Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

DOI Heft:
Heft 9 (September 1930)
DOI Artikel:
Die Schule vom Schüler gesehen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0239

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Also »ichl uni eittLii Belichl iii Worien soilte es sich
httttdeili, bei dem di^ Gesnhr des Bachschreibeiis ge-
horler Phrnsett besonders urosz sein muhte, sondern
iii» eine biidttiäszige Gestaitiing des Vefühisiioni-
piexes „Schuie". i! s

Da niin die Art iund s Weise, wie diese Aufgabe
den Schüiern gesteüts wurde, für die Veurteiiung dec
Ergebnisse von grundlegender Aedeulung ist, so sei
sie hier ausführiicheri wi?dergegeben.

3n säiiitiichen Klassen 'ineiner Schuie und noch in
einigen einer beiiachbarten, an der ich gieichfaiis
uiiterrichte, aiso insgesamt in 12 Kiassen aiier Ai-
tersstiifen, kündigke tch einige Tage vorher die Be-
arbeilung des Themqs „Schuie" an, zunächst ohne
jede weilere Eriäuteruiig. Diese Erwähiiung könnke
ais überfiüssig, oder qbers ais Aufforderung zu häuS-
ücher Borbereitung!. iniszverstanden werden. Zur
Aechkfertigung wiii !ch deshaib kurz anführen, dasz
ein soicher HinweiSg aifch wenn er vom Schüier
wieder qergessen wird, doch in seinem Anterbewuszt-
sein weiterarbeitet issid so den Voden für ein Ge-
iiiigen der Aufgabe worbereitet. Dies ist heute eine
aiierknnnte psychoiogische Tnksache. Auf ihre Be-
gründiing inöchte ich hier nicht eingehenr Weiknn-
fchaiiiiiigsfragen erschwere» dn ieicht eine Berstän-
diguiig. Die Gefahr ieiner uiiseibskändigen häusiichen
Borbereikung auf däs aizgekündigke Thema dagegen
hätle nur einkreten izönisen bei einem vom Srdina-
riuS vertretenen nnh füri die Bersehung entscheiden-
den Hniipifache. Dcch trpsz aiier „Aichtiinien" prak-
tisch doch iiiimer noch züin „technischen" Nebenfach
verurkeiite Zeichneii erwirs so den heimlichen Segen
seiner Ascheiibrödeisteiiiiilü !>n Schuiorgnnismiis.

Z» Begiiin der Doppsistunde, die für die Bear-
beitung jeneS Theinas vorgefehen war, gab ich dann
eine Äeiehrung foigeiider Art, iiatüriich dem Aiker
der jeweiügen Kiasse sntsprechend abgewandelt:
„Weiin euch morgens desr Wecker aufweckt, und es
euch piöszüch zum Bewusztsein koinint: aufskehen, an-
ziehen und zur Schulei, habt ihr da nicht ein ganz
nnüeres Gefühi, ais^ weisn es euch belm Aufwachen
einfäiik: heuke ist ja Sonntag, oder: heute sind ja
Ferien! Auch wenn ihr in der Schuistunde dem Bor-
trna des Lehrers foigk, s bewegen euch andere Ge-
fühie, ais wenn ihr etwa abendS einein öffenttichen
Borlrag beiwohnt. Andchenkt auch daran, was ihr
fühit, wenii euch in den sFerien oder eurer Freizeit
der Weg an einer Schuie vorbeiführk, in der noch
unkerrichtet wird. Aiie diese Gefühie also, die der
Begriss „Schuie" iir euch nuSiöst, soiü ihr iiu» !»
eiiiem Biide zur Gestnitung bringen. Aiso nichk ȟt
„Worien" soiit ihr „erzähien", sondern in einein
eiiipfindiittgsskarken Biide soüt ihr „geskalten". Nun
foigle ein kurzer Meinizngsaustausch über die Ge-
ichispunkke, nnch dezien znan ein soiches Bild formen
Ilöiittke, aiso z. B. sachiich als Schulgebäude, Kiassen-
ziiiiiiier, Leittinittei und:dgi. vder aber symboiisch,
sinnbiidüch oder auch aisiKarikakur. Dabei erinnerke
ich an eine auf unserer Schuiaussteüung gezeigke
Dnrsteüung einer Frllhsingsstiinmung durch zarte
heübinue und heügrüne Facben u»d frug, ob inan
einer soichen Farhensüinmunü auch den Tikei
„Schuie" geben könne? Lin Sturm der Beriieinung
wnr d!e ^inkwort, iizeist soigte auch gleich die Fest-
steüung, dasz für unser Thema nur graue Farben in
Frage kominen könnkeii. Mmik waren wir eigenlüch
schon in üie Bearbeitung eingetreten, und ich muszte

schieunigst Einhnit gebieten »nd jeden auf die Pfiicht
eigner Ausgestaitnng hiiiweisen. lim jede Befangen-
heit der Schüier zu vermeiden, gnb ich noch die Zu-
sicherung, dasz ich die Zeichniingen während der Be-
arbeilung nicht einsehen würde, und dasz d!e Biider
ohne Namensunterschrisk abgegeben werden dllrften,
unker der seibstverständiichen Boraussehung, dajz auch
bei Karikakuren die Grenzen des Anskandes gewahrk
würden. Erfreuücherweise fand diese Mahnung stets
Veachtung, und von der Eriaubiiis dec Anonymikäk
wurde nur seiken Gebrauch gemacht. Die Schüier
waceii ja geivohnt, aus ihrer Gesittiiiiiig bei inir
keinen Hehi zu inachen: was häkte eS denn auch für
einen Zweck, sich dem Zeicheniehrer gegeiillber an-
ders zu gebe», ais maii war. Fernsr steüte ich eS
ausdrücküch frei, die Bearbeitung ganz zu unker-
iassen und etwas nnderes vorziinehmeii, faüs sie
keine Neigung für die gesteüte Aufgabe fühiten. Bon
dieser Erlaubnis machten hie und da einige Schüier
Gebrauch, es waren meist soiche, die ain biidmäszigen
Gestaiken aus Mangei an innerer Biidekraft auch
sonst keinen Gefaüen fanden.

Wie waren nun die Ecgebnisse dieses Zeichenaus-
sahes?

Die Art und Weise, wie das Thema behandeit
wurde, üejz foigende drei Gruppen erkennen: i.Sinn-
biidiiches, 2. Sachiiches, 3. Karikakuren.

Der Zahi nach llberwog die erske Gruppe bei wei-
tem die beiden anderen. Aber nichk nur guankitativ,
sondern auch guaütaüv zeichnete sich diese Gruppe
auS. Das war ja auch nicht weiter verwunderiich,
wenn man in Bekrachk zog, dasz die Art der Aufgabe
einer soichen Lösung ain meisten enlsprach. Beson-
ders in den Oberkiassen, uno gerade von den be-
gabten Schüiern wurde sie bevorzugt, offenbar wegen
ihrer starken Ausdrucksmögüchkeiken. Und was fllr
Mögiichkeiten, waS fllr ein Neichkum an Möglich-
keiken zeigke sich hier!

Da ist, in an Böckün eriiinernder Auffassung, der
Eingang zu einer Feisenhöhie dargeskeüt, über ihm
steht „Scienküs" und aus seinein Dunkei hebt sich
abwehrend eine weisze Geisterhand. Was mag diesen
hochbegabten, aber sehr verschiossenen Oberprimaner
zu dieser Gestalkung geführk haben? War es Dantes
ollsterer Höiienspruch „I,a»Li!riv OMÜ jjpsruiiLü, voi
ek' sntruts"? Da ist (Abb. II ein nackker, schreikender
üüngiing, der wie gebannt über die Schuiter nach einer
weiten Bergiandschaft ausbückt, indessen von der
andern Seite eine giftig biau-grllne Hand (die Schuie)
ihn anrührt iinü sühri. Da ist (Abb. 2), künsiierisch wvhi
die beste aüer Acbeile», ganz in abslrakl kubistischer
Formung, ein an graue Wände gefesseiter Maschi-
nenmensch: auf seinen kreisförmigen, rotierenden
Kopfteii dringen spihe Pfeiie, Kegei und Pyramiden
ein, während oben und durch einen Wandspait feu-
rige Sonnenkreise verheijzend schiüern. Mujz inan
eS noch sagen, dasz dieses Biid von einem durchgesai-
ienen Abikurienken stainmt? Da ist, ein iminer wie-
derkehrendes Aiokiv, der dunkle, iange Gang (die
Schuie) am fernen Ende ein heües Lichk: das Leben!
(Eine Wonne für jeden Freudianer und Psychoana-
iytiker!) Da ist die von Zahiengewirr umschriebene
schwere Lnst, die der Schüler keuchend von Skufs zu
Stufe heraufschieppt. Da thronk, sonnenüberstrahit,
auf vioiettem Kakheder, dem „Lsciss 8a.pisntius",
wie ein Schlller bijsig bemerkt, der feuerfarbene, m!t
Perllcke und Briüe geschmückte und mit dem Lehr-
 
Annotationen