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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 11 (November 1930)
DOI Artikel:
Witte, Hansjörg: Gedanken vor gotischen Bauten: Schüleraufsatz
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Klauss, Otto: Gestalten in Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0307

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Gedanken vor gotischen Bauten

Schülei'aufstii!

Fcoinui isl da-i Aültelallec, Mau wohul eug del-
eiuauder iu lilelueu Hniisecu, siu schiuutzljieu Slratzeu.
'Zlhec gewnlli» hoch iihev diL Dächec hedt sich dec
Doiu, eiu Äiese iu deu^ Göwiiuuiel icdischec Hiit-
le». Die Machk, dle Wohlhhbeuhett aber auch die
Seele dec Slndk ofseubareu sich iu ihiu; der Stolz
»ud der GeiueiuschafkÄgelst oeü aufblliheiideu Blic-
iiertuius, deutsche Eiupfiuduug uud deutsches Deulieu
lieuuzelchueu sich iu seiueni hpchcageiideu Aau. Dec
celigiöse Siuu des iiiittelalterlicheu Meuscheu, die
liese Fröuiiulglieit, die ßehitsucht uach der ewiaeu
Seliglieit zeigt sich iu d?u zpm Himmel strebeuoeu
Tlirmeu, iu deu Pfeilergebildeu, die die Deckeu-
gewölbe zu eiuer Ichiviudeludeu Höhe emporhebeu.
Dle schlaiilieu Spitztiirme sind besetzt mit lruolleu-
sörmigeu Gebildeui die Turusspitzeu werdeu geliröuk
vou eiuer nus vier Alätsern sgebildeteu Kreuzblume.
Kelcharlig össuet sie sich häch pbe», als ivollte sie als
höchste Erhebuug des Baues, has ewig Göktliche, deu
eivigeu Friedeu empsaiitzeu. s Zahlreiche Tlirmcheu,
geschmHcltt mit Säulcheu'imdi Zierrat siheu auf deu
äuszeceu Strebepfeilecu. Uuzählige hohe Feuster, die
auslnufeu iu Spitzbogeu, Mse» deu Bau uach obeu
ofl durchsichtig, ja fast hauchärtig erscheiuen. Zier-
liches Bkatziverli verbindet Sciuleii miteiiiauder. Die
Feusteröffiiuugeu iverdeu gegliedert durch Gitter-
iverlr, Berstrebuugeii zerlegeut sie iu viele Teile; eiu
ivicces Durcheiuauder scheiutses zu seiu, aber alleS
läust iu eiuec Bichkuug! hoch,tt»imer höher, sich ver-
jüugeiid, lcefseu sich alle Liuie» iu eiuem Puultt, iu
der Kreuzblume: nus ihr steigkdas Beken uud Fleheu
dec Bteuscheu zu Gott iu daS ckueudliche Ieuseits. —

Durch die iveite, tiefe Tsir treteu wir iu das 2iinere.
Die ivuchtigen SteinmassLii löseu sich auf zu eiuem
hiiumelaustrebeudeu Walde. Mau glaubt fast, das
Änuscheu deukscher Wäldpr zlj veriiehmeu. — Nicht
iveite Flächeu iu wagerechkLr Äichtuug liebt die
Gokili, soudecu die sehusuchksvplle Aiieudlichlieit uach
obe»: der Meusch iiiutz darhi versiulieu uud ver-
schiviudeu, deuu hier wobitt ekwas viel HeiligereS,
Höheres. Auch hier uiacht sich-das Aufstrebeude, das
sich Berjllugeude bemerlrbar. Äippeuarkig laufeu alle

! ^

Liuieu zusaiiimeu iu gemeiusaiueu Puultteii: aus
vielem Eiuzelivecli ivicd eiu eiuiges GauzeS, das
hühec uud höher hiiinusläiisl, ueue Teile uiil sich reitzl
uud schliejzlich eudet, wiedec iii der Krone deS Wer-
lieS, iu der Kreuzbluiiie. — Die hoheu gokischeu Feu-
ster bilden die Wäude: sie begreuzeu deu Kircheu-
raum, aber nicht die Seele: die ourchdringt die Feusksc
und slieht hiuaus ihrei» Gotte entgege». !Zu deu
buntfarbigeii Gestalteu wicd die iveike Phautasie des
mitteialteclichen Küustlers wieder lebeudig. Der leuch-
keude, goldne Hinlecgcuud aus dem Allacschcein durch-
glüht die geheimuiüvolle Dämmeruiig. Berlcäumt
uud versouuen stehen in den Nischeu die Figureu der
Heiligeu. Werlre deutscher Meister, deukschen Emp-
findens und deutscher Kultur siud sie. Denlieu ivir
au die Stifterfigureu iiu ^iaumbucgec Dom: was sür
eiu Leben liegk in diesen Gesichtszügen, in dieser Hal-
tung, in dem Faltenivurf der Geivänder. — Die all-
gemeine Freude des Bienschen an der Ncttur macht
sich bemerlibar iu der Oinameiikilr. Laubwerk ivurde
iu Skein gehaueu, Bläkker und Aauken unilviiideu
die schlanke» Säulen. Wie menschliche Gedankeu
durchdriugeu und erfülleu sie die Wäude. Dabei
reizte den Künstler mehr das Spcleszen uud Knospeu
der Natur, als die voll eutivickelteu Gebilde: alles
soll sich eutwickeln zu gröjzerer Bollkoinmeiiheit, zur
Höhe in den iinendlichen Naum, deu eiu götklicher
Geist durchwaltet. —

Eineu tiefeu, schöue» Eiudcuck eiupsängk inan aiu
Abeud in dem groszen, gotischeu Kiccheninneru, ivenn
alleü im Naum nur uiideutlich im Duukelu schiinmert
uud vecschwimiiit uud daS Auge uichts weikec seheu
kauu, alS jeue klareu, leuchteiiden Geskalten, die obeu
in d e n F e u st e r n schwebeu, weun die Abendsonne
brennend darauffällt. Mau fühlt sich von einem Feuec
durchglüht, von einem Feuer der Sehnsuchk, einem
Berlangen nach etwas Wettem, Schönen, und alle
Farben singeu, jubelu uud schluchzen. Das ist iu
Wahrheit eine audere, eiue höhere Welt! (3ch habe
bei nieinem Aufsatz deu Baumburger D o m
vor Augen gehabk.)

Fansjöcg W i l t e - Potüdaiu.

Gestalten in Holz

Bou Üllo K l a u jz - üeidenheli»
Bgl. dazu öie Abbilduugen

Das werkmäjzige Gesta teu 'iu Holz ist heute er-
sceulicherweise im Auterricht für bildhafteS Gestalteu
kein unbencbeiketes NeulaNd mehr. Imnier allgemei-
uec bricht sich die Eckeiintnis Bahn, dasz solche Ge-
stalluiigSübungen deiiWerksiunjdenWerkstoffsinn und
deu Formsiuu gleichwertig zu fördecn vermögen, und
dasz dle ueuarkigen Gegebenhöiteu deS Werkstoffes
uud ües Werkzeugs der schaffsndeu Gestaltungskrask
ueue Aichtung weisen und sruchlbare Anreguug vec-
mitteln. i! j

Aaturgemätz begaunen die Erskversuche auf diesem
Gebiet mit dem freieu, aller Äegel eulbuudeue»,
Schnitzen. Diese Bekäkigungsart bedeutet für deu
Schüler innere und äujzere Äefreiuug. Die Möglich-,
keit uiimltkelbarer uud unkoukrollierter Ilebertraguug
deS Gewollteu iu den körperhasteu Werkstoff brachte
als ersten Erfolg die Arsprünglichkeit deü gestalt-
uecischen AuSdruckü wieder, die im Bildhafteu der
Fläche allzu oft vou fremde» Einslüsseu überdecltt
ivar. Danebeu aber ersährt der Schüler jene starke
 
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