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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 1 - Nr. 10 (2. Januar - 12. Januar)
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rages-Zeitung für die mttMige Bevölkerung ver Amtsbezirke Melbers, Wiesloch, Sinsheim, Envivgev, Eberbach, Mosbach, Buchen, Abelshelm, Borberg, MberbiWssheivt u. WeMeim

Nr. 2

5. Jahrgang
RSMWLiMMsMWck»»

Heidelberg, Mittwoch, den 3. Januar 1S23

MU'WSs A« MA MM 8 kN MiM> «L W W WW WWLM SWWWWE
-ZZLZUFW-L w w sL«L°.«ss

Der kleine Moltke.
Von Hemian» Wendel.
Die „Erinnerungen. Briefe, Doku-
mente" des Generalobersten Hellmuth von
Moltke, die soeben im Verlag „Der neue Tag"
«Stuttgart) erscheinen, sind keines der großschnauzi-
gen und, kraslstossligen Bücher, wie sie uns seit 1918
von den Militärs und Diplomaten des Zusammen-
dvuchs allzu reichlich beschert worden sind: Hier redet
keiner von den üblen Helden, di« bis zum letzten
Atemzug der anderen durch!) ielte'.r, dann mit blauer
Brille ins Ausland verschwanden und jetzt mit der
Dolchstoblüge das Volt verleumden, dessen Zutnnift
sie, sr-eche Hasardeure, auf eine Karte gesetzt und ver-
spielt Haben. Dee Hand, die diese Blätter, nicht siir
Vic Ocfs-onilichkeil, beschrieben hat, lieg vielmehr schon
6 Jahre unter der Erde' und herausaibt sie die
Witwe, Eliza von Moltke, um das Andenken
eines Toten vor Unglimpf zu bewahren. Solche
Treue übers Grab Hinans, wein immer sie gilt, wer
immer sie übt, darf stets menschlicher Anerkennung
gewiß sein.
Aber ob. diese Veröffentlichung das Bild des
ersten Generalstabchess des deutschen Feldheeres we-
sentlich wandeln wird, stellt sehr dahin. Sicher war
Moltke keine Durchschuittsnatur und vor allem-
keilt robuster .Kommiskopf. Schon als Leutnant weiß
er Goethes „Faust" säst auswendig, seiner Brant
liest er Abhandlungen über den Chor in der griiechi-
ichen Tragödie vor, er spielt Cello, di'lcttiert in Lanld-
schaftSmalcrei und trägt sich sogar mit der Absicht,
des Maeterlinck „Pelc-as und Melisandc" zu über-
setzen. In juugeit Jabreit verivahrl er sich einmal
dagegen, ein -mystischer Schwärmer zu sein, aber mit
zunehmendem Älter verliest er sich doch mehr in
Ueb-crsumliches, gnibelt über das Dogma der Er-
lösung, rührt -ait die Bezirke der „Christian Science",
und gerät schließlich unter dem Einfluß seiner ge-
suisdbeleriischelt Fran in die AntHrvPosoPhic Dr.
Steiners Hinein, für die die Dunkelheit eine kosmische
Macht ist und die nach der Wanderung des Früh-
liugspunNes durch den chtronourischeu Tierkreis mir
Platonischen Wellenjahren gleich 20 000 Erdenjamen
rechnet.
Dieser Trieb der V-cri incriichuiigclt laßt ihir au
der papagoienvunten und settelleirlaitten ivilbeniiinl-
ü'beu -Acea wenig Freude empsindon. Nicht umsonst
bat er Jahre neben dellt Onkel, dein andern H e l l-
!U lt tH von Molt k e, dem „großen Sehiveigcr"
verbracht, der sich Zur rechten Stunde in das große
Schivoigen stahl, -um einer Zeit zu olttgchcit, die
das Gegenteil seiner Epoche ivar: >ncht schlicht, son-
dern ausgedonn-ert, nicht pflichttreu, solcher» Prah-
lerisch, nicht schweigsam, sondern übergejchwätzig.
Auch der Neffe, der noch in der» Konflikt Bis-
marcks mit Wilhelm dem Monarchen die
Stange gehalten Hak, erkennt bald die Hohlheit und
Asußorlichkeit des Treibens unter dem neuen Herrn.
Bei dem muß man immer auf „unvermutete Willens
erplosioiven" -gefakt sein; Spiokbatt seiner Launen,
ranzt er bald alle Welt grob an. bald ist er strah-
lend »ich lidbcnswüMg, und durch' seine HSneinHfn
seberei in die Manöver, durch seine lächcr-ttche Kriegs-
spielerei untergräbt er „das Vertraue» der'Offiziere
zu ilhvem Allerhöchsten Kriegsherrn". Besonders
stillt ueveu den Predigten Wilhelms -an Bord
ver „Hobenzollern" Moltke die „blödsinnig-atvcrnc
Sttininnng", der „aus dell Kalauer gestimmte Grund-
ton" der Hofgesellschaft bei dteson RordlandAreiseu
ans die Nerveir. Er stöhnt über den dumpfen Druck,
der alle Schassensfreud« ercköte, und rauft sich das
Haar über die Ewwirlung des neuen Kurses aus
die Armee: „Da werde» den Leuten bunte Schnüre
als Dchsttzenabzeichen ang-edängt, die sie -mir in der
Handhabung des CKWebrs hindern, durch alle mög
uchen äusseren Auszeichnungen wird -der Ehrgeiz an--
g regt, statt das Pflichtgesühl zu «nlioickclil, die
l litt forme» werden immer glänzender, statt seld-
mäszitg unscheinbar geslalet zu werden, d« Uevungen
ivcrde-il zu Zmrademäßigeir Theaterstücken, dekorativ
ist die Losung des Tages". In solchen Stimmungen
vermag er sogar sehr scharf und richtig zu sehen; als
„eer Hunneuseldzng gegen die chinesischen Boxer -an-
i-ebt, erMckt er darin mir ein „wüstes Abeul-eirer"
zur Erreichung evires Phantoms: Rache, und wenn
erga-ng chrlich sein will, „so ist es Geldgier, die uns
bewogen hak, den großen chinesischen Kuchen anzu-
schne-iden. Wir wollten Geld verdienen, Eiscnbaü-
isen vauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische
Kultur bringen, das beißt in einem Wort ausge-
drückt, Gctld verdienen. Darin sind wir keinen Deut
bess-er als die Engländer in Transvaal!"
Aber im ganzen bleibt er trotz allein au -der Ober-
fläche der Erfchei-nungen haften. Einen sehr großen
Teil seiner militärischen Laufbahn verbringt er auf
dem Hofparkett, in der Welt der Galatascui-, Schloß-
bälle und Kaiserpar-aden. Von den wirklich veive-
g-enden Kräften der Zeit abnt er kaum etwas. Wenn
er unter dem frischen Eindruck des Attentats ans
Wtthelm I. schon „das Geheul des blutig roten So-
zialismus" durch die Straßen schallen bört und
über „diese Bestien", „diese Halunken" „diesen Aus-
wurf der Menschheit" t-obt, so ist er als junger Dachs
wohl nur das Echo lewer Umwelt, aber noch als
reifer M-amr schrickt er vor -denk Sozialismus zurück;
wie er ihn ans B'ebels Buch über die Frau ken-
nen lernt, wett er ihm als die trostlose Monotonie
eines großen Fabrikfaales erscheint. Volk der all-
gemein-en Politik und den Vorbedingungen alles -hi-

storischen Geschehens hat er nicht mehr Ahnung und
Fachmänner sagen ihm auch auf militärischem Felde
nur ein „Durchschmttskönneiz" nach.
Ffttch rind Verhängnis dieses Mannes ist es,
kleiner Reffe eines großen Onkels zu sein. Wegen
des geschichtlichen Namens macht ihn der Kaiser,
der kindisch an solchem Firtesranz bangt, 1905 zum
Gcneralstabsches — wieder soll ein Moltke neben
einem Wilhelm stehen! — und Wett der Zart-
nervige die schwere Verantwortung dieses Postens
nur rnit einem Gefühl innerer Unsicherheit trägt, er-
setzt er in entscheidenden Augenblicken die wahre
Festigkeit durch gewollte Forschheit; selbst wenn er
„die verrückte Idee des allgemeinen Weltfriedens"
verspottet, ist -er weniger ein altpreiitzischer Eifen-
ftrsser als ein Nachtreter des anderen Mo-ltzke, dem
der.ewige Friede als ein Traum, n-n-d nicht einmal
als eue schöner, erschien, und so möchte er aus dieser
aufgepuwerton Forjclie -heraus während des zweiten
Marokko Kouflitts sein Amt verlassen, „wenn wir
ans dieser Affäre wieder mA eingezogeivem Schwanz
herausschleühon, wenn wir uns nicht zu einer -ener-
gifchim Forderung anfraffen können, die wir bereit
-sind, nHt dem.Schwert-zu -erzw siMm". Aber ob über-
guellvwdes Kraftbewußtsein, ob maskiertes Schwä-
chegefl'chl, der deutsche Gencralstabsckief ist einer de-
rer in sehr cinfkußreicher Stellung, die einen Krieg
für „eine in der.Weltcnlwickliing begründete Not-
iveutdi-gstiit" halten und darum aufs Losschlag-cn
drängen. Schade, daß er so gar nichts von der Rolle
enthüllt, die er 1914 bei den Beratungen vor der
Mobilmachung gespielt bat! Damals war er in sei-
ner Verblendung einer der Hauptverantlvorllscheu!
Worauf cs dem Buch aiuommt, ist zu zeigen, in wie
lMstferttger Art, nachdem die Entscheidung gefallen
ivar, Withel m in die Ausmarschpläne des He-cves
cingreist. Auf eine sich nachher als Irrtum erwei-
sende Meldung ans London, daß England die Bürg-
schaft siir eine neutrale Haltung Frankreichs über-
nahmen wollte, ruft Wildel m so srölftich, als Han-
dele es sich nm die U-mreiHung einer Schachtel Blei-
soldaten: „Also wir marschitzrcn ganz olustich mit der
ganzen Armes im Osten aus!" und befiehlt über d-en

Mannheim, 2. Januar.
Auf der Konferenz der Vertreter der sozialdemo-
kratischen Parteivereine des 6. Landtagswahlkreises
machte ReicbstagSavg. Oskar Geck zu obigem
Thema u. a. folgende mit stürmischem Beifall auf-
geuommcne Ausführungen:
Auch heute noch, nrebr als vier Jahre nach dem
Abschluß des großen Krieges, ist der Friede in der
Welt noch nicht wiedergekehrt. Noch bedroht der-
sckbc Geist, dem wir den Ausbruch des entsetzlichen
Weltkrieges verdanken, die Znknnft der Völker: der
Rationalismus, d. h. die nur auf das natio?
nale Eigeuinteresse gerichtete und die durch das- Zu-
sammenleben der Völker in einer großen Welt Kul-
ttrrgemeiuschaft gebotene Rücksicht auf die Ande-
re» mißachtende Einstellung der Politik. Am
schrankenlosesten betätigt sich dieser Geist zur Zett
in Frankreich, wo die Richtung der Außenpoli-
tik bisher und aller Voraussicht nach noch bis zu
deir Neuwahlen im Frühjahr 1924 bestimmt wird
durch die Mehrheit einer Kammer, die unter den
unmittelbarsten Nachwirkungen des Krieges, zu An-
fang 1dt9, gewählt worden ist.
Die Ausschreitungen des französischen Nationa-
lismus peitschen zwangsläufig das deutsche Volk
nationalistisch auf, verleiten cs zu gewaltsamer Auf-
lehnung. wie zuletzt wieder in Passau und Ingol-
stadt, veranlassen dann neue moralischeDemütigungen
des Reiches, die ihrerseits wieder den deutschen Haß
gegen Frankreich schüren — kurz: wir sehen in die-
sem Spiel und Gegenspiel des französischen und des
deutschen Nationalismus die Schraube ohne Ende
unausgesetzt in Bewegung, wir sehen, wie ein Keil
den anderen treibt, ohne daß, wenn es so weiter
ginge, ein anderes wäre als ei» Ende mit Schrecken.
In Deutschland macht sich die Reaktion, und zwar
die staats- wie die wirtschaftspolitische Reaktion,
diese Stimmung mit raffinierter Geschicklichkeit zu-
nutze. Alle Not, unter der unser Volk seit dem
Zusammenbruch der militärischen Front leidet, die
materielle wie die moralische, wird derRePublik
zur Last geschrieben, jener Republik, die in dem
Augenblick errichtet ward, als cs für Deutschland
galt, die so unsäglich undankbare Aufgabe der Li-
quidation des vom Kaiserreich geführten und
verloren eil Krieges zu übernehmen. Nicht
so, wie es allein richtig wäre, wird iwr den Massen
der Politisch Denkfaulen seitens unserer Nationalisten
die Frage formuliert: „Ginge es uns heute in
Deutschland besser, wenn wir statt der Republik noch
die Monarchie hätten?",, sondern man betört den nur
von Stimmungen beherrschten Volksteil mit der
rabulistischen Fragestellung: „Wo haben wir uns
Wohler gesühlt, im Kaiserreich oder fetzt in der Re-
publik?" Und so Hetzen alle, die an der Wiederkehr
des alw» Svstems ein persönliches oder ein Klassen-
interesse uabeu, gegen die Republik: die gesellschaft-

Kopf des Generalstabschefs Hüt-Weg, daß der -im
Kriegsfall vorgesehene Einbruch in Luxemburg zu
unterbleiben habe. Moltke ist „wie gebrochen",
vergießt ru Hause „Tränen der Verzweiflung" rind
sitzt stundenlang „in dumpfer Stimmung untätig""
in ie-luE Zimmer. Auch als es -dann anders kommt
und im Westen planmäßig losgeschlagen wird, über-
windet er den Eindruck dieses Erlebnisses nickst,
etwas ist in ihm zerstört, „das nicht wieder aufzu-
bauen war, Vertrauen und Zuversicht waren erschüt-
tert" — rnit einem solchen gewiß nickst napoleonischen
Feldherr» zieht Deutschland in den Weltkrieg!
Die paar Wochen, da Moltke noch die Leitung
der Operationen inne hat, erliegt er saft -der Ver-
antwortung. Mit Entsetzen sieht er die „Hurrastim
mung" Wilhelms und seiner Umgebung, „wie
ahnungslos der hohe Herr über den Ernst der Lage
-ist": ein Grauen packt ihn angesichts der Ströme
von Mut, die schon geflossen sind, und des namem
losen Jamumrs, der über ungezählte Unschuldige
gekommen ist; da cs au der Marne schlecht geht,
ahnt er das böse Ende — „wie werden wir zu zah-
len haben für alles, was zerstört ist!" ruft er Pro
phetisch mts. Nach der Marneschlacht wird -er -bei-
seite geschoben, muß noch mit seurem Name» daS
Geschehen decken und weiß trickst eimnal, was vor
geht, und wird endlich nach qualvollen Woche» der
Hoinmt überwiesen. Dort, „völlig ausgeschaltet",
„rnit Fützsn getreten, verleumdet", oinftußlos als
Chef -des stellv ertrownd-en Generalstabs in BevKNz
verfolgt er Mit steigendem Mißbehagen den Fort-
gang der Dinm --". Das ist keine Krchgsührum
lm.hr, das ist ein vollständiges Fiasko!"-, er
teilt Ratschläge, auf die niemand bört, versaßt Denk-
schriften, die niemand livst, macht Voraussagen, an
die niemand glaubt — r<r Bodensatz dieses Lebens
ist Bitternis!
Aber was bedeutet alle Bitteriris eines Einzel-
nen lwben dem nnentteßlichen Leid einer ganzen
gr-oßon Nation, die -duldet und darbt, weil eilt mit-
telalterliches Regierungsshste-m es ihre» kleinen
Wilhelms und kleinen M oltkes gestattete,
Welten schick ja! zu spielen!

sich deklassierten Offiziere und Hoheit Beamten, die
in ihrem Profit gefährdete Schwerindustrie,
gewisse Kreise der Studentenschaft,
die für ihre akademischen Privilegien fürchten, und
so manche anderen Leute, die entweder von der Er-
ziehung des vornovcmbcrlichen Deutschen zum „Un-
tertan" unter Thron, Kasernendrill und Obrigkeits-
Autorität nicht loszukommen vermögen oder sich von
bloßen Stimmungen Hinreitzen lassen. Dabei bedient
man sich bei dieser Hetze der niedrigsten de-
magogischen Mittel. Wie immer nach gro-
ßen nationalen Prüfungen, wie schon in Frankreich
nach dem Sturze Napoleons 1870 die Legitimisten
aller Richtungen gegen die neucrrichtcte Republik;
wie 1905, nach der Niederlage im Kriege gegen Ja
pan das zaristische Rußland gegen die drohende
Revolution, so arbeitet jetzt auch bei uns die staats-
politische und wirtschaftliche Reaktion mit dem Mittel
der Judenhetze, um die Masse der „bequemen
Denker" hinter sich zu bekommen.
„Nieder mit den Juden!"
schreit man vorn; und hinten beuten die christ-
lichen Kohlenbarone, die christlichen Zucker-
fabrikanten, das christliche Papiershirdikat, der
christliche Bauer die Volksmassen aus, daß es
ihnen grün und blau vor den Augen wird. Und die
diesen antisemitischen Flöteuiönen nacülausen, mer
ken in der Einfalt ihres Gemütes nickst, wie sie von
den gerissenen Rattenfängern, die im Solde der groß-
kapttalisttfch-militaristisck'en Reaktion arbeiten, ob
ihrer Dummheit im stillen Kämmerlein verlacht wer-
den. Der „Sozialismus der dnmmcn
Kerle", wie der Wiener Demokrat Krsnawetter
schon in den achtziger Jahren den Antisemitismus
nannte, tut offenbar auch beute noch seine Wirkung.
— Was aber würde aus Deutschland werden, wenn
diese nationalistische Reaktion
im Reich wirklich zu Kräften käme?
Der Führer der Dcutschliberalcn Vöttspartet, Herr
S1 resemau u, ein Mann, der trotz seiner gefühls-
mäßig monarchistischen Einstellung aus den Belan-
gen der deutschen Wirtschaft heraus doch iroch etwas
mehr politisches Verantwortungsgefühl besitzt als
die Soldschreiber in der großkapitalistisch ausgebal-
tcuen reaktionären Presse, sagte vor kurzem in einer
Vielbeachteten Rede im'Rcichstag: „Nicht so laute!
beute für Deutschland die Frage: „Republik oder
Monarchie?, sondern:
Republik oder Chaos?
Und so liegen die Dinge in der Tat! Gelänge es
den deulschnationalen, deutschvölkischen, national-
sozialistischen" Brandstiftern — oder wie diese Herr-
schaften sonst sich fälschlich nennen mögen den
Feuervrand an das Gebäude der Deutschen Republik
zu lege», die Folgen wären unabsehbar. Bürger-
krieg, Massenstreiks, Zusammenbruch des Verkehrs,
der Kohlenförderung, der Leüensmiltelveesorauna.

Die Gefahren des Nationalismus
und ihre Abwehr.

Niederbruch der gesamte,» Wirtschaft, Auflösung der
öffentlichen Ordnung und der Staatsverwaltung,
kurz: das Chaos, wie es Stresemann prophezeite,
wäre unvermeidlich, cr-a s....
wäre dir I n t erb entionder Eutente, sicher-
lich diejenige Frankreichs, das natürlich unter
keinen Umständen dulden würde, daß an seiner Ost-
grenze auss neue ein monarchistischer Militärsiaat
ausgebaut würde mit allen Gefahren, die es durch
die Niederwerfung des Preußischen Militarismus
für alle Zeit gebannt glaubte. Das wäre daun auch

der Untergang des Reiches

und damit die Zertrümmerung der deut-
schen Wirtschaft. Diese ungehencrliche Gefabr
von Deutschland abzuwenden, ist nicht nur ein vitales
Interesse der Arbeiterschaft; es ist eine wahrhaft
vaterländische Pfliebt. Um ihr wirksam zu
begegnen, bedarf cs der

straffsten Zusammenfassung aller republikanischen
Kräfte.

Unter diesen bildet die sozialdemokratische
Arbeiterschaft den festesten und — leider! —
allein absolut zuverlässigen Kern. Um so ehren-
voller die Pflicht und die Aufgabe, die ihr daraus
erwachsen. Im Freistaat Baden bietet der Mi-
nister, der zunächst zur Abwehr verbrecherischer Ge-
waltauschläge auf den verfassungsmäßigen Zustand
berufen ist, hierfür alle Garantien; und auch ans die
Polizei ist in Baden, wie erst jüngst wieder die
Vorkommnisse in Pforzheim und Mannheim gezeigt
haben, bei dieser Atüvebrattion Verlaß. Das darf
uns Sozialdemokraten jedoch nicht in Sicherheit wie-
gen. Vorläufig, solange die Gefahr nicht umnittet
bar dringlich, wollen wir uns nicht allein stützen und
verlassen aus die Mittel der polizeilichen Gewalt:
der Kampf mit geistig e n Waffen, die Aufklä-
rungsarbeit bleibt siir uns nach wie vor das
Wichtigste. Wo uns aus der verbrecherische» Ver
wegeubeit der iu der bayerischen „Ordnungszett."
gezüchteten dcutscüvölktschcu Umsturz Organisation
aber unmittelbare Gefahr droht, da werden
wir auch mit Münchener „Stoßtrupps" uud dcutich-
völkischs» Gummiknüppeln fertig werden. Der Aus-
bau einer disziplinierten Masseuav-
w c h r - O r g a ni s a t i o n, einer

zuverlässigen Schutzg^rde der Republik,
ist auch in Baden, speziell auch hier in Mann-
heim, im Werk, und die Arbeiterfäuste, die de»
Znschlagyauuncr und die Holzaxt zu Handhaben ver-
stehen, werden schließlich auch mit den großkapita-
listischen Söldnertruppen eines Hiller fertig wer-
den. Bange machen gilt bei uns nicht; wenn es doch
einmal bart auf hart gehen soll, werden sich die
Proletariersäuste als die härteren erweisen, und
einschüchtern lassen Wir uns durch die großmäuligen!
Etappenbetden des Kampfes um die Republik erst
reckst nicht. Wir vertrauen auf die sieghafte Kraft
der republikanische» Sacbe, und unser Kampfgeist
wird beflügelt durch die Ueberzeugung, daß unser
Bemühen dem wohlverstandenen Interesse des ge-
samt e n d e u t s ck e n V o l k e s gilt, dem von ganz
Europa, ja
der gesamte» Kultnr»»clt.

Eitle Gefahr freilich besteht dabei: die Zer-
splitterung, die der proletarischen Abwehrfront
seitens der Moskauer Richtung des- Proletariats
droht, von jenen L i n ks b o l s ch e w i st e n, die die
Republik von der anderen Sette berennen und die
deshalb von den Rechtsbolschewisten rind ihrer Hil-
ter Garde mit Recht als Bundesgenossen betrachtet
werden, lind diese Bewegung würde schondann
zu eiirer Gefahr für die Republik werden, wenn die
Moskauer es dahin brächten, daß in Deutschland
ein wesentlicher Teil der Arbeiterschaft in polttiichem
Unverstand und mangelnder wirtschaftlicher Einsicht

das Interesse an der Erhaltung der Republik
verlöreJ

wir den mißleiteten Klas-
Politik ihrer Partei
Sack'e vor Augen
m>> dem Her-
e wahren Ur-
tt ch r e r n e n
machen, und
e Sozialdemo-

weit sie ihnen unter den zermalmenden Folgen des
Krieges und des Versailler Diktats nur Sorge, Not
und Entbehrung brachte und damit die überschwäng-
lichen Hoffnungen enttäuschte, die sie auf den No-
vember-Umsturz gefetzt hatten. Hier gilt es für uns,
nach lt-nks bin eitle w i ck> t i g e A u f k l»r u >> g S-
arbeit zu lei
scngenossen den
und ihre
führen. Nicht
zen, sondern mir
fachen unseres Elends .
Verstände gilt es jetzt,
diese Politik kann nur die 1
kralie seit dem militärischen Zm' -menbruch des
Reiches,gemacht bat, und die jetzt am„ die Regicrnug
Enno notgedrungen weiterfübren muß: die

der Erfüllung im Nahmen des Möglichen
unter Ablehnung der ebenso stümperhaften, wie ver-
antwortungslosen und verbrecherischen Rezepte, dis
uns die Rechtsbolschewisten der Münchener Hitler-
Schule empfehlen.

In Frankreich ist der Nationalismus
drauf und dran, an dem Widerstand, den ihm die
eigenen Bundesgenossen in England, Amerika usw.
entgegensetzen, und an der vernünftigen Haltung,
die iüm gegenüber bisher das offizielle Deutschland
einnahm, zuscmtmenzubrechen; in Deutschland
soll er ail der Aufklärungsarbeit und der bis zum
Aeutzersten cutschwssenen Gegenwehr der in der
 
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