Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

DOI Heft:
Heft 4 (April 1930)
DOI Artikel:
Herrmann, Hans: Leben und Form - zur Theorie Britsch
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0106

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Leben und Form. Zur Theorie Britsch

Ha»s Herrmann, Schondorf a. Ammersee.

ÄiÄianche meiner Ziveifel sind durch unsere <Le-
spräche llder dle Theorie schon beseitigi worden,
aber ein Aedenken kommt mir immer wieder, das
auch von anderer Seits des öfteren ausgesprochen
w»rde: ob näinllch durch einen Zeiä-enunterrichl,
der sich nach der Theorie Britsch richtet, »icht
doch das frische kindliche Leben gehemmt oder
vernlchlek werde. i i

B: llch weisz, dasz diese ' Beforgnis immer wieder
geäuszert wird unh daiz man ihre Ernsthasligkeil
auch an Beispielek erpürten zu konnen glaubl.
Es wlrd sa hier sesn, lyie iiberall, dah das einmal
ausnesprochene Urkeil, das ei» bestimmtes Gewicht
zu haben scheink, ! unbesehen hingenommen und
wiederholt wird. i Allerdings ist der erhobene
Borwurs von solcher bchwere, dnsz es sich schon
verlohnk, seine Stichhislligkeit zu priifen.

A:Mir scheint er nicht uisbegriindet zu sein.

B:Wollen wir doch! sehen! Wogegen richtet sich
eigenllich der Eiiiwnnh? Gegen die Theorie nlS
solche oder gegen jdie Art Ihrer Anwendung? —
Sie schweigen?

A:,'!ch mub geslehen, dasz ich mir die Frage in dieser
Form noch nicht vorgesegt habe. Wozu auch spik-
slndige Ueberleguiigen,^ wenn dle Wirklichkeil so
deullich sprichk? Sehr viele Arbeiken, dle mir
als Ergebnisse eines solä-en Unterrichks gezeigl
wurden, sielen mir hurch eine iiberkulkivierke
Blulleere auf. !

B:Behmen wir an, 2hre Aussehung sei begriindel,
so miissen wir dennoch, um zur Klarheit zu kom-
men, zu melner Frageslellung zuciicklrehren. Gill
der Borwurs der Theorle oder der Praxis? Die
Frageskellung der Theorie beziehk sich auf das
Wesen der Kunst: jede Kritik, die sich gegen sie wen-
del, kann nur philosophisch-erkeiintnistheorelischer
Balur sein, wenii sie nicht in laienhafke Börgelei
ausarlen will. Mit Einwänden der Praxis ist an
der Theorie nichl zu rllkkeln und es ist anzu-
nehmen, dasz den Krltikern dies wohl bewujzt isk.
Also wlrd es sich um! eineii Mangel der An-
wendung handeln, der- geriigt wird. Sehen wir
den Fall, es gäbe Lehrer, die unler Mihachkung
aller erzleherischer Einsscht aus dem Kinde Gestal-
lung erpressen zu köiiiien glauben, vielleichk in
der fesken Ueberzeugung, dasz sie damit den Grund-
sähen der Theorie genügken. Was bewiese das?
Sicher nichks gegen die Sache: vielleicht, dasz
>°!rren menschlich isl, -vielleichk auch, dasz die
Schwierigkeile» eines siniivollen Unkerrichts
gröszer sind, als ma» gxmelnhin annimmt.

A:Es scheinl mir sehr zweiselhaft, ob es nur an
einem Mlszverhällnis zwischen einsichtiger Kraft
»nd Aufgabe liegt und ob nichk Schwierigkeiten
grundsähliäzer Natur da sind.

B:Welcher Ark sollken sie! sein? Gerade der an der
Theorie geschulle Beuxleiler, wird in den Ar-
beiken, die zu Aechk als unlebendig bezeichnel
wnrden, Mängel -er Gestnlkung feslskellen kön-

nen. Den Alanierismus, von dem wir ja reden,
hat man nach altem Sprachgebrauch als Form
ohne Gehalk bezeichnek. Brilsch wiirde dieser
Definition nicht zuskimiiieii, flir ihn ist der Begriss
der Form ein mehr umsassender und kiefer, der
Erfüllung und Leben einschliejzt. Die„For»i" des
Akanieristen wäre ihm nichk schlechker, weil ihr
etwas anderes sdaS Leben) fehlt, sie wäre >hm an
sich minderwerkig, svielerisch und erlogen: eben
nichk Geskallung, sonoern Ersnh dasllr. Wie kann
man aber eine Theorie siir daS vernniworilich
machen, waü sie verdttinml?

A:2hre Worte klingen iiberzeugend und ich fürchie
starilinnig zu scheine», wenn ich beharrlich a»s
die Taksnchen hinweise. Kinder, dle in dem vor-
briksch'schen sreie» Zeichenunkerrichl srisch »nd
lebendig waren, wecden unter der Zuchl eines
Ihrer Theoretilrer blasz und »nklndlich erscheinen.
Es liegk doch die Bermutung nahe, dasz nichk nur
persönliche Anzulänglichkeit und widrige Berhäll-
nisse die Schuld lragen, dah vielmehr ein gruno-
sählicher Fehler vorliegt.

B:Sie mllssen Lage und Zeikmeiiiung bedenken!
Aoch ilt die Erinnerung wach an eine Schule, die
wirklich alles Lebendige i» ein koleS Schema zn
pressen suchte nnd die Furchl davor wirkl in
hemmender Weise. Aian isl heule sehr geneigl,
das nur Bikale zu iiberschnhen, ja Lieblosigkeil
und Aoheit siir Leben zu nehinen. Es liegt nber
in der Aakur der Dinge, dasz die gebändigke und
gespannke Krast nichl mehr so lürmend aufkrikl,
wie die ungeziigelke Bikalikäk. Jede Kulkur be-
deukek eine Berseinerung.

A:lich bin nicht ganz überzeugl und glaube, dasz ich
lihnen meiiie Äedenken deuklicher machen kan»,
wenn ich einen anderen Einwand bringe, der mil
dem ersten in Beziehung zu stehen scheink. Er richtei
sich gegen die Einseikigkeil der Theocie: wie kann
sie in ihrem abskrakten SchematismuS in der
Schule von fruchkbnrem Einilusz sein? Bielleichi
ist durch solche Ilnzulünglichkeik jene Wirkung
erklärk, von der wir oben gesprochen haben: ja
ich fiirchte, dasz eben dadurch die persönliche Arl
des Kindes unterdrückt wird und anslelle des
unbändigen Aeichkums eine sanbere und lrockene
Einförmigkeik trikk.

B:An die Theorie dttrsen Sie keine wesenssremden
Ansprüche stellen! Ihr Gegensland ist die bildende
Kunst im allgemeinen, dle Betrachtung einer
beslimmken Geisligkeik, die sich in allen bildkllnsl-
lerischen Werken kundlul. Die besondere Weise,
die selbstverslündlich im Persönlichen oder Bolk-
hafken vegriindek ist, anzusehen, liegt nichk in
ihrer Absichk. DaS Persönlich-Einmnlige der gei-
skigen Leislung aber ist ihre Boraussetzung, den»
alles Geislige knnn »ur im Gewand des chidivi-
duellen in die Erscheinung kreken. Deswegen isl
jede geislige Leistung persönlich in weikeslem
Sinn, aber nicht alleS persönlich Eigenartige nn
sich geistiger Wert.
 
Annotationen