Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

DOI Heft:
Heft 11 (November 1930)
DOI Artikel:
Wiedermann, Fritz: Treibt Dorfkunde!
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0306

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
290

schlechte» Postkartzn, hie vo» heliebigen Händlern
nnr m» de-i MrdiensteS willen angefertigk werden,
sondern wirkliche hleine Ailder, init Liebe und Ae-
geisterung gemalk. s' :

Das Aiid der heimischen Dorfklrche niinmk man-
cher mit in fernste Länder, und andere koniinen am
Llbend ihres Lebegs noch einmal ins Heimatdörf-
chen zuriick, uin dse atten Glocken noch elninal zu
hören. cki, die Glocken.' Seit lZahrhunderten sind sie
„,it dem Schicksal sdes Dorfes verbunden. Zn Leid
und Freude, in Gltick ünd Not schwang ihr eherner
metnllischer Klang.i Die-Bauwerke der Heiinat sind
echle Kinder ihrer! iScholle. Aus den Skeinen des
Aodens sind dle Mauem gefügt. And die Forin deS
Turmes paszt sich feinfiihlig der Bewegung der Land-
schast an. Wie charakseristisch sind doch die hohen
Giebelbauten init srhweren Strebepfeilern für nord-
deutsches Land, wies aniisukig beherrschen die barocken
Fwiebelkuppeln die siiddeuksche Ebene. Und iin Berg-
land schauen kleine Pachreikerchen in malerische
Täler hinnb. Bäusrliche Fäuste waren es, die die
kösllich naiven Figureis der Ausstattung jchnitzten,
und in die einsachen Züge der Heiligen und Kirchen-
väker inallen sie die ganze Bedächtigkeit deukscher
Bauern und die hiininelanstürinende Sehnsucht nor-
discher Arenschen. Anter den Gemälden ist inancher
Schatz von grojzer 'Meiskerschaft, oft unbekannk und
wenig gewlirdigt. Die alken Nainen in den Kirchen-
bücher» und die verfallenen Grabsteine veibinden
das Gokleshaus fcst inis seiner Gemeinde und lassen
es zuin Mitkelpunkt des Dorfes werden — nicht nur
iin räuinlichen Sinne. .

Auch das Schlosz oder die efeiiuinrankte Ruine
aus nahein Hügel stehen ineist in inniger Bezlehung
zuin Dorf. Arkundlsche Studien werden ergeben, wer
der älkere Bruder lst. Oft wird die Siedlung zuerst
enlstanden sein und dann erst wurde der Herrensih
gebaut, inniichinal äberlwird sich das Dörflein lang-
sam »nd zögernd uin desr Fusz der schühenden Wehr-
anlage angesiedelt habei). Wie eigenarkig und charak-
teristisch slnd doch s deuksche Aurgen. Wie malerisch
pnssen sich die Bauken oen Bergforinen an und wie
iäszt ihr Grundrijz silar und eindeutig die Linien der
BerteidigiingSkunsh erlchnnen. Es ist kösllich unker
der Linde iin Burghof zu trüuinen oder vom Lugins-
lnnd über die Höhen des Heiinaklandes zu schauen.
Aber nichk ininder wertvoll ist eine genaue Besich-
ligung der Trüininer aüs grauer Borzeit und eine
Erforschung ihrer Art und der lückenlosen Geschichle.

Auch dle B a u e r »'h ä u s e r dürse» nichl ver-
gessen werden. Sie alle, wenigstens joweit sie nichl
jünger sind als etwa hll iiahre, sind echte Kinder
ihrer Scholle. Aus den Skeinen des Bodens sind die
Fundainenke gefügs, Holz gaben die nahen Wälder
oder sie sind aus Äacksleinen, deren Makerial aus
den Abfällen einer einstigen Bergletscherung stammt,
gebaut. Fachwerk im Heideland und Blockholzbauten
im Bergland sprechenj deutlich für bodenständige

' s

Eigenart. Auch die Dächer passen sich ihrer Amge-
bung an. Schieserplatle» siir die Dachhaut und die
Giebel sind in Milleldeulschlnnd iibllch, in Flusztälern
und im Seengebie! sinden wir vorwiegend Schils-
dücher und der Norden kennt liberall die rolen
Backsteine. Die enlzückenden Hauszeichen mit ihrer
bunten krausen Welk der Einfälle, die Haussprüche
und die kleinen Figuren sind echke Kinder der hei-
mischen Bolkskunst und einer nähere» Bekrachlung
werk. Farbe und Schnlhwerk spielen im Süden eine
bedeutende Nolle und die kunstvolle Art der Bal-
kenköpfe ist sttr die Lünder um den Harz recht be-
zeichnend. So trägt jede Landschaft ihr besondereS
Gepräge und jede Eigenart ist wohl werl, durch Auf-
zeichnung und Beschreibung erhalten zu bleiben.

Welch eine Flille malerischer Bilder ergeben die
vielen kleinen Zeichen auS der Veschichle des DorfeS.
Da sind Kapellen als Dnnkopfer für Friedensschlüsse
oder liberwundene Pesken errichket. Sühnekreuze,
deren gruslige Geschichte von eineni Brudermord zu
inelden weisz und an besondere Totenehrungen er-
innern die klelnen Bildsköcke und Markerln, die
überall im Lnnde verstreut aufgestellt sind. Da rver-
den Hezenkiefern gezeigt und Zauberbäume, Steine
und Aralhügel erinnern an historische Borgänge
und viele der kleinen Dorfkirchen bergen die Grab-
steine hochberühmker Niänner, die in der Geschichke
ihreä Landes einsk eine wichkige Nolle gespielt habe».

G e r i ch t s k r e t s ch a m heijzl die Schenke zur
Erinnerung an die Zeil, als noch der Schulze des
Dorfes im Namen des Landesherrn Necht sprach
über die kleinen Sünder. Gerichtslinden givt eS
liberall, Gerichlslische sind schon selkener und spärlich
noch finden sich die HalSeisen am Kirchenlor,
bestimmk den Siinder feskzuhalken, der hier zuin Er-
göhen der Bauern an den Pranger geskellk worden
war.

Dann sind noch die vielen kleinen, oft recht ver-
gänglichen Lrinnerungen an friihere Zeiten zu be-
achten. Die Möbel, die iminer mehr verschwinden,
alte Trachken, liebevoll gehütet seit Tradikionen und
jeht als werklos nbgelegt, der Schulzenskab, einsk mit
Würde geschwungen und die Nriinzen und Siegel der
alten Amtsflihrung. Hausrat und> Werkzeug auS
Grohväker Schähen und die kleinen Fainilienerin-
nerungen in Bildern, Briefen und Medaillen.

Es lohnt sich schon, überall zu samiiieln und zu
fragen und das Alte zu beschnuen. Das nächske Hei-
„lalmuseum Isi der richlige Orl dasür, wenigslenS
aber sollle ein Lichlblld oder eine Zeichnuiig den zu-
skändigen Aemlern eingesandl werden. Für jeden,
der seine Heimat liebk, sei er Bauer oder Guksbesit-
zer, Lehrer oder Handwerker erwächst die Pflicht,
fleijzig die alten Schähe zu sammeln und für ihre
Werthaltung zu werben. Die Schule sollte dabei ein
unermiidlicher und verständiger Führer sein.

Wiederman».
 
Annotationen