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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 91 - Nr. 100 (19. April - 30. April)
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Heidelberg, Dienstag, den 24. April 1923

6. Jahrgang

Nr. 95

WL3

Bezugspreis: Monatlich emschlietzl.
" rägerlohn Mk. . Anzeigen«
Tarife: Die einspaltige Petitzeile
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SeschSstrNund«»!»—SSHr. SpreckP
Hunden der Redaktion: l!—12 Uhr.
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UM «Wl MtZMSA MM U-M MW MUI Lkl.-Adr.: VolkszeiUmgHeirelbera.
HM 8WN Druck u. Verlag der Untcrbadischen
MM WM Ur-M IW» MMMW» Vcrlagsanstall N. m. b. H., Heidel.
MM M WW HWr MWIMM MM AWWWMA berg.Ecschäsrsstcllc:Schrödcrstr.zS.
N KM Mr Tcl.rErpeditionLS7Su.Redak.287S.
liMMitMg W dke VerUUkZesoRMg tzkk A?y!Zbsz!ttk ßelßklSerg, WlkslüS, ölllstzeim. Wingkll, WeröO, MoBalS. VOen, Mklshelm. Norberg, TguSMWMllll ll. Wertheim


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« Heidelberg, 24. April.
Mit der Rede Curzons ist die auswärtige Po-
litik tu ein neues Fahrwasser geraten. Die Rede
bezeugt, wie recht die „Volkszeitung" hatte, ivenn
sie seit Monaten immer wieder den Ruf nach p o -
siitven Vorschlägen erhob, um den Konflikt
aus der Welt zu schassen. Ob sich die Reichsregie-
rung seht endlich dazu entschliesst? Von allen Sei-
ten, sowohl von der Sozialdemokratie wie von der
Deutschen Liberalen Volkspariei, ertönt dar Ruf nach
Aktivität. Es ist setzt, wie der „Sozialdemokratische
-Larlamentsdienst" erklärt, die höchste Zeit, daß
die Reichsregierung auf die Brücke springt, die ihr
gebaut wurde, daß sie der Passiven Politik endlich
Aktivität folgen läßt. Schon längst war die
Notwendigkeit vorhanden, ein Angebot zu machen,
wenn Herrn v. Rosenberg, der isolierte Mann im
Auswärtigen Amt, nicht der Blick für die Bewertung
der innerpolitischen Vorgänge der letzten Tage fehlte.
Nicht allein ans außenpolitischen, nein, auch
aus tnnerpoltNschen Gründen mutz gehan-
delt werden. Man soll doch nicht vergessen, daß der
Abwehrkampf im Ruhrgebiet seinen Höhepunkt
überschritten bat und die Vorkommnisse der
letzten Tage nicht einfach als Experimente kommu-
nistischer Wirrköpse abgetan werden können. Auch
derartige Experimente sind schließlich nur möglich
infolge der vorherrschenden Stimmung. In diesem
Stadium wicht zu handeln, wäre eine Pflicht-
vergessenheit dev Regierung.
Es ist erfreulich, datz wenigstens auch Herr von
Rosenberg jetzt zu erkennen scheint, welche Gefah-
ren Deutschland drohen, wenn die verantwortlichen
Männer weiterhin Politik mit passiverAbwehr glaich-
stellcn. Man sollt« entnehmen, datz die Regierung
durch die Aussprache mit den maßgebenden Instan-
zen der Gewerkschaften ganz besonders dazu aufge-
sordcrt worden wärH nunmehr zu einer aktiven Po-
litik überzugehen.
Die Wünsche Lord Curzons.
London, 22. April. Nachträglich werden aus
der Rede Lord Curzons noch folgende Ausführungen
bekannt: Es kann varnünftigerweise geltend gemacht
werden, datz der erste Schritt von deutscher
Seite kommt. Ich verstehe das Widerstreben der
deutschen Negierung, irgend eine definitive Summe
zu nennen, weil Deutschland vor allen Din gelt sagen
kann, die Bedingungen hätten sich durch die Ereig-
nisse der letzten drei Monate so scharfgeändert,
datz das, was im Januar möglich war, im April
nicht mehr möglich ist. Die deutsche Regierung
sieht sich der Tatsache gegenüber, daß Frankreich aus
die hohen und, wie viele Leute glauben, unmöglichen
Zahlen sich festgelegt hat, die im Mai 1921 fixiert
wurden. Ich vorftehe ferner das Widerstreben jeder
Macht, Vorschläge zu machen, Zahlen zu nennest, die
unmittelbar zurttckgewiesen werden würden. Ich
kann mir nicht helfen, wenn Deutschland ein An-
gebot machen würde, ein Angebot seiner Bereit-
schaft und Absicht zu zahlen und sich di«
Zahlungen durch ordnungsmäßig damit beauftragte
Autoritäten festsetzen zu lassen und wenn es gleich-
zeitig besondere Garantien für fortdauernde Zah-
lungen anbielen würde, so könnte ein Fortschritt
erzielt werde». Frankreich hat mehr als einmal
seine Bereitschaft kundgegebcn, eine solch« Eröffnung
«nigegenz unehmen, einerlei ob sie gegen-
über ihm allein erfolgt (in diesem Fall hat Frank-
reich sich verpflichtet, sie sogleich seinen Alliierten
mitzuteiten) oder ob sie ihm gegenüber in Gemein-
schaft mit seinen Verbündeten gemacht Wird. Es
siegt im allgemeinen Interesse, daß solch eine Eröff-
nung gemacht werde.
Was tut die Reichsregierung?
Berlin, 23. April. Der offizielle Wortlaut der
Rede des englischen Außenministers Lord Curzon ist
erst Montag vormittag in Berlin eingetrosfen und
Unterliegt zur Zett der Nachprüfung der amtlichen
Stellen. Trotz der englischen Mahnungen scheint sich
jedoch di« Reichsregierung immer noch nicht zu einem
klaren Resultat aufraffen zu können. Denn die T.U.
meldet bereits, es sei anzunehmen, datz die Wir-
kungen nicht bereits von beute auf morgen in Er-
scheinung treten werden, weil jeder Schritt selbst-
verständlich sehr vorsichtig auf seine Folgen nach
Een Seiten hin geprüft werden mutz, da Deutschland
den Zusammenhang zwischen deut Reparationspro-
blcm im engeren Sinne und der Sicherung unserer
Grenzen wicht verwischen lassen darf.
Berlin, 23. April. Wie der „Lokalanzeiger"
erfährt, scheint die Regierung nun doch gewillt zu
einem positiven Vor ge he n. Dafür kämen da-
nach rein äußerlich vorläufig drei Wege in Frage:
1. eine Erwiderung des Reichskanzlers Dr.
Cuno und des Außenministers Dr. v. Rosenberg vor
dem Plenum des Reichstags.
2. Eine amtliche Verlautbarung durch
das W.T.B.
3. Eine Kollektivnote am alle Signatar-
mächte des Versailler Vertrags, in der ein fest um -
rissen er Vorschlag enthalten wäre.
Berlin, 24. April. Unser Berliner O-Mttar-
beiter telegraphiert uns: Die -Reichsregierung läßt
leinen Zweifel mehr darüber, datz sie beabsichtigt,

letzt ein« ernsthafte aktive Politik zu treiben, und
gewillt ist, der offiziellen Aufforderung des engli-
schen Außenministers, ein Angebot zu machen, zu
entsprechen. Gegenwärtig werden die ersten Vor-
bereitungen hierzu getroffen.
Berlin, 24. April. (Telegramm der T.U.) In
Parlamentarischen Kreisen rechnet man damit, datz
die Reichsregierung bereits in kürzester Zett Ge-
legetrheit nehmen wird, sich mit den Führern der
Parteien, der Industrie- und Finanzwelt in Ver-
bindung zu setzen, mn mit ihnen im Anschluß an die
Rede Curzons die Lage zu besprechen.
London, 24. April. Der deutsche Botschafter
in London, S1 ahmer ist gestern im Foreign Of-
fice (Auswärtige Amt) empfangen worden.
Französische Reden.
Paris, 23. April. Bei einem Bankett erklärte
der frühere W jeder ausb au m ini ste>r Loucheur,
Deutschland sei darauf ausgegangen, durch Geld-
entwertung sein« Zahlungsfähigkeit herabzusetzcn.
Durch dies« Politik habe sich Deutschland zugrunde
gerichtet und demnächst werde es seinen Bankerott
selbst zugeben müssen. Der Mittelstand habe ganz
besonders darunter zu leiden. Frankreich habe sich
zwischen beiden Klippen gehalten. Seit drei Jahren
sei der Papiergeldumlaus derselbe geblieben.
In einer Rede zu Nantes betonte Vriand die
Notwendigkeit der französischen Einigkeit während
der jetzigen Aktion.
Internationale Lage.
Die Eröffnung der Lausanner
Konferenz.
Lausanne, 23. April. Am heutigen Montag
ist in Lausanne die zweite Orient-Konferenz eröff-
net worden, di« die Fortsetzung der im Februar ab-
gebrochenen Verhandlungen! der Alliierten rntt der
Türkei bildet. Die Delegationen sind bereits ein-
getrosfen.
Wie das Ausland informiert wird.
In Worten Kreisen des deutschen Volkes ist ost
mit Verwunderung fcstgestcllt worden, daß das Aus-
land so wenig Anteilnahme an den Geschicken
Deutschlands nimmt. Von vielen Seiten wurde be-
reits aus die Ursachenwieser Einstellung Hingeiviesen.
U. a. nahm der holländische Gen. Fimmen mehr-
fach Gelegenheit, auszuzeigen, wie das Treiben der
Nationalisten in Deutschland, das sich in nichts un-
terscheidet von dem unter der wilhelminischen Aera,
der Republik alle Sympathien verscherze. Das um
so mehr, als trotz des Umbaues des kaiserlichen in
euren republikaniswen.SIaat nur schwächlich« Ver-
suche gemacht wurden, dem Treiben der Hitlerleute
und der Mordpropaganda der Organisation Conful
entgegenzntreten. Auch die ost widerspruchsvolle
Praxis des Staatsgerichtshofes war wenig
geeignet, das Ansehen Deutschlands im Ausland«
zu festigen. Dazu kommt di« geradezu unverständ-
liche Art der R e ch t s p r e ch u n g, wie sie von durch-
aus monarchistisch eingestellten Richtern im „Namen"
des republikanischen Volkes geübt wird. Wenn aber
einmal von irgendwelchen Stellen ein schärferer Kurs
gegen die naäounlisiischen Bestrebungen eingcschla-
gcn wird, dann sind es gerade die offiziösen
Informationsstellen des Reiches, die
dem Ausland« darüber nichts zu berichten haben.
Das zeigte sich zuletzt bei der Aktion Sev« rings
gegen die Deutschvölkischen in Preußen. Di« Ge-
nossen im Auslände haben sich ost darüber gewun-
dert, wie das offizielle Wolff-Bureau, das er-
hebliche Zuschüsse vom Reich erhält, über diesen Ab-
wehrkampf gegen die deutschen Na'ionalisten nichts
zu berichten weiß, und daß es ferner scheint, als
stände das offiziöse Jnformationsbureau des Reiches
im Dienste der nationalistischen Kreise. Wie
das Ausland über diese Methoden denkt, das charak-
terisiert ein Schreiben, das uns von d«r Redaktion
eines schweizerischen Partciblastes, des Volks-
rechts in Zürich, zngegangen ist, und in dem es
im Hinblick aus den Kampf Severings gegen di«
Deutschvölkischen heißt:
Während das Wolffbureau über jeden mords-
patriotischen und national ist! stven Quark, nrehr ab«r
noch über jede ^Arbeiterbewegung diskreditierende
angebliche oder wirkliche Getcbictne des langen und
breiten mit g rö ß t er Pr o m p l b c i r berichtet, vat
es die S t a a t s st re i ch v o rb e r e i t u n ge n der
deutschen Faszisten verschiedenster Schattierung stets
systematisch totgeschwiegen, alles, was
die Monarchisten kompromittieren könnte, unter-
schlagen. Und was noch eigentümlicher ist: all
das, was die Organ« der deutschen Republik gegen
dieses Gesindel unternehmen, wird vom Wolffbureau
in der Regel ignoriert, wie die Republik
für dieses offiziöse Telegraphenbuveau überhaupt
nicht zu « xistier« n scheint. Von der Rede Sc-
verings und der ihr vorausgehenden neuesten Ent-
hüllung über das Treiben der monarchistiichen
Staatsstreichler hätte das Ausland kein Wort
erfahren, wenn es lediglich auf die Nachrichten des
Wolffburoaus angewiesen wäre, und das trifft ja
für viele Blätter im Auslande zu. Wenn aber Hin-
denburg Geburtstag hat oder «in« Parade ab-
nimmt, oder wenn vom HeldentnAmerongen

etwas Neues berichtet worden kann, das die monar-
chistischen Gefühle stärken soll, dann ist Wolff
sicher prompt zur Stelle.
Ein General für den Völkerbund.
Unter dem Titel „Sicherungen" macht General
a. D. v. Deimling folgende beachtliche Ausfüh-
rungen:
Alle auf bloße Aeutzerlichkeiten gegründete Maß-
nahmen u. auch gegenseitige Abmachungen sind keine
wahren Sicherheiten gegen «inen neuen Krieg. Ge-
gen ih gibt es nur eine zuverlässige und feste Siche-
rung, die in der Seele der Völker ruht, und die heisst:
die Atmosphäre von Hatz mW Mißtrauen, die sich
namentlich infolge der RuHraktion zwischen das
deutsche und französische Volk gelagert hat, mutz
entgiftet werden und mutz allmählich ver-
schwinden. Noch ist cs nicht zu spät. Um dieses
hohe Ziel zu erreichen, mutz Frankreich eine Politik
treiben, die nicht immer nur an sich selbst denkt, son-
dern die auch Deutschland leben läßt und nichts
Unmögliches von ihm fordert. Und aus der an-
deren Seite mutz das deutsche Volk den Geist der
Verständigung und Versöhnung dadurch betätigen,
datz es seine noch in weiten Kreisen herrschende Ab-
neigung geg«n den Völkerbund überwindet und
jetzt seine Aufnahme in denselben beantragt.
In den Artikeln 10 und 11 der Völkerbunds-
satzung ist bestimmt, datz die Bundcsmitglieder sich
verpflichte», die Unversehrtheit des Gebiets und die
politische Unabhängigkeit aller Bundssmitglicder zu
achten und gegen jeden äußeren Angriff zu wahren.
Ferner: daß jeder Krieg und jede Bedrohung mit
Krieg, mag davon unmittelbar ein Vundesmitglied
betroffen werden oder nicht, eine Angelegenheit des
ganzen Bundes ist und datz dieser die zum wirksamen
Schutz des Völkcrfriodens geeigneten Maßnahmen
zu ergreifen hat. In diesen Satzungen liegt die
beste und wirksamste Sicherung sowohl
für Frankreich gegen Deutschland, als auch für
Deutschland gegen Frankreich.
Wenn alber Frankreich so durch Deutschlands Ein-
tritt in den Völkerbund die gewünschte Sicherung
erhält, dann wird «S auch seine schwere Rüstung ab-
legen können, deren Last auf seine Schultern finan-
ziell so stark drückt, daß «s vom Besiegten mehr ver-
langen muß, als dieser zahlen kann.
Je mehr sich die Einsicht durchringt, welch segens-
reiche Aufgabe der Völkerbund gerade im jetzigen
Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland zum
Segen Europas und der ganzen Welt "erfüllen
könnt«, umsomehr wird eS auch gelingen, ihn zu
stärken und seinen Entscheidungen Nachdruck zu ver-
schaffen. Ein starker Völkerbund ist und
bleibt die einzig wirksame Sicherung ge-
gen einen neuen Krieg, der Europa in «inen Aschen-
haufen verwandeln würde.
Ruhr.
Paris, 23. April. Das „Echo de Paris" be-
richtet aus Essen: Gestern früh wurde das Bergwerk
Dahlhausen Tiefbau besetzt, wobei zahl-
reich« Kohlen- und Brikettvorräte gefunden und be-
schlagnahmt wurden. Die Kokereien der Schächte 1,
2, 3 und 4 der Bergwerke Loch-inaen imd
bei Castrop wurden zu derselben Zeit besetzt wie die
Kokereien des Bergwerks Viktoria. Die Vorgefun-
denen Kohlenmengen werden aus 50 000 Tonnen ge-
schätzt. Ebenso könne man 30 000 Tonnen Koks ver-
anschlagen.
Brüssel, 23. April. In wohlunterrichteten
Kreisen verlautet, daß die belgischen Truppen im
Ruhrgebiet verstärkt werden sollen, denn man rechnet
mit der Notwendigkeit, weitere Bergiverke zu be-
setzen!. Zudem soll eine strenge Kontrolle ausgeübt
werden.
Offenburg.
Ortenberg erneut besetzt.
Offenb u rg, 23. April. Di« Franzosen haben
erneut Ortcnberg besetzt, das sie inzwischen wieder
geräumt hasten, zugleich auch sechs kleinere Ort-
schaften im näheren Umkreis von Offenburg. Der
Bahnhof Orienberg, dar Ausgangspunkt der
Schwarzwaldbabn, ist noch unbesetzt. Auch der
Verkehr ist noch nicht gefährdet.
Die besetzten Orte sind: Ortenverg, Schutterwald,
Elgersweier, Rammersweier, Ebersweier, Zell,
Weierbach und Fessenbach.
Weiter wird hierzu berichtet: Am Samstag abend
hat sich eine französische Patrouille von acht Mann
in Elgersweier im letzten Hauic am Westrand des
Dorfes festgesetzt. Es icbeini, datz der Verkehr nach
Freiburg beobachtet werden soll.
Gengenbach, 23. Avril. Vor dem Kehler
Kriegsgericht wurden gestern der Kaufmann Joos
zu sechs, die Kaufleute Ritter und Romer zu je vier
Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie zwei dcui-
fcbcn Mädchen die Zövfe ab geschnitten bat-
ten. da'die Mädchen in Franzosenquartieren ver-
kehrten.
Mannheim.
M a nn h e i m, 23. April. Die Franzosen haben
am Montag früh das aus der Pfalz zugefahrenc
pfälzische Gemüse nicht über di« Brücke
geioIsen. Am Ludwigshafener Brückenaufgang
mutzten di« Händler und Bauern aus der Pfalz ihre

Gemüsekörbe aus den elektrischen Bahnwagen schaf-
fen. Uebov den Grund der neuen Schikane ist noctz
nichts bekannt.
- " ... ..
18 Prozent Reichsbank-
diskont.
Der Dolchstoß der Wirtschaftskrise.
Berlin, 23. April.
Das Direktorium der Reichsbank hat beschlossen,
den Diskontsatz dm Reichsbank von 12 auf 13 Proz.
und den Lombardsatz von 13 aus 19 Prozent zu er-
höhen.
Bei dieser Sitzung des Zentralausschusses der
Reichsbank verbreitete sich Relchsbankprästdent Ha-
be n st e i u über eine Reihe finanzpolitischer Fragen^
wobei er vor allem auf die neuen gewaltigen Air-
sprüche an Krediten und Zahlungsmitteln hinwies.
Di« Reichsbank hat sich nach wie vor bemüht, die
Kredite auf das größtmögliche einzuschränken, was
«in Gebot der Notwendigkeit war, wenn die Jnter-
ventionstStigkeit zur Stützung des Markkurses von
Dauer und Erfolg sein sollte. Mn den Preisabbau
nicht zu stören, haben wir bisher von einer wetteren
Erhöhung des Diskonts abgesehen, obgleich die Ge-
staltung der Geldmarktlage ein« solche an sich schon
längst gerechtfertigt hätte.
Nunmehr ist aber der Zeitpunkt gekommen, dies«
Zurückhaltung aufz »geben. Gleichzeitig
ist es geboten, di« Erhöhung in einem Ausmaße vor-
zunehmen, das stark über die bisherige Uebung hin-
ausgeht. Wir müssen, um den Ruhrkampf noch
lange mit Erfolg weiterführen zu können, auch wei-
terhin positive Finanzmatznahmen treffen. DK
S tü tz u n g s a ktio n ist ein sehr wesentlicher Teil
des Abwehrkampfes und es ist notwendig, datz
unser Volk und vor allem alle Kreise der deutschen
Wirtschaft das auch voll erfassen und danach han-
deln. Dabei muß ich leider erklären, daß di« Auf-
legung d. Goldschatzanweisungsanleihe,
deren Bedeutung allen Wirtschaftskreisen klar ge-
macht worden war, den Erwartungen, die daran ge-
knüpft werden durften, nicht entsprochen hat. Dazu
kam noch die Tagesspekulation, die unbekümmert
um das Wohl des Ganzen durch Vorverkäufen di«
Stützungsaktion erschwerte.
Vor allem haben wir mit fiesem Bedauern und
ernster Sorge w ah «nehmen müssen, daß nicht nur
jene Tagesspekulation ihren eigenen Acker Pflügt«,
sondern daß in diessr Zeit des schwersten Ringens
Deutschlands mich
ernste Kreise unserer Wirtschaft
das Recht zu haben glaube:«, sich auch weiterhin auf
Vorrat oder für Devisen einzudecken. Dies heißt,
wenn auch nicht absichtlich, so doch tatsächlich der
großen gemeinsamen Kampffront in den Rücke»
fallen. Dor Kampf erfordert gebieterisch, daß
die notwendigen Devisen herausgegeben und in den
Dienst des Abwehrkampfes gestellt iverden, was für
die Besitzen umso leichter ist, als die Goldfchatzan- "
Weisungen auch wei'erhin gegen Devisen erworben
werden können. Notwendigenfalls würden wir wei-
terhin dem Interesse des Ganzen zuwidorlaufende»
Betätigung des Sonderinteresses mit den schärfsten
Mit-eln ohne Ansehen der Person oder der Firma
entgegentreKn. Die starke Erhöhung des Reichs-
bankdiskontes wird zu «ineP notwendigen Maß-
nahme. Zu den vorhandenen Hemmungen kommt
noch ein zweites, nämlich der trotz aller Restruktion
stark zunehmende Bestand der Reichsbank an Wech-
seln und die noch gewaltiger zu geradezu phantasti-
schen Ziffern hochwachsende Zunahme der schwe-
benden Schuld. Aus all diesen Gründen müs-
sen wir den ReichsbankdiSkont von 12 auf 18 Proz.
hinaussetzen.

Reichstag.
Berlin, 24. April.
Der Reichstag nahm debattelos das Gesetz übet
die Anpassung der Geldstrafen an die Geldentwer-
tung an. Der Gesetzentwurf, di« Bier steuer zu ver-
hundertfachen und den Eintritt der Länder Bayern^
Baden und Württemberg in die Biersteuergemein-
schaft zu regeln, wurde dem Steuerausschuß über-
wiesen.
Etat des Reichswirtschaflsministrriums.
Abg. Kniest (Dem.) betont die Bereitschaft, für
die Markstabilisierung einzutreten, und kritisiert die
Holzpreise der Länder.
Abg. Reicheri (D.N.) nimmt den Reichsver-
band der Deutschen Industrie gegen den Vorwurf
in Schutz, datz er die Markstabifisterung erschwer«.
Abg. Remmel« (Komm.) beschuldigt« die
Ruhrhilfe der mißbräuchlichen Verwendung der Gel-
der und griff den Vertrag zwischen der Anilinfabrik
und der französischen Regierung an.
Reichswirtschaftsminister Dr. Becker erklärte,
er habe sich bei den Ländern um Verbilligung des
Holzes bemüht. Sebr vorsichtig äußerte sich der Mi-
nister zur Devisenpolitik. Durch die neuen Maß-
nahmen sei die Spekulation wieder abgeschivächt
worden. Die Regierung werd« nach wie vor diel
Spekulation ausschatten. Die Ausfuhrabgabe wurde
bei der Preisbildung keine so erhebliche Rolle spie-
 
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