Heidelberg, Freilag, de« 13. April 1923
Nr. 86
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>',-<,sprei,:v!»>,«ttich k!n,chNetzl. WWWM DD «e,»»ft«Mnü>e«8-SMr, Sprech,
era^crioli, Mk. »nm,—. Sin,einen- «KMU »L^r «W» MM WM pundei, der Redaktion: 11—u NH».
'arise: Di« einlxallige Ve'itzeile ^WLM «Ml «WW^ 8^8 VWl ^Wl »Wl VW« W-U tzoMchr<klon,o«orl»rnhr1Nr.AS)7.
' der deren Raum iZ-i n-.m breit» GIff AWR WA MsIK WM WM «^Z LÄA Lrl -Adr.:DoNo,ri,un,Heidrlberg.
->k,^', R^lamean,eincni7linn> MkA IWM Druck u. Verlag der Unterdadischep
'reu»M!.Nl>i>—. BeiWiedcrhüiun« Ml werloasanslalt (S. NI. K.H., Heideh
»«»Slachiaf, „.Tarif. Weheimmittel« " K WA ^WZW- «M- ^WM berg. chrlchSstoKellerSchroderftr.«».
"«»eigen finden leine Aufnahme. ^HW- Lei.:EapeditionLMlU.Redak.iIRO,
Tms-Zerrung sikr die lveMSlkgeZevSllerMg ver AMsvezitte Seldelberg, Wkeslsch. Sivstzeim. Evvkngeii. NerSa-, MorbO. BuSeo, MeMew, Norberg. TaoberbWossbeW a. WeMew
k. Jahrgang
LßllSM CMHS-GSW.
II. V. Wer aufmerksam die Nachrichten prüft,
kie über den Besuch des ehemaligen französischen
Wiederaufbauministers Loncheur in London zu uns
vedrungcn sind, wird den Eindruck gewinnen, daß
Frankreich jetzt eifrig bemüht ist, zur schnellen Bei-
legung des Ruhrkonslikts eine Einigung mit Eng-
land hcrbeizusühren. Man nimmt in Paris an,
ras» England die Seele des deutschen Widerstandes
an der Ruhr ist. Die Herren Cuno und Becker be-
rachten die Franzosen lediglich als Schachfiguren,
k ie von Bonar Law auf dem weltpolitischen Schach-
s.ett bald hierhin, bald dorthin geschoben werden.
Höhnisch bezeichnet die französische Presse den bii-
v.jchen Gesandten in Berlin, Lord d'Abernon, als
'-en .eigentlichen Reichskanzler", dessen Befehle
von dem Ministerium Cuno-Becker gehorsam aus-
aeführi werden. Kein Wunder, daß bei dieser Auf-
fassung von der vollständigen Unselbständigkeit der
Cuno-Veckerschen Aussenpolitik die Franzosen von
dem Glauben durchdrungen find, datz die deutsche
MwühraNion an der Ruhr in dem Augenblick zu-
fammenbrechen wird, wo England aushört, sie
heimlich zu unterstütze«.
Von der Auffassung ausgehend, datz das Mini-
sterium Cuno Becker bei seiner Abwebraktion
an der Ruhr nur der „Degen Englands" ist, scheint
der Grundgedanke der französischen Politik jetzt der
in sein, den Frieden im Ruhrkonflikt nicht mehr
'n Berlin, sondern in London zu suchen. Deutsch-
land ist für Paris nur noch eine qusntitS uexieeable,
die nicht mehr in die politische Rechnung eingestellt
iu werden braucht, da das Ministerium Cuno-Bck-
ker, wenn es aus London die Weisung erhält, den
Kampf an der Ruhr einzustellen, auch gehorchen
lvird. Nach der Meinung der Franzosen kommt
also alles darauf an, England Mr die Einstel-
lung des Abwehrkampfes am Rhein und an der
iltuhr zu gewinnen. Dieser Mission diente di«
Kieise des ehemaligen Ministers Louch-eur nach Lon-
don, die für die französische Bourgeoisie im gewissen
Sim» eine Demütigung ist, da in ihr die Anerken-
üung liegt, datz Frankreich allein zu schwach ist, sei-
nen Willen gegenüber einem feindseligen, von Eng-
land ermutigte» Deutschland duttvrusetzen. Lou-
cheur hat in London mit allen führenden britischen
Politikern verhandelt, insbesondere auch mit dem
Ministerpräsidenten Bonar Law, und es gewinnt
dw. Anschein, datz der Canossa-Gang Loucheurs,
'n dem di« Anerkennung der britischen Vorherr-
schaft in Europa enthalten ist, zu einer starken An-
näherung Englands an Frankreich in der Nuhrsrogc
beführt hat.
Allem Anschein nach wird also unser Abwehr-
kamps an der Ruhr mit der Wiederherstellung des
britischen Ansehens in Europa enden. Wieder ein-
teiligten. Poincars erwartet die deutsche Kapitu-
lation. Cuno erwartet den Sturz PoincarSs. Eng-
land macht nur Parlamcntsaustritte wegen Ge-
schäftsschädigungen, die aus dem Ruhrabemeuer ent-
springen und richtet sich seine Rechtsverhältnisse
(Zoll). Aber kein Staatsmann findet sich, um die
Vermittlerrolle zu übernehmen.
Die politischen Führer des arbeitenden Volkes,
wie Blum (Frankreich), Macdonald, Morel
(England), Vandervelde (Belgien), Grimm
(Schweiz), Matteotti (Italien), Wels (Deutsch-
land) und der Sekretär der International« Fim -
men (Holland) versuchen nun innerhalb ihrer
Staatsparlamente als warnendes Sprachrohr gegen
das imperialistische Treiben der Franzosen und Bel-
gier einzuwirken. Da all dies in den Parlamenten
fruchtlos war, beginnen die Führer der Sozialisten
in Konferenzen sich zusammenzufinden, um den der-
zeitigen Uebelstand zu beseitigen. So hatten sich die
am Ruhrkonflikt beteiligten Sozialisten aller Länder
am 24. und 25. v. M. inBerlin zusammengefun-
den, um Richtlinien auszuarbeiten, datz die Repa-
rationen auf der Grundlage des Wiederaufbaues
gestellt und die interalliierten Schulden damit in
Einklang gebracht wurden. Die Auswirkung dieser
Entschließungen für die einzelnen Fraktionen aller
vertretenen Länder zeigte sich bereits schon im fran-
zösischen Parlament durch die Vorstöße unserer Ge-
nossen Lebas, Herriot und Blum. Des weiteren
findet man, daß das Ausmaß dieser Konferenz die
Tragweite hatte, um eine Aussprache unseres
englischen Genossen Macdonald mit Poincarö her-
beizuführen.
Hoffen wir daher, datz die internationalen
Sozialistenkonferenzen die Vorläufer zu
einem wahren Völkerbund sind, der nicht bloß einen
Bund der Sieger darstellt, sondern jeden Staat rest-
los zum Beitritt mit Sitz und Stimme aufnimmt.
Die internationale Lage.
Ein Reparationsplan Hermes?
Berlin, 12. April. Das Pariser »Journal"
macht Aeutzerungen über angebliche Reparations-
vorschläge des Reichssinanzministers Dr. Hermes.
Danach soll dieser zusammen mit Staatssekretär
Bergmann einen neuen Reparationsplan ausgear-
b-eitet haben, der die Leistung von 26 Milliarden
Goldmark an Frankreich und entsprechende Leistun-
gen an Belgien und Italien sowie die Mobilisierung
dieser Schuld durch eine Reihe innerer und äußerer
Anleihen vorsehe. Im Gegensatz dazu plädiere der
Minister des Auswärtigen Dr. v. Rosenberg für die
Idee, die Leistungsfähigkeit Deutschlands und seine
Koblenz, 12. April. Heute morgen wurde
der Regierungspräsident von Koblenz Dr. Franz
von den Franzosen in seiner Wohnung verhaftet
und ansgowiesen.
Die Menschenopfer der Ruhraltion.
Durch WTB. wird eine Zusammenstellung der
Tötungen deutscher Stiaatsbürgpr im Ruhrgebiet
durch die frankobelgischen Besatzungstruppen mit
genauen Angaben von Namen, Ort und Hergang
verbreitet. Die Liste, in die auch die bisher ver-
storbenen Opfer des Massakers bei Krupp schon
ausgenommen sind, umfaß 4 8 Tote.
Was macht die Reichswehr?
Berlin, 12. April. Aus Münster wird ge-
schrieben: In der Reichswehr in Münster gehen
Dinge vor, die den vorzüglichen Abwehrkampf der
deutschen Arbeiterschaft an der Ruhr in erheblicher
Weise gefährden rönnen. Es ist nicht unbekannt
geblieben, datz gewisse ReichSwehrstellen schon vor
einiger Zeit einen Waggon Waffen air die
Grenze des besetzten Gebietes geschickt haben. Der
Wagen wurde hier von kriegslüsternen Elementen
empfangen. Die gegenwärtige außenpolitische Lage
verbietet, auf diesen Fall näher einzugehen. Die
Arbeiterschaft mutz verlangen, datz dieser den Reichs-
stellen bekannte Fall näher untersucht wird
und die Verantwortlichen Person«« durch Enthebung
vom Ami zur Rechenschaft gezogen werden.
Die französische Kohlenausbeute.
Paris, 12. April. Einer Meldung des »Jour-
nal" zufolge, gelangen jetzt größere Kohl«nmengen
nach Frankreich und Belgien. Während man zu
Beginn des Monats einen Dageseingang von nur
3000 Tonnen zu verzeichnen hatte, sollen jetzt 5000
Tonnen an jedem Tage eingehen und man hofft,
vom 15. April ab 6000 Tonnen Pro Tag zu er-
reichen.
Zum Urteil im
Mierendorff-Prozetz.
* Heidelberg, 13. April
Das Urteil der Heidelberger Strafkammer im
Prozeß Mierendorff und Genossen steht nach wie
vor im Mittelpunkt der öffentliche» Erörterung. All-
gemein — eine Ausnahme hiervon bildet nur ein
auch in Arbeiterkreisen gelesenes Heidelberger Blatt,
das unter dem Mantel parteipolitischer Neutralität
dem antirepublikanischen Urteil zur Seite springt —
wird das Urteil einer schärfsten Kritik unterzogen.
Die Lage im Reich.
Die süße Harmonie.
Berlin, 12. April. Der Reichskanzler hat
heute mit dem Reichsminister des Auswärtigen Dr.
von Rosenberg die Fraktionsführer der Ar-
beitsgemeinschaft der Mitte empfangen.
Das offizielle Communique über die Besprechung
sagt nur, daß Gegenstand der Beratung die polttx
sche Lage war. Die Aussprache habe volleEinig-
keit der Fraktionsführer^ und ihre völlige
U e b er ei n st i m m u n g mit der Regierung er-
geben.
Berlin, 12. April. Der Auswärtige Ausschuß
ist heute vormittag zu einer Sitzung zusammen ge-
treten. Wie die »Telegraph en-Union" erfährt,
stand der deutsch-spanische Handelsvertrag auf der
Tagesordnung.
Ein Beamtenministerium in
Oldenburg.
Oldenburg, 12. April. Die Forderung der
Deutschen Volkspartoi aus Bildung eines politischen
NrwergangSMinister!ums durch alle Parteien ist ab-
gelohnt worden. Die alten Regierungsparteien ha-
ben die Bildung einer Regierung übernomm«n, die
ein unpolitisches Beamtenministerium darstellt, das
die wohwollende Neutralität der Volkspartei findet.
Ministerpräsident wird Präsident von Finch. Wei-
tere Minister sind Geheimer Oberregierungsrat
Stein und Ministerialrat Weber.
Miesbacher Frechheiten.
München, 10. April. Der verantwortlich^
Schriftleiter des berüchtigten »Miesbacher Ans
Zeiger", Martin Weg er, wird sich demnächst
vor dem Staatsgerichtshos zum Schutze der Repu-
blik in Leipzig wegen eines gegen den früheren
Reichsjustizminister Dr. Nadbruch gerichteten
Artikels zu verantworten haben. Nun wird aber
im »Miesbacher Anzeiger" erklärt, datz Weger „als
Naher" cs ablehne, nach Leipzig zu gehen, »nög«
daraus auch ein Konflikt mit der bayerischen StaatS-
regierung entstehen. Es müsse mit allen Mitteln
der Kampf ausgenommen werden, damit Bayern
nur vor ein bayerisches Gericht kommen. Das
Matt hofft, datz durch den Fall Weger die ganz«
Frage des Staatsgerichtshoses wieder aufgerollt
wird.
Bekanntlich hat man, um die bayerische Emp-
findlichkeit zu schonen, schon das Zugeständnis
eines besonderen süddeutschen Senats beim Staats-
gerichtshof gemacht. Dieses Zugeständnis genügt
nun aber, wie von Anfang an zu erwarten war,
den »echten Bayern" nicht, die in ihm vielmehr nur
— und leider nicht mit Unrecht — ein Zeichen von
">tt wird die Welt erkennen, datz britische Staats-
'"nst stärker ist als französischer Militarismus,
'luge Politik mächtiger als Waffengewalt. Der
Nutzen unserer Ruhraktion, deren Kosten sich schon
ll'bt gut aus eine Goldmilliarde belaufen, für Eng-
mnd springt in die Augen.
Im allgemeinen kann man sagen, daß unsere
'lbwehraktion an der Ruhr wahrscheinlich mit
Nner Demütigung Frankreichs gegenüber England
knden wird. Für England wird unsere Nnhraktwn
nlso mir einem Siege ausgehen. Deutschland wird
dabei wohl so gehen wie Griechenland: es wird
^Nanziell und territorial alle Kosten der großen
Auseinandersetzungen zwischen den beiden Welttei-
len zu tragen haben. Noch freilich ist das tt ffe
^ort zwischen Paris und London im Ruhr- und
^eparalionskonflikt nicht gesprochen, aber viele An-
nchen sprechen dafür, daß der Canossa Gang Lon-
Milrs nicht ergebnislos geblieben und eine cnglisch-
wüsche Verständigung über die von uns zu lei-
'hrden Reparationen und Sicherheiten im Werden
Macht oder Recht?
Unter diesem Titel schreibt uns Otenosse W.
Schäfer:
Der derzeitige Zustand im Ruhrgebiet ist infolge
o» Beschlüssen der Hohen Interalliierten Rbc.n-
"vdkommission gegenüber den Reichs-, Provinzial-
"d Gemeindebehörden als ein staatenloser zu
E'rach en. Die Rechtsverletzung wurde aus dem
krsaillcr Fricdensvertrag konstruiert, wegen nicht
fttloser Erfüllung von Holz- und Kohlenlieferungen.
fragen wir uns, ob etwa das ganze Nubr-
venteuer, welches Frankreich und Deutschland bis
"'n heutigen Tage in schwere wirtschaftliche Schäden
."'rieben Hai und das Ausmaß desselben bis tief in
's Wcl'wirtschaft einschneidet, nicht auf andere Weise
alte geklärt werden können. Nachdem jeder einzelne
^s>ai einen Rechisschutz in seinem eigenen Lande
tr„?t ^er ^"e Grenzen hinaus sich keine Zen-
^mgewalt erbebt, beginnt die Selbsthilfe als
Alen bedenkliches und unsicheres Ersatzmittel an-
"anirt zu werden.
I , Tatsache müssen wir derzeit im Ruhrgebiei
E "'e am Rhein feststellen: Auf der einen Seite der
d "br"<V der Franzosen und Belgier in friedliches
Land; auf der anderen Seite der Abwehr-
'NnDeutschen gegen die Eindringlinge. Dies
»en, beiderseitig angespannte Kras, bis zu
Erschöpfen des einen oder anderen der Be-
Zahlungsverpflichiungen durch ein internationales
Komitee von Sachverständigen feftsetzen zu lassen.
Als Entgelt für die deutschen Leistungen sei beab-
sichtigt, die Räumung des Ruhrgebietes bei der
Zahlung der ersten deutschen Annuität zu verlangen.
Der frühere französische Finanzminister Klotz ist
in London eingetroffen.
Die ReichKrcgierung hat wegen der französischen
Eingriffe bet den Eisenbahnen vor der Alliierten
Kommission Protest erhoben.
Ruhr.
Zur Lage.
Bochum, 12. Avril. Heute morgen wurden das
Rathaus und sämtliche Verwaltungsgebäude der
Stadt von französischen Truppen besetzt. Das
Personal mutzte die Gebäude räumen.
Bochum, 12. April. Die Kriminalpoli-
zei hat heute von den Franzosen den Beseh! erhal-
ten, bis zum 15. April sämtliche Waffen ab-
z u l i e f e r n.
Herne, 12. April. Heute vormittag wurde das
Rathaus besetzt. Da sämtliche Gerät«, wie
Schreibtische und Stühle herausgeschafft wurden,
nimmt man an, daß das Gebäude in ein Quar-
tier für Truppen verwandelt werden soll.
Recklinghausen, 12. April. Der Bahnhof
Recklinghausen Süd, ist von den Franzosen besetzt
worden. Damit haben sie die Verbindungslinie
von der am Sonntag init Beschlag belegten Emscher
Talbahn zur militarisierten Nordstrecke geschaffen.
Es ist zu fürchten, datz auch der Bahnhof
Wanne, der bekanntlich ein außerordentlich wich-
tiger Knotenpunkt im Verkehr des Ruhrgebietes ist,
binnen kurzem besetzt wird.
Die Herrschaft des Schreckens.
Landau, 12. April. Vor dem franz. Kriegs-
gericht in Landau fand heute die Verhandlung
gegen den Ersten Staatsanwalt Fischer und gegen
den Zweiten Staatsanwalt Helmer aus Kaiserslau-
tern statt. Der Erste Staatsanwalt war angeklagt,
dem von den Franzosen erteilten Befehl, drei deut-
sche Zollbeamte ins Gefängnis aufzunehmen, nicht
nachgekommen zu sein. Der Zweite Staatsanwalt
war angeklagt, sich geweigert zu haben, den Ersten
Staatsanwalt in das Gefängnis auszunehmen.
Beide Angeklagte wurden zu 5 Jahren Gefängnis
und 5 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt.
Wachsende Erregung bezeugt, datz die Verurteilung
von Verteidigern der Republik eine Mißstimmung
in der Arbeiterschaft erzeugt hat, deren politische
Auswirkung wir für sehr bedenklich halten. Die
badische Justizverwaltung war wahrlich nicht gut
beraten, als sie den Verteidigern der Republik diesen
Prozeß machte und das Heidelberger Landgericht
hat durch sein Urteil diesen Fehler noch verstärkt.
Diese Auffassung, daß wir in dieser Sache einen ba-
dischen Justizskandal schlimmster Art vor uns haben,
wird allerorten vertreten, wo man Sinn für repu-
blikanische Erfordernisse und Gerechtigkeit hat. Dies
bezeugen auch nachfolgende weitere Pressestimmen:
Der »Neuen Bad. Landesztg." schreibt
ein Zuhörer des Prozesses: Der Herr Staatsanwalt
stellt zwei Sätze gegeneinander: »Ohne Lenard kein
Fall Mierendorfs." Trotzdem, was geschieht? Beim
Fall Lenard — es handelt sich um einen Geheimrat
und großen Gelehrten — nichts; bei der Gegenseite
gibt es vier bzw. drei und fünf Monate Gefängnis.
Herr Lenard steht an exponenter Stelle und betätigt
sich dort aufreizend in Feindschaft gegen den Staat,
Mierendorff such mit der Polizei und einigen Abge-
ordneten der Gewerkschaft einer Verordnung des
Staates Geltung zu verschaffen. Das Vergehen
einer unkontrollierbaren Menge legt man den Ange-
klagten zur Last. Denkt man gut von den Richtern,
so schiebt man die Schuld auf den Formalismus un-
seres Gesetzes. Arbeitet aber die Maschine Weiler,
so muß sie mit maihematischer Gerechtigkeit auch
Herrn Lenard fassen. Ohne Lenard kein Haus- und
Landfriedensbruch.
Die Mannheimer »Volksstimme" äußert sich
nochmals u. a. wie folgt: Die politische Parteilichkeit
ves Heidelberger Richterkollegiums trat in der Ver-
handlungsführung des Vorsitzenden, des Landge-
richtsdirektors Storz, in derart krasser, beinahe
zynisch unverhüllter Form in die Erscheinung, daß
der Ausfall des Urteils nachher niemanden mehr
überrascht haben dürfte. Das badische Volk konnte
in Heidelberg «inen Blick in die geistige Verfassung
gewisser Richterkreise tun, der ihm eine schwere Ge-
fahr für die Republik enthüllte und es vor die Auf-
gabe einer ernstlichen Prüfung der Aufgabe stellt, wie
dieser Gefahr wirksam begegnet werden kann.
Der „Hessische Volksfreund" überschreibt
das Heidelberger Urteil: „Monarchenjustiz",
indem er erklärt: Das letzte Wort dürfte in dieser
Angelegenheit noch nicht gesprochen sein.
Schwäche sehen. Wenn das Reich mit dem gefähr-
lichen Krebsgesckrwür, dem bornierten bajuvarischen
Partikularis-mus, fertig werden will, kann dies eben
nicht auf dem Wege ewigen Nachgcbens und ewiger
Konzessionen geschehen, sondern nur dadurch, datz
die Reichsregierung sich endlich entschließt, den
bayerischen Stier bei den Hörnern zu nehmen und
es auf Biegen »der Brechen ankommen zu lassen.
Bayerische Renitenz.
Leipzig, 12. April. Von dein süddeutschen
Senat des Staaisgerichtshoss sollte sich heute vor-
mittag der Schriftsteller Eckart aus Mün-
chen wegen Beleidigung des Reichspräsidenten ver-
antworten. Da der Angeklagte nicht er-
schienen ist, beschloß der Gerichtshof, eine«
Haftbefehl gegen den Angeklagten zu erlassen
und bis zu seiner Vorführung die Verhandlung zu
vertagen. Auch der zweite auf heute vor dem süd-
deutschen Senat des Staatsgerichts anbcraumte
Prozeß gegen den Schriftleiter Werner vom „Mies-
bacher Anzeiger" wegen Beleidigung des Justiz-
ministers a. D. Radbruch verfiel der Vertagung,
weil auch dieser Angeklagte nicht erschienen
ist. Das Gericht beschloß, den Angeklagten in
Untersuchungshaft zu nehmen und dem Gerichte
vorführen zu lassen.
Wie lange läßt sich die Reichsregierring dies noch
bieten?
Nach der „Leipziger Volkszeitung" wurde beute
früh auf -dem hiesigen Hauptbahnhof ein Transport
rechtsgerichteter Personen festgehalicn,, bestehend
aus einem Führer und 17 älteren und jüngeren
Leuten, die nach München fahren wollten, um von
dort als Wald- und Landarbeiter nach Augsburg
gebracht zu werden. Ein Revolver und ein Dolch
seien beschlagnahmt worden.
München, 12. April. Zu der Auslösung der
Deutschvölkischen Freiheitspartei in Thüringen teil!
die „Münchner Post" mit, datz der in Weimar ver-
haftete Posttekretär Grahn bei seiner Vernehmung
aussagte, datz Hitler in München in einer Füh-
rersitzung, die am 18. Februar statlsand, den Füh-
rern gesagt habe, «S solle in Kürze losgeschlagen
werden. Die Organisationen seien fertig, der Geist
genügend weit vorgeschritten. Man müsse nur noch
die Organisationen ausfüllen. Hiller habe auch zum
Ausdruck gebracht, datz die Sturmabteilung seiner
Partei mit der Reichswehr und der bayrischen
Schutzpolizei in engsten Beziehungen stünden und
den sogenannten Rechtsblock bildeten. General v
Moe-Hl sei auf der Tagung der Nationalsozialisti-
schen Deutschen Arbeiterpartei zugegen gewesen.
Nr. 86
W!
MtW iFW d Z
>',-<,sprei,:v!»>,«ttich k!n,chNetzl. WWWM DD «e,»»ft«Mnü>e«8-SMr, Sprech,
era^crioli, Mk. »nm,—. Sin,einen- «KMU »L^r «W» MM WM pundei, der Redaktion: 11—u NH».
'arise: Di« einlxallige Ve'itzeile ^WLM «Ml «WW^ 8^8 VWl ^Wl »Wl VW« W-U tzoMchr<klon,o«orl»rnhr1Nr.AS)7.
' der deren Raum iZ-i n-.m breit» GIff AWR WA MsIK WM WM «^Z LÄA Lrl -Adr.:DoNo,ri,un,Heidrlberg.
->k,^', R^lamean,eincni7linn> MkA IWM Druck u. Verlag der Unterdadischep
'reu»M!.Nl>i>—. BeiWiedcrhüiun« Ml werloasanslalt (S. NI. K.H., Heideh
»«»Slachiaf, „.Tarif. Weheimmittel« " K WA ^WZW- «M- ^WM berg. chrlchSstoKellerSchroderftr.«».
"«»eigen finden leine Aufnahme. ^HW- Lei.:EapeditionLMlU.Redak.iIRO,
Tms-Zerrung sikr die lveMSlkgeZevSllerMg ver AMsvezitte Seldelberg, Wkeslsch. Sivstzeim. Evvkngeii. NerSa-, MorbO. BuSeo, MeMew, Norberg. TaoberbWossbeW a. WeMew
k. Jahrgang
LßllSM CMHS-GSW.
II. V. Wer aufmerksam die Nachrichten prüft,
kie über den Besuch des ehemaligen französischen
Wiederaufbauministers Loncheur in London zu uns
vedrungcn sind, wird den Eindruck gewinnen, daß
Frankreich jetzt eifrig bemüht ist, zur schnellen Bei-
legung des Ruhrkonslikts eine Einigung mit Eng-
land hcrbeizusühren. Man nimmt in Paris an,
ras» England die Seele des deutschen Widerstandes
an der Ruhr ist. Die Herren Cuno und Becker be-
rachten die Franzosen lediglich als Schachfiguren,
k ie von Bonar Law auf dem weltpolitischen Schach-
s.ett bald hierhin, bald dorthin geschoben werden.
Höhnisch bezeichnet die französische Presse den bii-
v.jchen Gesandten in Berlin, Lord d'Abernon, als
'-en .eigentlichen Reichskanzler", dessen Befehle
von dem Ministerium Cuno-Becker gehorsam aus-
aeführi werden. Kein Wunder, daß bei dieser Auf-
fassung von der vollständigen Unselbständigkeit der
Cuno-Veckerschen Aussenpolitik die Franzosen von
dem Glauben durchdrungen find, datz die deutsche
MwühraNion an der Ruhr in dem Augenblick zu-
fammenbrechen wird, wo England aushört, sie
heimlich zu unterstütze«.
Von der Auffassung ausgehend, datz das Mini-
sterium Cuno Becker bei seiner Abwebraktion
an der Ruhr nur der „Degen Englands" ist, scheint
der Grundgedanke der französischen Politik jetzt der
in sein, den Frieden im Ruhrkonflikt nicht mehr
'n Berlin, sondern in London zu suchen. Deutsch-
land ist für Paris nur noch eine qusntitS uexieeable,
die nicht mehr in die politische Rechnung eingestellt
iu werden braucht, da das Ministerium Cuno-Bck-
ker, wenn es aus London die Weisung erhält, den
Kampf an der Ruhr einzustellen, auch gehorchen
lvird. Nach der Meinung der Franzosen kommt
also alles darauf an, England Mr die Einstel-
lung des Abwehrkampfes am Rhein und an der
iltuhr zu gewinnen. Dieser Mission diente di«
Kieise des ehemaligen Ministers Louch-eur nach Lon-
don, die für die französische Bourgeoisie im gewissen
Sim» eine Demütigung ist, da in ihr die Anerken-
üung liegt, datz Frankreich allein zu schwach ist, sei-
nen Willen gegenüber einem feindseligen, von Eng-
land ermutigte» Deutschland duttvrusetzen. Lou-
cheur hat in London mit allen führenden britischen
Politikern verhandelt, insbesondere auch mit dem
Ministerpräsidenten Bonar Law, und es gewinnt
dw. Anschein, datz der Canossa-Gang Loucheurs,
'n dem di« Anerkennung der britischen Vorherr-
schaft in Europa enthalten ist, zu einer starken An-
näherung Englands an Frankreich in der Nuhrsrogc
beführt hat.
Allem Anschein nach wird also unser Abwehr-
kamps an der Ruhr mit der Wiederherstellung des
britischen Ansehens in Europa enden. Wieder ein-
teiligten. Poincars erwartet die deutsche Kapitu-
lation. Cuno erwartet den Sturz PoincarSs. Eng-
land macht nur Parlamcntsaustritte wegen Ge-
schäftsschädigungen, die aus dem Ruhrabemeuer ent-
springen und richtet sich seine Rechtsverhältnisse
(Zoll). Aber kein Staatsmann findet sich, um die
Vermittlerrolle zu übernehmen.
Die politischen Führer des arbeitenden Volkes,
wie Blum (Frankreich), Macdonald, Morel
(England), Vandervelde (Belgien), Grimm
(Schweiz), Matteotti (Italien), Wels (Deutsch-
land) und der Sekretär der International« Fim -
men (Holland) versuchen nun innerhalb ihrer
Staatsparlamente als warnendes Sprachrohr gegen
das imperialistische Treiben der Franzosen und Bel-
gier einzuwirken. Da all dies in den Parlamenten
fruchtlos war, beginnen die Führer der Sozialisten
in Konferenzen sich zusammenzufinden, um den der-
zeitigen Uebelstand zu beseitigen. So hatten sich die
am Ruhrkonflikt beteiligten Sozialisten aller Länder
am 24. und 25. v. M. inBerlin zusammengefun-
den, um Richtlinien auszuarbeiten, datz die Repa-
rationen auf der Grundlage des Wiederaufbaues
gestellt und die interalliierten Schulden damit in
Einklang gebracht wurden. Die Auswirkung dieser
Entschließungen für die einzelnen Fraktionen aller
vertretenen Länder zeigte sich bereits schon im fran-
zösischen Parlament durch die Vorstöße unserer Ge-
nossen Lebas, Herriot und Blum. Des weiteren
findet man, daß das Ausmaß dieser Konferenz die
Tragweite hatte, um eine Aussprache unseres
englischen Genossen Macdonald mit Poincarö her-
beizuführen.
Hoffen wir daher, datz die internationalen
Sozialistenkonferenzen die Vorläufer zu
einem wahren Völkerbund sind, der nicht bloß einen
Bund der Sieger darstellt, sondern jeden Staat rest-
los zum Beitritt mit Sitz und Stimme aufnimmt.
Die internationale Lage.
Ein Reparationsplan Hermes?
Berlin, 12. April. Das Pariser »Journal"
macht Aeutzerungen über angebliche Reparations-
vorschläge des Reichssinanzministers Dr. Hermes.
Danach soll dieser zusammen mit Staatssekretär
Bergmann einen neuen Reparationsplan ausgear-
b-eitet haben, der die Leistung von 26 Milliarden
Goldmark an Frankreich und entsprechende Leistun-
gen an Belgien und Italien sowie die Mobilisierung
dieser Schuld durch eine Reihe innerer und äußerer
Anleihen vorsehe. Im Gegensatz dazu plädiere der
Minister des Auswärtigen Dr. v. Rosenberg für die
Idee, die Leistungsfähigkeit Deutschlands und seine
Koblenz, 12. April. Heute morgen wurde
der Regierungspräsident von Koblenz Dr. Franz
von den Franzosen in seiner Wohnung verhaftet
und ansgowiesen.
Die Menschenopfer der Ruhraltion.
Durch WTB. wird eine Zusammenstellung der
Tötungen deutscher Stiaatsbürgpr im Ruhrgebiet
durch die frankobelgischen Besatzungstruppen mit
genauen Angaben von Namen, Ort und Hergang
verbreitet. Die Liste, in die auch die bisher ver-
storbenen Opfer des Massakers bei Krupp schon
ausgenommen sind, umfaß 4 8 Tote.
Was macht die Reichswehr?
Berlin, 12. April. Aus Münster wird ge-
schrieben: In der Reichswehr in Münster gehen
Dinge vor, die den vorzüglichen Abwehrkampf der
deutschen Arbeiterschaft an der Ruhr in erheblicher
Weise gefährden rönnen. Es ist nicht unbekannt
geblieben, datz gewisse ReichSwehrstellen schon vor
einiger Zeit einen Waggon Waffen air die
Grenze des besetzten Gebietes geschickt haben. Der
Wagen wurde hier von kriegslüsternen Elementen
empfangen. Die gegenwärtige außenpolitische Lage
verbietet, auf diesen Fall näher einzugehen. Die
Arbeiterschaft mutz verlangen, datz dieser den Reichs-
stellen bekannte Fall näher untersucht wird
und die Verantwortlichen Person«« durch Enthebung
vom Ami zur Rechenschaft gezogen werden.
Die französische Kohlenausbeute.
Paris, 12. April. Einer Meldung des »Jour-
nal" zufolge, gelangen jetzt größere Kohl«nmengen
nach Frankreich und Belgien. Während man zu
Beginn des Monats einen Dageseingang von nur
3000 Tonnen zu verzeichnen hatte, sollen jetzt 5000
Tonnen an jedem Tage eingehen und man hofft,
vom 15. April ab 6000 Tonnen Pro Tag zu er-
reichen.
Zum Urteil im
Mierendorff-Prozetz.
* Heidelberg, 13. April
Das Urteil der Heidelberger Strafkammer im
Prozeß Mierendorff und Genossen steht nach wie
vor im Mittelpunkt der öffentliche» Erörterung. All-
gemein — eine Ausnahme hiervon bildet nur ein
auch in Arbeiterkreisen gelesenes Heidelberger Blatt,
das unter dem Mantel parteipolitischer Neutralität
dem antirepublikanischen Urteil zur Seite springt —
wird das Urteil einer schärfsten Kritik unterzogen.
Die Lage im Reich.
Die süße Harmonie.
Berlin, 12. April. Der Reichskanzler hat
heute mit dem Reichsminister des Auswärtigen Dr.
von Rosenberg die Fraktionsführer der Ar-
beitsgemeinschaft der Mitte empfangen.
Das offizielle Communique über die Besprechung
sagt nur, daß Gegenstand der Beratung die polttx
sche Lage war. Die Aussprache habe volleEinig-
keit der Fraktionsführer^ und ihre völlige
U e b er ei n st i m m u n g mit der Regierung er-
geben.
Berlin, 12. April. Der Auswärtige Ausschuß
ist heute vormittag zu einer Sitzung zusammen ge-
treten. Wie die »Telegraph en-Union" erfährt,
stand der deutsch-spanische Handelsvertrag auf der
Tagesordnung.
Ein Beamtenministerium in
Oldenburg.
Oldenburg, 12. April. Die Forderung der
Deutschen Volkspartoi aus Bildung eines politischen
NrwergangSMinister!ums durch alle Parteien ist ab-
gelohnt worden. Die alten Regierungsparteien ha-
ben die Bildung einer Regierung übernomm«n, die
ein unpolitisches Beamtenministerium darstellt, das
die wohwollende Neutralität der Volkspartei findet.
Ministerpräsident wird Präsident von Finch. Wei-
tere Minister sind Geheimer Oberregierungsrat
Stein und Ministerialrat Weber.
Miesbacher Frechheiten.
München, 10. April. Der verantwortlich^
Schriftleiter des berüchtigten »Miesbacher Ans
Zeiger", Martin Weg er, wird sich demnächst
vor dem Staatsgerichtshos zum Schutze der Repu-
blik in Leipzig wegen eines gegen den früheren
Reichsjustizminister Dr. Nadbruch gerichteten
Artikels zu verantworten haben. Nun wird aber
im »Miesbacher Anzeiger" erklärt, datz Weger „als
Naher" cs ablehne, nach Leipzig zu gehen, »nög«
daraus auch ein Konflikt mit der bayerischen StaatS-
regierung entstehen. Es müsse mit allen Mitteln
der Kampf ausgenommen werden, damit Bayern
nur vor ein bayerisches Gericht kommen. Das
Matt hofft, datz durch den Fall Weger die ganz«
Frage des Staatsgerichtshoses wieder aufgerollt
wird.
Bekanntlich hat man, um die bayerische Emp-
findlichkeit zu schonen, schon das Zugeständnis
eines besonderen süddeutschen Senats beim Staats-
gerichtshof gemacht. Dieses Zugeständnis genügt
nun aber, wie von Anfang an zu erwarten war,
den »echten Bayern" nicht, die in ihm vielmehr nur
— und leider nicht mit Unrecht — ein Zeichen von
">tt wird die Welt erkennen, datz britische Staats-
'"nst stärker ist als französischer Militarismus,
'luge Politik mächtiger als Waffengewalt. Der
Nutzen unserer Ruhraktion, deren Kosten sich schon
ll'bt gut aus eine Goldmilliarde belaufen, für Eng-
mnd springt in die Augen.
Im allgemeinen kann man sagen, daß unsere
'lbwehraktion an der Ruhr wahrscheinlich mit
Nner Demütigung Frankreichs gegenüber England
knden wird. Für England wird unsere Nnhraktwn
nlso mir einem Siege ausgehen. Deutschland wird
dabei wohl so gehen wie Griechenland: es wird
^Nanziell und territorial alle Kosten der großen
Auseinandersetzungen zwischen den beiden Welttei-
len zu tragen haben. Noch freilich ist das tt ffe
^ort zwischen Paris und London im Ruhr- und
^eparalionskonflikt nicht gesprochen, aber viele An-
nchen sprechen dafür, daß der Canossa Gang Lon-
Milrs nicht ergebnislos geblieben und eine cnglisch-
wüsche Verständigung über die von uns zu lei-
'hrden Reparationen und Sicherheiten im Werden
Macht oder Recht?
Unter diesem Titel schreibt uns Otenosse W.
Schäfer:
Der derzeitige Zustand im Ruhrgebiet ist infolge
o» Beschlüssen der Hohen Interalliierten Rbc.n-
"vdkommission gegenüber den Reichs-, Provinzial-
"d Gemeindebehörden als ein staatenloser zu
E'rach en. Die Rechtsverletzung wurde aus dem
krsaillcr Fricdensvertrag konstruiert, wegen nicht
fttloser Erfüllung von Holz- und Kohlenlieferungen.
fragen wir uns, ob etwa das ganze Nubr-
venteuer, welches Frankreich und Deutschland bis
"'n heutigen Tage in schwere wirtschaftliche Schäden
."'rieben Hai und das Ausmaß desselben bis tief in
's Wcl'wirtschaft einschneidet, nicht auf andere Weise
alte geklärt werden können. Nachdem jeder einzelne
^s>ai einen Rechisschutz in seinem eigenen Lande
tr„?t ^er ^"e Grenzen hinaus sich keine Zen-
^mgewalt erbebt, beginnt die Selbsthilfe als
Alen bedenkliches und unsicheres Ersatzmittel an-
"anirt zu werden.
I , Tatsache müssen wir derzeit im Ruhrgebiei
E "'e am Rhein feststellen: Auf der einen Seite der
d "br"<V der Franzosen und Belgier in friedliches
Land; auf der anderen Seite der Abwehr-
'NnDeutschen gegen die Eindringlinge. Dies
»en, beiderseitig angespannte Kras, bis zu
Erschöpfen des einen oder anderen der Be-
Zahlungsverpflichiungen durch ein internationales
Komitee von Sachverständigen feftsetzen zu lassen.
Als Entgelt für die deutschen Leistungen sei beab-
sichtigt, die Räumung des Ruhrgebietes bei der
Zahlung der ersten deutschen Annuität zu verlangen.
Der frühere französische Finanzminister Klotz ist
in London eingetroffen.
Die ReichKrcgierung hat wegen der französischen
Eingriffe bet den Eisenbahnen vor der Alliierten
Kommission Protest erhoben.
Ruhr.
Zur Lage.
Bochum, 12. Avril. Heute morgen wurden das
Rathaus und sämtliche Verwaltungsgebäude der
Stadt von französischen Truppen besetzt. Das
Personal mutzte die Gebäude räumen.
Bochum, 12. April. Die Kriminalpoli-
zei hat heute von den Franzosen den Beseh! erhal-
ten, bis zum 15. April sämtliche Waffen ab-
z u l i e f e r n.
Herne, 12. April. Heute vormittag wurde das
Rathaus besetzt. Da sämtliche Gerät«, wie
Schreibtische und Stühle herausgeschafft wurden,
nimmt man an, daß das Gebäude in ein Quar-
tier für Truppen verwandelt werden soll.
Recklinghausen, 12. April. Der Bahnhof
Recklinghausen Süd, ist von den Franzosen besetzt
worden. Damit haben sie die Verbindungslinie
von der am Sonntag init Beschlag belegten Emscher
Talbahn zur militarisierten Nordstrecke geschaffen.
Es ist zu fürchten, datz auch der Bahnhof
Wanne, der bekanntlich ein außerordentlich wich-
tiger Knotenpunkt im Verkehr des Ruhrgebietes ist,
binnen kurzem besetzt wird.
Die Herrschaft des Schreckens.
Landau, 12. April. Vor dem franz. Kriegs-
gericht in Landau fand heute die Verhandlung
gegen den Ersten Staatsanwalt Fischer und gegen
den Zweiten Staatsanwalt Helmer aus Kaiserslau-
tern statt. Der Erste Staatsanwalt war angeklagt,
dem von den Franzosen erteilten Befehl, drei deut-
sche Zollbeamte ins Gefängnis aufzunehmen, nicht
nachgekommen zu sein. Der Zweite Staatsanwalt
war angeklagt, sich geweigert zu haben, den Ersten
Staatsanwalt in das Gefängnis auszunehmen.
Beide Angeklagte wurden zu 5 Jahren Gefängnis
und 5 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt.
Wachsende Erregung bezeugt, datz die Verurteilung
von Verteidigern der Republik eine Mißstimmung
in der Arbeiterschaft erzeugt hat, deren politische
Auswirkung wir für sehr bedenklich halten. Die
badische Justizverwaltung war wahrlich nicht gut
beraten, als sie den Verteidigern der Republik diesen
Prozeß machte und das Heidelberger Landgericht
hat durch sein Urteil diesen Fehler noch verstärkt.
Diese Auffassung, daß wir in dieser Sache einen ba-
dischen Justizskandal schlimmster Art vor uns haben,
wird allerorten vertreten, wo man Sinn für repu-
blikanische Erfordernisse und Gerechtigkeit hat. Dies
bezeugen auch nachfolgende weitere Pressestimmen:
Der »Neuen Bad. Landesztg." schreibt
ein Zuhörer des Prozesses: Der Herr Staatsanwalt
stellt zwei Sätze gegeneinander: »Ohne Lenard kein
Fall Mierendorfs." Trotzdem, was geschieht? Beim
Fall Lenard — es handelt sich um einen Geheimrat
und großen Gelehrten — nichts; bei der Gegenseite
gibt es vier bzw. drei und fünf Monate Gefängnis.
Herr Lenard steht an exponenter Stelle und betätigt
sich dort aufreizend in Feindschaft gegen den Staat,
Mierendorff such mit der Polizei und einigen Abge-
ordneten der Gewerkschaft einer Verordnung des
Staates Geltung zu verschaffen. Das Vergehen
einer unkontrollierbaren Menge legt man den Ange-
klagten zur Last. Denkt man gut von den Richtern,
so schiebt man die Schuld auf den Formalismus un-
seres Gesetzes. Arbeitet aber die Maschine Weiler,
so muß sie mit maihematischer Gerechtigkeit auch
Herrn Lenard fassen. Ohne Lenard kein Haus- und
Landfriedensbruch.
Die Mannheimer »Volksstimme" äußert sich
nochmals u. a. wie folgt: Die politische Parteilichkeit
ves Heidelberger Richterkollegiums trat in der Ver-
handlungsführung des Vorsitzenden, des Landge-
richtsdirektors Storz, in derart krasser, beinahe
zynisch unverhüllter Form in die Erscheinung, daß
der Ausfall des Urteils nachher niemanden mehr
überrascht haben dürfte. Das badische Volk konnte
in Heidelberg «inen Blick in die geistige Verfassung
gewisser Richterkreise tun, der ihm eine schwere Ge-
fahr für die Republik enthüllte und es vor die Auf-
gabe einer ernstlichen Prüfung der Aufgabe stellt, wie
dieser Gefahr wirksam begegnet werden kann.
Der „Hessische Volksfreund" überschreibt
das Heidelberger Urteil: „Monarchenjustiz",
indem er erklärt: Das letzte Wort dürfte in dieser
Angelegenheit noch nicht gesprochen sein.
Schwäche sehen. Wenn das Reich mit dem gefähr-
lichen Krebsgesckrwür, dem bornierten bajuvarischen
Partikularis-mus, fertig werden will, kann dies eben
nicht auf dem Wege ewigen Nachgcbens und ewiger
Konzessionen geschehen, sondern nur dadurch, datz
die Reichsregierung sich endlich entschließt, den
bayerischen Stier bei den Hörnern zu nehmen und
es auf Biegen »der Brechen ankommen zu lassen.
Bayerische Renitenz.
Leipzig, 12. April. Von dein süddeutschen
Senat des Staaisgerichtshoss sollte sich heute vor-
mittag der Schriftsteller Eckart aus Mün-
chen wegen Beleidigung des Reichspräsidenten ver-
antworten. Da der Angeklagte nicht er-
schienen ist, beschloß der Gerichtshof, eine«
Haftbefehl gegen den Angeklagten zu erlassen
und bis zu seiner Vorführung die Verhandlung zu
vertagen. Auch der zweite auf heute vor dem süd-
deutschen Senat des Staatsgerichts anbcraumte
Prozeß gegen den Schriftleiter Werner vom „Mies-
bacher Anzeiger" wegen Beleidigung des Justiz-
ministers a. D. Radbruch verfiel der Vertagung,
weil auch dieser Angeklagte nicht erschienen
ist. Das Gericht beschloß, den Angeklagten in
Untersuchungshaft zu nehmen und dem Gerichte
vorführen zu lassen.
Wie lange läßt sich die Reichsregierring dies noch
bieten?
Nach der „Leipziger Volkszeitung" wurde beute
früh auf -dem hiesigen Hauptbahnhof ein Transport
rechtsgerichteter Personen festgehalicn,, bestehend
aus einem Führer und 17 älteren und jüngeren
Leuten, die nach München fahren wollten, um von
dort als Wald- und Landarbeiter nach Augsburg
gebracht zu werden. Ein Revolver und ein Dolch
seien beschlagnahmt worden.
München, 12. April. Zu der Auslösung der
Deutschvölkischen Freiheitspartei in Thüringen teil!
die „Münchner Post" mit, datz der in Weimar ver-
haftete Posttekretär Grahn bei seiner Vernehmung
aussagte, datz Hitler in München in einer Füh-
rersitzung, die am 18. Februar statlsand, den Füh-
rern gesagt habe, «S solle in Kürze losgeschlagen
werden. Die Organisationen seien fertig, der Geist
genügend weit vorgeschritten. Man müsse nur noch
die Organisationen ausfüllen. Hiller habe auch zum
Ausdruck gebracht, datz die Sturmabteilung seiner
Partei mit der Reichswehr und der bayrischen
Schutzpolizei in engsten Beziehungen stünden und
den sogenannten Rechtsblock bildeten. General v
Moe-Hl sei auf der Tagung der Nationalsozialisti-
schen Deutschen Arbeiterpartei zugegen gewesen.