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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 11 - Nr. 20 (13. Januar - 24. Januar)
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!age«-zelwg m Sie WeMW MSllttw, der AmlMltte ßOeliers, Wie,Ich, öwrdo. Wchei. WerSch, Ms,ich. Iche», MIHM, BoSerz. MderichMrw». WeriSe»

5. Jahrgang

Nr. 13

MM


VS

meh»

wenn nach Kriegs-, Nevolutions- und Neparations-
gcwinnern noch eine neue Kategorie von Be-
satz» ngsge Winnern tritt. Es ist höchste Zeit,
datz man sich darüber klar wird. Solange die Börse
auf das Unglück des deutschen Volkes mit Kursstei-
gerungen reagiert, ist schärfstes Mißtrauen am Platze.
Noch sind die Auswirkungen der Ruhrbcsetzung in
der deutschen Wirtschaft wenig zu spüren. Man darf
aber nicht warten, bis es zu spät ist. Von allen
Seiten drohen Gefahren, denen es energisch ent-
gegenzutretcn gilt.

Em»
Aug-

Essen, 15. Jan. Wie unser Sonder Korrespon»
deut erfährt, verweigern die Bergarbei»
ter anläßlich der Besetzung des Rulirgebieres ab
heute die Ueber sch ich! en zu verfahren. Dies«
Weigerung erstreckt sich nur auf die u e u b e s r tz i r:k
Gebiete. Die Bergarbeiter habe» eigenhändige
Anschläge an ihre Kollegen in den Gruben gerich-
tet, in denen aufgefordcrt wird, keine Ncbcrschichleit
mehr zu verfahren.

Die Besetzung Bochums.
Dortmund, 15. Jan. Heute mittag um 1^1
Uhr sind die Franzosen in B o ch u m ctngerü ck 1.
Ferner sind heute vormittag französische Quartier-
macher in Dorsten, einem westlichen Vorort von
Dortmund, eingetroffen.
Bochum, 15. Jan. Um 12 Uhr rückte Kavalle-
rie in Bochum ein. Gegen X-1 Uhr setzten sich die
französischen Truppen in der Richtung aufWitten
in Bewegung. Gegen 12)4 Uhr erschien im Rathaus
General de France, kommandierender General
der 3. Kürassierbrigade mit seinem Stab und Oberst
Honiller, Kommandeur des 155. Infanterie-Re-
giments. Er erklärte, das; die Stadt Bochum
jetzt von französischen Truppen aus Befehl des kom-
mandierenden Generals der Rheinarmee besetzt sei.
Er erklärte, daß einige Gebäude in der Stadl besetzt
würden, so der' Hauptbalmhof. der Nordüahnhos, das
Post- und Telegraphcnamt, das Gebäude des Ben-
zolverbandes und das Eisenbahnbetriebsamt. Diese
Besetzung geschehe nicht, um den Verkehr zu hein-
meni der Verkehr bleibe wie bisher. Ein Negi-

deutschen Wirtschaftslebens auch katastrophale Rück-
wirkungen auf die Entwicklung der Mark erwartet
hatte, sah sich cnttäusch t. Der Dollar stieg zwar
am Dienstag aus den Rekordknrs von 10 000 und
überschritt diesen Stand wesentlich, um am Wochen-
ende mit 10 35V (Ende voriger Woche 8535) abzu-
schließen. Dieser neue Kurssturz der Mark wirkt
weiter auf die Preise erhöhend ein, er bleibt aber
hinter der Markentwertung früherer Perioden we-
sentlich zurück. Es besteht jedoch Grund zu der Be-
fürchtung, das; damit der Abstieg der Mark noch
längst nicht beendet ist. 50 Proz. der Steinkohlen-
förderung des Ruhrgebietes, über 40 Proz. der
Steinkohle,lfövdeung des gesamten Deutschland ist
Mit dem Vonnarsch der Franzosen in fremde Gewalt
gekommen. Ein Rückgang der Kohlengewinnung er-
scheint unvermeidlich. Und selbst wenn er nicht ein-
treten sollte, obwohl alle Kundigen damit rechnen,
ist nach den Gepflogenheiten der französischen Be-
fatzungstrupen anzunehmen, datz von der Förderung
des neu besetzten Gebietes ein wesentlich geringe-
rer Teil für den Verbrauch des unbesetzten Deutsch-
land freibleiben wird als bisher. Die Besatzungs-
truppen haben nämlich im Rheinland immer auf eine
bessere Kohlenbelieferung dieses Laudcstciles be-
standen. Nur um ein Beispiel zu nennen, sei daraus
hingewiesen, datz zu einer Zeit, wo die d e u t s ch e n
Eisenbahnen nur für vier bis sechs Tage mit Kohle
versorgt waren, im besetzten Gebiet Eiseubahnkov-
lcnvorräte für 42 Tage gestapelt wurden. Als das
nicht mit den üblichen Lieferungen gelang, ging man
mit der Beschlagnahm« der aus den Transport-
wagen laufenden Kohle vor. Aehnlich beabsichtigen
die Franzosen auch jetzt zu verfahren. Schon in der
Not«, die den Einmarsch ankündigte, war davon die
Rede, datz man nicht nur die Rcparationskohlen-
iufernngen beitvciben. sondern auch für die Beliefe-
rung der — schon bisher von den deutschen Kohlen-
verteilungsorganen bevorzugt belieferten — besetz-
ten Gebiete sorgen wolle. Di« Kohl-cndecke wird auf
diese Weise verkürzt; Deutschland wird so für die
nächste Leit aus die erhöhte Ausnutzung leine.
Brannkohlenvorräte, aber auch aus größere
Einfuhren aus dem Ausland angewiesen sein. Da-
raus aber ergibt sich eine neue Belastung der Zah-
lungsbilanz, die wieder den Wert der Mark berab-
drückt.
Uebrigens kann nicht nachdrücklich betont wer-
den, datz Frankreich keinen stichhaltigen Grund zur
Besetzung des Ruhrgebiets hatte. Als auch aus ver-
kobrstechnischen Gründen die deutschen Lieferungen
fast unmöglich wurden, erbot sich die deutsche Re-
gierung, statt westfälischer Kohle englische zu
kaufen und abzuliefern. Dieser Vorschlag blieb un-
beachtet. Dafür befahl man Deutschland, 125 000
Tonnen Kobl« monatlich in O b e r sch l e s i e n zu
kaufen, sie durch ganz Deutschland rollen zu lassen
und auf Reparationskonto zu liefern. Das wurde
Ntzn abgelehnt. Das Manko aber, das in den Koh-
lcnlieferungen bestand, war überreichlich ausge-
glichen dadurch, datz Deutschland schon vor Beginn
seiner Pflichtlieferungen freiwillig Reparationskohle
nach Frankreich gebracht hatte.
Daraus gebt hervor, datz Frankreich nicht so sehr
an der Kohle liegt, sondern an der B e s e tzu n g des
Ruhrgebietes, um sich damit auf Kosten Deutsch-
lands bezahlt zu tnachcn. Damit steht auch nicht in
Widerspruch, datz nun Frankreich selbst de» Zechen-
besitzern die Bezahlung der an Frankreich zu
liefernden Kohle angeboten hat. Diese angebotene
Bezahlung dürfte ebenso ein Köder zur Organi-
sation und Förderung des französischen Kohlent.K-
butprogramms sein, wie die Zusage an die Bergar-
beiter, man wolle ihnen billige Lebensmittel liefern.
Die Bergleute haben den plumpen Versuch, ihre
Freundschaft zu gewinnen, rundweg abgelehnt.
Die Gefaüren, mit denen zu rechnen ist, sind
also
Rohstoffmangel und fortschreitende Teuerung.
Der zu erwartende Kohlen mangel dürfte, wie
man uns an berufener Stelle versichert, nicht über
Nacht hereinbrechen, da, zum Teil wegen der erhöh-
ten Einfuhr der letzten Monate, noch einige Vorräte
vorhanden sind. Um so größer ist die Sorge für die
Zukunft auch auf diesem Gebiete. Dagegen ha-
ben die vom Reichskanzler gegen die Teuerung an-
gekündigten Maßnahmen noch keine feste Form an-
genommen. Sie werden vorerst noch im Re'.chswirt-
schaftsministerium erwogen. Inzwischen sind die
Kohlenpreise um 50—67 Proz. heraufgesetzt, alle üb-
rigen Industrien folgen, als wenn gar nichts passiert
Wäre. Die Landwirte fordern Preiserhöh-
ungen, in den steigenden Preisen der Auslands-
ivaren wirkt sich die Valutaverschlechterung aus. Je-
denfalls ist bei den inländischen Interessentenkreisen
des unbesetzten Gebietes
nichts von der Opfcrbereitschaft
zu spüre», die im Angesicht einer Zeit schwerster Noz

Kohlenmangel der pfälzischen
Industrie.
Aus der Pfalz wird der „Franks. Zeitung*
gemeldet: Die Besetzung des Ruhrgebietes macht
sich jetzt schon im Kohlentranspart rheinab»
wärts bemerkbar; verschiedene pfälzische Ine
dustrien werden im Lause der nächsten Zeit ge»
zwungen sein, ihe Betriebe e i n ; u sch r än k e N
oder st > llzulege n, ganz besonders solche, die auf
Ruhrkohlen speziell eingestellt sind. Die Pfälzische»
Tonwerke Hagenburger, Schwach u. Co., Hellen'
leidelheim scheu sich z. B. nach einem Bericht de»
„Pfalz. Rundschau" genötigt infolge Mangels ast
geeigneten Kohlen einen Kammerringofen still-
zulegen, obgleich die Nachfrage nach den von del
Firma hergestellten Produkten ein sehr geringe ist.

Heidelberg, Dienstag, den 16. Januar 1923
MM

Memel besetzt.
M e m e l, 15. Jan. Um 1(1 Uhr kam ein Trupp
von etwa 30 Litauern mit Gewehren und Maschinen»
gcwchren über die große Brücke in das Zentrum
der Stadt. Die Truppen begaben sich zur Börsen»
brücke, die aufgezogen war und schlosse» die Brücke,
um den Haupttrupp der Freischärler herüber
zu lassen. Auch die französische Präfektuti
ist von den Litauern besetzt worden. Es so« dort
eine weiße Fahne gehißt worben sein. Das Schießest
hat zurzeit aufgehört.

die Kohlcnsteuer erheben würden. Von diesen«
Tage ar« solle« die von Koste geleiteten Missionen
40 Prozent Steuern auf Kohle und
2V Prozent Steuern aus Holz
erheben, um die Kosten der vor« den Grubenbesitzern
zu tätigende» Lieferungc» zu decke». Ferner sün-
digt das Blatt an, daß weitere Maßnahmen
bevorständen, wenn sich die Reichsbank tatsäch-
lich weigere, dem Industriegebiet die notwendigen
Mittel für die Löhnungen an die Arbeiter zu
geben. In einem solchen Falle würden die Alliier-
ten sich voraussichtlich an die lokalen Banken
zu welchen haben.
Deutsche Maßnahmen.
Esse», 15. Ja». Eine Besprechung des
französische» Inspektors der Bergwerke, Co ftc, mit
den Vertreter«« der Bergbau-Unternehmer
hat das Ergebnis, datz die Franzosen sichScreit-
er kl ii r t haben, die ihnen zu liefcnwen Kohlen zum
vollen Preise von sich aus z«« bezahle,!.
Daraufhin ist vom ReichSkohlenkommis-
sar heute morgen folgendes Tclegrammbei den
Zechenvertretern cingcgaugen: Unter Bezugnahme
auf die Besprechungen der französischen Ingenieur-
kommission mit den Zcchenbesitzern verbiete ich
«ach dem französisch-belgischen Einbruch in das
Ruhrgebiet hiermit ausdrücklich die Lieferung von
Kohle nnd Koks nach Frankreich oder Belgien, auch
für den Fall einer BevorschusfungodcrBe-
zahlung.
HamVurg, 15. Jan. Angesichts des Vorgehens
der französischen und der belgischen Negierung hat
der Vorstand des Vereins der Getreidehänd-
ler der Hamburger Produktenbörse seinen Mitglie-
dern aufs dringendste empfohlen, keine Ge-
schäfte m« h r mit französischen oder bel-
gischen Firmen direkt oder indirekt zu machen,
keinerlei Waren mehr in französischer
oder belgischer Währungzu kaufen, keinerlei
Waren mehr zu handeln, die in französischen oder
belgischen Häfen liegen oder nach solchen unterwegs
oder dort abzuladen sind.
Esse», 15. Ja». Auf das Telegramm des
Rvichskohlenkommissars haben säintliche Zeche««
sofort die Kohlenlieferunge» an Frankreich
und Belgien' einstellen lassen. Bei den Bespre-
chungen zwischen de» französischen Bevollmächtigten
und den Vertretern der Zccheuvervände wurde von
dcurscher Seite den Franzosen mitgeteilt, datz die
Zeche,, di« Kohleuliefevungen an Frankreich und
Belgien eingestellt Härten. Daraufhin wurden
die anwesenden deutschen Vertreter gefragt, ob sie für
die von ihnen vertretenen Zechen verantwort-
l ich seien. Als sie die Frage bejahten, wurde
einem jeden gegen Quittung ein schriftlich - r
militärischer Befehl zugestcllt, die Lieferung
on Reparattonskohlc an Frankreich und Belgien
sofort wieder aufzunchmc,^ ,_

Die Franzosen vor Hagen.
Hagen, 16. Jan. Die Franzosen haben gestern
nachmittag gegen 4 Uhr Vorhalle, eine«« Vorort
von Hagen besetzt. Französisch« Truppen sind
gestern nachmittag in Witten und Wan n e ein-
gerückt. Durch Gevelsberg kamen gestern vor-
mittag französische Patrouillen, die in der Richtung
nach Recklinghausen weiterzogen,
Belgier vor Wesel.
Duisburg, 16. Jan. Auch nach Norden hin
ist die militärische Besetzung weiter ausgebaut wor-
den. So wurde Friedrichs selb bei Wesel
von französischer Kavallerie besetzt.
Pariser Drohungen.
Paris, 15. Jan. Der „Petit Pari sie«"
erfährt, datz als Ant »vor 1 auf die deutsche» G e -
gcnmatznahmen französische nnd belgische
Truppen heute die Gegend von Bochum besetzen
würde» und datz am Mittwoch die Alliierten in dem

MklklWMUUmM
Ein Verbot der Reichskohlenkommissars. —
Keine Ueberschichten mehr.

Gefahren.
Die vergangen« Woche brachte den Einmarsch
der Franzosen und Belgier in das Ruhrgebiet. Ein
großer, für den Bestand der deutschen Volkswirt-
schaft unentbehrlicher Teil, ein Rohstoff- und Kraft-
Zentrum gewaltigster Bedeutung ist durch diesen
dem Friedensvcnrag widersprechenden Gewaltakt in ^
di« Hand eines umer der Last seiner Schulden zu-!

für vas ganze deutsche Volk als selbstverständlich ^Gewftmzewcken gewehrt hat, wird es nicht verstehen,
gelten sollte. Das Reichswirtschaftsminifterium aber
verhält sich abwartend. Das geht aus keinen Fall so
weiter.
Wir' verkennen keineswegs die Schwierigkeiten
eines energischen Eingriffs in den Warenmarkt.
Aber es muß doch auf das entschiedenste gefordert
werden, datz man sich endlich auf den Wirtschaftskrieg
-der jetzt seinen Höhepunkt erreicht hat, ernsthaft
rüctticbtswsen ^'iivcrialismns auftretenden Staates schonen Dingen. Das arbeitende Volk, das sich ichön
LLem L L7L?er1Lwn L^üner^g des « die Ausnutzung von Nepamti^-.. privaten

m e u t wird in B o ch » m bleiben; ein Bataillon von>ksey««s Ruhrgebiet und nuf d«m linken Siheinufor
diesem Regimen« solle die Gebäude in der Nähe des '
Rathauses besetzen.
Der Oberbttrgcrmeister erklärte, datz die
Stadt Bochum als Arbciterstadi außerordent-
lich schwer durch die Besetzung getroffen
werde, besonders, da die Wohnungsnot so außer-
ordentlich grotz und die Lebensmittel unerschwing-
lich seien. Er protestierte feierlich gegen
die Besetzung der Stadt und weiche nur der Gewalt.
Er werde unter dem Zwang die Befehle so weit wie
möglich ausführen.
Der kommandierende General erklärte, datz er
diesen Protest gegen die Besetzung zur Kennt-
nis nehme und an den höheren General weitergeben
werde. Die Besetzung der Bahnhöfe, des Post«
und TÄegraphenamtes, des Eisenbahnbetriebsamtes
und des Benzolverbandes ist ohne Zwischenfall er-
folgt. Nach dem Weitermarsch der Kavalleriekolonne
verblieben an den Hauptpunkten Wachen. Der
Verkehr in der Stadt ist unbehindert; die
Strassen zeigen im allgemeinen das gewohnte Bild.
Die geschäftige Arbeiter- und Geschäftsstadt nimmt
nach Befriedigung der ersten Neugierde von den
vorlbeiziehenden Patrouillen kaum noch Notiz. Der
befehlende General verweilte annähernd eine Stunde
im Rathaus, wo er mit den, Oberbürgermeister über
Quartierangelegenheit«,! usw. verban-
delte Ein Oberst verblieb im Rathaus.
Bochum, 15. Jan. Im Anschluß an eine De-
monstration kam es zu einem Zusamntenstotz. Die
Franzosen schossen zunächst mit Gewehren,
dann mit Maschinengewehren, wobei ein
Mann getötet und zwei schwer verletzt
wurden. Während die Schüsse fielen, liefen Grup-
pen von Kam,n »nisten, die vorher den Gesang
der 3. Internationale gesungen hatten, zusammen
und ließen die französischen Soldaten am Bahnhof«
hochleben, indem sie riesen: „Es leben unsere fran-
zösischen Brüder!"
Der weitere Vorstoß.
Essen, 15. Jan. Die weiteren VormarschAV-
stchten der Franzosen werden nunmehr rasch durch-
geführt. Die französischen Kolonnen stietzen im
Laufe des heutigen Tages durch das ganze Ruhr-
gebiet vis an die Tore Dortmunds vor.
Die Bürgermeister der besetzten Ortschaften
traten sämtlich den fremde» Eindringlingen mit
ruhiger Würde entgegen und legten schärfsten
Protest gegen die widerrechtliche Besetzung ein.
In Bochum soll nach der Ankündigung des fran-
zösischen Generals ein Regiment untergebracht
werden. Bestimmt als besetzt gemeldet werden bis-
her von wichtigeren Ortschaften Langendreer, Witten,
Herne, Recklinghausen und Wetter.
Essen, 15. Jan. Französische Truppen sind
in die Stadt Gladbeck eingerückt, wo sich eine
Reihe fiskalischer Gruben befinden.
Gclscnkirche n, 15. Jan. Die Stadt Wanne
ist nunmehr Lor« 1300 französischen Soldaten und
30 Offizieren besetz! worden. §

Die Lage im Reich.
Bedenkliche Anzeichen in Südbayern
Frankfurt, 14. Jan. Vou besonderer Seitö
wird der „Franks. Zeitung" geschrieben: Nach alle«
Anzeichen treibt die Entwicklung im national»
sozialistischen Lager in Südbayern, vor allem
in München einer Krise entgegen. Die durch eine
maßlose Agitation aufgcpeitschten Anhänger diesev
rechtsradikalcn Bewegung drohen der Leitung ihre«
Führer zu entgleiten, wenn nicht die bis zu«
Siedehitze gesteigerten Leidenschaften «in« Entla»
düng finden. Dazu kommt, daß der Ruf nach
der Diktatur immer offener und lauter erhoben
wird. Wir sind darüber unierrichtci, daß in führen-
den nationalsozialistischen Kreisen ernsthaft dcs
Plan besteht, am 20. Januar, nm kominende»
Samstag oder wenigstens in der zweite«
Hälfte des Januar eine Aktion zu unter»
nehmen, die dieser Forderung die Bahn ebnen soll»
Welcher Art im einzelnen dw genannten Unterneh-
mungen sind, kann zunächst dahin gestellt bleiben,
aber soviel ist sicher, daß sic einen für den Bestand
der gegenwärtigen Regierung und Staaisform in
Bayern höchst gefährlichen Charakter trägem
Es ist nötig, daß sich die öffentliche Aufmerksamkeit,
diesen Dingen zuwendet, und daß man ihre
Wicklung in den nächsten Wochen überall im
behält.
Hitler—Psychopath.
In rechts parteilichen Acutzcrungen
ren sich die Urretle über AdolsHt! ler, in denen
eine gewiss« Zurückhaltung seiner Person ge-
g.nüber oder eine skeptische Beurteilung seiner poli-
tischen Zukunstsmöglichkeiten zutage tritt. Zwischen
den Zeilen kann man Andeutungen leien, als hielte
man Hitler geistig nicht für ganz normal, mindestens
aber psychopathisch veranlagt. So fanden wir
irr einem sonst allerdings in günstigem Sinne ge-
schriebenen Politischen Worb end rief des
N i n g - V e r l a gs in Berlin, der nur „vertrau-
l i ch" versandt wird, eine Bezugnahme auf Hiilrrs
KriegSerkraittuug, wobei gemgt wird:
„Er lag während der Revolutionszeit beschä-
digt im Lazarett. Man lnrtcht von einer Art
Blind bei, von d.c er besallen war, und ans
der ihn eine innere E k st äs « befreite, die ihm
einen Weg zur Besieiung seines großdeutschru
Volkes vou der materialistischen Vcrstlavung durch
Marxismus und Kapitalismus vcihieß. Ihm,
Hitler, schien die Ausgabe gestellt, der Befreier
seines Volkes zu werden. Das ganze Wollen die-
ses Mannes wird von dem G l a u v e n a u s e i n e
messianische Sendung getragen und die
Sicherheit jeiner Geste wird nur dadurch (!) er-
klärt."
Wir können nnd wollen die Richtigkeit dieser Mii-
tctlüngen nicht nachprüfen; aber wir gehen wohl
nicht fehl in der Annalune, daß man auch i»
rechtsgerichteten Kretlen bisher die Ek-
sta liker, bet denen doch stets die Gesäter vestelil,
daß sie eines Tages die Herrschaft über inb ver-
lieren, nicht gerade als das gccugnci <e 2t.cn-
«chenmatcria! für die Auslese politischer Fuvrer an
gesehen hat,
 
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