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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 11 (November 1930)
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Kaempffe, Maria Luise: Vergleiche zwischen asiatischer und europäischer Kunst unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0292

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Hvlpiknl ttewor-en twaS mcm in Lhina sa darunker
verskehl): jedenfalls wimmelke es von Soldaken, die
zu üe» Fenstes heraushingen und da anscheinend
eine Alenpe fquler' Wihe machien, die ich qottlob
»ichk verslehen homske.

Aei Direkkors Tsao fand erst feierliche Vorstellunq
sinll: man wechselte die Bisitennarken, ein in Lhina
fkeks kiblicher Ärauch, und eS kamen immer noch
mehr Prosessoren in ihren langen Jschangs mit feier-
iichen Mienen!l» üie Empfangshalle dnzu, wo ein
lnnger Tisch skand uNd zunkichsk Tee gekrunken wur-
de. Herr Kou hakke sagen kassen, dah ich meine Schere
und Schwnrwapier- mitgebracht häkte, um einige
Profile der Hefren kiuszuschneioen, wie auch meine
Bilder zu zeigen/wofkir ich mir die Gunst auSbnk, die
Äleisterbilder der chlnesischen Kollegen sehen ru dkir-
sen: und ich spkirke sroh des skeinernen SöflichkeitS-
incheln, welches! alle Lhinesen so auszeichnet, doch
nllerhand Inkeresse in ihren Mienen, als ich erschien.

Anchdem nuipchieiTeezeremonie beendel war und
die Kulis bis quf einen alteren Diener mit einer
Inngen, oben gegabchten Äambusstange den Raum
verlnssen hakkens! kamen nach und nach üie Lehrer
mik ihren RollenbilÜern unter den Armen, die der
nlke Kuli mit gsojzem Geschick in gleicher Höhe an
üer Wnnd aufhing. Solch chinesisches Haus isk aber
nuch gar zu neesgneb fkir diese Äoilenbilder! Da die
meisten Lmpsangshallen ünerhäuser ohne geteilke
klnnenräume sind, wo die Fenster in Abständen von
IX- Aleter Areske isngefähr in 2 Meter Höhe sich
gennu gegenkibers liegen, herrscht ein wohlkuend gleich-
mäszig geüämpfteS Licht im Äaui», der, wenn daS
Dnch sehr hoch ist, nur von einigen geschnigkeii und
bemnllen Aalken, durch hölzerne Säulen geskiitzt,
iliiterbrochen isk. Ilnker jedem Fensker skeht ein klelner,
hoher, guadrntijcher sLeekisch auS Teac- oder öunk-
lem Mahngoniholj init abgerundeken Ecken, schön
gejchnitzt und pölierks Atan hat nirgends Deckchen,
irinkl und itzt steks s von dem polierken Holz. Die
rechlS und linkS davon stehenden Skühle oder Hocker
sind skets ebenso schöis gearbeitet. Zwischen den Stüh-
ien nun hängeii! an den schmalen Wandslächen die
Liollenbilder, je nnchlFesi- und lünhreszeit den Ein-
lrelenden grüszend: denn die Ailder werden anch in
Privakhäusern in Kcimpferholztruhen verwahrt und
nusgewechjelt. Wird sei» Gast besonders geehrt, sv
hängl der FnuSherr,- der linch der Aninelünng deü
Dieners slels sesbsl empsängl, mehrere Kakemonoü
auf, uui dem Gast die Freude am Genutz seiner Bil-
der zuteil werden zu lassen. Ein schöner Arauch! Das
gnnze Aolk liebk und'verstehk Kunst. Sie -liegk ihnen
im Alnke. Lesen ikönuen die wenigsken, nber Ailder
ihrer Hunliläl nnch werle» linnn n»ch der nrmsle
Kuli biü ziim Aeltler mil unsehlbnrec und unbarin-
herziger Krilik. Fum grvszen Erstaunen des Herrn
Direklors nnd der Professoren sprach ich nun auch
über die mir gezeigten Äerke, und mein Qualikäts-
nefühl erregte nnhezu Aufsehen in dem kleinen KreiS.
Dn nber alle auf eine Gegenieiskung wnrkeken, zückte
ich meine kleine Silhouetkenschere, zog schwarzeS
Papier hervor und schnitt unter halblauter Aewun-
derung und gedämpfkem bubel des Kollegiums den
Herrn Direktor ausr eineii wohlbeleibten Mann
mik gewaltigem Doppelkinn, daS auS dem Kragen der
aus erlesenster schwarzer Taffet-Atlasseide gefertig-
len Ueberjacke herauSquoll. Aesonders imponierte
üe» Zuschauern die Schnelligkeit, mit üer ich arbei-

tete, und auszer den lnngen dns Prosii überschneideii-
den Wimpern gesiel ihnen nm meiflen der zierliche
Schnurknopf nuf der schwnrzen Seiüenmütze, die jn
den rassigen Oskasier so ausgezeichnet kleidet. Immer
wieder hörte ich das „Ding hau can" (sehr guk nn-
zusehen), oder merkke nls Zeichen gröszken Wohl-
gefallens, dns, sich die Umstehenden mik dem Dnumeii
Feichen machlen. <Der in die Luft geworsene Daiimen
bedeukek „sehr guk, Ar. 1".) Nun bok mir der Direk-
tor sofork eine Gegenleislung an, wenn er seine Sil:
houekke behalken ütirfte, und ich erlebke einS der kech-
nischemWunder deilalkchlnesischen Tradlklonp die Ain-
lerei ohne Pinsel vder sonskiges Alikkel nuszer mil
der Hand! ES ist jn beknnnk, dntz die Feudnlchinesen
und die geistigen Aeruse zmn Feichen ihrer Wttrde,
um ihren Sknnd auSzuweisen, sehr lnnge Finger-
nägel tragen. cich habe Aägel, wohlge>)slegk und be-
hütet, bis zu 5 Zenkimeker Länge gesehen. Rachks
kragen sie Fingernägelschützer auS Silber, dnmik im
Schlnf diese Kostbarkeit nichk nbbrechen knnn. Di-
rektor Tsao ergriff nun eine Schere und schnilk mil
Aedacht in den rechken Feigefingernagek eine Arl
Federschlitz. Sodann rkihrke er mitteis Tee und
Wasser seine chinesische Tusche an, und schon gings
los. Ein Alakt Papier wurde auf dem Reitzbrelk nn-
gezweckk, und er srngke mich nnch meiner Lieblings-
blume. Ich sngte schnell „Schui hfien", d. h. Lilie des,
Wassers (dies isk eine beznubernde süsiduflende chine-
silche Tnzekte, ähnlich unseren Rarzisfenj. llnd schon
jchrieb er mit kräfkigen Zügen nufs Pnpier: Alnll
auf Alakt, dann solgten Skleie, Alülen, davor Ouer-
skriche als Wnsser, aiis dem ein Slein hernussah:
dann wurde miikels des Fandballeiis ein breiler
flächiger Anumsknmm hingeskrichen, und, da ihm die
Snche noch elwns mager erschien, kauchke er alle
fünf Finger in die Tnsche und kupfke so geschickl
über das Pnpier, dnsz der Anumslnmin sofort voller
Leben wnr. chi knnpp tti Alinuken wnr dns Aild wie
ein Znuberblalk vor mir serlig: ehe ich mich versah,
schrieb er mir eine knnstvolle Widmung, nalürlich
mit dem Fingernagel, aus dns Alnkk. Lr»n bvlen mir
nncbeinander sämkliche Lehrer an, mir gegen ihre
Siihouelle eines ihrer Ailder zum Andenke» oder
Tausch nuszuwählen; dnS, wns mir nm meislen von
ihren Rollenbildern geslele, wollle mir jeder ko-
pieren. Ich wurde dann im Triumpf durch alle Häuser
der Akndemie gesklhrl: die Schkiler, sleltzig englisch
Ichnnlkernd, hiellen »ber höchsl ehrsiirchlsvollen Ab-
ftand, und nur einer bnt mich, sich nrlig verneigend,
im Namen seiner Mikschüler, ob ich nichk wieder-
kommen und ihnen europäische 5zorrektur gebe»
wolle, natüriich in den zwei Räumen, wo auf gul
Europäisch Slilleben nnch nuSgeslopslen Tiere», An-
sen, Slosfe», Uiirbissen »sw. gemnll wurde». Der
Durchschnilk leislel dn, wo mnn der groszen Trndilion
kreu geblieben war, unglelch SkärkereS, weil ja ei-
genklich China kullnrell von seiner groszen Aergan-
genheit zehrt. Dn diese gernde in Künstlerischer Hin-
ficht so gewalkig und erfchükkernd i» ihrer Krnft isl,
find selbslredend üie chiiieslscheii Alalec in ihre»
Aollenbildwirkungen nm liberzeugendslen, zuinal die
ganze Kunsl rein hnndwerklich erlernt wird. Die
chinesischen Mnischulen slützen sich noch heute nus dns
älteste berühmle Werk des sogenannken „Sensnorn-
garlens", wv nlle und jeüe Technik wie alle und
jede Ausdrucksart feskgelegt ist: von der strenge»
linearen Zeichnung bis zur feinsten Tonmalerei nus
Seide. Alles nahezu Rezepte: so malk man Aerge,
 
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