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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 7 (Juli 1930)
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Meinhardt, K.: Die Kunsttheorie Konrad Fiedlers, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0183

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Die Kunsttheorie

! j K. Akeinh

Der schnfsende Künstler bednrs »icht der Kunsl-
lhenrie. Er hat sein Schasfen nur vor sich selbst zu
rechkserliüen. Die Aerechtigung für sein Tun liegt
>i» Wesen seiner Arbeit. AnderS ist es beim Kunst-
lehrer. 3in heutigeiv püdagogischen Leben steht er
mit an heiszuinstriktener Stelle. Er inusz seine Arbeit,
seine Ziele verkeidigeir »nd behaupten vor allen Men-
jchen, die ein iiniiiistelbares oder n»r inikkelbares
chileresse a» den Frngen der Lrziehung besihen. Er
slehl in elnein Kreiül ivissenschnsllich gebildeter Kol-
legen, die durch ihr Fachsludiuin n»r sellen rvlrlrliches
Aerslniidnis sür die Arbeik, die iin Kuiistiinterricht zu
leisken ist, initbringen.l Ilnd doch inacht es ihin die
Forderung seiner Täkiglreit zur Pflicht, das; er sich
init seinen ivissenschafliichen Kollegen über die Auf-
gaben seines llnlerrichtes verstandigk. Dns ist ost
recht schwer, zuinnl es zum Wesen seiner Arbeit ge-
hört, oasz sie nichk begrifflicher Aalur ist. ein diesec
Lnge liann es vielleicht - inanchein Kunstlehrer von
Wert sei», die Arbeit Fiedlers in groben Ilmrissen
lienneiizulerneii, iveis da ein A!ensch zu begrifslichen
Foriiiiilieruiigen über daS Wesen der Kunst gelangk,
der durch glttcklichste sAiiistünde sein ganzes Leben je-
neiii beslündigen Frageir nach dein Arsprung der
lilinsllerlschen Tüligkeik widinen durske.

Fiedlers Aaine wird ineist nur im Zusainmenhang
inlk Atarües und Hisdebrand genannt. Als Müzen
beider hat er in beivuiidsriingsivürdiger Treue über
linhrzehnke hin Ihr Werli lvirlschaftlich getragen. Mie
er ihne», so sind sie ihisi Lebensnokivendiglieit ge-
wesen. Sein innerstes künsklerisches cinkeresse und
elne philosophische Grpndnakur veranlaszken ihn
chon früh, seinen liuristenberuf aufzugeben, und gün-
tige üuszere Lebensunistcsnde ermogllchken es ihni,
innz seinen Aeigungen zu leben. Auf diesem Wege
zihrke ihni dns Geschick Atarses unö spüter Hilde-
irand als Freunde zn. Mik seiner groszen Sehnsuchk
iiüch einer künsklerischen Geisteskulkur fand er sich
hineingeboren >n de» ersken Aufschivung deS Aka-
schinenzeitalters, das in Kürze die letzken Wurzeln
einer Aolkskiiltur auSrodeke. An ihre Stelle krat
elne eifrige Beschüfkiüiing niit der Kunst. Die Kunst-
geschichke sah er iniierhnlb iveniger ltahre und liahr-
zehnke nus unscheiiibnren Anfüngen sich zu einer
groszen Wissenschaft! enksvickeln. Man diirchschauke
die llnsühigkeil üer alleis Aeslbelik, die Aülsel der
Kunst zn lösen. Durch Erfnbrniig und Methode
glauble nian sich eher ihnen nühern zu können. DaS
Gebiet ivuchs ungeheueri in die Areite aber ohne
Attckgrat, es sehlke all den Benüihungen ein fesker
Kunslhegriff, dns Wesentsichske. Das enkging Fieoler
nicht. Andrerseits inuszle cr zusehen, mie eine grvsze
Aeihe privaler Aeskrebnngen, die einen groszen Ein-
slujz auf die Oesfenllichkeit besaszen, es sich zur Auf-
gnbe ninchken, der Kunst iihren alken Plah ini Leben
iviederzugeben. Aber wns dort propagiert wurde, ivar
keine gewachsene Knnst. Nichlkttnsller ivaren die eifrig-
ske» „Kiinslförderer". Sie tvaren die Arheber aller jener
archileklonischeii und pinslischen Scheuszlichkeilen,
lalle Groszslüdle sind übesvoll dnvon), zu deren Aus-
siihrnng sie niillelniüjzigesTnlenle nühlen. Das Wu-
chern jener Scheinkiinst hrohle die ivenigen lauleren
Aegnbungen in ihrer Wirkiiiigsiiiöglichlleit zu er-

Konrad Fiedlers

ardk-Suhl.

sticken. Es konnte seinen Schnierz nur niehren, dasz er
oie Kunst von seinen besten Zeitgenyssen nicht nur
niijzverstanden ftihlte, er hörte es von ihnen uniiin-
munden ausgesprochen, dasz sie ihre Aufgabe an der
Meiischheitsentmickliing ein sür alleinal gekan habe.
Dieser grosze Schinerz einerseils und niif der anderen
Seite seine philosophische Aakur maren es, die Fied-
ler aus den ErkeniilniSmeg nach deni mnhren Wesen
der Kunst führlen. Das> er Hildebrands und Maröes'
Schnssen durch viele Inhre hindnrch aus uninilkelbnr-
ster Aühe versolgen dnrsle, mar seineni Deiiken mie
oer feste Aoden unter den Füszen, mar ihni dis slels
lebendige Quelle der Aiischauiing.

Die alke Aesthekik pflegke beiin Aerslündnis des
Wesens der Knnst von ihren Wirliungen nuszugehen,
uin rückschlieszeno nuf die innere Antur der hervor-
bringenden Tütigkeik zu gelangen. Das Aussichkslose
dieses Weges mird sofork klnr, menn nian fragl:
melche unker den vielnrkigen Wirkungen ist die ihreni
Wesen geniüsze? Fiedler mill die künstserische Tütig-
keit „nakürlich aus der Menscheniiatur hervorgehen
sehen, den Punkt findeii, mo aus dem Aeichkuni
geistig-körperlicher Alnnifeslalionen die Tükigkeit sich
nbzusondern beginnt, die in ihrer meileren Enlivick-
lung als die künsklerische erscheink." 1ln> zu dein Zmeck
zu gelangen, fühlt er sich gedrungen, „das Aerhülknis
des Menschen zur Uinmelk einer erneuten Prüfung
zu unkerziehen". Lr zeigk, mie dns naive Weltbemuszt-
sein sich souvernin der Auszenmelk gegenüberstehend
empfindet. 2n seineni an die Sprache gebundenen
Denken sieht es dns geeigneke Werkzeug, üie Wirk-
lichkeik zu beherrschen. Die nenere Sprachforschuiig,
die die Sprache als AusdriickSbemegung verskehen
lehrt, zeigt nber, dasz sie auszerstande ist, ekmas zn
benennen, mas nnszerhalb des Sprachgebiekes liegk,
inithin nuch unfühig isk, jene Autzenmelt zu bezeich-
nen. üinsofern ist dnS diskursive Denken auch keine
Erkeiinknis der Wirklichkeit. A» die Stelle der fesken
Aiijzenmelk krikk das eigene Wirklichkeitsbeivuhkseiii.
Ein Blick in die Werkskatk unseres Weltbildes zeigt
ein Lhaos. Zn emigeni Flusz nnd in den iiiaiinigfnch-
sten Entmicklungsskufen sehen mir hier seine Llenienle
lEinpfindungen, Wahrnehinungen, Aorstellungen, Ge-
sühle). Die Schmelle unsereS Aemuszlseiiis mird von
diesem krüben Skroin kauin berührl, der Mensch
inöchl diesei» Ännkel enlrinnen und dies slüchlige
Leben sassen. Da schenkl sich ihin das Wort, durch
das ersk der theoretische Ausbau eineS seslen Wirk-
lichkeiksgebüudes inöglich mird. Zedoch das Worl ist
nur ein Erzeugnis des innere» Lebens, an dessen Ae-
reikung wohl alle siiiiilich-seelischen Fühigkeiten be-
teiligk sind. Es kriskallisierk sich aber nichk in ihni,
sondern pulsierl nach der Worlbiidung meiler mie
vorher, krübe niiü emig slüchkig. I» seiner Gesanikheit
bleibk es uiiaiiSdrückbar. lüni Wort mird deni Ae-
ivujzlseln ein neuer lünhalk zugefllhrk, ei» sesker mohl,
aber ei» koker. 3ni Augenblick, mo das Aemuszksein
niil dem Work daS Fliehende zu snssen krachkel,
ninsi es daSselbe verlieren, uin ein völiig anderes
in seinen üünden zu hallen. „Ein ehrliches Anch-
denken bekennk, dasz der iiienschliche Geist zur
Ausrichkling der Welt des Seienden nichk nur den
Aau ausführt, sondern nuch daS Aauinalerial erzeu-
 
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