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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 21 - Nr. 30 (25. Januar - 5. Februar)
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ö. Jahrgang

Heidelberg, Samrtag, den 3. Februar 1923

Nr. 29

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Bei Wtederholuu- Bertaasauftalt S. m. v. H., Heidel«
^"Nachlasin.Taris.Webeimmtttel- d 'WM' M AM 'MzM «ööe MDW WMWMM berg.lScschäftsstellc: Lchröderstr.3».
""icige» finden keine Aufnahme. W» Tel..'lkrpedittonS87S n. Redak.Mk
rlrges-ZettLW für -le werkMeMMmW -er AmksSezktte ßeldel-ekg, MM. Sinsheim. Wime«. Verba-. Mosbach, Men. AveWlrn. Zorberg, ranberbischassbeim u. Wertheim

WWW UlkMNW.

zr. Heidelberg, 3. Februar.

. Max Nord au, der jüngst verstorbene Schrift-
lieber und Gesellschaslskritiker, bat in einem seiner
Romane („Entartung") den Helden gewissermaßen
Ns ciuzige Hlnrerlasscuschaft seines früh vollendete»
Gebens ein Buch schreiben lassen mit dem ungefähren
-rilet „Die Geschickte der menschlichen Dummheiten",
>!a-i'>vn,i Nordau selbst in seinem bekannten großen
Hauptwerk „Die konventtouellcn Lügen der Kuttur-
il" einige dieser menschlichen Torheiten in
bsbchologischer Weise mit der ganzen Fülle seines
«henden Spottes übergossen hatte. Und neulich
wieder hat ein verdienter Pariser Gelehrter, Charles
R ichet, in einem Büchlein „Der Mensch ist dumm"
den Versuch unternommen, gewissermaßen nach
Naturwissenschaftlicher Methode den Nachweis für
die Richtigkeit des Buchtitels zu erbringen. Beide
Schriftsteller haben wahrlich mit ihren Werken nickt
w sehr daneben gegriffen. Di« Gegenwart wenig-
stens gibt ihnen — wenn man nickt statt dumm
schlecht sagen will — nur zu recht.
Denn was wir in Europa und in fast jedem
einzelnen seiner Länder leit einem Jahrzehnt er-
leben, bedeutet geradezu eine Hypertrophie der
Menschlichen Dummheit. Angcfangen mit den Eu-
ropa zu einem waftenstarrenden Lager machenden
Rüstungen der Vorkriegszeit (um nur dieses Teil-
gebiet menschlicher Verirrung herauszuuehmen), die
back BebclS richtiger Beurteilung eines Tages
ftlieu Krieg mechanisch Hervorrufen mutzten, über
die verhängnisvolle Augustwocke des Jahres 1914,
das Meer von Blut der 4N Kriegsjabre, die Frie-
dcnsverhandluugen hinweg bis zur furchtbar tristen.
Gegenwart scheint all unser Erdendasein nichts als
eine Stgilatur smtüologischer Verirrung, für die
Weder gefühlsmäßige Kommentare noch verstandes-
wätzige Milderungsmnstände zur Seile stehen. Als
W den blutigen Zeiten der kriegerischen Hochflut ge-
sunder Verstand sich gegen den Wahnsiiui aufbäumen
wollte, da wurde wie lnit Engelszungen von Lon-
don und Paris, von Berlin und Konstantinopel ver-
bindet: Nur diese Probe gelte cs noch zu bestehen;
den« mit der Elttsckeidung sei „d e r l e tz l e K r i e g"
gelchtügtn, Di« .Friedensverbanwupgen, die dann
allerdings nicht, wie Wilson dachte, gleichartige
Partner („weder Sieger noch Besiegte") als Vis
i» Vis brachte», ließen allerdings bereits erkennen,
daß von diesem Trostwort „Der letzte Krieg" wenig
wehr übrig geblieben war. Und heute, lft Jaürc
»ach Beendigung des grausigste» Mordens der
Weltgeschichte, gleicht Europa einem flammenden
Pulverfaß, das jeden Tag losgehen könnte und
würde — wen» nickt der Versailler Friede in Nus-
btitzmrg der Siegennacht die Ladungömöglichkciteu
einer Seite auLgeschaltet hätte. Also Friede nicht
etwa aus Wille zum Frieden, sondern erzwungen
durch die Gewalt eines brutalen Siegers, der selbst
wieder mit kriegerische» Mitteln seine ganze Gewalt
dem Besiegten auf',»zwingen sucht, ohne daß auck
st»r eine Hand der verantwortlichen europäischen
Staatsmänner sich regt, den Wahnsinn zu dämmen.
Wabrlicv: der Mensch ist dumm.
rkr

Es wäre eine verdienstvolle Ausgabe unserer sonst

w rührigen Kultur- und Staatshistoriker, einmal an
Hand der Geschichte nachzuweisen, daß der Zerfall
bloßer Staaten weniger das Resultat des Wirkens
staatSnegierender Elemente war, als vielmehr das
Ergebnis der Ueberspannung des Macktwillens sci-
st»s der sich in den Vordergrund drängenden an-
llehlichen Träger des nationalen Gedankens. Es
stad noch wenige Staaten zugrunde gegangen, die
sttr nationale Idee auf de» engen Raum ihres eige-
sten staatlichen Seins konzentrierten; es sind jedoch
ster Reihe nach all die nrächtig scheinenden Sraats-
ßebildc verschwunden, die in expa»fierendem Drang
w den Besitz weltbeberrschender Macht gelangt zu
wt» glaubten. Die kleine innerlich sauifterte Schweiz
stat, wenn auck unter Krisen, alle Stürme bestanden.
Perschwnnden ist jedoch das Weltreich der Römer
Geich dem folgenden Karolingerrcich, rasch verweht
war die Weltmacht des spanischen Karl gleich der-
wntgen seines schwedischen Namensvetters. Nock
Empire des großen Korsen hätte belehren kön-
sten, daß Ueberspannun übernationalen
^dee letzten Eickes immer Untergang bedeu-
wn muß.

Aber das Deutschland der Jahrhundert-
wende war ausgewachsen in dein nationalen Sieges-
wusch Bisntarckschcr Machtfüllc, ohne zu berücksich-
stgen, daß hinter den siegreichen Truppe» auch wobl-
Gstmue Freindstaatel» standen, wodurch in gefähr-
licher Verkennung der Wirklichkeit aller Glaube auf
"»hl und Kraft der schußserligen Gewehre gerichtet
var — ein Machtrausch, geworden aus Ueberspan-
mulg d<,z ,rationale» Glaubens, der dann mit der
Wachsenden Zahl der aufständischen Feindländer
«tnier sarkastischer ack absuräum geführt wurde, bis
dann im Jahre 1918 zerschmettert am Boden lag.
.wich unbelehrbar jedoch auch Frankreich, das
Verkennung völkischer Gesetzmäßigkeiten meint,
"rch Drangsalierung u>rd Knüppeln»»«, ja sogar
Absperrung und Zerreißung organischer Volks-
stst^tteii sich stcherir zu köimen gegen Wechselfälle
. dorischer Entwicklung, als ob das Leben der Völ-
(Wh regeln ließe nach dein Paradigma eines
"iheniattkers der Sorbonne und als ob nicht ge-

lungen, die der verlorene Krieg brachte, den repu-
blikanischen Regierungen in die Schuhe geschoben.
Trotzdem ging — wenn auch nur tieferer Beobach-
tung erkenntlich — der Karren wieder leicht nach
vorwärts, Bessere Zeiten zu schaffen, das
war allerdings umnöglich, mutzte viele, viele
Jahre beanspruchen. Grund genug für die Reak-
tion hier einzuhacken, mit dem schwersten Geschütz
Plattester Demagogie die republikanischen Regierun-
gen zu verdächtigen. Rasch zeigten sich die Früchte
der infanren Hetze- gegen die Republik in der Ermor-
dung ihrer fähigsten Männer: Mil dem katholischen
Erzberger wurde der Mann beseitigt, der für
die Konzenftiernng des deutschen üinheitsgedaiikens
mehr getan hafte als in Normalzeiten ein Jahrzehnt
leisten konnte — dies »nacht« jedoch nichts; er mußte
beseitigt werden, nachdem der geschäftlich gerissene
Politiker auf Grund seiner weitverzweigten Ver-
bindungen erkannt hatte, welche Gefahr die nationa-
listische Bewegung, die letzten Endes die Ursache
seines schwere» Ganges nach Compiegne gewesen
ivar, dem deutschen Volke bedeutete. Mit Walter
Rat Henau wurde der geistig Hervorragendste
Kops des modernen Deutschland ermordet, der gleich-
zeitig der bedeulendste deutsche Autzenpoliiiker seit
Bismarck gewesen — dies machte jedoch nichts; er
mußte uin die Ecke geschafft werden, da er ein Jude
war: Und der Jude wird verbrannt. Es gelang
Rathenau nickt nur der Rapallovertrag, sondern er
fand in Genua auch den'Weg vom Diktat zur Vcr
Handlung — macht nichts, der Jude wird verbrannt.
Und Las Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Der Verlust Ratbenaus lähmt de» stets bedrohten
Kanzler Dr. Wirth dermaßen, daß die Rechte mit
Forderungen naht, die unterstützt durch parlame-n-

radc der Aktion des gewaltsamen „Sicherns" die
Reaklion des Entsicherns, der Ueberspannung des
französischen Machtwillens die Aufhebung der Um-
liegevölkcr folgen müßte. So einfach und begreiflich
dies sowohl für Deutschland wie für Frankreich: die
Geschickte scheint nun einmal da zu sein, an der
Ueberspannung des nationalen Gedankens die Ra-
tionen zugrunde zu richten.

Als urit den» mililürischcn, wirtschaftlichen uns
politischen Zusammenbruch Deutschlands und dem
Bankerott seiner Verbündeten der Weltkrieg mit
einer völlig vernichtenden Niederlage für Deutsch-
land endete, da war sich jedermann darüber klar,
daß der Wiederaufbau unermüdlich« Ge-
duld und endlose Zeit kosten würde. Eine Welt
von Feinden, eine zusammengebroclrene Staatsorga-
nisation, eirre zertjftmnerte Wirtschaft, eine weit-
gehende Morallosigkeit, ei» verhungertes Volk und
die zahlreiche» Verpflichtungen a» die ehemaligen
Feinde: das ivar die Hinterlassenschaft des hoben-
zollernfche» Deutschland. Eine H e r ku l e s a r b e it
fürwahr! Jeder vorurteilsfreie Beurteiler »nutzte
sich sagen, daß hierzu eine Generativ»» ihre
ganze Kraft in freudiger Hingabe dem
Staate schenken mußte. Leider blieb diese Forde-
rung meist nur Wunsch. Allznrascy setzte in weiter»
Kreisen Nörgelet und Selbstsucht, Negation und Ge-
hässigkeit ein. Einer schielte auf den andere», Neid
und Wucher setzte ein. Die Errungenschaften der
Revolution wurden den Arbeitern mißgönnt, Slener-
drückerei wurde den Besitzenden eine Selbstverständ-
lichkeit, der Achtstundentag wurde unterminiert, die
Republik gelästert, die schwere,» Erfüllungsverpflich-

Die Kohlensperre.
Oberprästdent Fuchs verhaftet.

Die Mauer geschlossen.
Essen, 2. Febr. Die Mauer nm das Ruhr-
gebiet ist ft» der Nacht zu heute vichigesch»ess «
worden, namentlich die K o h l c n blo Sad e ist
efsekttv durchgrführ«. Alle Nebenlinie«, auf
denen gestern noch einige 190 Waggons »»ach dem
unbesetzten Deutschland durchschlüpfen konnten, sind
heute gesperrt. Einer der Züge, der in voller
Fahrt die Kette durchbrechen wollte, wurde be-
schösse»», rbcnso sind die Straßen gesperrt.
All« Fuhrwerke mit Kohlen werden festgehallen.
Die Eisenbahner wollen auf jede»» Fall ver-
meiden, ihren Dienst zu verlassen, wodurch
den Franzosen freie Hand gegeben wäre. Sie
nehmen aber k«ine französischen Befehle
entgegen und versuche» nach Möglichkeit, den deut-
sche»» Verkehr anfrecht zu erhalten. Die
Franzose»» beginnen, sich für eigene Rech-
nung und mit eigenem Material einzu-
richten. Sie haben Telephondrähte gezo-
gen und französische Eisenbahniruppei» versuchen,
die Weichei» wieder in Ordnung zu bringen. Im
gesamten Kohlenrevier stehen heute 29 090 bela-
dene Kohlenwagen, die zirka 200 Kilometer
Gleise versperren. Dadurch wird der Babnverkehr
allmählich vollkommen verstopft.
Essen. 3. Febr. (Letztes TNegr.) General
Degoutte hat über den Bahnvrrkeyr »rack dem
«»»besetzten Deutschland einen vorn 1 Februar ab
geltenden Befehl erlassen, nach den« Personen-
und Gkterzüge, die weder Kohlen noch KokS erhal-
ten, wie früher verkehren dürfe«. Güwrzüge. die
auch nur einen einzigen Wage»» »nit Kohle oder Koks
oder nur ei in» leere» Selbstentlader enthielte»»,
werden beim Uebergang ins »mbcsetzto Gebiet abge-
nommen und ins Ruhrgebiet zurückbeförderl.
Essen, 2. Febr. Die ganz- Kommando-
gewalt in» Rnhrgebiet liegt jetzt in den
Händen des Generals Degoutte, dem sämttiche
französischen und belgische»» Behörde» an der Ruhr
unterstellt ivorde» sind.
Die Franzosen kündigen an, daß noch heute
Vohwinkel von einen» Bataillon Infanterie und
einer Schwadron Kavallerie besetzt wird. Voh-
winkel ist der Knotenpunkt der Verkehrswege
über Elberfeld,
Verhaftung der Oberpräfidente«
der Rheinprovinz.
Koblenz, 4. Februar. Gestern nachmittag gegen
S Uhr wurde der Oberprästdent der Rheinprovinz
Fuchs unter dem Vorwand einer Unterredung zu
dem Vorsitzenden der Rheinlandkommisfion Tirard
geladen. Nach kurzer Dauer der Unterredung
wurde Oberprästdent Fuchs nach dem Verlassen deS
Gebäudes an dem Besteige»» seines AntoS gehindert,
in eii» bereftstehendes französisches Auto gedrängt
und entführ«. Das Auto soll sich unterwegs »ach
Frankfurt befinden.

Koblenz, 2. Fsbr. Die interalliierte Rhei »»-
landko m m ission hat gestern eine Reihe neuer
Ausweisungen verfügt; darunter lu-sinden sich
RegierungSrat Liese Wiesbaden, Rcgierungsassesior
Göbel-WieSbadcn, Forstmeister Follers-Siegburg,
Beigeordneter Beisicger-Trier, Zollsekretär Kirst-
Oberkaffel, Forstmeister Schmidt-Xanten und Zoll-
inspektor Spraneck-Aacken.
Eine neue Bluttat.
Essen, 2. Febr. In Br echt en bei Esse»
Wurde in der letzte,» Nacht der Bergmann Han-
ni a i» n vor» einem französischen Poste», erschos-
sen. Die Besatzungsbeüörde erklärt, daß sich Hau-
marm nach Art eines Betrunkenen cm den Posten
herangemacht und dieser nach zweinurligcm erfolg-
losem Anruf geschossen habe. Mehrere Augen-
zen g e n bekunden dagegen, daß Haunrann, der erst
kurz vorher von seiner Wohnung fortgegangen war,
durchaus nüchtern gewesen sei. Mehrer« in der
Räbe befindliche Personen bade»» auch von einem
A n r n f durch den Posten nichts gehört.
Cuno gegen ein Nachgeben,
Berlin. 2. Febr. Zu eine,» Interview er-
klärte Reichskanzler Cuno: Die Einfachheit un-
serer Politik ergibt sich aus der einfachen Tatsache,
daß die schlimmsten Folgen der Besetzung
nutzt schlimmer sein köimen als die Folgen des
Nachgebens. Deswegen ist unserem Volke auch
ko völlig klar, daß wir'diesen Kampf btszuEnde
durch halten müssen, d. b., bis zu jenem Punkt,
wo es unserer passiven Resistenz gelungen sein
wird, die Gewalt ad absurdum zu führen. Unsere
Verantwortung schreibt »ms das größte Maß von
Besonnenheit vor. Wir werden niemand heraus
fordern; wir werden aber auch Herr»» PoincarS
nicht di« goldene Brücke eines Scheinsieges
bauen dürfen, weil sonst der ganze Kampf der Ar-
beiter mW Unternehmer im Ruhrgebiet und die Lei-
den unserer pflichtgetreuen Beamten umsonst gewe-
sen wären, weil cs notwendig ist, die Ungang-
bar k e i t des von Herrn Poincare eingeschlagenen
Weges ein für allemal nachzuweisen. Ucber
die Möglichkeit, von Verhandlungen zu re-
den, ist gegenwärtig noch nichtZeit.
Breitscheid reist nach England.
Berlin. 3. Febr. (Telegramm unseres Mit-
arbeiters) Die Parteien der sozialistischen Inter-
nationale sind eifrig bemüht, während der gespann-
te« außenpolitische« Lage in möglichst enger Füh-
lung zu bleiben und etwaige VcrhandlungöMöglich-
keiten zwischen Deutschland und Frankreich auSzu-
Mttzen. Nachdem der sozialistische englische Abge-
ordnete Burton sich vor einigen Tagen in Berlin
aufgehalte« und mit Politikern verschiedener Rich-
tungan Rücksprache genommen hat, reift jetzt Genosse
Br eit scheid nach England
Das Personal der holländische« Eisenbahn hat
den Betrag von H090 Gulden, eftva 120 Millionen
Mark für die Kinder deutscher Eisenbahnangestellteri
gesammelt.

»arische " 'ss.nmanövcr bald der» Sturz des Koa-
ttttonskabinc-ls Wirth (Zenrrum, Sozialdemokraten,
Demokrareii) bereiten. Die große Stunde der
Deut sch e n L »beraten Volksvar t-ei naht.
Lange augMndigl und vorbereitet, ist der histo-
rische Augenblick gekommen. Die Herrschaft der
„Mittelmäßigkeiten" ist vorüber. „Große Manner"
treten i vor das Forum der deutschen Geschichte,
je »re M inner, die Wie die volksparteiliche Presse
»äglich .-klärt, von Frankreich, Amerika und Eng-
land als würdige Verhandlungspartner angesehen
werden, was voll den sozialdemokratischen Poli-
tikern »icb! gelten würde. Die „Fachinänner" der
Deutschen Liberalen Volksparte», die die stille Shm-
pachie her Dcutscknakionalen besitzen, werden „groß-
zügige Aufbauvoliük" machen. Denn cs sind ja
sebrg - schei 1 e M » nner, die in» „Kabinett
derArbcit" sitzen. Herr Generaldirektor Cuno
von der Hapag, Herr Dr. Becker, der volkspariei-
liche Generaldirektor, Herr Dr. Her m e s, der viel-
gcnanute'Finanzlcr und Widerpari Wirchs in der
Jentrnmspartei.
Wir sehen nun die sehr gescheiten Männer des
„Kabinetts der Arbeit", die nach Behauptung der
volksparieilicben Presse Mr die Entente wahrhaft
verbandl'MgSfäbige Kontrahenten sind, seit 214 Mo-
naten am Werk. Liegt ein Ergebnis vor? Eines-
bestimmt: Was bisher an E r f ü l l u n g s p o l t t t t
geleistet wurde, liegt zerschmettert am Boden.
Sicherlich eine Leistung; den» Herr Cuno ist eilt
sehr gescheiter Manu. Aber Herr Poincarö steift
mit seinen Truppen im Ruhrgebiet! Macht nichts,
denn wir leisten ja Abwehr und Cuno führt das
Steuerruder mit fester Hand. Ebensosehr auch eins
Leistling, daß unter der Aegide des voftsparteilicke«
WirtschaftsministerS Dr. Becker die Aktienkurse
kine schUftndelhaste Höbe erreich» haben, denn Herr
Dr. Becker ist ein sebr gescheiter Mann. DaS
Volk ist zwar am Verhungern,- die Preise für Brot,
Fett, Fleisch und Gemüse sind unerschwinglich,
macht jedoch nichts, dem» der Herr ReickswtrtsckaftS-
Minister Dr. Becker, Generaldirektor z. D., ist ja
Fachmann. Nicht minder ist cs eins Leistung, daß
der Dollar von. 7000 bis 9009 in: November auf
19 009 bis 00000 Ende Januar geklettert ist. Macht
nichts; die Lohnempfänger zahlen ja 80 Prozent der
gesamten Einkommciisteuer und der Reichsslnam
MinisterKDr. H c r m e s ist ein sehr gescheiter Maim.
Es find ja überbauw kekr gescheite Männer, die in
Deutschland seit dem Austrftr der Sozialdemokrasie
aus der Reichsregiernng äm Ruder siud. Dem»
warum ist cs auf einmal in der rechrsstehenlen
Presse so ruhig rind sind alle oppositionell n
Stimmen verstummt? Jft's nickt eine Lust z '
leben?
*
Das deutsche Volk ist sich in allen seine»
Schichten einig in der Venirttiiung des kuitur»
widrige», vöskerrccktsverletzenden Gewaltstreicks
Poinearös und der größte Teil der gesitteten Mensch-
bcjj »eilt diese Auffassung. Die Abwehr der
französischen Vergewaltigung findet daher ein einige-
geschlossenes Volksganz cs, wobei die Nubr-
arbeiterschaft Inder vordersten Linie des Ge-
jechtes sicht. Die Arbeiterschaft des Ruhrreviers und
nach ibr die stark in Mitleidenschaft gezogene Arbei-
terschaft des übrigen Deutschland ist es daher, di-
daS Hauptgewicht des barten Abwebrtampfcs tragen
mutz. Ibr gebühren daher die Ruhmestitel, die
bürgerliche Blätter, mit zentnerweiscu Wcibvauck be
streut, den Generaldirektoren dcr Rubriudustrie bei-
legen. Wen»» die Abwehr der französischen Gewalt-
pläne gelingt, so dürfen die Rubrarbeiter aller
Schattierungen, ob Bergarbeiter, Eisenbahner oder
sonstiger Branchen den Titel „Retter des Bä-
te r l a n d e s" siir sich in Anspruch nehmen. Schlich
icn Sinnes, wie die Arbeiterschaft ist, lehnt sie jedoch
Lorbeeren ab, ebenso wie sie es wett von sich weist
in die nationalistischen Kriegssckalmeien behäbiger
Stammtifchphiiister zu blasen. Was die Rubrar-
Sciierschaft und die Arbeiterschaft des ganze»»
Deutschland will, das ist Bro« und Freiheit,
die ihnen die Kraft zur Arbeit gibt. Diese Ziele im
Auge zu behalten, muß höchste Ausgabe dcr R c ich S
regierung sein. Das Reichskabinett würde sich
tn gefährliche Jll» ff tonen wiegen, wenn
es die Durckbattereden satter Heimkrugcr als
Unterlage von Deutschlands Widerstandskraft neh-
men würde. Will die Reichsregierung einen rickttgen
Maßstab von Deutschlands Stärke und Willen er-
>,ulten, daun muß sie die Stimmung der Arbeiter-
schaft zu erlauschen suchen, die ernst, sehr ernst ist.
Ablehnung einer Vergewaltigung Deutschlands durch
Poincars, starke Sehnsucht uack friedlicher Verstän
digung ist das Extrakt dcS Gefühls der Massen des
werktätigen Volkes. Die Führung des Reiches litt
deshalb aus daran, wenn sie neben dcr Abwehr dcr
französischen Gewaftpläue ebensosehr die Möglich-
keiten der Verständigung im Äuge behält. Denn wie
Georg Bernhard vor einigen Tagen in der
„Voss. Zig." meinte, so wertvoll auck) die Abwehr-
maßnahmen sind — sie reichen wohl kaum ans, das
französische Militär aus dem Rnhrgebiet herauszu-
bekominen. Hierzu sind nock andere Mittel nötig-
tftlM Wohle und zur Rettung des Laiches ist cs da-
her erforderlich, daß dem nationale,» Geist der deut-
schen Arbeitermassen eine von Friedenswillen gelei-
tete diplomatisckx Führung des Reiches zur set"
itcvc, aus daß der wachgerufene Ubwebrwwen der
Arbeiterschaft auch von positivem Erfolg gckiom
seil
 
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