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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 5 (Mai 1930)
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Reupke, Ernst: Vom Erlebnis zum Werk: ein Beitrag zur Berufsberatung aus Lesefrüchten und Eigenem
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0122

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Vom Erlebnis zum Werk

Ein Beitrag zur BerufSberatuug auS Lesefrüchten uud Eigenem.
E. 2! e u p k e - Frankfurt a. 2N.

„Es geschiehk oft dutch die grobe» Kunstverdrücker,
dcch die edien IZngenii nusgelöfcht werden", sagt
A. Dürer. Eine Zeit, in der solches geschieht, durch-
leben wir augenblicklich. Dein schaffenden Künskler
ind überincichkige Feinde ersinnden, die ihn z. Z.
brollos und fast überflüssig inachen. Es sind: Äuto,
Kino, Sporl, Lladio, Graminophon und vor allein
dle neue Snchlichkeik. Äus Anlas; der Skuktgarker
Anunusskelluiig loll eiis Berkreker der neuen Sach-
lichkeik erklärt hahen, i so lange es mögllch sei, in
einem 2!aum der üeueii Sachlichkeit ein Aild auf-
zuhnngen oder eine Plaslik anzubringen, so lange
hnbe der Archikekk seinr Aufgabe nicht richkig gelöst.
Die Musik.schreitek einer vollständigen dNechnnisie-
rung enkgegen, die Zahl der Auchleser wird immer
kleiner, und dns LuzuSbedürfnis isr fast gnnz im
Schwinden begrisfen. 2!ur einigen Prominenken gehk
eS wirklich guk, d. bs we»n sie „gemacht werden" und
das Gllick haben, eineiguke Presse zu finden, und
diese wenigen genügen dnnn voliauf, dns gesamke
Kunskbedürsnis zu befriedigen. Die grosze 2i!asse der
Kiinstler nber sihk Srbejkslos, hungernd, hossend »nd
wnrlend da. Die §sunsk! hal nnr noch da einige Ae-
deukung, wo sie dienende Skellung einnimmk, in der
Aeklnmekunst, der Gehrauchs-Graphik und >n der
Dekorakion. Glücksich sind heuke die Künstler zu
preisen, die sich noch i,,umstellen" und in andere
Aerufe abwandern konnken oder aber die sich zu
den Proininenten zählen dttrfen. Angesichks dieser
Taksachen ist es u n v e r s t n n d l i ch, dasz Kunst-
schulen noch um Schüler werben können, llegt doch
die Gesahr, ein Künstlerproletariat zu züchten, mehr
denn je nahe. Der Kunstlehrer, sofern er gewissen-
hafk und der ihm anvertrauken augend auch ein
Aerufsberaker sein wills hat sich eingehend mik der
Frage zu befassen, ob er heuke noch, selbst befähigken
Schüler», zum Kllnstlerberuf raken darf. Der Werde-
gang des Kttnstlers ist heuke als der Mwerste und
zwelfelhasteske anzuseheij. Zuni Künstler gehört mehr
als nur Zeichnen- und idttalenkönnen. Die Erörke-
rung der Frage: „W eir eignet sich von den
Aegabten z u »ü K ü n s t i e r b e r u f?" ist nicht
nur zeikgemäjz, sondern tiokwendig. Die Quellen für
die Aeankwortung der Frage sind:

1. Kennknis der Aorgänge beim Kunstschaffen und
die Aoraussehungen öafür.

2. Kennknis des 3ugendlichen nach seinen beson-
deren Anlagen und iNeigungen.

Durch Einblick in diese Quellen ssoweit wir oas
heuke bereits vermögen) und die Kombinakion der so
gewonnenen Erkennkniss? dürste obige Frage wenig-
skens zuin Teil beankworkek werden können. Ileber
die Aorgänge beim Kunstschaffen können natur-
gemüsz Aeuszerlliigen unserer Kunskgröszen am sichec-
sken Llufschlusz geben. 2lls Ergänzung mögen die Än-
sichken von Kunstgelehrken herangezogen werden, die
noch durch Beobnchkungen, Erfahrungen und Aer-
siiche des Kunstlehrprs ierweitert werden können.
Lluf dlesem Wege ^soll ^ nun der Aersuch gemacht

werden, zunächst einen Einblick in das Kunslschassen
zu gewinnen.

Liner Antenne vergleichbar, skeks zur Aufnahinc
und zum Empfang bereit, sieht der schaffende Künstler
inmlkken seiner Ilmwelk. Sie liefert ihm zunächst die
Aausteine in Form von Aorslellungen: „Also sälll i»
unser Gemük üurch die Augen allerlei Geslall, die
wir sehen." „Wir sehen geren schöne Ding, dann
es gibt uns Freud" (Dürer). Die Auszenweit über-
mitkelk ihm aber auch die äuszeren lreibenden An-
lässe, die wir als

Erleb » isse

bezeichnen. Besonders werkvoll für ihn sind die
Erfahrungs- oder Eigenerlebnisse. Sie köiinen ihren
Arsprung haben in dem Zusnmmenieben mit den
2)!ik»lenschen (also in der menschlichen Gemeinschasl),
in der Äeligion und im Erleben der Aakur mil
ihren mannigfaltigen Skimmiingswerken und ihren
reichen Motiven. Lehtere Gruppe könnke man als
unmlktelbare GeslchkSerlebnisse bezelchne». Eine
zweike, ebensalls reiche Gruppe sind die miltelbaien
oder Nacheriebnisse, wie sie sich bieten in den Skof-
fen der Geschichke, der Likeratur, des Theakers und
der Musik. „Dn nieiner groszen Angegriffenheik war
es mlr, als sähe ich Miisik mik den Augen, ansiaii
sie mik üen Ohre» z» hören!" (Feuerbach). „Der Künsl-
ier ist ein empfindsamer Zuschnuer der Well. Dcr
Kern des Kunskwerks isk die Linpfindsamkeik!"
(Plakner). Aus der Fülle dieser Erlebnisse niininl
nun der Künskler mik offenen Sinnen daS in sich aus,
was seiner Art, Anlage »nd 2!eigung entsprichk.
Enksäieidend und bestinimend für ihn und seine Ar-
beit sind nun Art und Grad der

A u f n a h m e f ä h i g k e i k.

Aoraussehung ist das Aorhandensein höchster
Empfindsamkeik und Erregbarkeit, die das Erlebnis
in die Tiefe, in das Gefühlsleben leiken und ein-
dringen lassen, wo insolge höchster Acagenzsähigkcii
das Getühl in 2Kikgefühl umgewnndelk wird. lie
ftärker das Geftthlsleben und je lebhasler die da-
hinter stehende Phankasie ist, die ein vollsländiges
Änelnversehen in ein Erlebnis ermöglichk, umso
stärker ist das 2)!iterleben. So wird daS Erlebnis
zuni tief innersken 2)!ikerlebnis, daS den gainen
Menichen erfüllt, durchwühlt, aiifrülkell und von sei-
ner Seele Äesih ergrejft. Der gleich gearkete Ge-
fühlskomplex wird in Milschwingungen versehk, so
dajz er in Freude miljubelt und jauchzt, in Trauer
und Säzinerz mitsühlt und weink, dasz er inik Dä-
nioiien in dle Fölle sührt und Grausen und Entsehen
verspürt, dah er mik Engeln in Himmelssphären enk-
schwebt u»d eine Ahnung von Heiligkeit, Aerklärung
und Seligkeit bekommk. (Danke, E. T. A. Hoffmann,
Gogol, Kubin). Dieses seelische Miierleben isk elwa
vergleichbar der Aesonanz einer Harfe, die schon
mitecklingt, wenn im Aebenraum ein Ton aiige-
schlagen wird. üie besser das 2nstru»ient »nd je fei-
ner es abgestinimt ist, um so skärker erklingen so-
 
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