) und Dich en ard, der eine
den Malern von Montmatre sehr bekannte Persön-
lichkeit, Madame Matru, und ein ausgezeichnetes
Bild seines Vaters auf sehr individuelle Weise ge-
malthat. Ferdinand Humbat, der im vergangenen
Jahre die Lhrenmedaille davontrug, stellt dieses
Jahr das Bild des Kommandanten Marchand (schon
in einer Privatausstellung gesehen) aus, aber Haupt-
sächlich das Doppelbildniß zweier jungen Mädchen
in einem englischen park, das gewiß zu den vor-
nehmsten Zchöpfungen des Malers gehört. Die voll-
kommene Zeichnung, die reizende Ztellung, die
durchsichtigen, zarten Farben der Kleider, der bläulich
dunstige Hintergrund, die vornehme Einfachheit, alles
erinnert an Gainsborough und Lawrence.
Demselben altenglischen Einfluß huldigt Paul
Albert Laurens, der älteste Zohn des Präsidenten
der Lnoiötö (les Lea.nx-^vts. Der Maler hat an
dem Bild seiner reizenden jungen Frau auf einer
Gartenbank in halb sitzender, halb liegender Ztellung
mit Liebe gearbeitet; sie trägt ein lose anliegendes
weißes Kleid mit gelblichem Umhang, der violette
Hintergrund hebt die Durchsichtigkeit der Fleischtöne
hervor und vollendet den namenlosen Reiz dieser
harmonischen Zchöpfvng.
wir haben schon Frl. Delasalles Porträt er-
wähnt, wir verdanken andere ausgezeichnete Bilder

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anderen Malerinnen: Frl. Watkins giebt ein feines,
originelles Bildniß eines Mädchens in der Tracht,
die unter Louis Philipp Mode war; Fr. Z. Fon-
taine erfreut uns mit einem graziösen, feinen Bilde
eines jungen stehenden Mädchens in schwarzem
Zammetkleide; besonders heben wir eine Gruppe
von vier großen Kindern hervor, in der Fr. Mar-
guerite Godin ein individuelles, ausgezeichnetes
Talent an den Tag legt.
Mir müssen die Bilder der bekannten Porträt-
maler mit Schweigen übergehen. Z. Lefsvre,
Berne Bellecour, L. Fournier, Zacquet und
so viele Andere offenbaren keine neue Zeite ihrer
unstreitbaren Fertigkeit. —
Alle Stimmungen der Zeele, alle Eindrücke, die
die ewig wechselnde, immer anziehende Natur auf
den sie liebenden Beobachter macht, thun sich in den
vielen Landschaftsbildern kund, von denen wir leider
nur die hervorragendsten erwähnen können; eine
gewisse Monotonie ist hier obwaltend, da die An-
beter der Natur zu zahlreich sind, um etwas ganz
Neues zu leisten. An der Spitze der älteren Meister
steht Harpignies mit seiner Einfachheit und Kraft;
ihm gehen die Bäume in ihrer Pracht über Alles,
ihre schönen Linien sind die Motive seiner zwei
Baumgruppen, die eine in der Bretagne, die andere
in Menton gemalt. Himmel, Wasser, Hintergrund
sind Nebensachen und dienen nur dazu, die Schönheit
der edlen Riesen hervorzuheben.
Neben ihm steht Pointelin mit seiner düsteren
Auffassung, tiefen Empfindung dec Thaleinsamkeit;
kein Zeichen des Lebens, kein Lichtstrahl stört den
mächtigen Eindruck dieser schweigenden Stimmungs-
bilder.
Eine vortreffliche Herbstlandschaft giebt uns
Adrien Demont, in der die untergehende Sonne
ihre letzten heißen Strahlen auf die rothen Ziegel-
dächer wirft; Bonchs beugt seine Birken unter dem
Windstoß, der dem Sturme vorangeht; ein bleierner
Himmel liegt über der grauen Novemberlandschaft
von Bertrand, während Ouignon uns in seiner
bekannten vortrefflichen Weise in ein von der heißesten
Sonne erleuchtetes Kleefeld führt.
Als besonders ausgezeichnet erwähnen wir zwei
große Landschaften, die eine von Barlow, einem
englischen Maler, der uns in dem Bilde „Nacht-
ruhe " eine einsame Winterabendlandschaft, mit
tiefem Gefühl gemalt, vorführt; das andere von
Talvi, der das Auge durch einen von Haidekraut
und Ginster umgebenen, stark beleuchteten Teich in
einem Moorland entzückt.
Wie schließen diese flüchtige Rundschau, in der
wir so viel Gutes mit Schweigen übergehen mußten,
um noch drei Bilder, halb Landschaftsbilder, halb
Genrebilder, zu beschreiben, die wir den jüngeren
Malern verdanken und die zu den ausgezeichnetsten
Leistungen des Salons gehören.
Zn dem Bilde „Begräbniß in dem Tavv Oountry
an einem Wintertage" zeigt uns der englische Maler
Spen lowe - Spenlowe eine ergreifende einfache
Szene aus dem Volksleben. Eine Schneelandschaft,
schwarz vermummte Gestalten, ein grauer Himmel,
der den Schnee grau erscheinen läßt, als einziger
Lichteffekt der Schein der röthlich-gelben Kerzen, der
aus der niederen Hütte dringt, wo die Betrübten
um einen Sarg herum beten: das ist genügend, um
uns ein echtes Kunstwerk vor die Augen zu bringen.
Lin größeres Bild von Ze an Pierre (dem
jüngeren Sohn des Präsidenten der Gesellschaft,

4- Die Kunst-Halle -z——
 
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