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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 1 - Nr. 10 (2. Januar - 12. Januar)
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»ei,) Mk. IW.—. Bei Wicderholun-
Nachlaß n. Tarif. Geheimmittel-
^Seigen finden keine dlu'firahme.

Volkszeitung

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stunden der Redaktion: n—w »Lhr
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Druck u. Verlag der Unterbadischen
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berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.SS.
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sm die werMMBevöüerMg der Amtsbezirke Zeldelberg, Wiesloch. Slasheim. Wingen. Verbach, Mssboch, Buchen. Adelsheim. Borbern. MberNchMeim u. Wertheim
5 Jahrgang Heidelberg, Montag, den 8. Januar 1923 Nr. 6

AD FMM «WM?
» Heidelberg, 8. Januar.
Was wird die Folge des Abbruchs der Pariser
Konferenz fein? Wird Frankreich am 16. Jammr
leine Truppen in Bewegung setzen und
^as Ruhrgebiet abschnüren? Wenn cs auf Poin--
ccrtz allein ankommt, sicherlich. Er schreit ta nach
de», „produktiven Pfändern", deren Besitzergreifung
"ach Bonar Laws Erklärung die Vernichtung
dereuropäischenWtrtschaft bedeutet. Den
Beginn dieser Vernichtung erleben wir in unmittel-
barer Folge. Der Dollar ist wieder weit über
^>00 geklettert.
Jede Gewaltanwendung mutz „rechtlich" frisiert
werden. Das ist immer so gewesen und bleibt so
lange, wie die Kapitalisten am Ruder sind, die ohne
Gewalt ihre Beute nicht sichern können. Potncare
bar schon vor dem Beginn der Konferenz nach recht-
lichen Begründungen Umschau gehalten. Er hatte
die deutschen Holzlieserungen entdeckt. An
ihnen fehlen einige Kubikmeter. Folgerung: eine
vorsätzliche Verfehlung Deutschlands, die Frankreich
Vas Recht gibt, seine Regimenter in Bewegung zu
setzen. Damit nicht genug, Potncare entdeckt jetzt,
das; auch bei den K o h l e n l t e fe r u n g e n — die
Kleinigkeit von zwei Millionen Tonnen monatlich
-- einige Zentner zu wenig überbracht worden sind.
Die zweite vorsätzliche Verfehlung Deutschlands.
Also marschieren wir. unter den Klängen der Mar-
seillaise, die die Kunde von Freiheit, Recht und
Brüderlichkeit in die Lüfte schmettert.
Schließlich, wenn Not am Mann ist, kann noch
eine andere „R echts" gründ l a g e ausge-
tüftelt tverden. Da die provisorische Regelung der
Reparationszahlungen für 1922 am 31. Dezember
ihr Ende erreicht hat, ist grundsätzlich der Londoner
Zahlungsplan wieder in Kraft getreten. Nach die-
sem Zahlungsplan haben wir zunächst am 15. Ja-
nuar eine Barsumme von 50 Millionen Goldmark
an die Reparationskommission abznsühren. Zur
Vermeidung dieser und der folgenden Zahlungen
bat die Regierung Wirth in der Note vom 14. No-
vember, unter gleichzeitiger Vorlegung eines Pro-
jektes finanzieller Sanierung, ein zweijähriges Mo-
ratorium beantragt Dieser Moratoriumsantvag ist
bisher von der Reparationskommission nicht end-
gültig beantwortet worden, da die Entscheidung der
alliierten Regierungen zuerst aus der Londoner, dann
auf der Pariser Konferenz abgewartet werden sollte.
Nach dem Abbruch der Pariser Konferenz ist mit
der rechtzeitigen Gewährung des Mo-
ratoriums nicht mehr zu rechnen. Die Repa-
rationskommission kann uns aber die Ablehnung
unseres Moratoriumsgesuches mitteilen. Wir sind
dann nach dem Londoner Zahlungsplan verpflichtet,
bis zum 15. Januar 50 Millionen Goldmark zu
zahlen. Da uns diese Leistung unmöglich sein wird,
kann Frankreich unmittelbar nach dem 15.
Januar wiederum die Feststellung der Nicht-
erfüllung seitens der Reparationskommission ver-
langen und mit dieser Feststellung — nach seiner
Auslegung des Versailler Vertrags — Zwangsmaß-
nahmen zur „Sicherring" der Gesamt-Reparations-
ahlungen begründen.
Nach deutscher Auffassung steht die französische
Interpretation im schärfsten Widerspruch
mit Wortlaut und Sinndes Versailer
Diktats. Danach sind nur gemeinsame Maß-
nahmen der alliierten Siegennächte zulässig und nur
solche, die sich streng im Rahmen des Wirtschaftlichen
und Finanziellen halten und die deutsche Staats-
und Verwaltungshoheit unangetastet lassen. Die-
selbe Auslegung der entscheidenden Paragraphen
ist in der englischen öffentlichen Meinung vor-
herrschend. Es wird sich ja nunmehr in acht Tagen
zeigen, ob der nationalistische Block in Frankreich
trotzdem den feindlichen Einbruch in deutsches Gebiet
wagen wird. Die Macht dazu hat Frankreich. Ob
auch den Mut, sich damit völlig zu isolieren,
wird sich ja Herausstellen.
Viel hängt auch sicherlich von der Aktivität
der deutschen Regierung ab, die in der
Zwischenzeit nicht tatenlos bleiben darf, sondern
versuchen nmtz, zum mindesten einem Ultimatum
der französischen Regierung vorzubeugen. Da-
zu gehört freilich, daß die Regierung genau das
Gegenteil von dem tut, was die deutschen K a -
tastrophenpolitikerihr mrraten. Eine Politik
des nationalistischen Irrsinns, die sich kein Gewissen
daraus macht, daß nicht nur das Ruhrgebiet,
sondern auch der letzte Rest von innerem Zu-
sammenhalt im deutschen Volke verlorenginge,
trauen wir selbst der gegenwärtigen Regierung
nicht zu. Deutschland mutz nach dem Grade seiner
Leistungsfähigkeit jetzt versuchen, sich wenigstens der
englischen Auffassung von der Lösung der
Rcparationsfrage zu nähern. Es bleibt abzuwarten,
ob dann noch Frankreich wagt, eine Pfänderpolitik
zu betreiben, die schließlich hie ganze Welt gegen
es aufbringen muß, wenn es noch ein Recht auf
dieser Welt gibt.
Total verkehrt wäre es nun, wenn die Regierung,
was man ihr immerhin zutrauen kann, in den alten
deutschen Fehler verfiele, ausdieUneinigkeit
der Alliierten und den Zusammen-
bruch der Entente zu spekulieren. Der
Entenivbund ist durch den Abbruch der Pariser
Konferenz t»g«rkeinerWeise«rschüttert.

Mit der Reichsregierung sind wir der Auffassung,
daß jetzt nationale Einmütigkeit herrschen
mutz. Sie kann und darf jedoch nur verstanden wer-
den als eine aktive Politik der Völker-
verständigung, die sich auf die in allen Län-
dern tätigen Kräfte für den Weltfrieden stützen nmtz.

Die französischen Pläne.
Paris, 7. Jan. Ueber die Ministervatssitzung
wird mitgeteilt: Nach längerer Erörterung, in deren
Verlaus die Absicht eines sofortigen Vor-
gehens geäußert wurde, stellte sich der Ministerrat
auf Vorschlag Poincarös aus den Standpunkt,
daß die Regierung, bevor sie Zwangsmatznahinen
durchführe, abwarten solle, bis die Reparations-
kommission di« wiederholten Verfehlun-
gen Deutschlands festgestellt habe. Ein Pariser
Blatt fragt dazu: Wenn dieses Verfahren in fran-
zösischem Sinne seinen Abschluß gefunden hat, wird
dann der Plan der Zwangsmaßnahmen durchge-
filhrt? Am Dienstag soll ein neuer Ministcrrat
abgohalten werden, der sich wahrscheinlich Wer diese
Angelegenheit nochmals wird zu äußern haben.
Paris, 6. Jan. Durch den Beschluß der Repa-
rationskounnission, datz vor Feststellung der deutschen
Nichterfüllung deutsche Sachverständige
gehört werden sotten, wird „die Feststellung der
deutschen Nichterfüllung zum mindesten auf einige
Tage hinausgeschoven.
Frankreichs Gervaltaktion.
Paris, 7. Jan. (Priv.-Tel. d. „Frkf. Ztg."> Das
offizielle Kommunique wird dahin gedeutet, datz der
geplante Einmarsch ins Ruhrgebiet bereits in dieser
Woche unmittelbar im Anschluss an den für Dienstag
erwarteten Beschluß der Reparationskommission be-
fohlen und wahrscheinlich
in der Nacht von Dienstag auf BNttwoch
vor sich gelien werde. Trotz der strengen Geheim-
haltung aller Vorbereitungen ist bekannt geworden,
datz die Frage der Ausdehnung der militärischen
Operationen zu einem scharfen Konflikt zwischen
den Aivilstetten einerseits und dem Marschall Fach
und seinem Generalstav anderseits Anlatz gegeben
hat. Die Regierung scheint beabsichtigt zu haben,
in Anbetracht der Stimmung in England und Ame-
rika und mit Rücksicht aus gewisse Strömungen in
der öffentlichen Meinung des eigenen Landes die
militärische Aktion auf ein Minimum zu beschränken
und sich mit der Entsendung kleinerer Detachements
znm Schutz der mit der Ausführung der wirtschaft-
lichen Sanktionen betrauten Beamten und Inge
nienre zu begnügen. Foch und seine Offiziere haben
den Plan „aus Gründen militärischer Sicherheit"
avgelehnt und als Mindestzahl der zur Durchfüh-
rung der Operationen erforderlichen Truppen 80 000
vis ION Oüv Mann angefordert. Die Berufung des
Generals Weygand aus Lausanne hat mit diesen
Meinungsverschiedenheiten in Zusammenhang ge-
standen. Datz die Militärs schliesslich Sieger geblie-
ben sind, zeige,» die Mitteilungen der Abendblätter,
wonach für den Einmarsch ins Ruhrgebiet die Ver-
wendung von nicht weniger als neun Divisionen,
davon sieben sranzösischcn und zwei belgische,», in
Aussicht genormnen ist. Die Einberufung von Re-
serven ist nicht beabsichtigt. Die zu den Operationen
herangezogenen Formationen der Rheinarmee sotten
durch Truppen aus dem Innern Frankreichs ersetzt
werden.
Nach Mitteilungen, die schwer kontrollierbar sind,
soll die französische Regierung die Absicht Haven, den
Vormarsch zunächst nur bis Essen auszudchnen in
der Erwartung, datz die deutsche Regierung dann die
Initiative zu direkten Verhandlungen ergreifen
werde. Von deren Ergebnis sotten dann die Ver-
hängung weiterer Sanktionen und der Umfang der
zu ergreifenden produktiven Pfänder abhängig ge-
macht tverden.
Die Stimmung in Paris.
Paris,?. Jan. Der Pariser L. St.-Mitarbeiter
der „Frkf- Ztg." telegraphiert seinem Blatt: In der
öffentlichen Meinung macht sich einigeUnruhe
wegen den von der Regierung geplanten militäri-
schen Operationen bemerkbar, doch wäre es ein Irr-
tum, ihre Bedeutung überschätzen zu wollen. Das
große Publikum verhält sich in seiner Mehrheit
teilnahmslos und passiv. Die bürgerliche
Presse steht niit ganz geringen Ausnahmen geschlossen
hinter der Regierung. In denjenigen politischen
Kreisen, deren Wunsch nach einem fried-
lichen Ausgleich mit Deutschland unbedingt
ehrlich ist, gibt es noch immer eine recht ansehnliche
Zahl von Leuten — es befinden sich Deputierte und
Senatoren darunter —, die meinen, die deutsche
Regierung habe es in der Hand, durch einen
greifbaren Vorschlag, das heißt durch das
Angebot eines sofort oder in kurzer Frist zahlbaren
Betrages von einigen hundert Millionen Mark die
Wttou Poiucarss aufzuhalteu.

Katastrophenpoliiik.
Reichsfinanzminister Dr. Hermes hat anläß-
lich des Abbruchs der Pariser Konferenz einem ame-
rikanischen Journalisten ein Interview Wer das
Wirkschaftschaos in Europa gegeben und erklärt,
das Kabinett Cuno sei die letzte ent-
gegenkommende Regierung in Deutsch-
land. Dank der fortgesetzten Fehlschläge in dein
Versuch der deutschen Regierung, Hilfe zu finden
und dank der schrecklichen wirtschaftlichen Lage, die
jetzt den Rand des Abgrundes fast erreicht hat, er-
hebt, so führte Hermes nrit besonderer Betonung
aus, eine gefährliche Drohung in unserem
Lande ihr Haupt, die aus allen Schichten der Be-
völkerung von uns die Kündigung des Friedens-
vertrags verlangt. Wir sind weißgeblutet, und ein
Teil des Volkes verlangt von uns, datz wir jede
weitere Zahlung verweigern sollen. Wir
habe» den Krieg verlöre,», wir wollen nicht betrügen
und nicht lammen» und klagen. Slber nian soll uns
nicht zumuten, durch übermäßige Zahlungen Selbst-
mord zu begehen. Wir verlangen zweierlei: Eine
Atempause und die definitive Gewiß-
heit der Snmme, die wir zahlen sollen und die sich
innerhalb unserer Zahlungsfähigkeit halten mutz.
Keine deutsche Regierung kann unterzeichnen, was
mehr verlangt, als Deutschland erfüllen kann. Die
Annahme höherer Forderungen würde ein Betrug
sein. — Hermes wiederholte am Schluß, daß wir die
Schuldner sind, datz wir bankerott sind und daß wir
bezahlen wollen. „Aber ich warne die Welt da-
vor, dieser, obgleich jetzt schwachen und müden
Nation noch eininal einen Schlag ins Gesicht zu ver-
setzen. Den wird sie sich nicht gefallen lassen. Er-
hält das deutsche Volk noch eine Ohrfeige, daun wird
das gequälte Volk vom Zorn übermannt
Werden, wird alle Hemmungen durchbrechen und
sich jenseits der Kontrolle jeder Regierung stellen."
Mr verkennen durchaus nicht den Ernst der Lage
und wissen, daß es Deutsche gibt, die das denken,
ivas Hermes am Schluß des Interviews gesagt hat.
Wir sind aber der Meinung, daß ein Verantwort-
licher Reichsmiuistcr sich nicht zum Fürsprecher sol-
cher wahnwitzigen Ideen inachen darf. Denn
den Schaden einer solchen Politik müßte das
deutsche Volk tragen. Oder sollte das Kabineit>Auno
zu einer „aktiven Politik" des Wahnsinns übergeben
wollen?
Breitscheid warnt vor Katastrophen-
politik.
Ju der Sonutagsausgave des „Vorwärts" be-
schäftigt sich Genosse Breit scheid mit dem Ab-
bruch der Pariser Konferenz und warnt vor einem
Abgleiten in das nationalistische Lager. Breitscheid
sagt u. a.:
„Soviel ist siwer: die deutschen Nationa-
list e n haben Grund zu hoffen, datz die französische
Rücksichtslosigkeit Wind aus ihre Segel führt.
Po ineare erleichtert ihre Agitation. Die Na-
tionalsozialisten und andere faszMsche Ver-
bände könnten ihn zu ihren» Ehrenmitglied
erneirnen. Die Frage ist nur, wie diese Bewegungen
zu einer Lösung der brennenden Probleme gelangen
sollen. Sie können dazu beitragen, Deutschland
noch tiefer ins Unglück zu stürzen, sie
können seine ökonomischen Schwierigkeiten noch un-
geheuer erhöhen, aber sie vermögen nicht uns ins
Freie zu führen. Die Proklamierung des Macht-
gcdankens bleibt doch eine Phrase, wo keine Macht
vorhanden ist. Nichts wäre deshalb verfehlter, als
wenn die gegenwärtige Regierung oder irgend eine
andere den Einflüsterungen dieser Kreise uachgäbe,
und nichts bedenklicher, als wenn die Sozialdemo-
kratie sich etwa bereit fände, eine Einheitsfront mit
ihnen zu bilden. Unsere Abwehr der französischen
Ansprüche beruht aus anderen Voraussetzungen, als
die der Leute, die noch in der Kriegs- und Vor-
kriegsmentalität leben, und wir müssen, von allen
Gegensätzen zu der gegenwärtigen Regierung ab-
gesehen, uns dieses Unterschiedes auch dann bewußt
bleiben, wenn wir mit aller Entschiedenheit die
Uebergriffe der französischen Kapitalisten und Im-
perialisten zurückweisen."
Auch Breitscheid fordert dann mehr Aktivi-
tät dieser Regierung, die sich bisher ausschließlich
ab wartend verhalten hat. Industrie und Land-
wirtschaft sollen dazu benutzt werden, die in Aus-
sicht gestellten Garantien positiver zu umschreiben
und Deutschland soll sich evtl, bereit erklären, die in
seinem letzten Vorschläge angeführte Summe ent-
sprechend den englischen und italienischen Kalkulatio-
nen zu e r h ö h e n. Diese Auffassung gewinnt übri-
gens langsam mehr und mehr Anhänger. Auch
Georg Bernhard macht den Vorschlag, neu
zu verhandeln und den deutschen Vorschlag
»loch eimnal zu Prüfen, um Abänderungen der Ein-
zelbestimmungen vorzunehmen.
Dr. Wirth zur Situation.
Köln,?. Jan. Auf dem rheinischen Zentrums-
parteitag sprach der ehemalige Kanzler Dr. Wirth
Wer die Lage. Hierbei betonte er die Notwendigkeit,
sich von allen nationalistischen PH rasest
zurückzuriehen, um die Pflicht des deutschen Volkes
anzuerkennen, sich mit den früher feindlichen Völkern
Wer den Wiederausbarl Frankreichs, Deutschlands,
Europas und der ganzen Welt zu v c r st ü u d i g e n.
Dieser Gedanke bleib, bestehen. In Genua har Dr.
Mrth LloyLGeorge gefragt, was die deutsche

Regierung ihrem Volke sagen sollte, wenn sic aus
Genna mit leeren Händen zurück komme. Lloyd Ge-
orge Hat erwidert: „Herr Kanzler, wenn Sie Ihre
Politik nicht begonnen Härten, wie Sie bcgour m
haben, wäre
Deutschlaud in Stücke zerrissen werden.
Lloyd George habe auch anerlamu, daß Dr. Wins
das deutsche Volk zu Leistungen veranlaßt trabe, v r
für dem deutschen Volk Gerechtigkeit gebühre
Ferner habe Lloyd George hervorgchoben, daß Dr.
Wirth die Einheit des deutschen Volkes gercttel
habe. Dr. Wirth nahm daun auf die neuesten
Drohungen der französischen Regie'
rung Bezug und sagte, die französische Regierung
irre,,Wenn sie glaube, das; die rheinischen Arbeiter
in Unfreiheit für Reparationen arbeiten würden.
Dr. Wirth richtete die Mahnung an die Ar-
beiterschaft, nicht ungeduldig zu werden. Man
müsse der Regierung Enno dankbar sein,
daß sie in so schwerer Lage die Verantwortung über-
nehme. Der Glaube, durch eine iunerpolittsche .Krise
die Lage zu verbessern, sei irrig. Erst wenn die
Verantwortung für die Politik des Kabinetts Cuno
nicht mehr getragen werden könne, sei die
Opposition Ge w i s s c n s P s l i ch t. Den be-
tretenen Weg müsse Deutschlaud weiter geben,
aber ein neues Ultimatum würde das deut-
sche Volk n t ch 1 anneh m c n. Das größte Ziel fei,
Bürgertum und Sozialdemokraten zu gemeft »ame*
politischer Arbeit in Deutschland zu bringen.
Eine sozialistische Entschließung.
Köln, 6. Jan. (Eig. Drahtb.) Die Jntcrnatio'
nale Sozialistische Tagung in Köln hat heute fol-
gende Entschließung einstimmig angenommen:
Das Aktionskomitee hat die Mitteilung des Ge-
nossen Wels Wer die Mißbräuche, unter Vene,» die
Bevölkerung des besetzten Gebietes
leidet, mit besonderer Aufmerksamkeit cutgegonge
nominell und fordert die sozialistische Presse auf, diese
Tatsachen zur Kenntnis der Oesseutlichkeit zu brin-
gen. Das Aktionskomitee lenkt mit besonderem
Nacl-druck die Aufmerksamkeit aller Arbeiter auf die
schweren Gefahren hin, die für den Weltfrieden aus
der durch das Scheitern der Pariser Konferenz ge
schaffenen Lage entstehen. Es bestätigt nachdrücklich
die Beschlüsse von Haag und Frankfurt über die Not-
wcudigkc.il, so rasch als möglich den militärischen
Besatzuirgcn durch Truppen aller alliierten Nationen
ein Ende zu nrachen und die Wiederherstellung
der durch den Krieg zerstörten Gebiete in der von
den proletarischen Organisationen vorgeschlagenen
Weise durchzufichren. Das Aktionskomitee prote-
stiert mit aller Kraft gegen die Politik, die unter
dem Vorwand der Pfcmdnahme gewaltsame Maß-
regeln gegen Deutschland, insbesondere die militäri-
sche Besetzung des Ruhrgebiets, befürchten läßt und
fordert die sozialistischen Parteien aus, diese Politik
mit Entschlosscicheit zu bekämpfen.
Köln, 6. Jan. (Eig. Drahtb.) Gen. Wels
kritisierte -ruf der sozialistischen Tagung scbars das
Verhalten der Besatzungsmächte und verlangte Räu-
mung des besetzten Gebietes.
Paris, 6. Jan. Die sozialistische Partei, der
GcwevkschastsbunL uird die Liga für Menschenrechte
hielten gestern eine Versammlung ab, bei deren
Schluß eine Resolution angenommen wurde, worin
gcgeu die Politik der Regierung protestiert wird,
die einen Eingriff auf das Völkerrecht bedeutet. Die
Resolution fordert, datz die Reparaliousfrage dem
Völkerbund unterbreitet werde.
Eine Entschließung
des amerikanischen Senats.
Washington, 7. Fan. Der amerikanische
Senat bat folgende Entschließung angenommen:
„Der Senat ist der Ansicht, datz der Präsident die
amerikanischen, in Europa verbliebene.» Truppen,
die an der Besetzung des Rheinlandes teiluehmcn.
zurückberufen sollte."
Staatssekretär Hughes erklärte aus eine An-
frage des Senators Lodge, daß die amerikanische
Regierung der Ansicht sei, der Zeitpunkt, einen offi-
ziellen amerikanischen Vertreter Sei der Reparatious-
kommissiorr zu ernennen, wäre nicht günstig. Präsi-
dent Hardiug vertritt die Ansicht, daß cs jetzt u n <
nütz wäre, eine derartige Maßnahme zu treffen.
Er werde deshalb Leu von Senator Robinson tu
dieser Angelegenheit eiugebrachten Gesetzentwurf be-
kämpfen lassen.
Die Haltung Belgiens.
Parts, 8. Jan. -Letztes Telegr.) „Jntran-
sigeant" schreibt: Die nrilitärische Teilnahme
Belgiens an der französischen Pfänderakrion ist
uuumehr beschlossen. Belgin» wird mit zwei
Divisionen teilnchmen, wahrend im ganzen neun
Divisionen eingesetzt werden sollen. Italien wird
keine Soldaten in das Ruhrgebiet entsenden. Es
wird aber bei den kommenden Beratungen der Re-
parattonskommission auf Seiten Frankreichs stehen.
Staatssekretär Bergmann ist, von Paris rom-
mcud, in Berlin eiugetrofsen und erstattete dem
Reichskanzler Bericht.
Die vcutschc Negierung stellt die srauzösischeu Be-
bauptn..gen r.b.c die deutschen Verfehlunge. in der
Kohlenfrag« richtig.
 
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