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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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Aszugrpretr: Monatlich einschktetzl.
<rijs><>ilpt,n Mk.l8U>.—. Slnzeipen»
Mrifc: Die einspaltige Petitzcile
l^er deren itkaum (36 inm breit)
Pik.Bn.—. Rellaincanzeigen(7tmm
leil)Mt,ggg.—. Bei Wiederholen «
ienSlachlah n^.Taris. iSebeimmittcl»
'"zeigen finden leine Aufnahme.


TeschSftrstundenS—SUHr. Sprech
stunden der Redaktion: lt—iz Uhr.
Pvstichecklontotrarlsrnh.'Nr.Wöft
Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg
Druck u. Verlag der UnterbaLischen
Wcrlaasanstalt G. m. b. H., Heidel-
berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.38.
Tel.: Expedition2673 n. Redak.AtS,

rWks-Zeillmg Br die werMgeMMrum der AWöezitte öeidelöerg. MM. 6iM!N, Würges. ESerdch. Mosdach. BuHen, AdeksheiA, Norberg. TauberSWgssbe!rs u. Werttze!!«

5. Jahrgang Heidelberg, Donnerstag, den 22. Februar 1923 Nr^4s'

HeiUWZ! M MMM.
* Heidelberg, 22. Februar.
Die dritte Etappe des Ringens rüu das Ruhrge-
iiet, die von französischer Seite durch die völlige
ft'briegelung pes neuvesetzten Gebietes eingeleitel
tvnrde, ist für Deutschland durch ein plötzliches, an-
fangs geradezu rätselhaftes Steigen des Markkur-
les charakterisiert, dem fetzt wieder eine kleine
Senkung folgt. Der Dollar, der am 31. Januar
einen Stand von 50000 Mark erreicht hatte, sank
von Tag zu Tag und hat gegenwärtig einen Stand
von 23 000 Mk. erreicht. Das Dunkel, das zuerst
>nn diese Bewegung gebreitet lag, die angesichts der
sich zuspitzenden politischen und wirtschaftlichen Lage
nif den ersten Blick unerklärlich war, bellte sich aber
sald auf, als man erfuhr, dass die Reichsbank es
uar, die, unterstützt von deutschen Bankhäusern von
Weltruf, eine großzügige Stützungsaktion eingeleitet
lalie. Eine Stützungsaktion, die sich nicht nur auf
eie deutschen Börsen in der "Form der Abgabe von
ausländischen Devisen erstreckt, sondern die auch aus
?ie ausländischen Börsen übergrcift, wo die Reichs-
tank mit Hilfe Volk irgendwelchen Mittelsmännern
tts Käuferin von Marktauftritt und — indem sie so
nne künstliche Nachfrage nach Mark hervorruft, die
Bewertung der Mark aus den ausländischen Börsen-
plätzen im günstigen Sinne beeinflusst.
Dieselbe Neichsbank, die (unter der Leitung ihres
Präsidenten Haven st ein) während der Regierung
Girtb in einer nicht gerade edlen passiven Rest-
Istnz unter Berufung aus den sormaljuristischen
Tatbestand ihrer Autonomie, d. i. Unabhängigkeit
von der Regierung — jede Stabilisirrungsaktion
«nd damit eine dauernde Besserung der Mark ver-
hindert hatte, trat nunmehr auf den Plan, lind
derselbe Herr Havcnstcin, der damals, als die Ver-
hältnisse um vieles günstiger waren, angesichts der
sszialdcmükratischen Forderungen nach Intervention
l-rr Neichsbank diktatorisch erklären ließ, jede Stüt-
zungsaktion müßte wirkungslos verpuffen, ehe Nicht
Be Reparationsfrage gelöst sei, fand sich nunmehr
!!t einer Lage, die unvergleichlich unsicherer und ge-
Mrdeter ist und keineswegs zu besonderem Opti-
mismus Anlaß gibt, bereit, mit außerordentlicher
t nergie am Zusammenbruch der ausländischen Dc-
! isenkurse zu arbeiten und zu diesem Zwecke Mil
liardenbeträge. (in Papiermark allerdings!) zu wa-
gen.
Mit einer gewissen Bitterkeit müssen wir diesen
Tatbestand festftetten, der zeigt, wie selir die Tätig-
keit der Reichsbank von innerpolitischen Svm- und
Antipathien geleitet wird, der zeigt, daß ein gera-
dezu Waghalsiges Börsenmeuwvee größren Stils
ndöglich ist, sofern es nur von einer der Reichsbauk
sympathischen Regierung angeregt wird, während
eine solide Stützungsaktion sabotiert wurde, weil
die Regierung Wirth Herrn Haveustei» und seinen
Hintermännern nicht genehm War. Usberdies zeugt
cs nicht gerade von großem wirtschaftlichem Ver-
ständnis, daß die Neichsbank es erst jetzt, gerade
letzt tut, wo dec Dollar-schon einen Stand von
(.0 000 Mark erreicht hatte und damit schon ein«
furchtbare und gar nicht »rohr gutznmachende Per
Wüstung unseres Wirtschaftslebens berbcigeftibrt
worden war. Mit vollem Recht schreibt das „Berti
n«r Tageblatt" in seitdem Handelsteil:' „Statt
durch frühzeitige Intervention die Steigerung des
Dollnrknrses zu verhindern, also die Mark zu stüt-
ze», ist inan jetzt gezwungen, eine Senkungsaktion
vorzunehmen, die für das Wirtschaftsleben natür-
lich viel nachteiliger und schiverwiegender ist als es
die Verhinderung des KurSauftriebcs gewesen
wäre. Denn das Preisniveau hat sich inzwischen in
ziemlich erheblichen Umfange und mit der bekann-
ten Schnelligkeit dem Devifenauftticb angepatzt,
folgt aber den« Abstieg bekanntermaßen viel lang-
sainer und sehr widerwillig. Dadurch entstehen
außerordentliche Schwierigkeiten im Wirtschafts-
leben — in der Produktion wie im Konsum — und
auf dem Geldmarkt«, die zum Teil nur unter schwe
k«n Zuckungen, zum Teil überhaupt nicht mehr „re-
dresflert" (rückgängig) gemacht werden können."
Die Stützungsaktion ist also ein politischer
Schachzug. eine Teilaktion inl> System der passiven
Abwehr. Welch« Absichten hat man damit verbun-
den? Zunächst außenpolitische. Der Stand der
Mark war bisher stets ein politisches Barometer,
ia, das politische Barometer, an denl die Welt je-
weils und jederzeit die Lage Deutschlands ablesen
konnte. Ein Zusammenbruch der Mark während
der Nuhraktion mußte sofort ein unerwünschtes
Vorurteil schaffen. Dem wollte man entgegenwir-
ken, indem man durch künstliche Mittel a uf den
Stand der Mark einwirkst. Ob damit der Zweck
Vach außen erreicht ist, bleibt immerhin fraglich:
Henn das Ausland wird nunmehr diesem Barometer
Mißtrauen, und die Folge dürfte sein, daß man sich
nach einem anderen Maßstab für die Beurteilung der
Lag« Deutschlands umsehen wird, solange der
Markkurs nicht der freien Preisbildung des Mark-
Ws überlassen ist.
Jnnerpolitisch und wirtschaftspolitisch ist aller-
dings die Besserung der Mark von außerordentlicher
Nnd sehr verschiedenartiger Wirkung.
Machtlos, stand die Regierung Cuno dem Wucher
und der Preistreiberei gegenüber. Macht- und rat-
-os. Dem, sie könnt« ihrer ganzen Vergangenheit
nicht gut jene zwaugsivlrtschastl ichen Maßnah-

men cinftthren, denen die einzelnen Minister und
insbesondere die hinter ihnen stehenden Interessen-
tenkreise seit Jahren mit allen Mitteln der Dema-
gogie entgegengetreten waren. Anderseits verschloß
man sich nicht der Tatsache, daß die unendliche Kette
der Teuerungswellen, die bet sinkendem Geldwert
ausgelöst werden, die innere Front außerordentlich
ungünstig beeinftussen »rußte. Sa entschloß inan sich
dazu, das Pferd beim Schwanz auszuzäumeir. Man
sucht auf dem Umwege über den Dollarkurs auf die
Preise zu drücken, die Flucht aus der Mark durch
Besserung des Mavkwertes empfindlich zu strafen,
die Dovisenhamsterei zu treffen, indem inan sie zu
einen, schlechten Geschäft machte. Man tut alles
das, was wir seit Monaten gepredigt haben, und
der Erfolg stellte sich auch sofort ein. Die Flucht
aus den fremden Devisen erfolgte tatsächlich; nicht
freiwillig in den „reisten Fällen, sondern zwangs-
weise, da die Geldknappheit, der Sturz der Effek-
ten und manches andere viele Spekulanten zur Ab-
gabe zwang, wodurch ein'weiteres Angebot von De-
visen geschaffen wurde.. So tragen gerade diejeni-
gen Kreise, die die Mark am schwersten geschädig,
haben, in diesem Stadium selbst unfreiwillig zur
weiteren Aufwärtsvcwcguna bei.
Die Warenpreise allerdings zeige» sich wider-
standsfähiger. Gerade die Lobredner des Wieder-
beschasfiingsprei'ses (die nunmehr angesichts der
verminderten Wiederbeschaffnngskosten die Preise
energisch ab bau en müßten) wehren sich mit Hän-
den nnd Füßen. Sie begründeten ihre Zähigkeit
unter Hinweis auf die Ungeklärtheit der Lage, ans
die Labilität des gegenwärtigen Markkurses.
Sie kä,nisten also nun, da sich der gegenseitige
Vorteil vertauscht hat, mit demselben Argument,
das sie achselzuckend zurückwicsen, wenn wir sie mit
dem Hinweis auf das Zufällige des Pendelans-
schlages auf 10 bis 50 000 Mark von jenem pa-
nikartigen „Hinauftrnmeri-eren" zurückhalten woll-
ten. Aber: Jedem das Seine. So unerbittlich
alle jene gegen uns waren, als es galt, ans Kosten
unserer Lebenshaltung den WiedrrbeschaffungSpreiS
durchzusetzen, so energisch »vollen wir nunmehr jene
Fanatiker des Wiederbeschaftungspreises auf ihr
Prinzip festnagel», lvo die Vorteile für sie selbst
nicht mehr so unmittelbar einleuchtend stift».. In
ihren eigenen Netzen müssen wir sie fangen!
Wie aus den nachstehenden Erlassen des badischen
Ministeriums des Innern und des GeneralstmuS-
m'wa-ls ersichtlich, ist man jetzt endlich auch dara.t,
in dieser Weise vorzugeben und auch der Reichstag
scheint sich nach letzten Meldungen zu entsprechende»
Entschlüssen zu ermannen.
Ob dieser Feldzug erfolgreich verlaufen wird,
-das hängt allerdings von der Dauer der Markbrffe-
nmg ab, der ja — was nicht übersehen werden darf
- außerordentlich starke Kräfte cnlgegenwirknl.
Dauert die Besserung aber mich nur wenige Wochen,
so werden die Kaufleute und Händler bei einem
Dollarftand, der einer stOOOfachen Geldentwertung
entspricht, Warenpreise in der Höhe des 6000 nnd
TOOOfache» des Friedenspreises nicht aufrechterhal-
ten können 'dafür wird schon die Mechanik des Welt-
marktes sorgen, aber auch die Geldknappheit, die
zmn billigere» Verkauf der Waren zwingt.
Vor einem allzu starke» Okttmts-
»rus in bezug auf die zukünftige Entwicklung des
Markkurses kann aber nicht nachdrücklich genugge-
warnt werden. Denn es wirken einer erfolgreichen,
länger anhaltenden und dadurch erst wirksamen
„Verankerung" und Befestigung des Markkurses
starke Kräfte von innen und von außen bcr) entge-
gen. Und die Marlentwickluna der letzten Tage zeigt
ja, wie berechtigt diese Warnung ist.

Um Rhein und Ruhr.
Englische Mahnungen»
" Heidelberg, 22. Febr.
Wenn auch die englische U nt e rh a u s d eb a t te
mit der Ablehnung des liberalen Zufatzantrages
endeie, also wie das Hornberger Schießen ausging,
so zeigte sie doch, daß sich eine immer schärfere
Scheidung zwischen England und Frankreich gel-
tend »rächt. Länge, viele Jahre laug Geduld ist aller-
dings erforderlich bis Deutschland positiv aus
dieser kommenden Entwicklung Vorteile ziehen kann.
Aber auch für die heutig c Situation lasten sich
aus den Schatten mannigfache Schlüffe ziehen.
Zwei Aeußerungen sind da vor allem für
Deutschland von besonderem Interesse. Zunächst
war es der Premierminister Bonar Law, der in
so unlnißverstäudlicher Weise wie nur möglich er-
klärte, Frankreich gehe gegen Deutschland mit Sank-
tionen, das heißt mit Gewalt vor, um unmög-
liche Bedingungen dnrcüzusetzen. Deutschland wehre
sich dagegen aus Verzweiflung, weil es erkannt habe,
daß nran von ihm Unmögliches verlange. Die zweite
Aenßerung, die nicht von minderem Interesse ist,
stammt von dem früheren englischen Premiermini-
ster Lloyd George nnd sie geht dahin, daß Eng-
land zwar den Ruhreimnarsch der Franzosen aufs
schärfste.mißbillige, daß aber trotzdem
Deutschland wieder die ganze Welt gegen sich haben
würde, weit» es zu bewaffnetem Widerstand über,
ginge.
Diese beiden Aeußerungen des gegenwärtigen
wie des früheren englischen Premierministers zeigen
deutlich die Demarkationslinie, innerhalb derer sich
dis deutsche AN wir nach engÄ-scher Meinung zu be-

weget» hat. Zusammengefatzt würde ihr Inhalt
etwa folgendermaßen lauten: England hält es für
notwendig, daß Deutschland seinen Passiven
Widerstand gegen Frankreich for 1 fetzt, es ist
aber davon überzeugt, daß sich für Deutschland, eine
Katastrophe ergeben würde, wenn Deutschland
vom passiven Widerstand zum aktiven überginge.
Hat somit die Politik des passive» Widerstandes
von England her eine bedeutende moralische
Stärkung erfahren, so find zugleich von dorther
auch die Grenzen gezeigt worden, die ohne Le-
bensgefahr für das deutsche Volk nicht überschrit-
ten werden dürfen» Für vernünftig denkende Leute
Ivar diese Warnung allerdings überflüssig. Die
gange Welt lebt eben'Home noch in der — gleichviel
ob richtigen oder falschen — Auffassung, daß Deutsch
land bis zmn November 1918 von reaktionäre n
Machten beherrscht war, die für die ganze Wett
gefährlich und verderblich waren. Der Verdacht,
daß sich diese Mächte wieder erheben könnten,
würde sofort wieder den Zusammenschluß einer ge-
waltige» Koalition gegen Deutschland herbeiführen.
Zunächst sicht fest, daß für die Republik Polen im
Fall eines Krieges Deutschlands gegen Frankreich
der Bündnissall eiutveten würde, sodaß Deutschland
sofort wieder mit einem Zweifrontenkrieg
zu rechnen hätte. Nur ein Wahnsinniger kann glau-
ben, daß Deutschland in seinem gegenwärtige» Zu-
stand imstande wäre, einen solchen Zweifrontenkrieg
mit irgendwelcher Aussicht ans Erfolg zu führen,
zumal wenn cs nicht die geringste Aussicht hätte,
»gon irgend einer Macht in der Welt Bundes-
hilfe zu erhalten, vielmehr damit rechne» müßte,
daß seilst Gegner kräftige Unterstützung von andern
Staaten erhalten würden.
Von der Regierung Cuno muß verlangt wer-
den, daß es sich die Warnung Lloyd Georges zu
Herzen nimmt. Die Verrücktheit, daß sic auf einen
Krieg .zusienere, wird man ihr nicht zutrauen. Ihre
Aufgabe ist aber, zu verhindern, daß unver-
antwortliche Elemente Deutschlands in eine Si-
tuation bringen, in der es kein Amück gibt. Die
Banden jugendlicher Ausreißer, die sich da und dort
bilden, um unter dein Gesang „Siegreich woll'n wir
Frankreich Magen", durch die Straße» ziehen, sind
keine Gefahr für den französischen Militarismus, sie
sind aber eine große Gefahr sür die deutsche Repu-
blik. In der Nähe einer Pulverkammer ist
ancp das kleinste Kürttche» gefährlich. Es ist not
Wendig, darauf Acht zu baben, nm es rechtzeitig
auszu treten
Die Durchfahrtsfrage.
London, 21. Febr. „Daily Telegraph" be-
richtet, daß noch keinerlei Regelung über das alli-
ierte Eiseubalmvroblem im Kölner Gebiet erzielt
»verden ist.
London, 21. FeLr. In der UnterhauSdebLtte
fragte der SozialisstnMhver Ramfay M gcdo-
nald: Ist die Lage die, daß eilt Teil unseres be-
setzten Gebietes jetzt cm Frankreich übertrage» wor-
den ist oder ist der Teil immer »roch unter britischer
Kontrolle nnd wird von Frankreich gebraucht. Bonar
Law erwiderte: „Es ist ein Gebietsteil, der von
uns nominell besetzt ist, wo wir aber tatsächlich nie-
mals irgendwelche Truppen gehabt haben. Wir
habe» ihn einfach de» Franzosen übergehe».
Burt fragte hierauf, ob irgendeine Bcstiimnung
in dem Versailler Vertrag bestehe, die die alliierten
Regierungen ermächtigte, besetztes Gebiet auSzu-
tnuschen. --
Bo »rar Law erwiderte: „Soviel ich weiß,
macht der Versailler Vertrag keinerlei Beschränkun-
gen bezüglich der Besetzung durch irgendeine be-
stimmte Macht. Das Gebiet War einfach von den
Alliierten zu besetzen."
Oberst Wedgwood fragt«, ob es Tatsache sei,
daß die deut Mn Beamte» auf der Eisenbahnlinie
durch Franzosen ersetzt toorden feien?
Bonar Lato erwiderte, er könne das rricht
sagen.
Wedgwood fragte ferner, ob die britische Re-
gierung irgendwelche Schritte tue, um ein engeres
Zusammenwirken mit der amerikanischen Regierung
in der Frage betreffend das Ruhrgebiet zu errei-
chen. —
Bonar Law erwiderst, es sei nicht möglich,
irgendeine Mitteilung über die Frage im gegenwär-
tigen Augenblick abzugeben.
Das Fazit der Urrterhausdebatte.
Londo n, 21. Febr. Die „T i m e s" erklärt, in-
dem sie den diplomatischen toten Punkt kommen-
tiert, sür den die Unterhausdebatte ein untrüglicher
Beweis ist, Deutschland müsse bedenken, daß auch
der letzte deutsche Vorschlag durch den Mangel an
einer Mitwirkung führender Kreise der Geschäfts-
welt behindert gewesen sei. Die „Times" sagt, ähn-
lich wie die von uns bereis mitgeleilten offiziellen
Verlautbarungen, Deutschland könnte einen guten
Teil beitragen, um die Situation zu klären und die
französischen Ziele offenbar zu machen, wenn es ein
festes Angebot »»achte, gestärkt durch Pfänder und
Garantien der 'deutschen Industrie. Der britische
Pllan war niemals ernsthaft diskutiert, weder in
Frankreich noch in Deutschland.
London, 21. Febr. Bonar Law teilte auf
eine Anfrage im Unterhaufc mit, daß in Anbetracht
der Tatsache, daß die Vereinig en Staate» an dcm
Vertrag von Versailles nicht teilgenommen hätten,
es Mr die britische Regierung nicht richtig sein

würde, mit ihnen darüber zu verhandeln, ob di»
französische Aktion im- Ruhrgebiet mit dem Vertrag
übexeinstimme oder nicht.
Londo n, 21. Febr. Das Unterhaus hat gestern
einstimmig die Dankadresse aus die Thronrede in
der Form angenommen, wie sie von der Regierung
vorgeschlagen war.
Englische Pressestimmen.
Die „Daily News" wenden sich folgender-
maßen gegen die französische Politik: „Wir glauben,
daß das Deutschland Hindenburgs und Lu-
de n d o r s s s einem besiegten Feind einen „Frieden"
auserlegt haben würde, demgegenüber die Behand-
lung, die gegen Deutschland angewandt wird, nur
wie eine f ch wa che S tümp e r ei eines Lösartigen
Greises wirken würde. Wenn derKaiser siegreich
gewesen wäre, hätte er Frankreich'und Belgien und
auch unser Land ganz sicher viel tyrannischer
bctzandölt, als es die siegreichen Alliierten gegenüber
Deutschland getan, haben. Sollten wir deswegen
Deutschland so behandeln, wie Deutschland uns be-
handelt hätte? Was würde dann sür ein Unter-
schied zwischen uns sein? Was würde dann aus all
den Behauptungen werden, daß es sich um eitlen
Krieg zwischen Barbarei und Zivili-
sation, zwischen brutalem Militarismus und de«
Vertretern der Freiheit, zwischen dem Geist der Ge-
walt und. dem Geist von.Vernunft und Menschlichkeit
gehandelt habe? Wenn das Ergebnis das gleich«
ist, ganz abgesehen davon, wer gewinnt, was ist
Hann ein Unterschied zwischen den Parteien?"
Die englische Zeitschrift „The Nation" (lib.)
schreibt: „Die bedingungslose Kapitula-
tion Deutschlands vor Frankreich würde gerade;«
eine Katastrophe Mr die Interessen unseres
Landes bedeute»» Die Uebergabe würde erst er-
folgen, nachdem der wirtschaftliche Ruin Mitteleuro-
pas zur Tatsache geworden wäre. Die sranzösischet»
Generale und die „Action fraueafie" werden damr
vielleicht ihren festen Stützpunkt am Rhei«
und an der Ruhr gefaßt haben und das ComUee
des Forges hat dann vielleicht seine 51 Prozent der
Stinnes-Aktien bekommen. Aber Frankreich und
Belgien würden nichtimsta n d e sein» aus der
Ruine, zu der sie dann Deutschland genmchr haben
werde»» auch nur einen Cent an Reparationen z«
ziehen. Unter diesen Umstünden sollte Frank-
reich und dem französischen Volk klar ge macht
werden, daß wir bereit sind, ihnen die günstigste«
Bedingungen bezüglich unserer R.parattonsfordr-
rungen und der interalliierten Schulden cinzuräu-
men, wem» sie selbst bereit find, eine Inter-
vention und einen Schiedsspruch anzunehme»
und ihre Heere zurückzuzleben. Wir nttißten ihn«»
in diesem Fall versprechen, daß wir auch die M ö g-
lichkeit von Garantien Mr ihre Sicherheit
wieder in Betracht ziehen wollen."

' Die französische Auffassung.
Paris, 21. Febr. Zu den Verhandlungen fttz
englischen Unterbaust über die französische Rtchrbe-
setzung schreibt „Echo de Paris": „Müde des wieder«
holten Versagens des gegenüber Deutschland seit
1918 angewandten Kollektivverfaüreirs, eines Ver-
sagens, das dann seine Ursache hatte, daß dies« M«»
chode mit der Verlvendung des mrerläßlichen Zwan-
ges unvereinbar war, werden wir es niemand ge-
statten, uns auf den alten Weg zurückzudrängen, de»
wir mit vieler Mübe verlassen haben. Wir treibe«
unsere gerecht fertigten Ansprüche so weit, da ß wir
in» Hinblick auf eine endgültige Auslegung del
Frstdcm-"Vertrages zur gegebenen Stunde ruft
Deutschland Verhandlungen einletten können, dir
von der Intervention einer dritten Macht völlig un-
abhängig sind, was allerdings nicht besagen will,
daß wir -en englischen Interessen nicht Rechnung
trügen, und daß wir ihnen nicht Gelegenheit gebe«
tvürden, zuuk Ausdruck zu gelangen. Wir wollen
toobl unsere Sache derjenigen Großbritanniens an«
passen, aber sowohl in der Aufstellung wie in der
praktischen Durchführung des Friede nsver trage s ha»
die Kollektivmetüode ibre Probe bestanden, und wir
haben sie satt.
Paris, 21. Febr. Der „Voss. Ztg." wird tele-
graphiert: Die öffiziösen Versiclterungen, daß eS
Poincars in der gestrigen Ausschußsitzung „gelun-
gen sei. die Sorgen der Ausschußmitglieder Wege»
der Ruhmktio» zu beschwichtigen", werden
in französischen poMschen Kreisen mit Achsel-
zucken und bedeutungsvollem Lächeln abgetan.
Allem Anschein nach Haven die meisten Teilnelnuee
an der Sitzung den Eindruck gewonnen, daß die Air-
gaben des Ministerpräsidenten den Mißerfolg
der Ruhraktion im vollen Umfange bestätigen. Da-
bei sind viele Fragen, die den Ausschuß besorgt
stimmten, vis jetzt noch nicht berührt worden.
Holland nnd die Kohlenfrage.
Paris, 22. Febr. Ans dem Haag wird gemeil-
dcß daß die h o l l ä n d i s ch e Gesandtschaft irr
Frankreich mW Belgien von den Regierungen der
beiden Länber Aufklärung über den Schutz der
holländischen Interessen im Rhein- und Ruhrgebiet
und über die Aufrechterhaltung der holländischen
Rheinschifsahrt verlangt habe. Die beiden Vertreter
haben Holland befriedigende Aufklärung
gegeben. Die Reparationskommisston bat
beschlossen, am 28. Februar den Vertreter der hol-
ländischen Regierung zn empfangen und mit ibn,
 
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