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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 4 (April 1930)
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Frantzen: Über die gegenwärtige Lage des Kunstunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0096

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e r Eigenschaft zeichnen

eliier Aeseelung des Äleiilcheii leidenschastlich ent-
saltele. Die Aiihnnger dieser Gruppe erkamiteii als
erste diese Erscheiiiiiiig amd Hhneii fnllt auch das Ver-
dienst zu, nls ersle eineii Aorskosz in dns >»ehr ge-
nhnie nls erkamile Axuland eiiier verliefken Kunst-
erziehung uiikeriioiniiieii zu chaden.

Sie erkennen vo» der Sache nus, dnsz inan mit dein
erscheinungsgeinciszeii oder aiischauungsgemäszen szeich-
nen nnch gevrejzte» Btä!tes/n, aufgespieszlen Schinet-
terlingen, Aluinenpötlen und Zigarrenkisten allensalls
der Biologie, der Erdlsunde, den Baturivislenschafteii
»nd der Technik ivertvolle Dienste leistek, dasz inan
danill ader keinen selhständigen Klinstunterricht
niachl. Sie skellen sesk, dasz sich Wissenschaft und
6unsl, so sehr sie Angelegeiiheilen des Geiskes lind,
doch srenid und unler Uinständen sogar feindlich
gegenliherstehen, dasz, grodi gesagt, cintellekk u»d Ge-
slihl ihre enlgegengesehle Pole sind.

Sie erkennen anderersesls im jiigeiidlichen Men-
schen eine slarke Beignng zui» Zeichnen, Malen,
Fvrnieii »nd Basleln ilnd eine starke Bereilschafk nuf
grosze Eindriicke, eiiu> wpile und nlifnahniesähige
Lrlehniskraft, die einen Kiinskiinterrichk vom Geftihl
aus goradezn als Geg?ngervicht zur wissenschaftlichen
Schnlarheil heransforhern.s

Sie schlieszen den Bfodcllschrank endgüllig zu nnd
pilgern init ihre» Zuijgen! zuerst in das Beich der
Phanlasie nnd dann sin das Beich der Nalur. Sie
enlzlinde» sich gerlihrt an den Wundern dieser Welten.
Sie werden Dichler, Phildsophen und Balurfreunde
ini Kleinen und in dIe
nnd ninlen sie. !

Ber Lehrer erzählt den Üuiiitaiiern eine Geschichte,
eine sehr gruselige und s^hr schvne Geschichke voni
Zanderer Schnurrihu und voi» Biesen Angekiini, wie
fie käinpfen, und wie eS ihnen dann ergehk. Die
punge» lausche» entzückt u»d warlen doch auf den
Schlusz der Sache, wo sie selhst niit der Ärbeik he-
ginneii dürfen. Es koinink dann viel Hnlloh und gule
Laune his — sich die erslen h i l d h a f k e n Schwierig-
keilen einskellen. Mejer ipeisz nichk, wie der Tiilpen-
hauni ii» Garlen des Zauherers aussiehl, «nd Müller
kan» keinen Mesen rauSks-iegen. Meier wird niuklos,
Müller isk hereits verzweifelt. Sie wollen einen
„r ichkige n" Tulpeisbauin und einen „richkige n"
Mese» wiedergeben und sehen nun, dasz diese Ve-
inühung nns Liiidernlsse stoszk.

Üb der Schüler sich nug selbst weiterhilft, oder ob
sein Lehrer helfend eingrelft, Ist ais inelhodische
Frage hier unwesentlich. Bedeutsain bleibt iin Grund-
säglichen, dasz die Berhessprung auf eine anschau-
u 11 gsge ni ä sz ungefähr s richkige Wiedergabe des
j BnunieS und des Aranne^ hinausiäuft, dasz der haib
! schüchler», halb energisch geäuszerke Wunsch des
! Schülers, zu einer gröszkniöglichen Aebereinstini-
niung zwischen Bild- und Baknrforin zu gelangen, so
vder so besriedig! wird. Wigebllch soil dabei die For-
derung, dajz sich der Slil der Berbesserung dem kind-
lichen Stil des biS dahin! Geschaffenen anzugleichen
hnbe, weikgehend beslicksichligt worden sein. Än-
g e b l i ch! 2n Wirklichkeit slürzen jedoch vorskel-
lungsgeinüjze und anschauungSgeinäjze Elemenle stil-
los Lnrcheinander. Hierzü sei Wesenlliches, das so-
wohl für die vorhin behaiidelke Anlerrichksauffassung,
wie nuch für die folgenden Gruppen von Bedeutung
ist, in kurzen Zttgen eingeschaltek.

Zehn Quintaner niil norinalen Augen haben nach-
einander von einen, beslininiken Punkk aus eineii
Tiilpenbauin bekrachlel. Sie haben ihn alle gleich
gesehen, weil Ihr Gesichlssinnesappnrat g l e i ch be-
schaffen ist. Der p h p s i 0 l 0 g i s ch enkstan-
dene Eindruck ist das, was wir als A n -
schauungsbild bezeichnen, und u 111 des -
sen bewuszte Wiedergabe sich die dur-
stellerische Arbeil der ersten Grnppe
ausschliehlich drehl.

Die zehn Quintaner wollen heule diesen Tulpen-
bauin zeichnen. Zu dein Zweck wird das s. Zt. ge-
woiinene Anschauungshild in das Gednchinis ge-
rufen. Es wird n u n bei sasl a i l e n I » n -
gen von einer geisligen Krasl beni-
leilt, die wir nls B v r s t e l l u n g s k r a s l
bezeichnen u»d i n solcher 1l e b e r s e > -
zung gekrieben, dnrch den A u s d r 11 ck s -
willen, als B 0 r s l e l l u n g s b i l d vder G e-
staltung a b g e s k 0 jz e n. Die Borslellungskrnsl
enkwickelk, erweilerl nnd bereicherk sich in Slusen.
Die Qualilät einer vorslelliingsgeniüsz enlstniideneii
Arbeit liegk In der Einheik, woniik sich die einzelnen
Bildteile uiikereiiinnder auf einer jeweiligen Slnse
logisch zusaninienschlieszen. Brilsch-Korninnnii sageu,
alie Kunst, primilive nnd hohe, sei vorskelluiigsgeniäsz,
aber nicht anschnnniigsgeinäl! enlsianden. A»e Kunsl,
primilive nnd hohe, sei Geslnllung nnd i» diesen,
Sinne eine Beurleilung, aber keine Wiedergabe der
Aaknr.

Aieier und Müller stocken plöhlich beiin Zeichnen
des Bauines nnd des Aiesen. Slalt nun anf der
Ebene eines iin obigen Sinne richligen Gestalkens,
auf der die beiden bis dnhin heslsinnik gearbeikel
haben, weikerzuzeichneii, bikle» sie den Lehrer uni
Hilfeleistung, dnnilt fie nnf die Lbene des richtigen
Darstellens hinliber springen köniien. Der Lehrer
hilft, ohne sich über die Folgen klar zu sein. And
waS vorhin.schon seslgesielll wnrde, lrisst ein: Bor-
skellungsgeinäszes und Anschauungsgeinäszes slürzen
stilloS durcheinander, zerrsiszen Linheit und Qualiläl
der Zeichnung.

Der Lehrer hilsl. Wichlig sür die Anleirichtsaiis-
fassung dieser weilaus gröglen Gruppe bleibt die
Annahine, daß die Borskellungskrafk und das darans
hervorgehende Gestnlken nllinählich abstürbe, dns;
der darauf folgende Mille znni aiischniinngsgeinä-
szen Schasfen, znni Dnrstellen, eineni lies fihen-
den Triebe enlspränge nnd durch die Puberläl
erst zur vollen Kraft enlfnllet würde. Sie lrngen die-
sem Willen Aechnung und beireiben von der Mitlel-
schule an eln slrengeres Anliirsliidiuni, daS sich aller-
dings wie dns folgende Anlerrichlsbeispiel zeigt, von
deni der ersken Gruppe wesenllich unlerscheidek.

Bor deni Prininiier slehl eine Sonneiiblunie. Sie
wird von Tag zn Tag niüder. Die Bläkter schruinp-
fen zusaniinen, die Blüle sälll lnngsani vornüber. Ein
ergreifendes Sinnbild der Bergnnglichkeik! ül)ne
Frage! Der Schüler soll niin zeichnen. Weniger
diese Soiiiienblunie (Ilöliaiillius aiiimiij-), nls dns
Schicksal eineS sterbendens GeschöpfeS. Bokanische
Bedeiilungen fallen also weg. Der geheinie Siiin des
Wesenllichen wird dasür erlebl. Die Biunie slirbl.
Der Schüler flihlk sich in diesen Borgnng ein, indein
er ihn gewisserinaszen auf seinen eigenen Körper
übertrügt. Er knickt in sich selbsk zulnniinen, läszl
Kopf und Arme wie gelähml herunlersallen und fllhll
 
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