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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 21 - Nr. 30 (25. Januar - 5. Februar)
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Jahrgang

Nr. 30

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Heidelberg, Montag, den 8. Februar 1923

MWsMWNNWN

Kavallerie nlit

gab der französische
den Vertretern der

feinen Etat vorlcgte, der mit einem Defizit von 1,4
bis 1,6 Billionen Mark rechnet, war es lediglich
der Redner der sozialdemokratischen Frak-
tion, der ans die sachlichen Fragen des Etats ein-
ging und eine stärkere Belastung des Be-
sitzes forderte. Die Bürgerlichen beschränkten sich
aus eine Mahnung zur Geschlossenheit und zum
Vertrauen in die Negierung. Es ist nicht zu ver-
kennen, daß gerade die gegenwärtige Situation eine
einheitliche Finanzpolitik des Reiches außerordent-
lich erschwert. Das lallte der Grund sein, die
schwebenden Finanzsragen in aller Sachlichkeit
zu behandeln und auf Abhilfe zu sinnen. Nichts ist
verfänglicher, als der untätige Optimismus. Die
Börse hat ihre Freude daran, das; der Dollar
steigt und daß mit dem phantastischen Steigen der
Aktienkurse die auf dem Sachbesitz ruhenden Steuer-
lasten verhältnismäßig eher geringer als größer wer-
den. Das Volk aber, das zwischen der Scylla des
Marksturzes und der Charybdis der Notenflut dem
Abgrund entgsgentaumelt, hat das Recht zur For-
derung, daß entschiedene Abweürmatz-
nah men sowohl auf wirtschaftlichem wie
auf finanziellem Gebiete getroffen werden,
wie dies am Freitag wieder Genosse Robert
Schmidt in seiner Reichstagsrede forderte. Und
es hat die Pflicht dazu, gerade wenn es seine
Kraft in den Dienst der Abwehr des Anschlages auf
die Ruhr stellt und verhindern will, daß diese
Kraft vorzeitig erlaymt.

in das besetzte Gebiet verflüchtigen, um da
unser dem Schutze der französischen Bajonette weiter
verschoben oder auch nur festgehalten zu werden,
bis die Mark weitrrfällt und eine „lohnende" Wie-
dereinfuhr nach dem übrigen Deutschland mög-
lich ist. Hier muß ganz energisch eingc-
schritten werden, wenn man überhaupt auf eine
Milderung der zu befürchtenden Schäden hinarbeiten
will. Weiten Kreisen des Volkes scheint es noch
nicht klar geworden zu sein, daß die Kraftan-
s p a n n un g, die das deutsche Volk und die deutsche
Wirtschaft jetzt auszustehcn haben, mindestens
ebenso groß, wenn nicht größer ist, als die wäh-
rend des Krieges. Es geht nicht an, durch blindes
Herausschrauben.der Warenpreise bei zurückbleiven-
de» Löhnen diese ganze Last aus die arbeitende Be-
völkerung obzuwälzen. Es bedarf ordnender
Eingriffe allcrwärts. Die Regierung
Cuno-Becker aber scheint die Schwierigkeit der
Situation zu unterschätzen. So kam es, daß man
bei ihrem Antritt sie feierte, als der Dollar
von 8000 auf 7000 siel, nachdem das Kabinett Wirch
wenigstens die ersten Vorbereitungen, wenn auch un-
zulänglichen Schritte zur Verhinderung der Aus-
breitung der Devisenspekulation getan hatte, daß
man aber jetzt schweigt, wenn der Dollar aus
40 000 und darüber klettert, ohne daß man etwas
von tatkräftigem Vorgehen hört, außer gutgemeinten
Ratschlägen.
Die letzte Zuflucht bleibt immer die N ote.n-
presse. Als der Reichsfinanzministev diesmal

* Heidelberg, 5. Februar.
Mit aller Gewalt sucht PoincarL das deutsche
Volk seinen Machtplänen dienstbar zu machen. Kein
Mittel d'iinkt ihm schlecht genug, dieses Ziel durch-
zusetzcn. Völkerrecht und Verträge werden
ihm hierbei bald zu einem Fetzer; Papier. Macht
geht vor Recht, scheint heute die Devise der
französischen Politik zu sein. Als neuer Beitrag zur
Richtigkeit dieser Charakterisierung ist der völker-
rechtswidrige und unerhörte Einmarsch der Fran-
zosen nach Bade» zu bezeichnen. Offenburg
und APpeniveter, Windschläg und Orten-
berg besetzt — gleich einer wilden Fanfare töni
diese Tat einer barbarischen Gesinnung allen Bade-
nern ins Ohr. Alle Kreise des badischen Volkes
stehen hinter der Negierung, um diesen neuen
Schlag gegen Deutschlands nationale Ehre und
Würde zu parieren. UmSanktionen gegen das
Reichsverkeürsministerium wegen Einstellung
der Durchgangs Züge Paris—Prag und
Paris—Bukarest zu erhebe;;, ist dieser militärische
Ueberfall aus ein friedliches Laird wahrlich schlecht
gewählt. Der Protest der badischen Regierung
findet daher ein einiges Volk, das voller Eltt-
rüstung uiw mit bittersten Gefühlen all das Schwere
ertraget; muß und erträgt in der Hofftnmg. daß die
politischen Fiihrer des deutschen Volkes bald Mittel
finden mögen, einen Weg aus all den Drangsalen
und fortgesetztem Elend zu finden.

Der Vorgang der Besetzung.
Karlsruhe, 5. Febr. Ueber die Vorgänge
der Besetzung'liegt folgende amtliche Darstellung
vor:
In der Nacht vom Samstag, den 3. auf Sonn-
tag, dm 4. Februar sind französische Truppen aller
Waffen durch das Gebiet des Brückenkopfes Kehl
nach bisher unbesetztem badischen; Gebiet vorgerückt,
Dis Hauptmacht war in Schlettstadt zusammenge-
stellt worden und wurde mit der Bahn bis Straß-
burg gebracht. Französische Eisenbahnbcamte warm
bereits im Verlaus des Samstagnachmittag in Kehl
«»gekommen. Am Sonntag vormittag von 7 Uhr

Zwischen 11 und 12 Uhr
Kommandant in Offenburg
Staats- und Gemeindebehörden, die vom Oberbür-
germeister zusammengernsen waren, einen Befehl
bekannt.
Danach verfolgen die von den' französischen Trup-
pen ausgeführten Operationen keine militärischen
Zwecke. Sie richte sich nicht gegen die Bevölkerung,
sondern sei als Sanktion zu betrachten gegen ge-
wisse Machenschaften, die im Widerspruch gegen den
Friedensvertrag stehen (Einstellung internationaler
Züge usw.). Von Montag abend 7 Uhr an werde
jeder Bahnverkehr zwischen Offenburg und Appen-
weier eingestellt, durch gelassen würden nur
die internationalen Züge Holland—Schweiz.
Der Befehl enthält weiter folgendes: Im neu -
be setzten Gebiet tritt die Verordnung der in-
teralliierten Rhcinl andko mmission
sofort in Kraft. Die öffentlichen Betriebe setzen ihre
Tätigkeit fort unter Kontrolle der französischen Be-
hörden. Das Personal verbleibt an seinem Posten
und versieht seinen Dienst ivetter, sofern von der
französischen Behörde keine Entlassung vorgenom-
men wird. Beschädigungen des Materials der öf-
fentlichen Betriebe, der Kunstbauten usw. iverden
verboten und die Staats- und Gemeindebehörden
für die Ausführung der französischen militärischen
Befehle sowie für jede Zerstörung und Beschädigung
verantwortlich gemacht. Im neubesetzten Gebiet
wird Polizei und Gendarmerie der französischen Mi-
litärbehörde unterstellt, die ihre Ausrüstung und
Diensttätigkeit sestsetzt. Ansammlungen von mehr
als 5 Personen werden verboten, desgleichen Ver-
sammlungen. Jedermann muß stets einen Perso-
nalausweis bei sich führen: Alle öffentlichen Lokale
müssen von 9 Uhr abends an geschlossen sein. Der
Verkehr aus Straßen und Wegen ist von 9 Uhr
abends bis 6 Uhr morgens verboten. Der Tages-
verkehr zwischen den neubesetzten Ortschaftei; und
zwischen den; neubesetzten und unbesetzten Gebiet
Wird einer Kontrolle unterzogen. Jeder Verkehr
mutz begründet sein.
Der französische Befehl fordert Wetter: Die AV-
liefmung aller blanken und Feuerwaffe;» unter Per-
sönlicher Verantwortung der Bürgermeister. Er
kündigt ferner die
Sperre des Telegraphenverkehrs
für sämtliche deutschen Behörden und Privatleute
an, verlangt ein französisches Visum für alle Tele-
gramme, verbietet drahtlose Telegraphenstationen
und verlangt die Anmeldung aller Briestauben.
Für die Einbehaltung dieser Befehle kündigt der
Generaloberbesehlshaber des Brückenkopfes Kehl,
Michel, Sanktioncu an, indem er jede Zuwiderhand-
lung mit Festnahme und Erscheinen vor den; Mili-
tärgericht bedroht.

do.« 'r-ewen und daß infolgedessen die
Bevölkerung selbst davon betroffen ,
des «der davon, daß sich wesentliche Teile!
s Crnahrungsbedarses des übrige,; Deutschlands

Französische Sanktionen.
Offenburg, den 4. Februar. Heute vormittag kurz nach 9 Uhr ist
französische Kavallerie in Offenburg in Stärke von 2—3 Schwadronen
eingerückt und hat den Bahnhof, das Postamt, die Kaserne und die
große Eisenbahnbrücke mit Wachtposten und Maschinengewehren
besetzt. — Auch der Bahnhof in' Appenweier ist von etwa 800
Franzosen besetzt worden.
Offenburg, 4. Februar. Eine Abteilung französischer
Panzerautos basetzte weiter Ortenberg und Windschläg.

MWMMW NMA».
c>. Berlin, 3. Februar.
Die Verschlechterung der Valuta, die als eine
Folge der Besetzung des Rührgeüietes voraus-
gesagt wurde, ist letzt in einem Maße eingctreteu,
«as selbst die ärgsten Befürchtungen übertrifft. Die
deutsche Mark ist im Werte auf Len derPolenmark
Munken! Selbst die österreichische Krone, die in der
bisherigen Zeit des mitteleuropäischen Valutaelends
als der Tvpus der vollkommen zerrütteten Währung
Abgesehen wurde, nähert sich mehr und mehr dem
Vvrkriegsverbältttts zur Mark, wo man für eine
Krone 85 Pfg. zahlte. Am DIeufttag kostete bereits
"ne österreichische Krone 55 Pfg. Geradezu gewal-
tig aber ha; sich der Wert ddr Mark im Verhältnis
Zu den Edelvaluten verschoben. Der Dollar
koste; nun 40 000 Mark, an ihm gemessen ist also die
ibiark fast auf 1 Zehntausendstel oder aus ein Hun-
dertstel Golvpfcrmig gesunken. Ein derartiger Zu-
sammenbruch der Währung trifft Deutschland ohne
Großzügige Vorbereitungen der Abwehr. Sprnng-
daft klettern die Preise. Die Löhne können
ihnen, solange man sich nicht über irgend eine Form
der Gletlstasselung im Verhältnis zum Geldwert
verständigt bat, auch nicht annähernd folgen, selbst
ibenn mau von beiden Seiten, insbesondere von den
Unternehmern den guten Willen voraussetzt. Wenn
sich die Preise wichtiger Lebensmittel wie Schmalz
Und Margarine, die ganz naturgemäß stark mit der
Valuta gleiten, innerhalb weniger Tage verdoppeln
Und verdreifachen, so bedeutet dies eben für breite,
ständig wachsende Massen den Verzicht auf einen
immer größeren Kreis von Nahrungsmitteln. Selten
Kt das mit derartiger Schärfe zum Ausdruck gekom-
men wje in der letzten Zeit- Dazu sind die Lohner-
- Höhungen durchaus unregelmäßig und hei vielen
Bernsen wett entfernt davon, auch nur an-
nähernd der Geldentwertung Rechnung zu tragen.
Tenn selbstverständlich haben diejenigen Unter-
neh nre r k re i f e, die sich zur vennesseneu Vehaup-
Uttrg verstiegen haben, der Reallohn der deutschen
Arbeiterschaft sei zu hoch, u i ch t u m g e l e r n t, und
io blewen die Lohnrcgelungsn immer auf einer un-
' ich - ren Grundlage. Gewiß ist auch der Glsitlohn
Lösung der Lohnsrage. In so schwierigen
Ut'bergangszeiien aber wie den gegeuwürngeü, sollte
niau ernsthaft danach trachten, auf irgend eine Weise
Lohnhöhe automatisch dem Geldwert an-
?>upasscn.
Wir leben nun eftmml in Zuständen, Ivie sie
Klbst Oesterreich in seiner Währungskrise kaum ge-
kannt bat. Auch dort stürzte die Krone mit zett
^eiligen Unterbrechungen unaufhaltsam. Aber inr-
"terhin hatte-cs mit bestimmten wirtschaftlichen
Möglichkeiten zu rechnen. Seine Grenzen stau-
Mn fest, und abgesehen von einigen Raubaktcn sind
Wesentliche Störungen und Eingriffe in seinen Wirt-
schastskörver nicht erfolgt. Daß die Währung stürzte
"vd daß sie jetzt nach dem Versuch einer Stabiliste-
bng immer noch wankt, liegt hauptsächlich darau,
kssi Deutschs st er reich in seiner ganzen wixt-
chgfts-geographischen Struktur ein krankhaftes
Etantswcsen ist, das die Folgen der Abtrennung
^übender Industrie- und Agrargebiete noch immer
Vicht verschmerzen kann. Bei Deutschland liegt die
^nchx anders. 'Wir batten alle Aussicht, die
Kriegsfolgen auch auf der eingeengten Rohstoff-
basis und mit den; verkleinerten Nahrungsmittel-
wielraum zu überwind en. Gestört wurde es
darin jedocki immer wieder durch die französische
gTohpoUtik, durch dir überspannten Zahl-ungsfor-
Mimgen der Entente, durch die Repressalien und
Sanktionen, die jetzt mit dein Ueberfall auf das
Auhrgebiet gekrönt worden sind. Jetzt, nachdem das
'Ruhrgebiet unter feindlicher Okkupation steht, nach-
dem Kämpfe gegen militärische Willkür Verkehr und
Produktion in diesem für die ganze deutsche Volks-
wirtschaft so ungeheuer wichtigen Gebiete lahmlegen,
letzt freilich har sich die Lage für Deutschland außer-
ordentlich verschärft. Nahrungsmittel- und Rohstofs-
^ufe, insbesondere die Einfuhr englischer Kohle ver-
schlingen erhebliche Beträge an Devisen, die auf dem
verkleinerten und wichtigster Stützen beraubten Prv-
düktionsgeviete nur schwer entbehrlich gemacht wer-
den können. In wildem Taumel springen die De-
visenkurse.
Daß die Teuerung mit dem Mark stur; derart
apjde fortschreitet, liegt zu einem wesentlichen
^ell an dem M a n g e l a n o r g a n i s a t o r i s ch en
Vorbereitungen für den schlimmsten Fall, der
yv Kampf um das Rubracöict eintrcteu kann: die
^nspcrrung des besetzten Reviers von dem übrigen
Deutschland. Während mau auf der einen Seile
emiiht ist, die Ruhrbevölkeruug vor den schlimmsten
' vlgkn dieses Kampfes, vor Elend und Hungersnot
un,/ ütze ", während man Sammlungen in Geld
d Naturalien veranstaltet, machen sich bereits die
n eigen Elemente breit, die dem Krieg ihr
^mvorkommvn verdankten und die seitdem noch
u ^E-orben ''"d, die w t ld e n A u fk ä u se r
"vier, die auf die hohen Preise im Ruhr-
T..!°.U^Iu"ercn. Von zwei Gefahren ist also
—!,eorohr. Non c
Ausnützung der Tatsache,

De> lEsrcm Von zwei Gefahren ist also an begann die Besetzung von Windschläg, Appen-
A,/s « »"d -bedroht. -Von der spekulativen"wei-er, Offenburg und Ortenbcrg durch starke franzö-
Zebu "" Tutwche, daß wieder einige fische Truppen, zunächst durch Kavallorte in Beglei-
Leben/"^. hunderttausend Mann Besatzung die tuns von Panzerwagen, dann durch Infanterie und
do,-i "^iüei; und daß infolgedessen die Artillerie. Eisenbahn- und Postverkehr blieben zu-
nächst ungestört. Bon zwei Uhr nachntittags wurde
Post- und Tclegrapheitverkehr nach auswärts
-ig unterbunden

Gegen Unruhen, Widerstände und feindseliges
Verhalten werde Waffengewalt angewandt werden;
Wenn eine Wasfenabteilung überfallen werde, so
werde sie sofort
von ihrer Waffe Gebrauch
machen.
Der Oberamtmann von Offenburg hat sogleich
erklärt, daß die Behörden nnd Beamten
nur Befehle der deutsche» Behörden
aunehnwn und hat am Nachmittag dem französischen
Komnumdanten ausdrücklich mitgeteilt,, daß sämt-
liche Reichs- und Laudssbeamts es ablehuen, sich
dem sraniöstschen Befehl zu unterstellen.
Die badische Landesregierung hat
die Reichsrcgicrung
telegraphisch ersucht, gegen das unerhörte völker-
rechtswidrige französische Vorgehen schärfsten Pro-
test zu erheben. Zugleich wurde der Oberamtmcurn
von Öffcuburg beauftragt, dem Kommandanten der
französischen Truppe;; im Namen der badisch«! Lan-
desregierung eine ausdrückliche Protesterklärung ab-
zugeben:
Mit der gleichen Zuversicht, mit der man von
Baden aus aus die Haltung des. deutschen Volles im
besetzten Ruhrgebiet geblickt hat, schauen wir nun
auf unsere Badener im neubesetzten Gebiet. In
voller Uebcrcinstimmung mit der Reichsregierung ist
die badisch Regierung entschlossen alles zur Wah-
rung der Staatshoheit zu tun, was nationale Würde
und Ehre erfordern. Diese Gewißheit wird die Be-
wohner des neubesetzten Gebiets und vor allen; alle
Männer in Verantwortlicher Stellung stärken in der
Erfüllung ihrer Pflicht, die allen Beamten gebietet,
nur den Befehlen der deutschen und der badischen
Behörden zu gehorchen. Das Mitgefühl des ganzen
Landes wendet sich den von französischer Gewalt-
herrschaft schwer betroffenen Landesteileu zu und
allen denen, die unter französischer Gewalt zu leiden
haben, ist der moralische und rechtliche Beistand von
Volk und Regierung in vollem Umfang sicher.
*
Ein Aufruf der badischen Regierung
Die badische Regierung hielt am Sonntag nach-
mittag einen bis in die Abendstunden währenden
Kabinetisrat ab, dem sämtliche Minister und
Staatsräte, sowie verschiedene höhere Beamte an-
wohnten. In dieser Sitzung wurde die durch die
Besetzung Offenburgs und dessen Umgebung geschaf-
fenen Lage eingehend 'besprochen. Unter anderen!
wurde beschlossen, folgenden Aufruf an das ba-
dische Volk zu richten:
An das badische Volk!
In der Nacht von Samstag auf Sonntag habet»
starke französische Truppen aller Waffengattungen
das besetzte Gebiet des Brückenkopfes Kehl über-
schritten. In der Zeit von 7 bis 9 Uhr am
gestrigen Sonntag wurden O f f e u b u r g, A P P e n-
weter, Windschläg und Orten berg besetzt.
Auf den Rathäusern dieser Gemeinden versammelten
die französischen Befehlshaber sämtliche Behörden
und erklärten, daß die Operation als Strafmatznahmr
für die durch die Reichsbahnverwaltung verfügte
Stillegung der internationalen Züge Paris—Prag
und Paris—Warschau anzusehen sei. Von heute
Montag abends an wird der
Personen- und Güterverkehr zwischen Appen-
weier und Offenburg vollständig eingestellt
werde». Durchgelassen werden nur noch die inter-
nationalen Holland—Schweiz-Züge.
Die badische Regierung hat den; französischen
Kommaudanten in Offenburg durch den Vorstand
des Bezirksamtes einen entschiedenen Protest
gegen diesen neuerlichen schweren Rechts-
bruch erklären lassen, der in Widerspruch mit dem
Völkerrecht steht und in keiner Wcise tm Friedens-
vertrag von Versailles eine Rechtsgrundlage findet.
Die badische Regierung kann die Erklärung, nach
welcher 'diese Maßnahme als Repressalie für den
eingestellten Verkehr der Expreßzüge anzusehen sei,
nur als einen Vorwand anerkennen, mit welchem
auch der neue Einbruch in deutsches Gebiet gedeckt
werden soll. Das deutsche Volk weiß, daß dir Ein-
stellung vieler durchgehender Eisenbabnzüge nichts
anderes als die Folge der militärische«
Besetzung des Ruhrgebtetes und des dadurch
entstandenen Kohlenmangels darstellt.
Infolge dieser Auffassung bestreitet die ba-
dische Regierung der französischen Militärmacht
jedes Recht, tm neuen besetzten Gebiet die Be-
amtenschaft des öffentlichen Dienstes der französi-
schen Befehlsgewalt zu unterstellen. Sie hat des-
halb die Beamtenschaft angewiesen,
ke i n e B e f e h l e der Besatzungsbchörden entgegcu-
zunehmen und anszusübren. Dl; Reichsregieruug
ist ersucht worden, gegen die Besetzung feier-
lichen Protest zu erheben. Von der Beamten-
schaft erwarte; die Landesregicrung strikte Befol-
gung der an sie ergangenen Befehle, den französiscbcn
Anordnungen keine Folge zu geben.
Das badische Volk steht, dessen ist sic» die
Regierung sicher, in dieser schweren Schicksalsstnnde
geschlossen hinter der Reichs- und
L a nd c s rc g i ern n g. Die badische Regierung
Verkram daraus, dab alle SraatsHürger dze -Lvuroe
 
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