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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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ragks-Zklillng für die werlMr Möllerung Ser AiMezlrle öeiöelSerg. MieslnS, SMeiw. Kvviugeu. NerW. MosbaS. Buchen. Melstzelnl. Norberg. TnuderSWassheiln u. WkrtheN

Monatlich elnlchliehl.
jV"V«rlohn Ml.ISiN.—. Nnzkigkn-
1?ttfe: Die einspaltige Petitzeil«
der^n Raum (W mm breit)
?kt.8N.—, Rettamean,eigen l7lmm
""NMk.SM.-. BeiWicderholun.
e^USiachlahn.Tarif. Echeiiymittel-
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stunden der Redaktion: II—I» Uhr.
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Truck u. Verlag der Unlerbadische«
Werlagsanstal! iS. in. b. H., Heidel-
berg. lSeichkiflsstelle: SchröLersir.ZS.
Tel.: Ervedition gü7j » Redak. SS7S.

Jahrgang Heidelberg, Montag, den 19. Februar 1923 Nr. 42
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MWWslilW RWÜsDlI.
o Berlin, 17. Febnrar 1923.
Nach der Kohleusperre ist jetzt im Ruhrgebiet Vie
Ausfuhrsperre für sämtliche Waren, insbesondere
'wer sür Eisen- und Stablfabrikate eingetreten. Der
Plan Frankreichs, die deutsche Industrie auf diese
28eise zu weitgehenden Zugeständnissen zu zwingen,
binunt also immer greifbarere Formen an. Für das
Unbesetzte Deutschland werden vorläufig Schwierig-
sten aus dieser neuen Sperre nicht erwartet. Die
Äntevesseuten-kreise weisen darauf hin, datz man chhs
Unbesetzten Deutschland mit Eisen und Stahl reich
Ach cingcdeckt ist. Diese Behauptungen haben einen
Nohen Grad von Wabrscheinlichkeit. Schon bei frü-
herem Anlaß, nämlich bei den Besprechungen der
Wirkungen der Flucht aus der Mark in die Ware ist
daraus hingewiesen worden, daß die Fabrikanten
Alf allen Gebieten Rohstoffe zum Zwecke der Si-
cherung gegen die Geldentwertung gekauft haben.
Nun haben wir eine sehr lange Periode fortgesetzter
katastrophaler Markentwertung hinter uns, die von
den Produzenten sicherlich zu umfassender Vor-
eindeckung in Rohstoffen Mer Art benutzt wor-
den ist. Darum scheint es auch glaubhaft, wenn jetzt
versichert wird, datz vielerorts Eisen- und Stahlpro-
dukte zur Weitervcrarbeitmrg bereit liegen, datz also
u>n die Rohstoffversorgung an sich sür die nächste
Zeit nichts zu befürchten ist. Allerdings wird gross-
zügig dafür vorgearbeitet werden müssen, datz auch
die Einfuhr von Eisen und Stahl aus anderen
Ländern oder aus dein Ruhrgebiet auf dem Umiveg
Über das Ausland stchergestellt wird. Eine wesent-
liche Frage wird dabei die Frage der Preise bil-
den. Ob Deutschland für Inrportoisen höhere Auf-
wendungen zu machen haben wird, als bisher, ist
Allerdings insofern zweifelhaft, als gerade die Eisen-
ünd Stahlprcise sich selbst bei sinkender Mark un-
Naubl-ich schnell den Weltmarktpreisen anpatzten und
riese regelmäßig auch schon bei einem geringen Rück-
lchlag des Dollarkurses überschritten. In diesen
Fällen mutzte dir deutsche Eisen- und Stahlindustrie
nn Ausland einen barten Konkurrenzkarnpf beste-
hen und sich !» Preisabschlägen bereit finden. Air-
dererseitS aber habe» diejenigen Unternehmungen,
die sich jetzt voransschauend mit Rohstoffen mid
.Halbfabrikaten eingcdcckk haben, die Möglichkeit
ganz euornrer Gewinne dadurch, dass sie sich eben
schon zu einer Zeit niedrigen Preisstandes eindecken
konnte^ die Preise ihrer Fabrikate aber entsprechend
der Markentwertung ausstclleu. Wenn deut Wun-
sche der Sozialdemokratie, den Wucher nutzt nur
dein, Kleinhandel, sondern erst recht bei den Grotz-
wndelsverbänden und bet den Produzenten entge-
lenzutrcten, Rechnung getragen werden soll, so
wird die Regierung auf diese Tatsache des billig
dingekauften Eisens im unbesetzten Deutschland ihr
besonderes Augenmerk richten müssen.
Die Verschärfung der Warewsperre ist von Ver-
suchen begleitet, auch die Zufuhr von Lebensmitteln
nach dem Ruhrgebiet zu sabotieren. Man tut das
uichi offen, indem man etwa Lebensruiitelzüge on-
bält. Al>er durch die Stillegung einer gangen Reche
von Eis enb ah «strecken und durch provokatorisches
Auftreten! auf den wichtigsten Verbindungsbahn-
düsen Mächte man gern herboiführew, datz sich der
Verkehr totläuft. Ein anhaltender Widerstand der
Nuhrbcvötksrung gegen die Okkupation ist jedoch
»ur denkbar, wenn die Organisation der Lebens-
mittelversorgung aufrecht erhalten bleibt. Es wird
»llen taktischen Geschickes der beteiligten Arbeiter-
verbände bedürfen, um dir hieraus erwachsenden
Gefahren an Ort und Stelle abzuwenden. Darüber
hinaus aber ist auch Pflicht der Regierung im un-
besetzten Deutschland für ausreichende Zufuhren
und T ra ns Port mv glich k :en nach bester Kraft zu
sorgen und vor allem Planmäßigkeit in die
Lebensinittelzusuhr hitwinzubringen. Ohne Bewirt-
schaftung der wichtigsten Nahrungsmittel im Ruhr-
gebiet wird das nicht durcl-zuführen sein. Um so
unverständlicher ist es, datz man sich hier nur zögernd
an irgendwelche Entschlüsse hcranwagt. Auch die
Lebensmittel, die mir durch die RuhrHilfe bereitge-
tcllt werden, bedürfen einer zentralen Vertei-
lung, da sie sonst in den freien Handel gelangen und
eie Preissteigerungen,, die im besetzten Gebiet in-
folge des Warenhungers und der unrcgelmähigen
Zufuhr naiürltch besonders knapp sind, mit-
»kachen. Der Segen des freien Handels, der sich
letzt allerwürts über die verbrauchende Bevölkerung
ergiesst und der zu unglaublichen Einschränkungen
der Lebenshaltung der Arbeiterschaft gefilhrt hat,
follte doch nun wirklich bewiesen haben, datz man
Wit diesem System der Svstemlosigkeit in einer Zeit
schärfsten Mangels nicht anSkomnrt.
Im allgemeinen hat der Jnlandsmarkt durch die
Deutung des Dollarkurses eine gewisse Erleichterung
erfahren. Der Reichsbank ist es durch Jntevven-
siousvcrkvuse fremder Zahlungsmittel gelungen,
»en Dollarkurs unter 30000 herunterzudrücken. Da-
debcn mögen allerdings auch Verkäufe der Industrie
eine Rolle gespielt haben, nachdem die Kreditknapp-
»eit si-l> wieder verschärft geltend macht. Die Stiit-
lungsaktion der Reichsbank hat berechtigtes Ansse-
oen erregt. Har doch die Reichst,ank noch bis vor
urzern die Möglichkeit einer Stabilisierung der
Mark mit Hilfe solcher Maßnahmen energisch be-
lritten. Ob der Erfolg auhallen wird, hängt na-
türlich wesentlich davon ab, wie grotz die Devi-
fenrcsciueu sind, die noch znr Versiigung stehen. Als
*utzepordontlich bedenklich nrutz es aber bezeichnet'

iverden, datz die Beeinflussung des Devisenmarktes
vorgcnommen wurde, ohne datz man vorher die
spekulativen Treiber von ihm ausgesehaltet hat. Es
steht zu befürchten, datz sich jetzt die Devisenhamsterer
und -Spekulanten reichlich mit Devisen eindeckcn,
um sie später teurer zu verkaufen. Auch sonst zeigt
die Stützungsaktion ganz das Gepräge der früheren,
nicht ausreichend vorbereiteten Versuche, die Devi-
senkurse zu beeinflussen. Solange die Verkäufe der
Reichsbank wirksam sind, also insbesondere während
der amtlichen Kursnotierung, sind die Devisenkurse
niedriger als kur; vorher und kurz nachher im freien
Verkehr. Auf diese Weise haben die beteiligten
Makler und Banken die Möglichkeit ganz enormer
! Kursgewinne innerhalb weniger Stunden. Des-
halb ist es erforderlich, datz zunächst einmal diejeni-
gen, die Devisen nur zur Sicherung gegen dir Geld-
entwertung raufen, durch das Angebot wertbestän-
diger Anleihen vom Devisenmarkt ab gelenkt
iverden Nun gibt es beroits Festwertanleihen in
ni-ck-t unbeträchtlicher Zahl, dir gewaltige Nachfrage
aber, die nach ihnen besteht, zeigt, datz noch viel
weitere Kreise dafür interessiert werden können und
datz so der spekulative Charakter des Devisenmark-
tes eingcdänuut wird. Nattirlich ist die Schaffung
von Festwertanloiheu nicht das einzige, sondern
nur eins vou viele» Mitteln, mit der man der De-
visenspekulation auf den Leib rücken kam«. Aber
sie ist eine wesentliche Vorbedingung dafür, ivill die
Zentralisierung des Devifenverkchrs, wie sie von
der Sozialdemokratie gefordert ist, vorvcreiten. Datz
sine umfassende Devisenpolitik das Gebot der
Stmcde ist, hat jetzt auch der Rerchswirtfchastsbeirai
wieder bestätigt, dessen niatzgehende Ausschüsse ein
ausführliches, in seinen Gruwdzügen durchaus mit
den Forderungen der Sozialdemokratie sich decken-
des Währuttgsprogvarnin ausgearbettet haben.
Es fehlt Nutzt an Anzeichen datz das Privat-
kapital die Zeit des Mangels wieder zur besonderen
Wahrnehnmng seines Dranges nach Profiten be-
nutzen will. So ist es außerordentlich auffällig, daß
man eitlen TM der Ruhrspende sofort in Kleidungs-
stücken sestlegen will, während das alte und das neu-
besetzte Gebiet in hohem Matze imstande sind, dem
dringlichsten Vekleidungsmangel durch die eigene
Produktion abzuhelfen. Es wäre auch nichts dage-
gen einzuiveuden, ivenn man Geldmittel zur Sicher-
stellung der Bekleidnna in den Bergarbeiterrevleren
schafft, imr müßten diese aus anderen Quellen ge-
nonmren werden, wenn die Terttlrndusirie neuer-
dings unter einer» Beschäftigungsinangel zu leiden
hat, so ist es Sache der produktiven Erwerbslosen-
fürsorge, hier rechtzeitig einzugreifen. Aber eS wäre
denkbar verseh», die zur Linderung der Ernährungs-
not aus Wohltätigkeit bereitgestellter Gelder zu eitler
Stützungsaktion für dir Textilindustrie zu benutzen,
zumal nicht die geringste Gewähr dafür gegeben ist,
datz diese Wohlrätigkeitsgelder auch recht schöne Di-
videnden an „notleidende Aktionäre" aibwerfen.
Durans hiirznweifeu, erscheint umso »lehr erforder-
lich, als man neuerdings auf einen schönen Trick
verfallen ist, um die tatsächliche Höhe der Dividen-
den zu verschleiern. Man schüttet nämlich Gold-
dividcnde aus. Und diese sind so erschreckend ge-
ring in Prozenten ausgedrückt, daß man wirklich
ein Gefühl des Jammerns gegen den bemitleidens-
werten Aktionär bekommt, wenn nran die Dinge
nicht durchschaut. So zahlen jetzt di« Polyphon-
Werke A.-G. Ar Wagen bei Leipzig ganze ein Zehntel
Prozent irr Gold nach dein Dollarkurs als Dividen-
de. Dabei ist zu erwähnen, daß diese Gesellschaft
ihr Aktienkapital schon bisher sehr tüchtig verwäs-
sert hat. Von dem Aktienkapital ist der weitaus
überwiegende Teil erst nach dem Kriege, teilweise
durch Gratisaktien „aufgebracht" worden. Läßt
inan diese gratis erhaltenen oder in Paptermark
eingezahllen Aktien außer Ansatz, so erhöht sich die
Golddividcnde bereits auf mehr als ein Fünftel
Prozent. AVer auch wenn murr die Sache von der
Papiermark ans ansiebt, ist sie außerordentlich statt-
lich. Sie betrügt nämlich ganze 200 Prozent. Nicht
genug damit, gibt inan anch jetzt wieder Gratisaktien
aus, »in nachher auch im nächsten Jahre für diese
Graiispapiere Golddividenden mit einem lächerlich
niedrig scheinenden Prozentsatz zahlen zu kön-
den. In Wirklichkeit sind die erzielten Profite so-
wohl wie die cnSgeschütteten Gewinne geradezu
ungeheuerlich und ein wertvolles Material für die
Unfähigkeit unserer heutigen Steucrausübuug ge-
genüber den Besitzenden. Ganz ähnlich geht die C.
Heckmann A. G. vor, die ebenfalls 0,1 Proz., aber
nach dem Goldankaufsknrs der Reichsbank berechnete
Goldmark auf ihr mehrfach verwässertes Aktieu-
kapital ausschüttet rind es noch mehr verwässert.
Wann wird der Steuergesetzgeber daran denken,
Goldsteuern zu erhebend
Diese Symptome neu erstarkter Profit sucht in
einer Zeit des heftigsten Abwehrkampfes des gan-
zen Volkes rntd ansteigender Arbeitslosigkeit zeigen,
IM, eingegriffvnl iverden mutz, wenn man nicht den
Willen des deutfchen Volkes zur Abwehr der fran-
zösischen Uebevgrisfe durch die neue Befatzungsgc-
winnler unterhöhlen lassen will.

Kurze Meldungen.
„Der wahre Jakob" ist bis auf weitere- im be-
setzten Gebiet verboten.
I» Gelsenkirchen haben die Franzosen weitere
Rcvressalien vorgenommon, um die auf erlegt en 100
Millionen Kontributionen beizutreiben.

Vom besetzten Baden.
Die jetzige Lage.
Offenburg, 18. Febr. Die Lage im besetzten
badischen Gebiet hat sich dort heute nachmittag
wesentlich verändert. Nachdem schon in de»
letzten Tagen die französischen Truppen aus einer
ganzen Reihe von Ortschaften zurückgezogen
worden waren, ist auch in Offenburg selbst an
verschiedenen Stellen ein« Zurücknahme der Wache
erfolgt. Seit heute mittag kann man beobachten,
datz die ltoch verbliebenen Wackren an den staatlichen
Berkehrsgebäuden ohne Gewehr Posten stehen,
während sie bisher mit aufgepflanzlem Bajonett
ihren Dienst versahen Man will anscheinend die
Beamten und Arbeiter für die Wieder-
aufnahme des Verkehrs, die von den Franzosen
angestvebt wird, geneigt »rächen. Zurzeit befinden
sich hier auch elsässische Eisenbahner, weiche von
morgen ab den Verkehr von Appenweier nach
Kehl einrichten wollen. Wie berichtet wird, be-
mühen sich die Franzosen, auf das deutsclre Personal
einzuwirken, datz es den Dienst wieder aufnimmt.
Dasselbe beharrt aber >«ach wie vor auf der
restlosen Zurückziehung der Besatzung von den öf-
fentlichen Verkehrsau-stalteu.
Zur Einrichtung einer Zoll inte werden die
erforderlichen Maßnahmen getroffen.
Dar Schicksal der verhafteten
Amtmänner.
Offenburg, 17. Febr. Die Amtmänner Dr.
Maier und Müller, welche in Offenburg vou
den Franzosen verhaftet worden sind, wurden beut«
morgen über Ludwigshafen nach Mainz verbracht.
Sie sollen dort, wie wir hören, vor ein Kriegs-
gericht gestellt werden.

Um Rhein und Ruhr.
Weitere Kriegsgerichtsurteile.
Wiesbaden, 18. Febr. Das sranMfche
Kriegsgericht in Mainz verbandelte gestern in nicht-
oMziellcr Sitzung gegen den Oberpostdirektor
FrsfK und Segen ven Obertelegrapberrinspektor
Hamel. Die Anklage kämet« auf Spionage, be-
gangen durch Weitergabe eines MilitiirielegrammS
an die vorgesetzte Behörde. Das Urteil lautete
gegen ersteren aus drei Monate Gefängnis
und gegen Hamel auf 14 Tage Gefängnis.
Bet beiden wird die Untersuchungshaft angerechnet.
Die Strafe mutz ohne Aufschub angetreten
werden. Gegen Frosch Ivar lebenslängliches Zucht-
haus beantragt gewesen.
Essen, 18. Febr. Das französische Kriegsge-
richt in Bredeney verurteilte gestern den Geschäfts-
führe» des Essener Verbandes des EiuzelhaudelS,
Dr. Guyen zu zwei Jahre» Gefängnis
und acht Millionen Mark Geldsttase, weil er ein
Rundschreiben unterzeichne! hatte, in welchem die
Kaufmannschaft der Stadt aufgesordert wurde, im
Interesse der öffentlichen Ernährung an die Besät
znngStruppen keine Waren abzugcheu.
Aachen, 17. Febr. Vor dem belgischen Kriegs-
gericht wurde das Urteil gegen Oberbürgermeister
Jarres heute verkündigt. Der Angeklagte wurde zu
1 Monat Gefängnis verurteilt.
Berlin, l7. Febr. Der Reichspräsident hat
anläßlich der Verurteilung der Oberbürgermeister
Dr. Schäfer-Essen und Havenftcin-Oberhausen zu
mehrjährigen Gesängnisstrafcn in einem Telegramm
an die b-etr. Stadtverwaltungen seiner Empörung
über diesen neuen französischen Willkürakt Ausdruck
verliehen und den verurteilten Beamten seine be-
sondere Anerkennung für ihr Pflichttreues und
mannhases Verhalten ausgesprochen.
Jülich besetzt.
Berlin, 18 Febr. Von zuständiger Seite wird
mitgeteilt, daß Jülich von den belgischen Truppen
besetzt wurde.
Jülich, 17. FcSr. Sen gestern ist die Hauvt-
WkrtsMtt IW ich von bolgiscleen Truppen besetzt. Die
Besetzung ist wegen einer angeblichen Sabotage
erfolgt.
Weiterer Einbruch.
Gelsenktrchen, 17. Febr. Heute morgen um
7 Uhr ist hier Kavallerie mit Tanks ringc-
zogen. An der Spitze wurde der Recklinghäuser ver-
haftete Major Kunow von französischen Offizieren
mitgeführt. Er ist offenbar als Geisel ausersehrn.
DaS Telegraphenamt und der Bahnhof
sind besetzt. Das Telegvaphenamt hat den Be-
trieb eingestellt. Der Bahnhofsvorsteher Kaufmann
wurde fest genommen. 7 Millionen, die sich in
seinem Gewahrsam befanden, wurden beschlagnahmt.
Die Züge verkehren vorläufig weiter. Doch dürfen
dir Reisenden nur ausstcigen, aber nicht einsteigen
Durch Solingen und Herne zogen heute
vormittag in Richtung Wanne Infanterie in Stärke
von 20 Kompagnien mit SO Maschinengewehren 15
Feldküchen und 55 Bagagewagen.
Ein deutsches Weißbuch.
Berlin, 17. Febr. Die deutsche Regierung ver-
öffentlicht soeben ein Weißbuch über den französisch-
belgischen Einmarsch in das Ruhrgebiet. Die Denk- j

schrift, die 56 Setten umfaßt, enthält alle diesbezüg-
lichen Aktenstücke.
Entlassung der Zollbeamten,
Paris, 17. Fsbr. Wie Havas aus Koblenz
meldet, hat die Rheinlandkommission durch eine neue
Ordonnanz verfüg' daß das gesamie deutsche
Zollpersonal sowohl im altbcfetzlen, wie im
ncubesetzten Gebiet mir Wirkung vom 20. Febr. 23
ab entlassen ist. Der neu geschaffene Zoüdirck-
lionsausschutz ist beauftragt, den Zolldienst sicher-
zustellerr.
Düsseldorf, 17. Febr. Aus den» Bezirk
Düsselldorf-Rach-Kuvserdreh-Kettwig liegen Msldun-
gen vor, nach denen die Eisenbahner einan Revers
unterschreiben sollen, daß sie in treuer Pflichterfül-
lung die französischen Befehle aus der
Eisenbahn ausführen wollen. Mer sich weigert,
soll innerhalb 24 Stunden aus seiner Dienstwohnung
ausgewiesen werden. Den ausgewiesouen Becnnleu-
familien wird untersagt, Holz und Kohle aus dem
besetzten Gebiete mit -erausznnohmen.
Ein Erlaß Degouttes.
Dortmund, 17. Febr. Nach amtlichen Mel-
dungen haben die französischen Soldaten einen Be-
fehl erhalten, joden an den Telegraphen-
linien angetroffenen deutsche» Beamten und Arbeiter
ohne Anruf zu erschießen. Die Instandhaltung
und Fehlerbeseiiigung an den Delegraphenlinien ist
damit unmöglich. Beim Oberkonunaudierendon
Gtireral ist fettens der Oberpostvinekiion sofort schar-
fer Prote st erhoben worden, in dem die sofortige
Zurücknahme des Befehls gefordert wird.
Der neue Oberkommissar.
Paris, 17. Frbr. Die belgische Regierung hat
den belgischen Zivtltngenteur Blaise zum Ober»
kommisfarfür das Ruhrgebiet ernannt. Er wird
de» gleichen Rang wie Degoutte erhalte«
und im gleichen Gebäude tn Düsseldorf seinen Wohn-
st« aufschlagen.
Regierungspräsident Dr. Grützner
ausgemiefen.
Düsseldorf, 18. Febr. Regierungspräsident
Genosse Dr. Grützner ist verhaftet und auS -
gewiesen worden.
Ein neuer Mord.
Bochum, 19. Febr. Auf der Z«che „Prinz-
rogcmt" erschien«» gestern vormittag ftinf Franzosen,
un, Holz zn beschlagnahmen. Sie beluden eine»
Wagon, der aber von der Belegschaft nicht heraus»
gelassen wurde. Dir Bergleute verhinderten die«
Ausfahrt, indem sie das Tor des Zechenplatzes
schlossen. Dis Franzosen entfernten sich, kehrten:
aber bald mit Verstärkung zurück und feuerte«
blindlings durch das geschloffene Tor. Dabei wurde
ein lSsäbrigrr Jnirge namens Sieghart so schwer
verletzt, daß er kurz nach seurer Einliesernng ins
Krankenhaus gestorben ist. Der Arbeiter Schulz er-
hielt einen S1 retfschutzam Hals.
Gestern vormittag beschlagnahmten die Franzo-
sen in einem Geschäft der Stadt 50 Matratzen, in
einem anderen zwei Herde, zwei Zimmeröfen, zehn
Waschkessel usw., im Werte von über fünf Millionen
Mark und an einer dritten Stelle zehn teer« Wein-
fässer.
Severing im Ruhrgebiet.
Die französische Presse ist entrüste t, datz deut-
sche Minister trotz des französischen „Verbots" sich
mehrere Tage im Ruhrgebiet ansgehalien haben. Die
Agence Havas begleitet die Meldung mA einen,
längeren Kommentar, worin es beißt, es fei leidor
nun einmal nicht möglich, alle Wege, die in das
Ruhrgebiet führe», zu überwachen; dazu bedürf« es
eines Mehrfachen der im Ruhrgebiet vorhandenen
Trnppenkoittiugcmte. Die doulschen Minister hätte«
so zwar noch die Möglichkeit, in das Ruhrgebiet zu
gelangen, aber sie täten es ans eigenes Risiko.
Es sei selbstverständlich, daß, wenn einer von ihnen
aus einer nsnen AMationsreise betroffen und ver-
hastet würde, «r sich umso schwereren Sanktio-
nen ausfetzen würde, als er gegen eine ihm bekannte
Vevfügmrg verstoße.
Trotz aller dieser französischen und belgischen
Verbote weilte am Samstag der preußische Minister
des Innern, Gon. Severing, in Dortmund, wo
er vor Vertretern der Industrie, der Gewerkschaften
und der Behörden M den wichtigsten Fragen der
Besetzung Stellung rmhm. Ain Sonntag sprach Ge-
nosse Severing in Solingen. Auch Gröner weilt«
im besetzten Gebiet.

Die Bedeutung des Kampfes.
Gen. Stampfer, der vor wenigen Tagen von
einer Reis« durch das Rnhrrevter zurückgekehrt istz
schreibt uns:
Das KampMld im Rubrvevier läßt sich letzt visl
klarer Überblicken, als vor zwei Wochen. Die natio-
nalistische Welle ist abgedämmt, vom Heldentum der
Zechenherren ist wenig mehr di« Rede, dafür ist jene
„Einbeitsfvonr", die zugleich die „nationale" wie di«
„pwiewrische" ist, die Einheitsfront der Arbeiter,
Angestellte« und Beamtem deutlich tn Erschetrumg
getreten. Sie ist -eS. die in sozialistischem Geiste deck
Kampf gegen den Militarismus führt. Vor allem
die Bergarbeiter an der Ruhr sind ein besondere»
 
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