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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 11 - Nr. 20 (13. Januar - 24. Januar)
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5. Jahrgang

Heidelberg, Montag, den 22. Januar 1923

Nr. 18

WkiMtzrvrels: Monatlich einschlletzl,
Trügerlohn Mk. lUX>.—. Anzeigkn-
torise: Die einspaltige Petit,eile
oder deren Raum (36 mm breit)
Mt.m.—. Rcllamean,eigen(74min
kreü)Mk. IM.—. Bei Wiederholun»
Ven R achlaß n. Tarif. Eeheimmittel-
vNjeigeu finden leine Aufnahme.

WMWM WZ «efchäftsftundenS-« Uhr. Sprech.
WM MW WM MW MI stunden der Redaktion: II-1S Uhr.
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Vcrlagsanstalt lS. m. b. H., Heidel«
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U UM MM Del.:Lrpedition2873u.Redak.2S7S.
rWkS-ZeUng sör die VkttMgkVevöHeWg der MtzSkZitte ZkideKerg, MM, Slvztzelm, Epviügev, VerßO, MosSach, VWen, MelZ^W, DsSerg, TaOerSWolsZküll A. DrWA



ZMV VÄM MV!KWkI.
Tie Verhaftung ThrzsseuZ. — Eine Weitere Bluttat.
Deutsche Proteste. — Streiks.

Heidelberg, 21. Januar.
Aus allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens
zeigen sich bereits deutlich die verheerenden
Folgen der Besetzung des Ruhrreviers.
Die Kohlenlieserungen nach dem unbesetzten Deutsch-
land sind bisher ungefähr im gewohnten Umfange
erfolgt, dürften aber in Anbetracht der jetzt ver-
schärften Situation und der vier und da bereits ver-
fügten Requisition sehr bald erheblich Nachlassen, zu-
mal ja seit dem Einmärsche der Franzosen und
Belgier die Kohlenförderung des Ruhrrevicrs über-
haupt um 20 Prozent zurückgegangen ist.
Ganz Deutschland ist von der Gefahr einer sehr
ausgedehnten Arbeitslosigkeit bedroht. Diese
würde geradezu katastrophale Wirkungen haben, da
sie zeitlich zusammensällt mit einer bisher noch nie
gekannten sprunghaften Steigerung aller Lebens-
Nlittelpreise. Alle Teuerungswellen, die bisher über
uns hinweggegangen sind, waren im Vergleich zu
der jetzigen Tcuerungshochslut wirklich un-
bedeutend. Der Dollar steigt täglich um Tausende
bon Mark und reiht das gesamte Preisniveau mit
Nach oben. Dieser rapide Währungsverfall stellt uns
Unmittelbar vor die Gefahr des Hungers. Die
Einfuhr von Lebensmitteln nach Deutschland ist schon
vom Standpunkte unseres eigenen Jmporthandels
aus bet den jetzigen Devisenkursen mit einem so
Stotzen Risiko verbunden, daß dazu die Kapitalkrast
Unserer Wirtschaft als viel zu klein erscheint. Noch
Ungünstiger stellt sich die Frage der Versorgung
Deutschlands mit Lebensmitteln und
Rohstoffen vom Standpunkte des ausländischen
Großhandels aus dar. Es ist bekannt, daß die
führenden Wtrtschastskretse Englands und der Ver-
einigten Staaten schon vor der Ruhrbesetzung in
Geschäften mit Deutschland immer eine starke Aengst-
lichkeit bekundeten. Für diese Kreis« war Berlin
zweites Moskau, sie fürchteten schon immer, an
Ven Geschäften mit Deutschland unter den obwalten-
den Umständen einmal Verluste zu erleiden.
Dte Rnhrbesetznng und der damit verbundene
Kurssturz der Mark haben auch dem Kredit der
deutschen Industrie und unseres Einftchr-
handels im Auslände einen schweren Schlag
versetzt. Der Amerikaner, der die Vorgänge in
Deutschland nur an der Hand sensationell ausge-
wachter Zcitungsmeldungen verfolgt, ist überzeugt
davon, datz in Mitteleuropa schon ein vollständiges
Ehaos herrscht. Er exportiert seine Waren deshalb
vorläufig noch eher nach Mexiko oder China, als
Vach dem europäischen Kontinent. Wir stehen also
W allem Unglück wieder vor einer Art Blockade.
Tie Stockungen in der Warenznsuhr wirken natür-
lich im Zusammenhang« mit der Markentwertung
Sanz besonders stark preissteigernd. Dte deutsche
Grotzhandels-Jndexzisfer ist bereits vom 5. bis zum
ist Januar dieses Jahres um 27,6 Prozent gestiegen,
das Preisniveau der Lebensmittel allein hat sich um
28,9 Prozent erhöht. Den breiten Volksschichten
kommt neben der Verteuerung der Lebensmittel
vor allein die Erhöhung der Preise für Kohle,
Koks, Gas und die erneute Heraufsetzung der Güter-
karise in dieser schweren Zeit wie ein furchtbarer
Schlag. Geht es nur wenige Wochen noch in diesem
Tempo weiter, so gehen wir in wirtschaftlicher Be-
ö'ehung tatsächlich österreichischen und sogar
Russischen Zuständen entgegen. Die Folgen
kvr unser politisches und soziales Leben sind unab-
febvar.
Während sich so di« Wirtschaftslage einer Kata-
stro-pbe nähert, spitz« sich die Lage im Ruhr-
Se biet immer mehr zu. Nach mißglückten Ver-
kwndluttgen, Verhandlungsversuchen und ebenso-
wenig erfolgreichen Maßnahmen geht man nun zum
zweiten Teil des Program in s über: inan
uhreitet zur Tat. Die staatlichenGruben sind
esetzt, die ersten Verhaftungen vonWirt-
chaftsfiihrern sind erfolgt, auch der Grotz-
Wdustrielle Thyssen, der nach außen hin den
widerstand der Industriellen repräsentierte, wenn
auch noch keineswegs die einzige Seele des Wider-
uandxs ist, befindet sich unter den Betroffenen. Die
Bevölkerung erträgt die Gewalttaten nicht stillschwei-
üend. Sie läßt sich das Recht nicht nehmen, zu zei-
»iw, wie sie über das Treiben des französischen Mi-
ilö.rstiefels denkt. Man wird sehen, was die
Arbeiterschaft im Ruhrgebiet über die
Eiedllchen" Methoden des Herrn Polncare denkt,
ie wird deutlich bekunden, datz sie sich nicht zum
handlanger des Herrn Poinoare macht.
. In dieser Ablehnung der französischen Ge-
waltstreichs ist sich das deutsche Volk und die Regie-
Ung einig. Welche Haltung Die Regierung
.Uno angesichts der jetzigen Sachlage einnimmt,
.^Vt aus den Aeußerungen hervor, die der Kanzler
. einem Interview einem englischen Journalisten
achte, wobei er zum Schluß erklärte, die Regierung
ome nach wie vor den Standpunkt ein,
Kia seiner Retchstagsredc festgelegt habe. Der
ledensvertrag fei verletzt und wir würden
tt fahr en, unsere Pflichten gegenüber den

Stgnatarmächten zu erfüllen, die sich an
der Vertragsverletzung nicht beteiligt haben.
„Die Grubenbesitzer und Arbeiter des
Ruhrgebiets werden gegenüber den Drohungen deS
französischen Militarismus standhal 1 en, indem
sie sich weigern, Frankreich und Belgien mit Kohle
zu versorgen. Sie leisten einem ungesetzlichen Ueber-
grisse Widerstand und die Reichsregierung wird
sie in dieser -Haltung unterstützen. Wir ver-
teidigen die Unabhängigkeit des deutschen Ge-
bietes und die Freiheit einer deutschen Bevölkerung
gegen die Absichten eines aggressiven Imperialis-
mus. Wir werden fest bleiben und ich iveitz,
datz das ganze deutsche Volk hinter uns steht."
Danach darf man sich also, wenn keine unbeteiligte
Macht interveniert, aus eine weitere Zu-
spitzung des Konflikts gefatzt nrachen. Der
beginnende Streik redet eine deutliche Sprache.
Die Verhaftung Ler ZechendirekLoren
Essen, 21. Jan. Es sind gestern morgen ver-
haftet worden dte Herren Fritz Thyssen, General-
direktor FustcnhSfer, Generaldirektor Kesten,
Generaldirektor Spindler und Direktor Olfe.
Die verhafteten sind nach Essen-Bredeney vorein
Kriegsgericht geladen worden und nach diesem
Kriegsgericht in Autos nach Düsseldorf überführt
worden.
Düsseld orf, 21. Jan. Die Betriebsräte
der Thyssen-Werke begaben sich mit dem Re-
gieruugspräftdeiMn Genossen Grützner zu den
Kommandierenden Generälen der Besatzungstrupp«.
U a. forderten die Betriebsräte soforttgeFret-
lassungvonFritzTHYssen, andernfalls s o -
fortige Einstellung der Arbeit bis zur
Freilassung.
Essen, 21. Jan. Eisenbahndirektiouspräsideär
Jahn nnd Oberbaurat Fusch sind gestern abend
wieder freigelassen worden. Das Verfahren
gegen sie geht weiter. Weiter sind die Leiter des
Post- mtd Telcgrapyenamtes wieder freigelassen
worden.
Essen, 21. Jan. Die verhaftete» Vertreter
des privaten Ruhrbergbaues sowie die
beiden leitenden Beamten der staatlichen
Zechen find nach Mainz gebracht worden,
wo bereits am Montag ein Kriegsgericht gegen
sie zusammcntrcten wird. Sämtliche Verhafteten
werde» von Rechtsanwalt Dr. Grimm
(Esse n) verteidigt, der schon heute nachmittag bet
General Simon in Düsseldorf gegen dir Festnahme
unter Hinweis auf die in einem Gutachten dargelegte
Rechtslage Beschwerde eingelegt hat.
Mainz, 21. Jan. Bisher sind neun Verhaf-
tet« aus dem Ruhrgebiet zur Verhandlung vor dem
hiesigen Kriegsgericht hierher gebracht worden.
Wiesbaden, 20. Jan. Der stellvertretende
Regierungspräsident, Obrrregierungsrat
von Rebern, ist heute nachmittag auf Befehl der
Interalliierten Rheinlandkommission aus dem besetz-
ten Gebiet ausgewteseu worden.
Eine weitere Bluttat.
Bochum, 21. Jan. Nach einer Meldung aus
Langendreer bei Bochum hat ein vor dem Amts-
gericht in Langendreer stattonirrter Posten einen
Krankenpfleger namens KowalSkt, der
den Poften angeblich angesprochen haben soll, sofort
niedergeschossen. Kowalski war auf der
Stelle tot.
Protestnoten der deutschen
Regierung.
Berltn, 20. Jan. Der veutscheGeschstftS-
trSgerin Paris wurde beauftragt, derfranzö -
sischcn Regierung eine Note zu überreichen,
in der cs m a. heißt: Die militärische Besetzung des
Ruhrgebiets hat zu G ew alt m atz n ah m en der
französischen und belgischen Befehlshaber geführt, die
neue schwere Rechtsverletzungen darstellen.
Einen Vorfall aus der Reihe der rechtswidrigen Akte
mutz die deutsche Regierung besonders hervorheben,
weil er schwere Bluttaten gegen Deutsche zur
Folge gehabt hat und dieWillkür des französisch-
belgischen Vorgehens aufs deutlichste in die Erschei-
nung treten lässt.
Am 15. Januar abends kam es in Bochum
unter dem Eindruck der militärischen Besetzung der
Stadt zu Kundgebungen, die darin bestanden,
datz Ansammlungen von Einwohnern, patriotische
Lieder singend, durch die Straßen zogen. Die Posten
forderten die Arbeiter auf, das Singen einzustellen
und schossen darauf in die Menge hin-
ein. Ein junger Mann, der Sohn des Lokomotiv-
führers Birve, wurde sofort getötet, mehrere
andere Personen schwer verletzt.

In einer weiteren deutschen Protestnote wird
erklärt: Am IS. Januar, abends 9-30 Uhr wurde der
Krankenträger Kowalski vor dem Amtsgerichts-
gebäude in Langendreer von einem französi-
schen Wachtposten erschossen. Kowalski ging
über den Kaiserplatz auf das Amtsgerichtsgebäude
zu. Der französische Posten rief ihn an und gab
gleich daraus Jener. Da der Vorfall in der
Nähe einer brennenden Laterne sich abspielte, mutzte
der Posten gesehen haben, daß es sich um eine
einzelne wehrlose Person handelte, die keinerlei
Angrisssabsichten erkennen ließ.
Die deutsche Regierung erhebt in beiden Fällen
schärfsten Protest und behält sich vor, volle
Genugtuung zu fordern.
Die deutsche Regierung hat ihren Geschäftsträger
in Paris ferner angewiesen, bei der französischen
Negierung Protest wegen der in den letzten Tagen
im Nuhrrevier von den Franzosen vorgenommenen
rechtswidrigen Verhaftungen zu erheben, sofor-
tige Freilassung zu fordern und alle An-
sprüche wegen Genugtuung vorzubehalten.
Zuspitzung der Lage.
Essen, 20. Jan. Die Besatzungstruppen haben
die Zech« Sterkrade (Gutehosfnnngshütte Ober-
hausen ) besetzt. Die Belegschaft ist infolge-
dessen nicht angefahren. Es werden nur dte
dringendsten Nolstandsarbeiten ausgeführt.
Berlin, 20. Jam Seitens des Reiches und
der betroffenen Länder wurde zur Wahrung der
deutschen Staatsantvrität gegen den französischen
RechtSbrnch ein Erlaß herausgegeben in dem es u.
a. heißt: Es ergeht seitens der Negierungen des
Reiches Preußens, Bayerns u. Hessens die Anwei-
sung, Anordnungen der besetzenden Mächte keinerlei
Folge zu gegen, sondern sich ausschließlich an Li«
Anweisungen ihrer eigenen Regierung zu hatten.
Dies gilt auch für die Beamten des altbesetzten
Gebiets Men Maßnahmen gegenüber, die im Wi-
derspruch zu den Bestimmungen des Rheinlandab-
kommens stehen.
Cuno, Braunz v. Knilling, Ulrich.
Essen, 20. Jam Von den Möllerschäch-
ten sind die Besatzungstruppen wieder abgezogen.
Die gestern sestgenommenen vier Beamten der
Versandabteilung sind wieder sreige lassen
worden. Jnfolgevesse:^ sind die gestern ausständig
geworderren Belegschaften heute früh wieder
a n g «f a h r e n.
E s sen, 21. Jam Gestern vormittag 10 Uhr haben
sämtliche Essener Bankinstitute und Bankfilialen
einstimmig beschlossen, ihre Geschäftsräume
geschlossen zu hatten, solange die Reichsbank
unter militärischer Gewalt steht.
Streiks.
Dortmund, 21. Jam Die Beamten des
Dortmunder Hauptbahnhofs haben heute
in früher Morgenstunde den Betrieb einge-
stellt, well französische Truppe» in den Verkehr
einbegriffen hartem Alle über Dortmund sah-
den Züge, unter denen sich auch dte direkten Verbin-
dungen Paris-Berlin und Paris—Warschau befin-
den, müssen umgeleitet werdem
Essen, 21. Jam Die Verkehr slage Hal
sich in den letzten Abendstunden immer mehrver-
fchärft. Die Eisenbahner haben zwar Von einer
allgenreinen Streikparole abgesehen^ sie haben aber
beschlossen, überall, wo ein französischer Eingriff oder
persönliche Bedrohung erfolgt, mit der Stillegung
drr betreffenden Dienststellen zu anworten. Dem
Beispiel des Hauptbahnhofs Dortmund folgten im
Laufe des Tages die wichtigeren Kitotenpunkte Dort-
m-umd-Düd, Langendreer und Hörde. Dadurch ist
für den Augenblick der Personenverkehr sehr un-
regelmäßig.
Bochum, 21. Jam Die Eisenbahner des neu-
btsetzten Gebietes sind heute in einen ^stündi-
gen Proteststreik eingetrctcm Auch der Per-
sonenverkehr ruht vollständig.
Essen, 21. Jam Die Enttvicklung treibt rasch
zur Krise. Nachdem bereits seit gestern auf sie-
ben Gruben infolge der Verhaftungen gestreikt
wird, ist für Montag vormittag der Stretk in
sämtlichen Betrieben Thyssens zu erwarten,
die 65 000 Arbeiter beschäftigen.
Die Haltung der Sozialdemokratie.
Berlin, 20. Fan. (Eig. Bericht. Der foztald.
Partetvorstand hatte die Fraktisnsvorstände
des Reichstages und des Preußischen Landtages zu
einer Konferenz eingeladem an der auf Wunsch des
Parreiivorstandes auch Vertreter des ADGB. und
der Asa teilnahmen. In-der Konferenz ergab sich
eine vollständige Uebereinstimmung darüber, daß dte
gegenwärtige gefahrdrohende Situation ein ge-
schloffenes Zusammengehen der gesamten Arbeiterbe-
wegung erfordere und daß es die Ausgabe der Ar-
beftevbewegung sei, alles z u tun, um die Abwehr
des gewalttätigen französisch-belgischen Einmar-
sches ins Ruhrrevier durch zweckdienliche Maßnah-
men zu unterstützen und datz alles unterbleiben
müsse, was geeignet sei, die Abwehr zu stören und
die Pläne des französischen Imperialismus zum
Erfolg zu führen. Die politischen und wirtschaft-
lichen Organisationen der Arbeiter legen entscheiden-j

des Gewicht darauf, datz di« Negierung schon int
Vorbereitungsstadium über alle Maßnahmen di«
Meinung der Arbeitervertreter fowohk
aus den zentralen Körperschaften, wie insbesondere!
aus dem Ruhrrevier einholt.
Die Trennungslinie gegen die nationa-
listischen Elemente, welche den Rechtsbruch Frank-
reichs zu einer neuen allgemeinen Völkerverhetzung
aus nütz en oder zu Unbesonnenheiten aufputschen,
soll fit aller Schärfe gezogen und der Kamps gegen
die politische Reaktion nachdrücklich fortgesetzt wer-
den.
Bochum, 21. Jam Ein« Konferenz von Par-
tei- und Gewerkschaftsfunktionären
aus dein alten und nenbesetztcn Gebiet, die am
Sonntag außerhalb der Besetzungszone
tagte, trat den Beschlüssen der Berliner Vorstäude-
konserenz vom 19. Januar einmütig bei.
Die Forderungen der Bergurbeitsr-
verLämLs.
Essen, 21. Jam Die Bergarbeitervervände
haben eine Erklärung veröffentlicht, in der gegen die
Vergewaltigungen Protest erhoben wird und in
der gefordert wird, um die Ruhe und Ordnung im
Ruhrgebiet wieder herzustellen: 1. Sofortige Frei-
gabe der Bergwerke und Zurückziehung der Sol-
daten von den Zechen; 2. Freilassung der
Werksleiter und Beamten, 3. Sicherheit für Le-
ben und Eigentum der friedlichen Bevölkerung,
1. Zurückziehung der Truppen aus dems
friedlichen Wohn- und Arbeitsgebiet.
Ein Beschluß des Internationalen
OewTVkschaftsbundes.
Das Bureau des Internationalen
Gewerkschaftsbundes hielt in Amsterdam
eine weitere Sitzung ab, in der zur Ruhrbesetzung
Stellung genommen und die Möglichkeiten der da-
gegen einzuschlagrnden Aktion beraten wurden. Es
wurde einstimmig beschlossen, mit allen angeschlosse-
nen Landeszentralen in Verbindung zu treten, nm
die Möglichkeit eines entschiedenen Auftretens in Er-
wägung zu ziehen und für die zu rntternehmend«
Aktion bereits vorbereitende Maßnahmen zu treffen.
Die Arbeiter aller Länder werden aus-
gefordert, sich Sereitzuhaltcm um jedem Aufruf des
Internationalen Gewerkschafisbundes und der ihm
»«geschloffenen Organisationen Folge zu leisten, um
die Beschlüsse von Rom und Haag, wenn nötig, in
die Tat umzusetzem Gleichzeitig warnt jedoch daS
Bureau die Arbeiter vor jedem von anderer Seite
kommenden Versuch, sich in eine unüberlegte.
unvorbereiieieAkiionzu stürzen. Insbeson-
dere fordert cs die deutschen Arbeiter drin-
gend auf, sich nicht zu na t io na l i st i s ch en, chau-
vinistischcn Agitationen mißbrauchen
zu lasse'.:.
Von der Aeparationskommission.
Paris, 21. Jam Bei der satzungsmäßigen
Neuwahl des Vorsitzenden tourde Barthou
wiederum zum Vorsitzenden der Reparationskom-
misston gewählt. Der neue sranzösischePlan
wird voraussichtlich morgen der Reparations-
kommission vorgelegt werden. Er wird sich,
wie der „Petit Parisien" meldet, in zwei wesentlichen
Punkto» von dem Plan unterscheiden, den
PoincarS auf der Pariser Konferenz vorgelegt Hatz
Am wichtigsten erscheint der Unterfchied, daß in der
Frage der produktiven Pfänder nach dem
neuen Plan von einer Zollt nie, durch das neu
besetztes Gebiet auf dem rechten User des Rheins
vom übrigen Deutschland abgetremtt werden sollte,
wenigstens vorläufig nicht die Rede ist. Der neue
französische Plan soll besonders von italieni-
schen Gedankengängen inspiriert sein.
Abreise der Amerikaner vom Rhein
Paris, 22. Jam Die 1200 Amerikaner, die
sich «roch am Rhein befinden, werden heute Montag
Koblenz verlassen, nm sich in Antwerpen einzu-
schiffen.
Der Wert des Ruhrgebiets.
Unser wirtschaftspolitischer Mitarbeiter schreibt
uns:
Das Ruhrgebiet birgt das bedeui-ndst- KoMcn-
vorkommcn in Deutschland. Es umfaßt mit 213 Milli-
arden Tonnen Steinkohlenvorrat über ift der ge-
samten deutschen Steinkohlenvorkommcn. Die Stein-
kohlenförderung im Ruhrgebiet (ohne linksrheinische
Zechen) betrug im Jahre 1913; 110,1 Mill. Tonnen,
sein Anteil au der Gesanusörocrüng des Deutschen
Reiches (nach dem jetzigen Gevietsstond) betrug
78,31 Proz. Im Jahre 1922 wurden rund 100 Mill.
Tonnen Steinkohle im Ruhrg-b'et gefördert.
Die Roheisenproduilionim Jahre 1913
betrug im Ruhrgebiet 6.7 Mill. Tonnen oder 61 Proz.
der gesamten deutschen Roheiscnproduktiom Die
Rohstahlproduktion im Jahre 1913 betrug
im Ruhrgebiet 7,5 Millionen Tonnen oder 65 Proz.
der gesamten deutschen Rohstahlproduktion.
In welchem Grade die inländische Versorgung
mit Steinkohle und Koks von der Ruhrsörderung
abhäugt, zeigt folgende Einzelzohl: Im Oktober 1922
betrug der Gesamtverbrauch an Steinkohle und Koks
iw Deutschen Reiche rund 8 Millionen Tonnen, von
de'-en 6 Millionen Tonnen allein aus dem Ruhr-
revier stammten.
 
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