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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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SeschiistsstrindeitA—SUHr. Sprech-
stunden der Redaktion: II—w Uhr
K-osstcheckkonto Karlsruhe Nr.SW/7.
Tel.-Adr.: V o lkszeitung Heidelberg.
Druck u. Beklag der Unlcrbadlsche«
Berlagsantait G. m. b. H., Heidel-
berg. Gcscl ästsftcllc: Schröderstr.SS.
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riLks-Zeitm für die mMWeNMernng der Mlsbezitte öeldklSerg. Wiesloch. Sinsbenu, Kvoingea. Werbach. Mosbach. Zachen. Adelsheim. Norberg. rauberdWossheim u. Werlheim

3. Jahrgang

Heidelberg, Samstag, den 17. Februar 1923

Nr. 41

Äs KM M Wm Ziele,
xr. Heidelberg, 17. Februar.
Der furchtbar barte Friede von Versailles hat
von Anfang an den französischen Jlnperialisten we-
nig lwhagt. Der von Erzberger am 11. November
1918 abgeschlossene Waffenstillstand kam ihnen sehr
ungetegen. Die hätten es gleich dem Qberkomuran-
dierenden Joch lieber gesehen, wenn das — nach
dem Abfall Oesterreich-Ungarns, der Türkei mW
Bulgariens von Deutschland allein zu bestreitende
Wasfonringen so lange weitergesührt worden wäre,
bis die französischen Truppen (das Ziel schien Mt
amerikanischer Hilfe leicht erreichbar) siegreich am
Rhein gestanden wären, woselbst Foch-Poincarö-
Llcmonocau dann nach Zugrabetragung der deut-
schen Einheit uirter Französierung des linken Rbein-
nferö die Verhältnisse vor 1866 „restituiert" hätten.
Der Wille Lloyd Georges und Wilsons, so wenig er
auch sonst erreicht batre, verhinderte dieses Ziel fran-
zösischer Eroberungssucht. Nun galt es für die Trä-
ger des französischen Herrschastsgedankens aus an-
dere Weise an die Realisierung dieses
Machtwillens berauzukommen. Der Friede»
von Versailles bot ja Fußangeln genug. Deutschland
das Leven sauer zu machen, es der Nichterfüllung
zu zechen, es so lange zu zermürben, bis es durch
Irrtum und Verhängnis Frankreich willenlos bot-
mässig gemacht wurde. In richtiger Erfassung dieser
Perspektiven nrußle die Negierung der deutschen Re-
publik ihr Hauptaugenmerk darauf richten, durch
direkte Erfüllung des Vertrags von Versailles die
französischen Pläne zu durchkreuzen, ibr damit die
Massen aus der Hand zu schlagen. Den HöbepnnH
erreichte dieser gigantisch« Nervcukampf in der Aera
W i r i h - R a t h e n a u, die unter Benutzung aller
diplomatif.yen Mittet durch weitestgehende Erfül-
^mgspolitik den Franzosen immer wieder die Hand
wm abschußbereiten Revolver wegrissen. Die hasten,
wenn auch nur langsam, E r f o l g in der B e s e i -
ligung der Hetzatmofpbäre, und hätte
lisch mein Erfolg gehabt, wenn das deutsche Bür-
gertum sich mit seiner moralischen Kraft und vor
allem mit feinem Geldbeutel Vinter diese Politik
gestellt bä'.' -. Aber auch der Teilerfolg genügte schon
Icir nanouatislischeu Kindsköpfen Deutschlands, die-
er tonuqucmen Potilik der pazifistischen Methode
-urS unheilvolle Täten und hetzerische Propaganda
>> die Quere zu fahren, wie es Poincare und seiner
'ttitarästisch schiveNudnstrieücn Garde ausreichend
schien, durch ein Vabanquc-Spiel der Gewalt noch
einmal zu versuchen, seinen altert Zielen näher zu
tt mMen So wurde, in Deutschland das Kabinett
Mirtb durch ein Kabinett E uns ersetzt; so ging
die internationale Lage von Genua den Weg zur
N » h rb esc hung.
Wenn wir beute nach der mehr als vier-
wöchigen Besetzungdes Ruhrgcbietes
und nach dem morgen 14 Tage alten Einbruch
der Franzose» ins badische Gebiet all
ste Vorgänge betrachten, die sich wildem zugetragen,
!v glaubt man sich in die Sphäre des grauen Alter-
tums versetzt angesichts der Ku lturwidrigkeiten und
Gewalttaten, die tvir seitdem eMbt haben. Gleich-
gültig wie man über die „Vänfshlungen Deutsch-
lands" denkt — was die Franzosen in den letzten
Wochen in den von ihnen besetzten deutschen Gebiets-
teilen aussührten, stellt eine Barbarei wüstester und
schlimmster Art dar, die ein« d a u e r n d e U n z t er
der einst gerade tvegen der Generosität so geschätzten
französischen Nation sein werden. Die allgemach zur
Gewohnheit werdenden militärischen Uebergriffo und
Requisitionen, die Verhaftungen und Ausweisungen
Gerden für alle Zeiten einen Schandfleck der
äegenwärtigcin Epoche Frankreichs sein —, deut os
dabei nicht eimnal gelungen ist, seine Hoffnungen
äuf Erhalt eines größeren Kohlenqiiantums zu ver-
GirAichen.
Leider läßt sich jedoch diese moralische Nie-
Verlage Frankreichs nicht diskonttorcu, so
Nvrorisch sie auch aller Welt ist. Alle Staaten der
Welt sind heute so sehr mit sich selbst beschäftigt,
Vas» kein Lantz Lust hat, wegen Fragen außerhalb
iciner eigenen Existenzsorgen sich in größere Unkosten
»u stürzcm. Dies gilt ebensosehr für die kleinen Völ-
ker wie für die Weltmächte. So kommt es, daß
Deutschland trotz zunehmender Sympathien in der
Welt (sw werden uns sicherlich eines Tages zugute
kommen, wenn wir sie nicht, bevor sic reis Find,
v«s Dummheit oder Böswilligkeit im Keime er-
Uicken werden), beute in dem furchtbaren Kampf
Allein steht und k et ne r l e i A u s f i ch t besteht,
'äß aktive Hilfe in abmoscharer Zeit erfolgt.
AngcsichtZ dieser furchtbaren Lage bat die deutsche
^vgtorung diePflicht nicht nur tatenlos die Dinge
"'s zum Chaos treiben zu lassen, sondern in Versol-
E"kg der politischen Konstellationen zu versuchen,
Gang der Entwicklung im Interesse des deut-
'wen Volkes und seines Reiches zu veeinflus-
Ziel nmß dabei fein, die Franzosen zum
^"ckzug aus dem Ruhrgebiet (wie selbst-
erständlich auch aus Baden,) zu bewegen uird die
'^äkatio ns frage in ein für Deutschland
'vd wtne AufwandsenKvtMung erträgliches
<ra h rkv a ss e r zu bringet»: ein Ziel, das weder
"reicht wird durch den lärmenden Tamtam der
».anviniftischem Presse, noch durch militaristische Dro-
^sPen eines durch Waffenstillstand und Friedens-
entwaffneten Volkes, sondern allein durch

die Geschicklichkeit diplomatischer B « -
mühungc n.
Leider aber scheint gerade jene Stelle in Deutsch-
land, der von amtswegen die Erledigung der dtplo-
marischen Fragen zutommt, ihr Hauptaugenmerk
darauf zu richten, solche diplomatische Möglichkeiten
von vornherein zu zerschlagen oder aber sie
durch ein Entrücktsctn von der Wirklichkeit zuüber -
sehen. Reichs-kanzlier Cuno kämpft unter dem
Beifall der vom Kriege her. bekannten Durchchalte-
Presse die VerständiguiigSmögtichkeiten an Bedirrgun,-
gen, die keine allzu große Erkenntnis der politischem
Situakion verraten. Außenminister von Rosen-
berg zeigt sich in der Stilisierung dentscher Noten
als ein guter Diplomat alter Schule, der als Lega-
tionAsekveiür einnMl eine sehr brauchbare Kraft ge-
wesen sein mag, der jedoch bis heute kein Jota von
der politischem Aktivität großen Staatsmannstums
bewiesen hat.
Dabei zeigen dieengltschen KammerVer-
handlungen, daß zwav bis zum Tage anschei-
nend der Moincnt uoch nicht für Verhairdlungen
gegeban tst, daß man jedoch in England bei zunächst
völlig passiver Haltung und Abwartestellung da-
mit rechnet, daß der Augenblick kommen wird,
an denr beide Teile, Frankreich und Deutsch-
land, sich gern der Interpellation Eng-,
lauds bedienen Werdau: ein Faktor, der sowohl für
die deutsche Regierung wt? vor allem aber auch für
das deutsche Volk von un er m e tzl ich e r B ed « u -
tung ist. Ninu so willig sich die schwer leidende
deutsche Arbeiterschaft tu dem wastonalen Menst des
Abwcbrkampfes stellt, so sehr ist sie erfüllt von
der Sehnsucht nach raschester Beendi-
gung der furchtbaren Tage der Gegenwart und
nach RückkehL zu gewöhn ter Arbeitsamkeit
und e r t r ä g l i ch e n L eb e n s ve rb ä l tnt s s en.

Um Rhein und Ruhr.
Protestkundgebungen im Ausland.
Kopenhagen, 15. Febr. Die dänische So-
ziäßdemskraste hielt gestern eine Versammlung für
die M i t g l j e d e r der sozioldcnwkratischeu Vereine
ab, die den 2000 Personen fassenden großen Saal des
Konzcrtpalais füllten; der Andrang war so groß, daß
Viele leinen.Platz mehr fanden. Der deutsche sozial-
demokratische Führer Otto Wels hielt, von star-
ke n O v a t i o n «n begrüßt, mit der ganzen glühen-
den Leidenschaft, die ihn als Redner kennzeichnet,
ciirc aus Tatsachen und Dokumente aufgebaute Rode
für das u u g l ü ck l i ch e d e u t s ch e Vol k. Er er-
innerte zum Schluß daran, daß sowohl das Mini-
sterium Wirth »sie das gegenwärtige Ministerium
Cuno auf dein »Programm vr Erfüllung»
Politik begründe! seien.
Stockholm, 15. Febr. In einer Massenver-
sammlung der Arüei r in Strömsund wurde
eine Entschließung a'igeuvmn.cn, in der di« Arbeiter-
schaft Schwedens aufge ordert wird, gegen die Fort-
setzung der französischen Rubrokkupation zu prote-
stieren. Ferner Wird die schwedische. Arbeiterschaft
r< sucht, dahin zu wirken, v >ß Schwede» ans
de nl Völkerbünde enstce e, da der Völkerbund
in internationalen Fragen ve - sagt habe.
Der Essener Krlegsqerlchtsprozstz.
1t) Jahre Zuchthaus beantragt.
Essen, 16. Febr. Vor dem Kriegsgericht
in Bre»d en ah begann heute unter gewaltigem
Andrang dar Bevölkerung von Essen der» Prozeß
gsgen di« Bürgermeister Haveustei n von Ober-
haufen und Dr. Schäfer von Effeou Zuerst wurde
der Fall des Oberhausener Bürgermeisters vorgc-
nommen. Bürgermeister Havensteiu wird ange-
klagt, durch die, Verweigerung der Lichtabgabe
französische Truppeutransporilie gosäh rde 1 zu ha-
ben. Es wird dabei ein Gesetz vom Jahre 1849
herangezogon, nach dem dieses Verbrechen mit dem
T o d e oder mit Zuchthaus bestraft wird. Die
Beneidigar Rechtsanwalt Grimm mW Justizvat
Dr. Niemeyer bezweifelten di« Zuständig-
keit der französischen Kriegsgerichte und beriefen
sich dabes als Hanptzeugen auf dm» französischen
Ministerpräsidenten Poincare selbst, der gesagt
Hat, daß es sich nicht um eine militärische Besetzung
des Ruhrgebietes, sondern um ciu« ökonomische
Maßnahme bandelt. Rach mehrstündigen Verhand-
lungen beantragte der Staatsanwalt 10 Jahre
Zuchtbaus gegen Bürgermeister Havenstein. Er
erklärte, von der Beantragung der Todesstrafe ab-
sehen zu wollen, weil durch die Verweigerung des
Lichtes kein UuglückSfall aus der Bahn geschehen sei.
Das Urteil.
Essen, 16. Febr. Das Kriegsgericht in Brede-
nay hat den Bürgermeister Havenstein ans
Oberhausen Md re tJahren Gefängnis ver-
urteilt.
Der Direktor der Rheinisch-Westfälischen Elektri-
zitätswerke, Bußmann, ist in einem zweiten Ver-
fahren zu 5 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt
worden. Beantragt waren 1 Jahr Gefängnis und
10 Millionen Mark Geldstrafe.
In einen, dritten Verfahren ist der stellvertretend«
Oberbürgermeister von Essen, Dr. Schäfer, M
zwei Jahren Gefängnis um, M S Millio-
nen Mark Geldstrafe verurteilt worden. Der Staats-
anwalt batte nur 1 Jahr Gesängrtts und 10 Millio-
nen Mark Geldstrafe beantragt.

Die wirtschaftliche Zuspitzung.
Unruhen in Krefeld. — Ernennung eines
Erniihrungökommiffars.
Im linksrheinisch besetzten Gebiet »lacht sich
gege-Mvärtig ein starker Kohlenmangel bemerkbar.
Der Eisenbahnverkehr stockt hier; eine ganze Zahl
von KohllewLastautos sind von der Besatzung be-
schlagnahmt, so daß Belriebseinschränkun-
gen nicht ausgeschlossen sind. Der Regierungsprä-
sident bat bisher bei der Besatzung vergeblich ver-
sucht. Abhilfe zu schassen. Di« von den Franzosen
zum eigenen Nachteil hervorgerusene wirtschaftliche
Zuspitzung und di« bereits entstehende Stimmung
innerhalb gewisser Bevölkcrungskieise hat ani Diens-
tag leider zu Unruhen in Krefold geführt.
Es sollen hauptsächlich Erwerbslose gewesen
sein, die sich hieran beteiligten und mit der Polizei
zusammengestoßen sind. Di« Regierung kann die
Wiederholung derartiger Vorkommnisse verhindern,
wenn sie die Not der Aermsten nach besten Kräften
durch finanzielle Unterstützung lindert.
Neuerdings ist sür das alt- und neubefetzte Ge-
biet der Geheimrat Burghard t aus dem preußi-
schen Lairdiviirlschaftsmijnisterium zum Ernährungs-
kommissar ernannt worden.
Die Milcln'.ot in Essen.
Di« Mtlcheinfubr sür die Stadt Essen ist
in den letzten Tagen sehr stark zurlickgegangen. Wäh-
rend sie in den Vorwochen 25 000 Liter pro Tag be-
trug, wurden in den letzten Tagen nur 80 00 Liter
angelicsert.
Die Unternehmer verlangen di« Löhne zurück.
Die Behörden des ncubesetzten Gebietes, soweit
si > rtterzu zuständig sind, melden übereinstimmend,
daß sich die Forderungen der Unternehmer auf E r -
satz von Hob ua nsp riich« n wesentlich ver-
stärke«.
Ans dem Wuppertal.
Der GtiteLverkehr im Wuppertal ist sehr ge-
ring. Elberfeld ist nur auf Umwegen zu er-
reichen. In Dort m und- Dorstfeld müssen sämt-
liche Züga nelkekdtugs 25 Mimitcm halten.
Ausweisung der in Dortmund
Verhafteten.
Dor t m und, 17. Febr. Der gestern mittag irr
Dortmund verhaftete Oberbürgermeister Dr. Eich-
Hoff, sowie die Herren NegieriingSassessor Ritter,
RelchAbmlkdivÄtor Müller, Inspektor Birck-
Häuser und Oberbaurat Wist wurden von den
Franzosen nach Dorstfeld transportiert, wo sie Aus-
weisungsbefehle erhielten. Sie würden irach Olfen
geb ratty, wo sie gestern nachmittag 2 Uhr frei gelassen
wurden.
Die Verhaftungen in Essen.
Essen, 17. Febr. Bet der Erskümmrirg des
Essener Polizeipräsidiums wurden Regierungsrat
Nieder m eie r, Polizeimt Exner und Kom-
mandeur Neuhof verhaftet und nach Bredeney
gebucuht. Die im Polizeipräsidium befindlichen
Dchupobeanrten wurden entwaffnet. Das Polizei-
präsidium ist noch umstellt.
Betriebseinschränkungen in
Frankreich.
Wie,der „Temps" miiteitt, macht sich der Mangel
ain Brennstoffen irr der französischen Schwerindustrie
fühlbar. In den großen Hüttenwerken von Kmu1-
t i ng e n wird nur noch au zwei Tagen in der Woche
gearbeitet- In dorr Werken doWendels sind mir
noch drei Hochöfen »ttter Feuer.
Ruhrbesetzunfp und Schweizer
Verkehrsnöte.
Durch die Besetzung des Ruhrgebietes ist auch
eine Unterbiudung des Eisenbahnverkehrs d«r
Schmelzer Bundesbahnen hervorgcirufen worden.
Gegenwärtig stehen 18 000 Maschinen und Waggons
unbenutzt.
Die Stadt Lyon gegen die
Ruhrbesetzung.
Der Stv-tmt von Lyon nahm folgende Reso-
lution an: „Ueberzeugt, daß die Politik, die zur mili-
tärischen Besetzung des Ruhrgebimes führte, durch
einen republikanischen Willen hätte vermieden wer-
den können, der die Entwicklung des Einvernehmens
der Demokraten begünstigt hätte, protestieren die
Stadträte von Lyon gegen einen Nationalismus,
der es nicht gestattet, ein Einvernehuren zu suchen.
Sie hegen den Wunsch, daß an die Stelle gewalt-
tätiger Lösungen eine neue Rechtsordnung treten
möge, und sie fordern, um die Reparationszahlungen
M erleichtern, daß «in wirtschastlich-finairzielles Ein-
vernehmen studiert werde, und daß die Lösung aller
nationalen Konflikte, insbesondere jener, die sich aus
der Liquidierung der KrtegsschuLden zwischen den
Staate« ergeben, dem Völkerbünde übergeben wer-
den." — In Lyon haben unsere Genossen mit den
Sozialradlkakein, die in bestimmte« Kreisen der von
der Bourgeoisie beeinflußten, aber in proletarischer
Lebenslage befindlichen Intellektuellen wurzeln, im
L tzrdttal die Mehrheit.

Vom besetzten Baden.
Dank des Reichspräsidenten.
K a r ls r uh e, 16. Febr. Reichspräsident Ebert
haz an den badischen Staatspräsidenten ein Schrei-
ben gerichtet, in welchem er ihm für die freundlich«
Ausnahme bei seinem kürzlichen Besuch dankt und
sorlfühvt: „Ich habe von diesem Besuch sehr gute
Eindrücke von der tatkräftigen Regierungssührung
des Staatsministertums, ivi« von der einheitlichen
Stimmung der Bevölkerung mitgenommen und hof-
fe zuversichtlich, daß es, gestützt auf diese Faktoveit.
gelingen wird, trotz der schweren Bedrückung des
badischen Volkes durch unsere Gegner, über die
kcgouwänig so ernste Lage in günstigere und hoff-
nungsvollere Verhältnisse bttttiberzrttonnnen; an der
Hilfe der Reichsregierung und meiner persönlichen
Unterstützung wird es hierzu nicht fehlen."
Französische Schikanen.
Offenburg, 16. Febr. (Priv.-Tel.) Amtmann
Peter, den zur Festsetzung von Sachschäden nach
Offenburg Esandt worden ist, wurde von den
Franzosen ausgewiesen. Bet seiner Ausweisung
Wunde ihm mitgcteilt, daß auch die Amtmänner Dr.
Maier und Müller ausgewiesen werden. Nachdem
die höheren Beamten vom Bezirksamt entfernt wor--
dau waren, wurden die übrigen Beamten von de»
französischen Soldaten aus denr Bezirksamt heraus-
gelriabe», dabei wurden sie körperlich durchsucht, auch
wurden ihnen Püvatgstdcr abgcnomrnen. Das Be-
zirksamt ist militärisch besetzt. N>7olgedesscn ist cs
den in Offenburg verbliebene» Baanuen des Be-
zirksamts nicht möglich, die Arbeit wieder auszu-
nehmen.

Die Lage im Reich.
Bayerische Verfassungsschmerzen.
Die drei Koaltttousparteien des bayerische«
Landtages Haven einen Antrag eingebracyr, den K
92 der bayerischen Verfassung dahin zu ändern, daß
zu uenassungSiindernden Beschlüssen nicht wie bis-
her Vie Zustimmung von zwei Drittel der gesetzli-
chen Milgtiedevzahl, sondern nur di-e Anwesenheit
von Hvct Drittel der gesetzlichen Milgliedcrzayl mW
die ZustiuMmng von zwei Dritteln der Anwesende»
ersorWAich sind. Dadurch sollen Brrfassnugsäiide-
rnngen erheblich erleichtert werden. Der An-
trag ist offenbar verursacht durch den Wunsch, die
geievlichen Voraussetzungen zu schaffen für die
Schasfung der Stelle eines bayerischen Staats-
Präsidenten.
Man glaubt aus diese Weise die Sozialdemokratie,
wenn ihre Vertreter n'cbt vollzählig anwesend sind,
überrumpeln m können.

Politische Ueberficht.
Die Fähigkeit der Gewerkschaften.
Paris, 15. Febr. Am Sonntag trafen sich in
Lille Vertreter der Gewerlschastszentralcn Frank-
reichs und Belgiens, nm die Lage dcr Arbeiierklass«
beidcr Länder zu prüfen und sich auszusprechen über
die Miltcl, dcren Anlvendung in Frage komme»
könnte gegenüber der politischen Situation von
beute. Dabei ergab sich, daß die Stellung des Pro-
letariats beidcr Länder dieselbe ist gegenüber dem
Repnrationsproblcm und der auswärtigen Pollirtk
der l elgischen mw französischen Regierung. Einmü-
tig wurde diese Politik verurteilt und verlangt, daß
die N starationssraqe dem Schiedsspruch des Völ-
kerbundes unterworfen werden. Um ausklärcnd
im Sinne dieser Lösung des Problems zu wirken,
wnrdc beschlossen, gemeinsame Kundgebungen in
Brlgten und Frankreich zu verunstalten.
New York, 15. Fcbr. Die amerikanisch-sozia-
listische Parwt hielt in diesen Tagen ein« Protest-
versammlung gegen die französische Ruknbesctznng
ab. Das Kongreßmitglied Meyer-London pro-
testierte in scharfer Form gegen die französische Po-
litik und griff die amerikanische Regierung, beson-
der-; den Staatssekretär Hughes, wegen ihrer
Passivität an.
Ein Kommunique der NeparaLions»
Komm ssion.
Paris, 16. Febr. Di« Reparationskommission
veröffentlicht folgendes Kommunique: Die Repcrra-
tionskommission ist unter dem Vorsitz von Bcirtyon
zusammengclreten. Sie hat folgende Fragen bohan-
döll: Die deutsche Kommission sür Rück-
erstattung hat am 29. Januar folgende Note ver-
öffentlicht: Die Mafchtn«n mW das Material, die di«!
R ückl ieferuirgskomniis sion zur Rückerstattung an
Frankreich mW Belgien angcsordert hat, dürfen bis
aus neue Anweisungen nichtbesördert werden.
Rücklieferungen dies«!! An siittO vorläufig einge-
stellt. Die Reparattonskoimntsston hat von diese«
Erklärung Kenntnis genommen und mit 3 Stimmen
bet Stimmenthaltung des englischen Delegierten der
Meinung Ausdruck gegeben, daß di« von Deutschland
aitf dies« Weis« begangene Verfehlung in die
allgsnreine Verfehlung gegenüber Frankreich und
Belgien «ingeht, di« am 26. Januar festgestellt wor-
den ist. Die Kommtfstou bat Wetter nii^3 Stimm««»
die Art der Nachtragsleistungen für die Stickstoff«
 
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