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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 9 (September 1930)
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Schwemer, Paul: Jugendkunst
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Die Schule vom Schüler gesehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0238

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Wese»sziige mit deneii ^ des iiiiidlicheii Menschen
deciie». Wie maii das Eiitzelwesen aii Gang, Mimik,
Spiache i»id Schrifk erkesmt, so erkemit inan es un-
zweifelhaft an seineri F'orinen- und Fardsprache.

Die Tätsache, dafzi an einer Vollanskalk üer Fach-
lehrer hundert und niehr Schliler zu bekreuen hak, ist
diesem Einfühluiigsvepmögen allerdings !in Wege.

Aichk die Naturnähe oder Nakurferne !st eS, nicht
das 2in oder Er, wle' noch heuke vlele Aeschauer in
einseikiger Weise glaubeh, beskiinmen den Äeiz, son-
dern die e i n h e i k l i ch e, i n st i n k t s i ch e r e, u n-
inIkte 1 bar sInnllchs Darskellung.

llch verinag diese Dingeinur slüchtig zu streifen. Lei-
der sind auch Worte nichk allmächtig, wenn es sich
uin Angelegenheikeniües Gefühls und Triebes han-
delt. >! j

Aach den Kinderjahreii koinint die grosze Klippe,
wie für die Gesamtiiienschlichkeit des Kindes, so auch
fttr dns Form- und Farbgeskalten. ü!n den llahren der
Dubertäk verliert sich die feske, seelische Skruktur. Der
Körper, der in sich ausreiit, reint während dleser Ilm-
wälziing die Seele aus ihrein Gleichgewichti Die Hal-
lung des Zugenolichen wird labil, er wird launisch,
ivankelmütig, absprechend, unzugänglich. Der Lehrer
verinag nicht mehr, wie vordem, als Freund und Hel-
fer zu ihni zu koinmeii. Man lehnt ihn ab, ärgerk ihn,
karikiert ihn äls Harmlofesles.

Es bleibt dann nuchelns, nach üen Iahren ungebun-
denen Gestalkens deii!Schlller auf die Aaturbeobach-
tnng zu skoszen. H >

Sein Aerstand, dsr ohnehin durch das gesamke
Schulgelriebe skark enkwickelt wird, koinint jehk auch
iin Aildgestalten zur Geltung bei Pslanzen-, Tier-,
Alensch-, Landschafts- und Archikekkurskudien. Hierin
findet der Schttler Aefriedigung und mähllch stärker
werdenden Hälk.

Allgeinein glaubt inan init öiesem LebenSalter sei
üie jugendliche, triebhaskcs Fornihegabung, das kind-
iiche Kunstschaffen erloschen und resigniert an diesem
Punkt. Hinzu koinint noch die anfangs aufgezeigte
pessimistische Auffassung! des künstlerischen Zeitge-
schehens. Wenn es unter Millionen nur drei oder vier
Künstler gäbe, hükke: eS 'keinen Sinn, künstlerlsche
Triebe zu entwickeln,! i

Zwar wird das jstzt ^insetzende Gestälten anders
sein als das kindliche. Der jugendliche Mensch hat
sich inzwischen erheblich konipliziert. Sein reifer,
wacher Aerstand, feine kritische Haltung sind nicht

i!

Die Schule vom

-! ^

Es ist ein Kennzeichen unserer Zeit, datz sie sich so
gem und so eingehend init erzieherischen Fragen be-
fatzt und sich nicht genugi tun kann, festzusteilen, wie
die Seele des Schülers sgeschaffen sei und gelenkt
und behandelk werden missse und was die Schule dem
Schüler zu bedeuten hab?. Nakurgemätz werden alle
diese llntersuchungeit und Nichtlinien aufgestelit von
Eiwachsenen, die ihre Kennknisse, wenigstens die-

!

» 11m z» vermcidc», diib der »achkolseiide Aufsad dahiri Ittid»
verilaude» wird, ald haudie es sich m» die Darstellimg eiiier be»
jiiiiiiiileii Schiile, erschetils er vh»e siiigabe des Dersassers.

225

auSzumerzen. Gefühle äutzert er nicht gern. Doch ist
er innerlich voli Gesicht. Dlese Gesichte müssen her-
vorgelockt werden. Eie sind autzerordentlich verschie-
üenartig. Die jn den Kindheitsjahren spürbare Grund-
anlage ist geblieben. Aus dem Keimling ist ein Bäum-
chen geworden, doch bleibt Weide immer Weide,
Birke Birke. Eine Einigung in üer Arbeiksgemein-
schaft kann nur stattfinden auf grohe Sachgebieke,
Bildnis, Komposition, Neklame, Oelbild, Aquarell,
Zeichnung, Nadierung, eine gewisse Technik. 2n-
nerhalb üieses gsmeinsamen Nahmens wird der Ein-
zelne zu einer persönlichen Leislung angeregt.

Bon unzutreffenden Bergleichen mit Leilkungen Ec-
wachsener hätten Lehrer und Beschauer dabei abzu-
jehen. Datz Nembrnndt, v. Gogh oder Nolde die ge-
stellten Themen anders gelöst hätten, verstehk sich
von lelblt. Die Bilder sind zu beurkeilen rein nach
künstlerischen Gesetzen, Gesehen der Komposition, des
Helldunkels, der Farbharmonie.

Dann sprlngt wesenklich die Erkennknis heraus: Es
gibt zwar nur wenige Menschen, die zur grotzen, rei-
sen und kiefen Form gelangen; doch steckt in Iedem
keimhaft üer Kllnskler. Man mutz ihn nur herausent-
wickeln und ihn in seiner Schwäche stllhen.

Einem Elnwand mutz ich noch begegnen. Sie werden
zweiselnd, kopfschütkelnd sagen: „Er will Künstler her-
anerziehen!" 2ch sage tzhnen: „Keineswegs will ich
das!" Künstler von Beruf, das ersahen Sie aus mei-
nen Anfangsdarlegungen, scheidek aus, Künstler von
Berusung, das enkscheidet sich späker, weitn der junge
Mensch ganz auf etgenen Fujzen steht.

Ich will nur an das Kernproblem künstlerischen Ge-
staltens hinanführen, indem ich die Schlller keck aus
öie gleiche Ebene stelle, ste gleichen Bedingungen
unterskelle, denen der Kllnstler untersteht. Nur so
kommt man zur Kunst: ntcht von einem blotz passiven
Berstehen her. Kunstverskändnis ist etwas, was man
angehenden Kunsthiskorikern anerziehen sollke. Kunst-
Instinkke wecken, heitzt das Problei».

Biele meiner Schüler werden i» ihrem ferneren
Leben nie wieder einen Pinsel zur Hand nehmen.
Biele werden von der Bekriebsamkeit des Erwerbs-
lebenß fortgerissen und werden ihr Zugendland verges-
en, ütelleicht auch verlachen und veripotten. Unü doch
nann ein solches Tun nicht umsonst sein, denn es
slieht aus einein Zenkrum lebendigen, menschlichen
Wesens, und seine Grundzüge sind Liebe, Begeiste-
rung, Anteilnahme.

Schüler gesehen*

jenlgen praktischer Ark, herleiten von ihrem Umgang
mit der lüugend, bzw. von ihren eigenen Schulersah-
rungen.

Wie aber nun stellt sich diese Erziehungskäligkeik
dar vom Schüler aus gesehen und beurleilk? Wie
empfindet das Objekk der erzieherischen Wirksam-
keik diese Färsorge?

Bon dieser Erwägung auSgehend, kam ich auf
den Gedanken, einmal die Schüler selbst durch eine
zeichnerische Arbeil die Empfindungen ausdrücken
zu lassen, die der Begriff „Schuie" in ihnen auSlöst.
 
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