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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 3 (März 1930)
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Teuber, H.: Unser Riesengebirge
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0076

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Unser Niesengebirge

Aach der Pfingsttnch »j, des ReichSverbandes wird
ei» groiier Teil Ler Tsii»ehi»er auch die srl,le»schen
wvlle». Eine Psingslfahri ins
den Taler» aues grlint und
dliihl, wiirde vieleir geivifz unvergeszlich bleiden.

„Niesengebirge, schönirs Gebirge!" „DeutscheS Ge-
birge!" sa slnge» die Gebirgsbewohner. Auch die der
llchechischen Seile denkbn und fiihlen deutsä).

U»> die Schönheit dechGebirges im Winler zu zei-
gen, möchle ici' eine» ?ag I» den Weihnachlsferien
heschceiben, eine Skitorsr auf dem östlichen Teile deS
Gebirges, dem Kolbsnkamm »nd dem Grenzbauden-
gebiet.

Die Sonne hat sich pinter den Aergen versteckt.
^lach einem schönen, soknigen Tage ist die Luft klar,
der Himmel gelbgrsi». ch> de»> Gelb steht die schmale
Sichel des Mondeä. Wit treke» vor die Kolbenka»»»-
baude. Uitter u»s wogk! ei» Aebelmeer. Nichks vom
Tal isl zu sehen. Ein Eisnebel wallt kräge hi» und
her wie eine feske Masse. Schon das, 10 Meter von
u»S enksernk, etwaö kiefer liegende Aauernhäuöchen
mil selnen zwei Holzstuben und dem eingebauken Skall
wird vom ^rebelmeer uMfangen. Nur sein rokgestriche-
»es Glockenkiirmchchi kann man »och undeuilich er-
iiennen. 0» diesem Nevelmeer schwimmen ringsum
schwarzbewaldete InselN, die Aergkuppen dcs östlich
gelegene» Nehhorngebirges und der Aerge bei Iohan-
nisbad. Deuklich kanns ma» die Stiihe» der »eue»
Drahtseilbah» auf! dens schwarzen Aerg erkennen.
Dort ist keine Einsämk^it mehr. Aber wic hier oben
ziehen unsere Skispure» durch den im Abendlicht
kobaltblau scheinende» Schnee. Es geht schräg auf-
wärkS durch eine Lbereschenallee, deren rote Aeeren
wie Kirscben im lehlen Dämmerscheine leuchten. Aier
sunge Nehe arbeiten sick Schrikt fiir Schritt miihsam
durch den hohen Schnee'um zu einem klelnen Fukker-
plah zu kommen. Dann nimmk uns der dunkle Wald
aus. Hin und wieder st irzt einer von uns iiber eine
Schiieewehe am Wege, aver wir machen kein Licht,
um die Nachkeinsamke k nichk zu durchbreche». Ein
gespenskisch schwarzer Sckatten isk der Aordermann.
Doch jehk plöklich gehk der Weg bergab, die Schnee-
schuh rasen, alles !st vereist, Lampen heraus, und wie
Gliihwiirmchen fliegen w!r den Aerg hinunter aus
Klein-Aupa zu.

Es ist Silvesternachrl DaS Dorskirchlein ist ec-
leuchkel, und Lie Gebi^rgler aus den Grenzbauden
komnien auf Hörnerschlitten herunker. Aon unten her-
auf steige» die Bergleijte aus dem Mohornmlihlen-
lal. DaS Kirchlein mik seinem einsachen Aarockallar
isl bäuerlicb mil Papietblumen, Tannenzweigen u»d
Lichter» gelchmiickk, Als wir aus der Kirche heraus-
kreken ist daS Welter limgeschlage». Der Aerggeist
„Niibezahl" zeigk sein j schlimmsleS Gesichk. Avm
Slurm umbraust mst verlilammteii Flngern wird an-
geschnallk. Wir wollen sa noch auf die eine Stunde
höher geiegenen Grenzhaude». 0m Walde kracht es
wie Schllffe. Grosze Aäume werden umgebrochen. Nur
vorwärts!

Endlich lichtet sich der Wald. Wir sind auf dei»
weilen Grenzbaudenplcin, ftins Nlinute» vo» der
Aaude entsernt. Dle Markierungsstangen sind dick
mit Eiskristalls» beseht u»d sehe» aus wie Zahn-
bilrslen.

Zwei Schritt aus dem schühende» Wald brodell
eine rasende graue Nebel- und Schneemasse um unS.
Der Sturm brüllt wie ein Wahiisinniger. Nlan glaubl
unartikulierke Schreie zu höre». Wir köniien nichl
mehr atmen. Wir glauben zu ersticken. Schnell zu-
rllck !n den Wald. Iehk erst eiildecken wir dork einen
Schlitken mit Nuckläcken ugd Schneeschuhen brladen.
Die Gebirgsleuke haben das Pferd und sich in Sicher-
heit gebrachtll Nun kriechen wir, eine lange Kekte
einer hinter dem andern, auf dem etwas vereiste»
Wege bis zur Aaude, die Schneeschühe dichk ange-
prejzt im Arm, denn als wir sie zu ziehen versuchlen,
wlrbelten sie wie Skreichhölzchen hinter uus her. 2m
Soinmer ist das Gebiek der Grenzbauden, Grosz-
Aupa, Pehas und des Niesengrundes, mit seiiien
aus dunklem Waldesgrün hell herausleuchkende»
Alme», herrlich. Auf diese» Wicseiifläche» liegen die
kleinen, grauen Holzhäuschen willkürlich verskreut.
Arnika und Enzian kan» man auf de» höher gelege-
ne» Makte» finde». Der lchönske und Höchste Aerg
des Niesengebirgskammes ist die Koppe <1005 Meker).
Als Kinder rlssen wir uns i» der Arückeiiberger Som-
meifrische um das Ziinmer, daü einen Aurb ick aus
den Koppenkegel hatte. Am Abend nnch heisiem Tage,
meist vor einem Witterungsumschlag, erglühke die
Koppe in prachlvollem roteni Licht, dem Alpenglühen
ähnlich. Die Schneekoppe wirkk um so mächtiger, da
sie nördlich in de» Nrelzergrund und südlich in de»
Nieseiigrund steil abstürzt. Die Koppe trägt aicher
einem deutsche» »nd einem tschechischeu Gaslhause
auch eine kleine Kapelle »nd als Wichligstes den
Turm der meleorologischen Skakio», die Höchste nörd-
lich der Alpen. Der mllhevolle Aufstieg lohnk sich'
durch die, bei schönem Wekter, märcheiihaste Feriisiäil
»ach dem Zsergebirge unü den Waldenburger Aergen
mit Hochwald und Sattelwald. Nach Osken zu sleht
man das Glaherbergland und den Alkvater. Auch svll
ma» an sehr klare» Tagen AreSlau sehen könne».
An einem Osterkage kamen wir beim Abslieg in ein
heftlges Frühjahrsgewilter. Am selben Tqge war
etn Knabe vom Sturm In de» Melzergrund gefeck
worden. Man hatte keinen Halk. Der Berg war »och
ein einziger EiSkegel, während zweihunderk Meter
kiefer die Priemeln auf den Waldwiesen blühten. Der
Sturm warf uns zn Aoden und wenn wir uns aus-
richten wollte», drückle er unS wieder an de» Aerg.
So rutschte» wir deii» in Kauerslellnng quer über
den Zickzackweg herunter auf d!e Niefenbaude zu,
wo man mik Ferngläser» am Feiister skand und einen
zweike» Absturz erwarlete. Hinker der Niesenbaude
verbreikerl sich der Kamm zu einer weilen Fläcke,
in Hochmoor, auf dem hier und dorl Knieholzgebüsche
stehen. Aon dieser Hochebene aus sind schon mil
gutei» Erfolge Segelflüge unteriioiiime» worde». Die
eigenlliche schlesische Segelflggschule befindet sjch in
den Aorbergen in Grunnu, nördllch von Hirschberg.
Nach der schlesischen Seite zu bricht der hohe gleich-
mäszig grüne Kamm oft plöklich ab, und die FelS-
wände skttrze» senkrecht i» die Tiefe. Am kleine»
Telch bildet sjch ei» halbkreisförmiger tiefer Kessel,
in dem dieser wie eine blaue Scheibe liegk. Aom
oberen Nande auü erscheint die kleine Holzbaude
mlt dem Glockenrürmchen wie ein Kinderspiel-
zeug. Ebenfo fchö» an steiler Wa»d liegt der gros>e
Telch. Weii» nian eine Stunde »ach der tschechischen
 
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