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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 10 (Oktober 1930)
DOI Artikel:
Kellermann, Elisabeth: Italienfahrt 1929, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0269

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253

M Geslnllen jjelrngen itzurde, — eine goldaelbe
Derlie leuchtete darnuf die Chorliiiabeii in
iveiszeii imd roleu Gewäudetii säumleii den Verg-
psad lluliS uiid rechlS - i dies Leidtragendeii auch, so
ivnreu esz >vei Zllge, diese ismere Slrahe wie eineii
Abgrund meideiiö. Dns-ga»ze Vergdors schie» i»il
i» diesei» Pilgerzug zu ivaiidsl», duiikle Gestalte» i»i
Friihlliigsgrii» dieser Berge,i— das Meer fer» da-
hiiiler, der Vhi)khi»us eintöiiiger krauriger Musik
dnrüber, der Ackergeruchzder Frühliugserde riiigSum.
Klein wie ei» Schlüsselloch das weit osfene Portal
der Friedhofkapelle, derileuchtend goldne Punkt er-
krank i» diesem Schlüssqlloch-Schwarz — die Mu-
sik versluiiniile. Aichts, i nichtS hörte das Ohr, und
alles sah daS Auge, die Irrfahrlen des Odysseus,
Aelna, Aleere, Doriienbüsche und Feigenbäuine —
uiid die Sonne, die sich yerfinsterke . . .

Frösielnd suchke» wir inühsain einen Weg bergab,
M'genlropsen sielen, Dornen risse» n» Kieid und
Körper, — diese Alusik, -7- diir versluininke, — machke
eiiien ganz gegenwarksabmeschid. — Der Negen fiel
crescendo. Endlich, »ach csberiiialigen Skunden, kamen
wir nn ein Obdach, wo «s Wein, Vrot und Früchke
gnb, nuf dem Mouke Zsrekkö. Vluiiien blühke» im
Garle». Eine gule Slunde Nnst war guk verdient.
ämmer meiischeiieiiisames! der abendliche Weg her-
miker zu de» Meiischeii, nachsTaormiiia. l!m Abend-
däiiimer», darin ampelheli dje Mnndelblüten leuch-
leken, kamen die müden Maisderslente wieder in den
Terrassengarken des deukschey Hauses in Taormina.

Eine gnskliche Skunde
millag bei zwei deuksche»

kams dan» an einem Nnch-
, 1 Küisstlern in der Casa Silva.

Knini'iifeuer, goldne Leuchter^ rote Kerzen, blanker
Flügel, Dttrerselbstbildnls-Kopie, iiiärchenschöne, hand-
geiiinlle Stoffe, Samt gnd Seiüe, Tee aus traum-
haft schöne» Goldschnlen, eine deuksche Exzellenz mit
grauer Dogge und grnuem Lebensroman, — erfreu-
lich feiner Kopf, — sin Monse Zirekko im Zause von
d'Allura die Fandschrift daz» gesehen) — aber der
Zeiger rückt weiker, — und, ijn Ilebrigen, was bedeu-
len mir Vnrone, Lxzellenzens und Konsulel! llrrfahr-
len deS Odysseus! — ! >

Dns „grazie" heute aus einem Kindermuiid, aus
einein Leuchlfeuer von Zähnen und Freude war viel,
viel schöner. ! l

DieS „grazie" klnng in Palörmo. Oh, es war sehr
schwer, so zu ku», alS iMstände man »icht! Zwei
Mädchen, 8- und iOjährig etwa, wollken mir iyren
kleinen, hellblonden, iungeniHuiid geben, zum Ve-
halteni — sie lruge» ihn in! einem schwarzen Tuch,
überschttllete» ih» mit Zgrllichkeike» und »nterhielke»
sich seideiischasllich mit ipir, uiiangesochle» durch die
drei lreiiiienden Stockwerke,! sie auf der Gasse, ich
auf dem Holelbalkon. Äie harke Mllnze in einein
Slückche» himmelblaue» VriefpapierS schuf eine Se-
liiinde zeiklosen Schwebens, ganz nebenher fing mein
Ohr die Musik dieses kindllchen „grazie" auf — —
hiiiiderlmal schöner war dns iLächel» und die 2nnig-
keil, die diese» kleinen Hund bekreuke.

Es isk noch zu snge», dalz Taorminas Tnge für mich
damil schlossen, das; ein Skurm vo» uiibeschreiblicher
Wucht und Dauer einsekte, an Schlaf kein Ge-
danke, die Glasverandaszersplitkerke, das Licht im
gaiizeii gause erlosch, dis Wände bebken. Man fror
in seinein Vekk uiid fror ii» ssiiiem Kleid. Die Sonne
war verloren gegangen. jDer-Aelna drohke. — Eine

wilde Fahrt 0 Stundeii lang nach Palermo, über
Alessina. Negen und Sturm. Sarazeiienburgen i»
der Brandung. Sturzbäche von Schneebergen, Zilro-
nenhaine, Ziegenherde», Fremde, Fremde, Fremde.
cln Palermo »ichks alS Negen. Ein Aege», wie eS in
Deutschland keinen gibl. Ein narkolisierender Negen
ohne Erbarmen, »ächkelang, tagelang. Dazu Körper-
skreik. BroiichiliS, schlaflose Nächke, Tiefstnnd. Eine
Krisis von Wekker und Körper, — ich glaube, nur
dies wunderschöne „grnzie" heuke Morgen hak mich
wieder ins nlke Fahrwasser gebrachk, nur Atinung
und Beine streike» noch. Ei» unberechenbares Lnnd,
dieses Sizilien. Ein namenloseS, verschiiiuhkes Elend
in den Gasse» dieser Sladl, dieS Elend und diese
Goldmosaiken!! und in keiner Skadt sah ich dernrlig
viel Kitsch in sämklichen Schnufensker» wie in Pa-
lermo. Zwei schöne Erinnerungen gibk es nuch in
engster Verbindung mik Palermo: „Alonreale" heiszt
die eine, — „Segeskn" die nndere . . .

„Monreale", Kakhedrnle und Kreuzgang, beides
drauszen vor Palermo, an einem Hügel, von dem sich
ein märchenhaft schöner Blick auf den Golf und Pa-
lermo selbst biekek. Mich fesselten nicht die Goldmosai-
ken im Dom am meisken, sonder» die Schönheit des
Kreuzganges, der einen sofork in seinen Vann, in
seine» eigenen Geist zog, — und zwar in einen hel-
lere», von unerhörter Harmonie. Nosen und Lev-
koje» blühten im Garten und der Brunne» hatke
nllein das Work, die paar Schritke der paar fremde»
Füsze, — wie nichtigl — skörken nicht seine Selbsk-
gespräche, in der flache» Wasserschnle wnre» goldne
Tupfe», denn die eingelegken Zierbänder der Säulen,
echie Goldmosaiken, spiegelken sich darin, blau lachle
an diesem Tage der Himmel über dem Äosengarken.

Der lehte Tag auf Sizilie» war ei» — Tempelgang.
— Segesta! — 3n einer Einöde, weit, weik droben in
de» skeinernen Bergen ragk dieser wundervoll erhal-
tene Griechenkempel in den Himmel. Üch werde ihn
»icht vergessen, »ichk, daß Ich mukkerseeienallein >n-
mitken stand, auf einem schneeweisze» Teppich vo»
Mnrieiiblume», merkwürdig behükek vo» diesen Säu-
lenriesen, — die Zeik versnnk, — versank, — llahr-
hunderte — ein Nichks! ? . . .

Eine halbe Skunde Skeigung weiker vom Segelka-
Tempel und inan befindek sich i» einem griechiscyen
Thenker —, mn» sitzk auf diese» Skeinen und ver-
gleichk mil Taormina und fiihlk aus den feriie», fer-
nen llahrhunderten noch die gleiche Ehrfurchk, die
unskerbliche Ehrfurcht vor solchen und dieserhalb ge-

wählke» Hinkergründe» dieser „Theaker"-Meer

uiid Fiminel, Himmel und A!eer, - ma» mng keine
Worle diese» nllen, edle» Wei» lrübe» lasse». —

Dle Ueberfnhrk i» der Nachk von Palermo nach
Neapel war stürmisch und als die Sonne über dem
Vesuv stand, war man froh. clch war körperlich und
seelisch erschöpft von Segesta und von de» schlimmen
Negenkagen und nichts hätke vermochk, mich in dem
lärmeiide», schmuhigen Neapel zu hallen, eS sei denn
ein Menschenherz, aber die sind selken. — Nuhig
schaute ich dem umstäiidlichen Landuiigsmanöver zu
und sah mit Freude ineinen Nomzug gleich hinker der
Hafenhalle warken. Und dann lng das Schiff fesk und
meine Augen erschraken, denn gerade unker mir sah
ich, wie llber die erste ausgebrachke Schisfsbrttcke
Menschen wie eine Herde Vieh gekrieben wurden,
eine Neihe aneinandergekekteke Verbrecher, — Ich
 
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