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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 71 - Nr. 80 (24. März - 6. April)
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TMs-MMg U d!e WerWZeVeöZlkerMg der ArnMzirke Sekdelderg. WkesIO. ENHew, Evvüigev. NerW. MsZSaH. Büchen, Adelshew, Norberg. TMerNchMew u. WkrtheM

Nr. 73

Heidelberg, Dienstag, den 27. März 1923

5. Jahrgang


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L Tel.: Lrpcvltion E u R-d-r.W7».


Zss MilWe MM
Berlin, 26. Mürz.
Die Deutschvölkischen Md eifrig am Werk, die
Neichsregierung gegen die Preußische
Regierung stark zu machen, um das Verbot der
Deutschvölkischen Partei rückgängig zu machen. An-
kicsichts des schwerwiegenden Materials werden sie
iedoch wenig Aussicht aus Erfolg haben. Daß die
Demschvölkischen hierbei die Unterstützung der
Dcutschnationalen haben, nimmt wenig Wunder. Be-
achtlicher jedoch ist, dgtz auch in der Deutschliberalen
Volkspartei sich Stimmen für die Putschisten regen.
Vor allem ist es die „Zeit", die sich zum Schutze der
Demschvölkischen aufwirst. Es ist daher nötig, die
Intrigen der Deutschvölkischen mit größter Aufmerk-
wmkeit zu verfolgen. Die Arbeiterschaft verlangt
'Nii Entschiedenheit, daß gegen die Putschversuche und
die hinter ihnen stehenden Kreise mit größter Energie
Mgeschritten wird.
Bet ihrem Protesteifer gegen das Verbot der
Deutschvölkischen Fretheitspariei vergessen die Völki-
ichen vor allem die einfachsten juristischen Voraus-
ictzungen. Die einzige Instanz, die die Auflösung
der Freiheitspartei widerrufen könnte, ist der Siaats-
tzerichtshof. Auf Grund des vorliegenden Materials,
das für den geplanten Hochverrat der Deutschvölki-
ich spricht, kann dieser ebensowenig wie auch die
Reichsregiorung eine andere Haltung einnehmen als
Tcvering. Selbst aus Baden ist der Reichsregierung
Beweisstoff dafür geliefert Worden, daß ein Putsch
der rechtsradikalen Elemente unmittelbar bevorstand.
Ebenso hat das vorliegende auch der Rcichsregierung
bekannte Material am'Montag aus Thüringen eine
Vervollständigung erfahren. Es handelt sich um
d> e h r a l s P lä ne irgendwelcher Fanatiker. Was
lagt die volksparteiliche „Zeit" zu den fein säuberlich
ausgearbeitkten „Umztngelungsplänen" für Berlin?
-Äenn die Herren Richter und Boelitz als volks-
parteiliche preußische Minister das vorliegende Ma-
'-rial sichten werden, so werden sie zu anderen Auf-
lassungen als ihr Parteiorgan kommen. Leider ge-
l-aitei Has außenpolitische Interesse keine Veröffent-
-chnug des vorhandenen Materials. Dies darf je-
doch riicht hindern; mit aller Energie gegen die Put-
schisten vorzugehen.

Vergebliche deutschnalionale
Liebesmühe.
Berlin, 26. März. Mit außergewöhnlichem
Äser sucht die deutschnationale Presse nach kom-
RunistischenHundertschaftenin Preußen,
die ebenfalls das Ziel eines Umsturzes verfolgen
lallen. Sie Will damit den Beweis von der partei-
'"aßigen Einstellung des preußischen Innenministers
Lesern, der Wohl rechtsradikale Organisationen auf-
chs>, sich aber an linksradikale Selbstschutzverbände
chcht beranwagt. Der Eifer der dentscknationalcn
Vresse und der vom gleichen Geist beseelten Korre-
wondenzen war nicht vergebens. Man bat
chrnmunistische Hundertschaften entdeckt! Diese
^"idcekung begrenzt sich aber ausschließlich auf das
p Unbesetzte Gebiet, wo bekanntlich durch die
Massnahmen der Besatzung die Polizeigewalt des
Russischen Innenministers ans geschaltet ist.
<as stsrt die dentschnationale Presse jedoch nicht,
dwmpr stellt sie in ihrer Verlogenheit eine Partei-
mäßige Einstellung Sevcrings fest! Trotzdem bleibt
db' deutschnationale Entdeckung ein glänzender
"Nnsalll

Weitere Verbote und Verhaftungen.
, Berlin, 26. März. In der Hochverratssache
Eßbach sind Weiler fcstgenommen worden: Major
MD. v. Stephan i, Oberleutnant a. D. v. Bü -
°w und der frühere Privatsekretär von Roßbach
M"Mens Pelz. Alle drei werden am Dienstag dem
'''chter zugeführt. Ebenso wurden die in der Pro-
Festgenommenen den zuständigen Gerichten zu-
«cführt. Gegen zehn der Vorgesührten wurden rich-
lw ^che Haftbefehle erlassen, nämlich gegen den
M"Mr a. D. v. d. Oelsnitz, Hauptmann a. D. Brink-
M>l>r, Schriftleiter Ouindel in Hannover, Schrift-
v. Salomon in Stolp, Architekt Spindler,
^uudwirt Hermleben, Maschinenmeister Zimmaas,
./^ufnrann Eichmann in Naumburg, Kaufmann
^rdt in Kassel u. Landwirt Härtel in Bad Kösen.
. Drrz -2g März. Die sächsische Re -
^'/rung hat die nationalsozialistische
putsche Arbeiterpartei auf Grund des Gesetzes zum
"U>Utze der Republik verboten und aufgelöst.
tz, Weimar, 26. März. Auch für Thüringen wurde
jtz^ mit der nationalsozialistischen Arbeiterpartei
b Indizierende Deutschvölkische Freibeitspartei v er-
na, 26. März. Im Zusammenhang mit den
» 'Gedeckten Putschplänen wurde Korvettenkapitän
Götting und Oberpostsekretär Wünsche
^nonimen,
Fortsetzung der völkischen Hetze in
Bayern.
chen, 26. März. Wie wir der „Münchener
stetz entnehmen, bat Hitler in Neuhausen eine
-cr Uralten, in der er in nicht mehr zu überbteten-
das deutsche Volk beschimpfte, er sprach
Idioten und Kanaillen der
^sregierung und meinte Wetter:

„Die Deutschen verdienen als Sklaven be-
handelt zu werden, La sie ein erniedrigtes Volk
sind. Das deutsche Volk ist ein verlumptes und
charakterloses Volk, das zu feige ist, einen anderen
als passiven Widerstand zu leisten."
Hitler drohte für die allernächste Zeit einen
„Marsch gegen Norden" an, um dann „dort
droben" zu zeigen, „was deutsch ist". Die „Mün-
chener Post" erinnert bei der Gelegenheit daran, daß
dieser deutsche Mann im Januar in einer anderen
Versammlung gesagt hatte:
„Ich bedauere, daß die Franzosen nicht schon
vor vier Jahren ins Ruhrgebiet eingerüüt sind,
denn dann würde der Auer schon längst baumeln."
München, 26. März. (Telegr. Meldg.) In
enter neuen Kampfrede erklärte Hitler u. a.: Das
Wort Novemberverbrechcr wird man abiun können.
Mit den Unterdrückungsversuchen und Verboten
werde nur der Geist des Aufruhrs geweckt. Es
komme die Zeit, wo bloß die Faust noch spreche.
München, 26. Mürz. Der „Münchener Post"
zufolge wurde in Nürnberg von den Nationalsozia-
listen ein Kommando errichtet mit der Bezeichnung
„Treuschaft". Es habe die Aufgabe, unter der Pa-
role: „Bruch des Widerstandes, wenn die Reichs-
regierung schlapp wird!", Geiseln festzunehmen. Als
solche sind gedacht die Gewerkschaftsführer und die
sozialistischen Parteiführer. Daneben würden die
Juden sestgenommen.
Ludendorff—Rupprecht.
M ii n chen, 26. Mürz. (Eig. Bericht.) Mag man
die Gefahr eines Rechtsputfches in Preußen durch
das energische Zugreifen des preußischen Innenmi-
nisters Gen. Severing als vorläufig gebannt an-
sehen, so ist in Bayern die Politische Situation
gegenwärtig noch als höch st kritisch zu bezeich-
nen. Nur die Uneinigkeit der beiden rechtsradikalen
Machtzentren und das Fehlen einer Putschparole
halten bisher den schwebenden Zustand aufrecht.
Um zwei gegensätzliche Pcrsönlichkeitert, die
sich zur Erreichung ihrer ehrgeizigen Ziele gegen-
sätzlicher Prinzipien bedienen, gruppieren sich alle
die größeren und kleineren Putsch- und Kainpforga-
nisationen: Exkronprinz Rupprecht gegen den
General Ludendorfs, d. h. weib-blau großbave-
risch gegen schwarz weiss-rot großdeutsch. Auf Seiten
Rupprechts stcbt die stärkste Partei Bayerns, die
Bayerische Volkspartei, stehen von bekann-
ten Namen vor allem Herr v. Kahr, Esch er ich,
Pittinger, Professor B au e r, der Bund Bayern
und Reich und ein Teil der sogenannten Vereini-
gungen Vaterländischer Verbände. General Luden-
dorff stützt sich dagegen auf die eigentlichen Kampf-
organisationen der Nationalsozialisten, des
Bundes Oberland, der Reichs flagge usw.
und ist deshalb seinem Rivalen militärisch weit über-
legen. Die bayerische Staatsregierung steht zwischen
diesen beiden Machtgruppen und ist in ihrer Wir-
kungsmöglichkeit sehr stark beeinträchtigt durch starke
Verseuchung ihres Beamtete- und Polizeiapparates
»nit Putschistischen Elementen beider Kategorien.
Die leidenschaftliche Diskussion, die die beiden
Rechtsgruppen vor aller Ocffentlichkeit geführt haben,
bat nunmehr die Gefährlichkeit der Lage
vollständig enthüllt. Rupprecht und Ludendorfs ha-
ben sich allerdings noch nicht gegenseitig öffentlich
beschimpft, und Ludendorff hat sogar noch vor kur-
zen» Rupprecht ein „erlauchtes Haupt" genannt; aber
umso hitziger führen die beiderseitigen Werkzeuge
den Kampf. Lndendorff warf den Weißblauen
ziemlich unverblümt Neigung zu Landesverrat und
Zusammenwirken mit den Franzosen vor und mutzte
sich dafür von der volksparteilichen Presse mit einer
ganzen Serie von Schimpfnamen belegen lassen. Nun
lässt sich auch Rupprecht durch seinen Herrn v. So -
den über die schwebenden politischen Fragen ver-
nehmen und erscheint in bengalischer Beleuchtung
trcndeuischer Gesinnung und heftiger Franzosen-
feindschafl. Mit dieser „Retnigungsmensur" ver-
bindet Rupprecht jedoch noch einen Hieb auf Luden-
dorffs Schildknappen Hiller und Xy land er,
derer» Opposition gegen Cunos Politik Passiven Wi-
derstandes in diesem Augenblick nicht gebilligt wer-
den könne. Hitlers Programm sei ganz negativ, und
unter den Führern der Nationalsozialisten seien zu
viele Fanatiker und ehrgeizige Leute, die hoffen,
Mini st er zu werden, wenn Hitler ans Ruder
käme. Kurz, es handle sich um Leute, denen die zur
Leitung von Staatsgeschäfte!» nötige Politische Vor-
bereitung abgehe.

Die internationale Lage.
Die Berliner Sozialistenkonferenz.
Berlin, 26. März. Die Verhandlungen zwi-
schen den Vertretern der sozialdemokratischen Parla-
mcntsfraktionen Englands, Frankreichs, Belgiens
und Italiens und Vertretern des deutschen sozial-
demokratischen Parteivorstandes, die am Samstag im
Reichstagsgrbäude begonnen hatten, sind heute abend
abgeschlossen worden. Mit ihrem Ergebnis
wird sich eine am 29. März erneut in Paris zu-
smnmentreiende Konferenz der sozialdemokratischen
Parlamentarier der alliierten Länder befassen, zu

demokratische Parteivorstand Stellung nehmen wird.
In den jetzt abgeschlossenen Verhandlungen in Ber-
lin wurde nach einer parteiosfiziösen Mitteilung
volle Uebereinstimmung der Ansichten er-
zielt. Die beteiligten sozialistischen Parlamenlsfrak-
tionen sind entschlossen, ihre Kräfte darauf zu konzen-
trieren, dem Ruhrabenteuer möglichst
schnelleinEndezu nmchen und eine endgültige
Lösung der Reparationsfrage anzustreben,
die zur Wiedergutmachung der Kriegszerstörungen
führt, der Wahrung des europäischen Friedens bient
und der Leistungsfähigkeit Deutschlands Rechnung
trägt.
Paris, 26. März. Der „Newyork Herald" mißt
der internationalen Sozialistenkonferenz große Be-
deutung bei zur Regelung der Reparationssrage.
Stinnes in Rom.
Parts, 26. März. Der Aufenthalt Stinnes in
Rom gibt zu allerlei Kommentaren Anlaß. Man
bringt seine Anwesenheit vor allem mit Unterredun-
gen mit Mitgliedern der amerikanischen Delegation
des Internationalen Handelskammerkongresses in
Verbindung. Havas meint, daß Stinnes sondiert
habe, wie weit die Amerikaner eventuell bereit seien,
an einer Diskussion über die Ruhrfrage und über
das Reparationsproblem tejlzunehmen. Die meisten
Delegierten seien der Auffassung gewesen, jeder un-
geeignete Jntervcntionsversuch sei der Absicht der
Delegation die öffentliche Meinung Amerikas für die
Lösung der Frage der Internationalen Schulden und
der Reparationsfrage sei gefährlich.

Ruhr.
Ein neuer Wirlschaftseingriff.
Parts, 26. März. Die Interalliierte Kommis-
sion in Koblenz und der Oberbefehlshaber der
Rhoinarmee haben durch eine Verordnung vom 15.
März und einen Erlaß von» 23. März die Beschlag-
nahme sämtlicher Gegenstände und Produkte in den
besetzten Gebieten verfügt, di? auf Rechnung der
Sachliefevungen von Franzosen bestellt worden sind.
Die französischen BAedcrgutmackmngsämter in Wies-
baden sind mit der Durchführnng deiser Verordnung
beauftragt und sie Md im Besitz einer Lifte sämt-
licher Waren, die von den geschädigten Franzosen
bei den im besetzten Gebiet ansässigen Deutschen
aus Grund des Versailler Vertrags bestellt wurden.
Die geschädigten Franzosen, die Lieferungsverlräge
»ntt Deutschen außerhalb der besetzten Gebiete ge-
schlossen haben, und die davon Kenntnis haben soll-
ten, daß sich Waren, wie die von ihnen bestelltem im
besetzten Gebiet befinden, können sich gleichfalls an
die Wiadergutnnachuugsämier in Wiesbaden wen-
den. Die genannten Behörden im besetzten Gebiet
haben andererseits auch die Beschlagnahme aller
Olegenistände und Erzeugnisse verfügt, die von Fran-
zosen bei Deutschen auf dem gewöhnlichen GeschäftS-
ivoge bestellt worden sind.
Eifersucht und Politik.
Düsseldorf, 26. März. Wie die „B. Z."
meldet, handelt es sich bei dem im Essener Haupt-
bahnhof von unbekannten Tätern erschossenen Mili-
tärhcizcr um einen Lothringer, der vor den» Kriege
bei Krupp angestellt und in Essen auch verlobt war.
Nach dem Kriege hat er in Lochringen geheiratet.
Auch seine Essener Braut hat sich wieder verlobt.
Infolge eines zufälligen Wicverzusainine,»treffens
scheinen Eifersücbteleien entstanden zu sein und man
erwartet mit Bestimmtheit eine Ausklärung der Tat
als Eifersuchtsdrama. Der neue kommandierende
General von Essen hat trotzdem der Stadt Essen
mitgeteilt, wenn es sich doch noch Herausstellen sollte,
daß die Ermordung ein politisches Attentat gewesen
sei, so würde die Stadt Essen nüt einer Geldbuse
voi» 280 Millionen französischer Franken, das sind
zur Zeit 268 Milliarden Mark, belegt werden
Mannheim.
Mannheim, 26. März. Das NmhtvcrlehrS-
verbot zwischen den» besetzten und unbesetzten
Deutschland ist von den Franzosen nunmehr auch
auf das Rheinauer Hafengebiet ausgedehnt worden.
Durch diese Maßnahme ist die Hauptverkehrsstraße
zwischen Mannheim und Schwetzingen beim Bahnhof
Rheinau von abends 8 Uhr bis morgens 5 Uhr ge-
sperrt.
In der Nähe des alten Ludwigshafener Raugter-
bahnhofeS hoben französische Soldaten mehrere
Personen überfallen und ihnen die eingekauften Wa-
ren und gröbere Geldsmnmen abgenommen. Als
sich die Ueberfallenen zur Wehr setzten, wurden sie
schwer mißhandelt.

dc.en Aujfassuna dann wiederum der deutsche sozial-

Offenburg.
Ofsenburv, 26. März. Das französische Mt-
litürpolizeigcrtcht in Kehl fällte weitere Urteile:
Eisenbahnoberinspektor Hertle in Offenburg wurde
zu 15 Tagen Gefängnis rind 50 888 Mk. Geldstrafe

verurteilt. Eisenbahninspektor Maier zu 35 800 Mk.
Geldstrafe, weil man bei ihm einige Patronen (M
doch ohne Schußwaffe) vorgesuuden hatte.
Die Franzosen haben neue Arbeitslose von Stratzc
bürg nach Offenburg gebracht und verladen mit
Hochdruck Reichsdienstkohlen. Die Kohlenzüge wer-
den durch das Elsaß nach der Pfalz geleitet und Voss
da nach Frankreich.
Weiter beginnen die Franzosen aus dem Offen-
bürger Ausbesserungswerk der Reichsbahn Werk-
maschinen, Drehbänke usw. fortzuführen. Außerdem
haben sie eine Anzahl von Reparaturlokomotivsn
neuesten Typs nach Straßburg gebracht.

Die Lage im Reich.
Eine politische Krankheit?
Berlin, 27. März. Das Befinden des Reichs»
kanzlers hat sich leicht verschlimmert. Der Arzt
bat Rippenfellentzündung sestgcstelli. Cuno kann des-
halb an der von der Sozialdemokratie verlangten
Sitzung des Auswärtigen Ausschusses nicht teilneh-
men. An seiner Stelle wird voraussichtlich Reichs-
außenminister v. Rosenberg Erklärungen über
die Politik der Regierung abgeben.
Eine Rede v. Kardorffs.
In einer Versammlung zu München erklärte
Mbg. v. Kardorfs von der Deutschen Volkspartet:
Eine Politik des Säbelgerassels »ind Maulhelden-
tums sei Katastrophenpolitik, die kein verantwor-
tungshewutzter Führer vertreten könne. Er für
seine Person sei monarchistisch; aber wir könnten
uns den Luxus monarchistischer Rücksichten nicht ge-
statten. Viel wich iger sei die Bindung zur Einheit.
Die sozialistischen Arbeiter, die 1914 als Freiwillige
zu den Fahnen eilten, darbten und davben beute im
Ruhrgebiet mehr als die, die sie glaube»» beschimpsen
zu rönnen.
Das wiedererwachte Protektions-
wesen.
In der „Voss. Ztg." lesen wir: J»r manche»» der
Zentralstellen hat die kurze Zeit seit den» Austritt der
Sozialdeiuokralie genügt, um einen vollkommenen
Wechsel in der Personalpolitik hervorzubringru. In
der Beamtenschaft wird vielfach darüber geklagt, daß
an manchen Stellen die Korps beute wieder genau
den Einfluß haben, wie unter der kaiserlichen
Regierung. Und noch bewegter wird Klage darüber
geführt, daß Beamte, die offen für die Republik ein-
treten und nicht nur Lippenbekenntnisse ablegen, mit
wachsenden Schwierigkeiten zu kämpfen haben. In
immer weiteren Kreisen empfindet man diese Zu-
stände mit großem Unbehagen.

Die Lage im Ausland.
Französisch-schweizerische
Verstimmung.
Genf, 25. März. Der schweizerischeBun»
desrai hat am Samstag die Note geprüft, in
welcher die französische Regierung ihn aufsorderk
seine Zustimmung zur I n k ra ft s e tz u n g der Kon-
vention vom 7.. August 1921 in der Frage der Fret-
zon e n zu geben. Die Konvention ist jedoch durch
die schweizerische Bolksabstimnuing verworfen
worden. Die Note der französischen Regierung, die
vom schweizerische»» Bundesrat die Durchfüh-
rung des vor einem Mostat in der schweizerischen
Volksabstimmung mit ungeheurer Mehrheit verwor-
fenen Zonenabkommens fordert und diese Volks-
abstimmung für ungültig erklärt, hat daher, wie
die führenden westschweizertschen Blätter heute fest-
stellen, große Erregung hervorgerufen. DaS
„Journal de Genevc" wie die „Gazette de Lausanne-
betonen, daß die französische Forderung ungerecht«
fertigt und unannehmbar sei und daß die Be-
völkerung sich entschlösse»» hinter die ablebnende Ant-
wort stellen werde, die der Bundesrat nach Pari-
gesandt hat. Die Blätter weisen übereinstimmend
darauf hin, daß die französische Note von Poin-
carö selbst unterzeichnet worden sei. >

Kurze Meldungen.
Der 75jährige Gedenktag der Zugehörigkeit vo»
Schleswig-Holstein zum Reich wurde durch Mah-
nungen zur deutschen Einheit gefeiert.
Die Franzose,» verhafteten in Wiesbaden den Ge-
neral der Infanterie von Mudra, der in, Krieg«
Führer der Argonnenlruppen war. Die Ursache sei-
ner Verhaftung ist nicht bekannt.
In Rotlhausen kam cs zu einem Sturm der Kom-
munisten aus das Rathaus. Verschiedentlich kain eS
zu Zusammenstößen und Tätlichkeiten.
Auf der Strecke Oberhausen Duisburg ist ein von
Franzosen gefahrener Personcuzng entgleist.
Der Redakteur des sozialdemokratischen OrgattS
für Koblenz, Gen. Otto R u in m e l, wurde von den
Franzosen verhaftet und weggeführt.
Marschall Fach hat die Absicht, Mitte Mai zu dell
Manöver» nach der Tschechoslowakei zu kommen.
Die Ausweisung von tschechischen Arbeiter,» auS
Deutschland bat in verschiedenen tschechischen Blät-
ter.» zu der Forderung Anlaß gegeben, in ähnliche!
Weise gegen Reichsdeutsche vorzugehen.
 
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