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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 24
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Gustav, Leopold: München: Die Internat. Kunstausstellung
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Meyer, Bruno: Gr. Berliner Kunstausstellung: IV. Das Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0430

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376

Dis Aunst-Halle -r-—>

Nr. 2H

vielleicht der Höhepunkt von Gysis' Schaffen. Hier ist ver-
körpert, was nur ein Hauch ist.
Nochmals muß ich, ehe ich den Gystssaal verlasse,
das ost mißbrauchte Wort Harmonie aussprechen; wenn
dieser Grieche einen Baechantenzug malt oder die religiöse
Lxtase der „Wallfahrt" schildert, ist ihm ein schönes Maß-
halten gerade so Naturnotwendigkeit, wie in seiner dem
Lauten abholden Farbengebung. Hiermit mag vielleicht
der Grund verknüpft fein, daß Nikolaus Gysis — zwar
von seinen Schülern der Münchener Akademie hochgeschätzt
— als ausübender Künstler bei Lebzeiten nicht den ihm
vollauf gebührenden Ruhm genoß.
Ebenso bietet die Kollektion Leibl, um deren Zu-
sammenkommen sich die Luitpoldgruppe ein schönes Ver-
dienst erwarb, einen guten Ueberblick über das Schaffen
des zweiten großen Todten des letzten Jahres. In seine
Frühzeit fällt das Portrait des Freiherrn v. Stauffenberg.
Das Blau der bayerischen Uniform ist recht glücklich ge-
dämpft, aber im übrigen fesselt es weder malerisch, noch
durch individuelle Auffassung. Das zweite Bild, „der Kri-
tiker", das bereits in das 22. Lebensjahr des Künstlers
fällt, begründete ehemals Leibls Ruf. Ls ist freilich noch
nicht der ganze Leibl; noch erscheint die Schärfe der Be-
obachtung durch Glätte der Malerei gemildert. Auch das
Bildniß eines schwarzbärtigen Herrn dürfte in die Frühzeit
des Künstlers fallen. Die schweren Schatten, der schwarze
Grund, aus dem sich das Gesicht schroff abhebt, erinnert
an Ribera. Ferner sehen wir eine Dame in schwarz-
weißem Kleide, sie ist gegen einen hellgrauen Hintergrund
gestellt, was dein Bild etwas Nüchternes giebt, das aller-
dings zu dem kühlen Ausdruck des klugen Gesichtes gut zu
passen scheint. Nun nähern wir uns der Epoche, in die
Leibls bekannteste Werke fallen; freilich waren die her-
vorragendsten nicht zu entleihen. Vorhanden ist der „Spar-
pfennig" und der aus Defreggers Besitz stammende „alte
Bauer mit seiner Tochter", eine Darstellung, die bei aller
Detaillirnng der Ausführung Größe der Anschauung besitzt.
Nennen wir als weiteres Interieurbild noch „Neue
Zeitung"; auch hier lauter bodenständige Gestalten.
Zahlreicher sind die portraits: Iugendbildniß des
Malers Hirtb du Francs, eines Thierarztes, eines Jägers
u. s. f. — alles Gestalten, die sich tief in das Gedächtnis;
einprägen, weil der Künstler das Individuelle aus seinen
Menschen herauszulocken verstand; dies gilt nicht nur von
seinen Melbildern, sondern auch von seinen Zeichnungen.
Lin weich hingestrichener einfacher Naturausschnitt, den
Trübner geliehen hat, vertritt das Landschaftliche. Endlich
nenne ich eine Pferdestudie und die wunderbar individuelle
tonige Federzeichnung der Hände seiner Mutter.
wenn ich nun von dem großen Meister der Wirk-
lichkeitskunst, der im engeren Stoffgebiet epochal wirkte,
zu unserem gewaltigen Farbenpoeten übergehe, so werde
ich mich bei Arnold Böcklin um so mehr beschränken
dürfen, da in den Grenzen eines Ausstellungsberichtes
nichts Neues über ihn gesagt werden kann.
Die ersten Werke reichen bis in die Frühzeit von
Böcklins erstem Romaufenthalt zurück, so z. B. die weich-
und zartgehaltene Kampagnalandschaft (;«56) und das mit
solch' liebenswürdigem Humor gestaltete Bildchen „Faun
einer Amsel pfeifend". Auch der am Rand des Waldes
sitzende Fischer u. A. zeigen noch die Merkmale Böcklinscher
Frühzeit. Erst mit der stimmungsvollen „Villa am Meer"

treten wir in seine eigenthümliche Schaffenssphäre. Auf
diese Elegie folgt hier eine Schilderung toller Ungebunden-
heit, ein „Bacchanal" von blendendem Farbenreichthunu
Auch eines der früheren bekannten ausdrucksvollen Selbst-
bildnisse ist vorhanden. In den zwei Fassungen des
„Kentaurenkamxfes" verblüfft bei der Farbenskizze in Mel
die Wucht, mit der der eine Kentaur im vollen Laufe
dahersprengt, und in dem ausgeführten Bilde der wüthende
Kampf. Die blumenstreuende Flora (ausBerliner privatbesitzf
führt uns auf die stolzeste Höhe Böcklinscher Kunst, weich'
ein Rhythmus liegt in dem durch die wiese schreitenden
Weibe und wie grandios ist die Landschaft gestimmt, der
duftig blaue Horizont, der von Schneebergen begrenzt ist
und der wasserdurchrieselte blumige, tiefgrüne Wiesen-
plan. In der zart getönten „Frühlingshymne" mit
den drei Mädchengestalten ist der Lenz noch duftiger
symbolifirt. Das tiefsinnige Gemälde der „Gefilde der
Seligen" lernen wir hier nur durch einen Entwurf
kennen, dagegen ist das „Heiligthum des Herakles"
im Original vorhanden. Die Welt Böcklinscher Pane und
Tritone vertreten nur einige weniger wichtige Bildchen;
an einer „Jägerin" erfreut uns das herrliche Tizianblond
des Haares; der Kopf einer büßenden Magdalena durch
Rubenssches Inkarnat.
Von den Porträts nenne ich dasjenige Lenbachs aus
jungen Jahren, welches Paul Heyse, bekanntlich ein sehr
früher Verehrer Böcklinscher Kunst geliehen hat und das
gegen einen bläulichen Hintergrund gestellte Bildniß
Dr. Bayersdorfers. Ein gewisser Lyrismus ist ihr gemein-
sames Kennzeichen.
In Abgüssen nach den Mriginalinodellen sind fünf
der bekannten Basler Masken vorhanden, deren siegreicher
Humor das Bild von Böcklins Schaffen vollendet.
6r. NMner IWztauZStellung.
IV. Das Kunstgewerbe.

n der kunstgewerblichen Abtheilung macht den
angenehmsten Eindruck unzweifelhaft die Kollektiv-
ausstellung des Vereins „Grnament". Zunächst
ist ihr nachzurühmen, daß sie als Ganzes außerordentlich
geschickt arrangirt ist, zumal wenn man bedenkt, daß fast
alles darin Vereinigte einzelne Stücke sind, die gar keine
Beziehung zu einander haben; und dabei herrscht hier
nicht etwa ein spezifisch moderner Stil so allgemein vor,
daß die Zusammenstimmung daraus kommen könnte, viel-
mehr halten die meisten Stücke der Betrachtung auch in
dem Falle stand, wenn man nicht durch jeden Anflug von
Modernität sich sofort bestechen läßt. Schon die Vorhalle
von Richard Gerschel ist als Gelegenheits-Architektur
vortrefflich. Die massigen Formen der Stützen und ihrer
Kapitelle haben so vorzügliche Verhältnisse, daß sie trotz-
dem nicht plump wirken, und in den Details ist eine Be-
wegung der Linien, wie man sie ähnlich ansprechend bei
modernen Arbeiten recht selten findet. Lines der vor-
züglichsten Stücke ist der Atelierschrank von Richard Voigt,
dessen klarer und kraftvoller Aufbau mit den schönen Be-
schlägen ganz vorzüglich wirkt. Ich möchte hier gleich ein
paar Stücke einschalten, die sich an einer anderen Stelle
befinden, „Einzelmöbel für ein Herrenzimmer" von Georg
 
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