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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 12 (Dezember 1930)
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Wiedermann, Fritz: Was die Steine am Wege erzählen...
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0333

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sluliL» !,» ött. Du»» ltcu» i!» „uusüelilurles" lZuhr-
huudert u»d stellle dus,Kreuz nlü ehemuliges Greuz-
zeiche» dur, wertlos uuhwhije Si»u. Aud die Anuer»
wnrse» de» Stei» ui»,! veriiinuerte» ih» im Sockel
ihreS Huuses oder die Arbeiter vom nuhen Strujzenbnu
zerschluge» ihn und belleke» die Trtlminer in den stei-
»igen Grund ihrer Skrusze.iSo ging viel werlvolleS
Gut verlore» und die Znhi sder Kreuze ging um ei»
BetrnchtlicheS zuriicli. Aur s muiichmui fu»d sich dle
verstnudniSvvlle üund eineS Geistliche» oder eineü
Lehrers, der dem geführdesen Zeichen einen »eue»
Plns; u» der KirchhofSmnuer oder nm Sockel des
Gotteshuuses gnb. Odbr dse Gemeinüe stsllle dnS
Kreuz uuf dem Angec unf nnd zog einen Ausenflecli
und e!» punr Büsche nls Einfriedung herum. Diese
Steinlireuze huk die wsnere Forschung einwundfrei
uis Mvrd- oder Stthiiölrreitze feskgestellk. ^luch ull-
germuiiischei» Aechle lionnte ein Mord durch Geid
vergliche» werden. DeriTntdr muszte nn die Hinker-
biiebenen eine bestimmtisl Su nme zuhlen, flir die Kin-
der sorgen oder ein öpfer bringe». Dumik wur die Tul
gesiihul. Die Silke deS Aiunsi- oder Wehrgeldeü gehl
ohne Zwelsel uus die Blukrgche zurticli und stelll be-
reils eine verfeinerle Fprmj dnr.

Die christliche Zeik ttberiighm de» nlte» Brnuch u»d
verbuiid dumit eine Aiesse oder ei»e Aomfuhrt u»d
dus Selzen eines solche» KreiszeS. Diese Borgünge sind
üurch mliuiide» eiiiwuiidsrei tiberlieferi. Auf eiuige»
dieser Skeiiie ist üuS Mordwerlrzeug eingeriht wor-
de». Dn finden wir Messer usid Aezge alS die Wuffen
der Bauer» und LuiizeiisundiSchwerker alS soiche des
ritterlichen Stundes. Aüch Werlizeuge liomme» vor,
sie siiid nber seliener. siiischrifte» und Autieruiigen feh-
le» güiizlich, ebenso ulle! plnssischen Arbeiten. Wo sie
üemioch vorliomine», gehören sie einer spüteren Zeit
u» und sind Zeiche» eiuer echeuten Verwendung.

Dus Sehen der Skeijilireuze starb mik dem guS-
gehenden ANttelulker uus uuö der Brauch geriet ail-
mühlich i» Bergesse»heit',''ö» sinigen Füllen sinü diese
Kreuze dun» im 10. odes 17. Onhrhuiidert uls Pest-
zeiche» verwendet worden, chiederholt sind sie uuch
uus Svlduteugrüber» aUfgesttzllk worde». Sie erhiel-
le» duzu eine eulsprechende sBemerliuiig. Aoch wüh-
rend üer FreiheilSlirlegei siich Ausseugrüber mit sol-
chen Zeichen versehen wordeii.

BiS inS Mittelulter geht guch der Bruuch zurtick,
be! besondere» Anlüssen Bgldstüclie uufzustelle»,
die üuii» uls Beksüulen ibeuchtel wurde». Der glticli-
liche Friedensschlusz, duSi Egde eiuer Pest, der Tod
eineS WttrdeutrügerS oder chn Ilnglümsfail wurden
zum Aiilus; geiiommen, chiuif ei» steinerneS Zeichen
uufzurichkeii. Die erstew! Sgulen wurden grob und
ungefiigig uuS einem Skei» gtzhuuen, im oberen Ende
wurde eiue Aische uuSgtzhölli dle ei» Bild oder ei»e
Schnisjerei uiisiiehmeii jliuszte. Die Bedeutung deS
Skockes wur ullgemein beliugnt und jeder Schriftsuh
wur ttbersliissig. Erst in'spgterer Ztzit wurden die
Süulen immer liunstvoller ujid zierlicher. Plustischer
Schmucli lrut hinzu, eige rtziche Beirrönung wurde
gewühlt, Tez't iind Schristtgfeln wurden eingeftigt
und ullmühlich entwickelltzn sich liunstvolle Süulen mik
reichem Schmuclr ausl demj ursprttiiglich einfuchen
Steingebilde. I» de» ösierrtzichischen Lündern ent-
stund der Bruuch, Heiligensgulen zu sehe», die reich
verzierten Asurien- und-iDrtzifultiulieitSsüulen luuch-
ten uuf und der urspriinglich !o einsache volliSlttmliche

Bruucb wur uiit einem Schluge eine Angelegenheit
der Künstler geworden. Kuiser und Könige wetieiserte»,
Süule» zu jeszeii und die Aingebuiig der Klöster wies
buld einen Äeichlum un Heiligensüulen nller Arl uus.

Der urspriingliche dörfliche Bildskoclr sund seine
Fortsetzung in den lileinen W e g e l> n p e l l e n, dle
nicht gröszer sind, uis dusz sie einen Beter uufiiehme»
liöniie» unü die besonders un lundschnstlich bezeichnen-
den Stellen zur Ausslelluiig liamen.

Die S t u u p s ü u l e », die i» de» Stüdten oft stutt-
liche, reich verzierle Sliicke bilüe», sind uuf den Dör-
fern uls einfuche Steinsüuleii zu flnden. Sie sind dns
Zeichen der freien Verichksburlieil, die nebe» de»
Sküdten auch ülkere Dörser besaszen. Ateist sind sie
recht liunstlos und krngen »ur uul ihrem Kupllell eine
lileine Belirönung, die un jeweilige Kunslsorme» er-
Innerk. Sie sind ofk dutiert und lusse» inuiichen Schlusf
uuf Erbauung und Herliunft zu. 2hr Borhundeiisei»
ist !n den Aliten und Klrchenbttcher» eingekrnge», so
dus; liber ihre Geschichke genug Augubtz» beliunnl
si»d. Ihre Berweiiduiig wur siir die lrleinere» Sttn-
der gednchl. Fiir die Büclier, die zu leichles Brol ge-
buclien, fiir die Iude», dle beim Pferdehuiidel be-
trogen, ftir die Lhebrecher und die Tugediebe. Sie
wurden mit einem Hulsringe um Schuft der Süule
ungeschlossen und dem Geipökt der Aieiige uuSgejetzt.
Meist belrumen sie uuch ihre tügliche Tracht Prttgel,
so dusz dus Anpruiiger» und Stüupe» zur wirkuiigs-
vollen Skrufe wurde.

Auch die Zeiche» des HochgerichleS, d i e G u l g e n,
si»d noch im Lunde zu sinde». Zwur si»d sie jelle» ge-
worde», uber einige '-Kesle siiiü doch »vch liberull zu
fiiide». Oft erinnert uuch »ur noch der Aame „Gul-
genberg" un ihre einstige Aolle. DuS runde Gemüuer
zeigt in fust ulle» Füllen die gleiche Form, die vier-
kuntigen Süulen dieiie» zum Auflegen der Bulke»,
un üenen die Berbrecher nufgehüngt wurde». Dus
Holzwerk ist lünukt versuuil, »ur dus Aiuueriverk
zeigt, wen» uuch skurk zerbröckell, die Ruiiie» jener
unseligen Stükte.

Solch eine Hinrichtuiig musz schrecklich gewesen jei».
Den» nicht »ur dus Aushünge» wnr eiue gruusnme
Sache, sonder» mehr noch die Prozedure», die dei»
Hüngen vorunglnge». Du wmde gefoltert u»d ge-
rüdert, gevierteilt und geschuiiden und zuleht sejzle
mun den Leichnuin den Krühen zum Frus;e uus.
Wenn nicht der Kopf noch ubgeschlugen uiid uls nb-
schreckendeS Zeiche» um Studlkor zur Schuu geslellt
wurde.

Aber eine solche Hinrichlung wurde zuin rechte»
Bolksfeste. Wie die Lhronike» meldeii, zogen die
Biirger mit Klnd uiid Kegel heruuS nnch dem
Schuuduiiger, wurlele» sluiideuluiig und verlritzbe»
sich die Zeit mit Schmuuseii uiid Spiele», mit Tuu-
zen und Schwähe». AlleS verlief nuch streiigem Zere-
moniell, selbst die Kleider u»d die Meiigen des ge-
trunkenen Bieres wnrden genuu beslimml.

So spricht uus den steinerne» Zeiche» ei» echkes
Sttick mittelalterliches Leben uiid bildel jo die werk-
vollste Ergünzung zu ulle» ^liifzeichiiungen und Bil-
dern. Die sonst so stummeii Sleine sind zui» beredle»
Ktinder nller BolkSsille» geworde». Wir wolle» sie
durum uchte» uud mil stirsorglicher Hund schttjze».
Denn sie huben viel gesehen und erlebl in ihre» lünge»
siuhren.
 
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