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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 9 (September 1930)
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Schwemer, Paul: Jugendkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0237

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sieht, i» der Ueberspannunji des Qualitätsbegriffes,
die er als Qualftätsfexerei brandmarkt, sondern in
einer Verinengung der Begrisfe künstlerische Oualiläk
und kunslgeschichllicheiAedeutiamkell.

Was geschlehk!mit gllen Enterbten des Glücks, den
Künstlern, die nlcht einen Stil elnleiken oder zur Äeife
brlngen, also kefne kunstgeschlchlilche Äolle spielen,
aber künsllerlsch! doch ekwas bedeuken. 3hr Schaffen
verslnkk. 2hre Bilder kommen nicht einmal zur Sichk,
well sie im Kunsfhanhel nichts gelken und der Kunsl-
hnndel nur miti'groszen Objekle» grosze Geschäfte
mnchen knnn, durch dle er gros> und mächkig da-
sleht. j

Diese „armen" Künskler versuchen sich eine Weile
iiber Wasser zu! halfen, indem sie überall an das
Milleid appellieren, indem sie alles machen, was man
von ihnen verlangt, und so langsam im Alorast des
Kitsches versinken, oder aber, und das sind die helden-
hafken, sich mit Gift oder Gas aus diesem Leben in ein
leidloses äenseiks^ hlnüberstehlen, wie der Hamburger
Blaler Heinsohn ^es kqk. 2m günstlgsken Falle gelangen
sie auf einem beschejdenen Teilgebiet zu einer be-
scheidenen Gelkung. Sle rächen sich am Leben da-
durch, das, sie liber alles die einseitigsten, aehässigsten
Ilrkeile abgeben, alles in den Schmuh zu ziehen suchen,
in dem sie selbst sitzen und so die allgemeine Un-
sicherheik noch restlos^r mache».

Sie sind wie!ein Äudel Wölfe. Ala» zieht aus,
um selnen Frafzfzu suchen. Da man aber nichks fin-
det, fällt man iibereinander her, um sich gegenseitig
z» zersleischen. Ganz allen Mickhalt verllerk man aber,
wenn man einem andern Nudel begegnet. — Unter
dem Kampsgeschrei: Zm u»d Ez wurden die unglaub-
lichsten Kämpfe geheim und öffentlich ausgefochten.
(Walden im „Sturiji".) Dem ahnungslosen Laien
aber, der irgendwann und irgendwie einmal einem
Künstler ins Garn ging, ihm wird das erslandene
Werk so grilndlich schlechk gescholken, das; er ein
zweikes Mal nicht wieder zum Klinstler geht, sondern
in Zukunkk bei seinem Spork und Leben bleibk und
künstlerlsche Dlnge weik von sich weist.

Wenn wir den Garken üer Kunst betrachken, so
sehen wir vor uns eiqige grofze starke Bäume, Eichen,
Buchen, dle alles beschatken, schwächeren Pflanzen
Licbt und Luft nehmhn, und auszerdem ist der Boden
herum mik Steinen qbgedeckt, so dasz nichts Hunges
nachwachsen kann. Die Kunsthikkoriker und Kunsthänd-
ler aber stehen herüm und seilschen nm das Holz
dieser groszen Bäume, errechnen die Millionenwerke,
die es hier aufzukeilen gibk und mik denen Geschäfte zu
machen sind. -

DaS Bolk bekritk dieses wüsle Gelände nicht mehr;
wer kann es ihm verdenken? >Es strömt auf die Sport-
plähe und in die Kiiios uno ist zufrieden mik diesem
Los. —

3ch konnle es mit nichk versagen, über das, was
heute i,n Bereiche dqr Kunsi vor sich geht, so krns; zu
reden, über die niedordrückende, aus allen Brenschen
M>t Kunstlrieben wie ein Alp lastende, pessimistische
Grundslimmung, von der sich die Slimmung ineiner
jejzk solgenden Ausführungen über Iugendkunst licht
abheben werden^

Äuf dem Vebieke der Erziehung gab es eine be-
glttckende Lntdeckung. ch» jungen Menschen liegen

ungebrochene Kräfke, die bei geistiger Einwirkung und
Leitung, bei gleichsam gärtnerischer Pflege sich srisch
hervorwagen. Diese Gewischeit klang übernll durch.
Hartlaub schrieb sein Buch vom Genius im Kinde.
Man begrisf und bauke sogar einen Kunskslil sür Er-
wachsene auf dieser Erkennlnls aus: den tinsantiliS-
mus sLhagall — Ändziwill — Klee.)

Man werkeke das Kind als Künstler gleichzeilig mil
dem Neger- oder Jndinnerkünstler, sprach von der
Parallelitäk der Bölkerenlwicklung mil der des ein-
elnen Ätenschcn. So bekai» man Werke des Jn-
ankilismus gleichzeilig zu sehen mit denen des Primi-
tivismuS, etwa bei Äolde, der schon äuszerlich ^ieger-
plastiken und ein kropisches Drumherum zu Sklllebeu
zusammenstellke, nber auch in der Gestallung, in Form-
und Farbgebung wesentlich primitiv isl. Bei Paul
Klee erschienen kludliche Strichpunktgesichker. Lr hal
in sich Züge des Kindseins zu erhaiken vermocht, die
sich ergöglich mischen mik Zügen reifsten Aesiheteu-
kums. Doch aus eiuer so eiumaligen, abseitigen We-
senheit eiuen Stil und eine Schule nuszubnuen,

Klee ist am BauhauS tälig , geht nnkürlich nichl.
Grundsäfilich wird ein kindiiches Bild kindliche Zttge, ,
ein männliches inännliche uud ein weibliches spttrbar
weibliche Züge aufweisen als nakurgesefzliche Selbst-
verständlichkeil. Wenn aber ein reifer, komplizierker
Mensch mik reifsken Kennknissen und Erkennlnissen zu
kindlichem Ausdruck kommk, so enlsleht zum miude-
sken der Eindruck von Äiaske und Schauspiel.

Wir Erzieher, die wir durch Iahre kagkäglich mil
Kindern verbunden sind, wir bekommeu, wenn wir
überhaupt psvchologischeu Spürsinn haben, eine un-
endlich feine ^iase sür echle Kindlichkeik im Gegensnf;
zu Anechlein, ?!nchgemachlei», Erheuchellei».

Am spürbarslen wirü die Kindlichkeit in den erslen,
sruchtbaren Iahren der Kindheik, in der Alulierschule
uud Grundschule, In denen das Kind mit einer Selbsl-
sicherheit, Unmittelbarkeit und Frische gestallet, die
später nichk wieder erreicht wird. Die Difiniliou, die
Egon Kornmann vom kunslwissenschastlichen Jnsliluk
Britsch von Kunst gibk, die als wesenklich die „Ein-
heitlichkeit der Geslaltung" siehk, sie krifst in hohem
Mas;e auf die Bildäufzerungen dieser Iahre zu.

Äoch in der Zeik bis zum 1H. Lebensjahr geslaliel
daS Kind, erfüllk von slarker Sinnenfreude, in sich
ruhend selbslsicher und persönlich, wie wenn eine
Pflanze durchbrechend Blälker ansef;l, nichl um-
schauend fragk: „Wie machen eS die andern," so das
Kind. Beide folgen einem unendlich gülligem rälsel-
vollen, ihnen innewohnenden BildungSgesef;. Hier
umformen zu wollen, wäre ein Unsinn und eine Un-
möglichkeil. Äur ein klein wenig nachhelfen, slüfjeu
und schühen, dns isl nlles, wns mnn kan».

So stehk denn auch meine jugendliche Pflanzung in
Blüke. Da gibt es kleine Äealisten, die immer wieder
Slrabe und Leben oder Wnsser und Schisfahrl zu ge-
slallen suchcn. Andere versenken sich in das Mvslc-
rium des Farbkaslens, der sie wie ein kleineS Wun-
der anstrahll und ihre Phnnlnsie und ihr Empfinden
mächlig erregk, wie sich das in Masken, GrokeSke»
und Flächensüilungen zeigt. — Immer bleibk der Liu-
zelne seinem Wesen kreu. üch vermag, wenn ich eine
Zeit lang in solcher Gemeinschaft als Freund und
Berater geskanden habe, jeder Arbeik den Urheber
anzumerken, indem sich die im Bild ausgedrückleii
 
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