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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 91 - Nr. 100 (19. April - 30. April)
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Heidelberg, Donnerstag, den IS. April 1923

6. Jahrgang

Nr. 91

SSW Ser SWWMil?
Freie Bahn für die Spekulation.

o Berlin, IS. April. Noteirpresse — das sind dile Geboie der Stunde. In
Unser Berliner Mitarbeiter telegraphiert uns: jedem Falle aber fordern wir, das; nichts unge -
Die Bombe ist geplatz. Der Dollarkurs ist nach schehen bleibt, um der Spekulation mit der Mark
längerer Befestigung weit über 3V 000 in die Höhe! das Handwerk zu legen und die Stützungsaktion
getrieben worden. Die Weiterentwicklung läßt sich auf den ursprünglich beabsichtigten Stand von einer

Goldmark gleich 5000 Papiermark durchzuftthren.

M SklMStWMWA
» Heidelberg, 19. April.
DaS Spiel ist aus. Der Reichs außen muttster hat
sein Gehalt bewilligt bekommen. Die Redner der
Parteien haben ihre Auffassungen dargelegt, ein
positives Ergebnis hat die Debatte außer der Ein-
mütigkeit über die Fortsetzung des Abivehrkampfes
nicht gebracht. Eines zeigte sich allerdings: Zwi-
schen zwei großen Parteien des Reichstags, zwischen
der Sozialdemokratie und der Deutschen Liberalen
Volkspartet, besteht eine wesentliche Uebereinstini-
mung, das; die Regierung durch eine aktive Po-
litik den Konflikt zur Beendigung bringen mutz.
Die übrigen Parteien des Reichstags sind noch nicht
zu dieser Einsicht gekommen. Sie billigen mehr
oder weniger die bisherige Politik der Regierung.
Die Verhältnisse sprechen jedoch dafür, daß bald,
sehr bald die Zeit kommen wich, in der auch di« bür-
gerlichen Parteien mit Ausnahme der Deulschmttio-
nalen einsehen, daß die Politik, di« gegenwärtig von
der Sozialdenrokratte verfochten Wird, die einzig rich-
tige und mögliche ist.
»
Sitzungsbericht.
Berlin, 18. April.
Präsident Löb« macht zunächst Mitteilung von
dem Unfall des Abg. Geyer, der von einer
Kraftdroschke angefahren und verletzt worden ist;
glücklicherweise soi. das Leben des Abgeordneten
nicht gefährdet. Darauf wird di« Generaldebatte
über den
Etat des Auswärtigen Amtes
fortgesetzt:
Abg. Breitscheid (Soz.):
Mit der Regierung sind wir einig, daß derpas -
sive Wider st and im Ruhrrevter fortgesetzt
werden soll. Nur mutz der Nachdruck auf das Wort
„passiv" gelegt werden. Wir freuen uns, datz alle
Redner der letzten Tage den Gedanken an aktiven
Kampf ab gelehnt baden. Selbst Herr v. Graefe
spricht nur von einem solchen gegen Polen. Dieser
toeist auch jede Putschabstcht seiner Freunde zurück:
Kein Engel ist so reim! In der ihm nahestehenden
Presse liest man es anders. Wir billigen es
auch, daß der Minister trotz des Ruhreinbruchs an
der Reparationspolittk festhält und felbst-
berständlich im Rahmen des Erfüllbaren weiter er-
füllen will. Angesichts anderer Aeußeruugen des
Ministers Dr. Becker sollte die Regckeruirg ihre Mei-
nung zum Ausdruck bringen. In einem sehr wich-
tigen Punkte besteht aber eine Meinungsverschieden-
heit zwischen uns und der Regierung. Wir neigen
im Gegensatz zum Kabinett der Ansicht zu, datz «in
Positives Angebot an die alliierten Mächte
gerichtet werden müsse. Wenn von deutschnationalcr
Seite die Forderung nach einem Angebot als Dolch-
stoßlegende bezeichnet wird, so wird dabet vergesse»,
datz die Bergarbeiter sich für ein solches An-
gebot ausgesprochen haben. Die Sozialdemokratie
hat jetzt so wenig wie früher das Gelüste, eine Front
zu zerstören, und Wer ihr das nachsagt, lügt heute
wie vor drei Jahren. Es ist uns auch nicht um Mi-
ttisterstürzeret zu mn, WM weder die innerpolitischen
noch die außenpolitischen Voraussetzungen
für eine Arbeiter re gierung selbst mit
Hilfe der Kommunisten gegeben sind. Die deutsche
Sozialdemokratie hat das Bestreben, dem Ruhrkon-
Ntk: 'chwvslenS
ein Ende
zu nva<ben, und sie sieht den Weg dazu i« sine»,
Präzisen deutschen Angebot. Wir haben
Gefühl für die Leiden der Bevölkermrg am Rhein
und der Ruhr, auch wenn wir ihr nicht bet jeder
Gelegenheit den Dank für eine selbstverständliche
Haltung aussprechen. Wtr empfinden alle die B ar -
baret der Ausweisungen, und wir haben
Nur tun Wunsch, diesem Elend möglichst schnell ein
Ende zu machen und einen möglichst niedrigen Preis
für die Befreiung des Ruhrreviers zu zahlen. Da-
mit treiben wir keine Klassenpoltiik, denn es sind
auch andere als Arbeiter dabet be'eiligt. Was
wir heute fordern, wird morgen auch die Forderung
der anderen Schichten der Bevölkerung sein. Die
Regierung Cuno war im Amte, als der Konflikt
begann. Wir wünschen, datz sie ihn
auch beendigt.
Wir haben in den fremden Regierungen keine
Freunde, jedenfalls keine, die im Augenblick gewillt
und in der Lage sind, zu helfen. An eine Ver-
mittlung i st nicht zu denken. In Ame-
rika hat die wirtschaftliche Hochkonjunktur das In-
teresse an der europäischen Wirtschaft verringert.
England wird sich nicht für uns verwenden, so
mnge wir der bisherigen Politik verharren. Die
^trde des Außenministers ist nicht als ein Angebot
«u bewerten. Sollte sie es sein, so müßte es w
Note zum Ausdruck gebracht werden.
r Minister hat den sogenannten Bergmannschen

noch n icht ab sehen. Auf alle Fälle ist eine sehr ernste
Situation oirrgelreten, die starke Auswirkungen haben
kann. Die Devisenhausse hat sofort die Preise für
den Zentner Roggen um 4000 Mark in di« Höhe
getrieben. Sollte dieRetchsvank ihre nttt Mark-
operationen begründete Taktik Ml dem Erfolg fort-
setze», datz schließlich gemäß den Wünschen der
Schwerindustrie ein Kurs von 25 000 oder gar 30 000
übrigbleibt, so wird sie für alle Konsequenzen ver-
antwortlich gemacht werden. Datz die Schwer-
industrie weiter auf die Verschlechterung der
Mark hinarbeitet, liegt aus der Hand.
Mehr als je z^igt aber der ganze Vorgang die
GesahrderLage. Gewissenlose Spekulan-
ten treiben in der Zeit der größten Not des Volte»
ein frevelhaftes Spiel Ms der Volkskraft. Di« Zen-
tralisation des Devise »Verkehrs im Verein mit wei-
teren wirtschaftspolitischen Maßnahmen — Beschrän-
kung und Nichterleichterung der Einfuhr, Verschär-
fung der Kveditbedingungew, Einschränkung der

Vorschlag ausrechterhalten, aber sich auf den Vor-
schlag von Hughes zurückgezogen. Darin liegt ein
Widerspruch. Denn in dem einen Falle wird eine
Ziffer genannt, und dann wird erklärt, datz Sach-
verständige darüber entscheiden sollen. Gerade das
aber ist eine Gefahr, die vielleicht größer tst, als
wenn wir mit einem eigenen Angebot hervortreten.
Hat nicht der vielgeseierte Herr KeyneS 4 0 Mil-
liarden als der deu'scben Leistungsfähigkeit ent-
sprechend erklärt? Zwischen Frankreich und
England ist neuerdings eine Annäherung
erfolgt. Sie ist ein Schaden für den französischen
Nationalismus, aber ein Vorteil für die französi-
schen Neparattonsforderungen. Man sagt, datz
Frankreich keine Rww ttionen, sondern Annexionen
will. Ob Poincare das will, bleibt dahingestellt.
Poinearö ist nicht Frankreich. Frankreich
denkt anders. Der heut« mitgeteilte französisch-bel-
gische Reparalionsplan ist jedenfalls kein An-
nexionsplan, man mag über ihn denken wie
man will. Wir vermissen in dein Vorschlag die Be-
rücksichtigung der Besatzungsrosten, die in die For-
derungen eingeschlossen werden müssen. Wir wün-
schen aber auch, datz die Räumung des Ruhrgebiets
nicht erst beginnen soll, wenn die Zahlungen geleistet
sind. Jni übrigen aber haben wtr hier ein Pro -
gram m vor mrs, das die deutsche Regierung ver-
anlassen müßte, ihrerseits mit einem festenZah-
lungsprogramm an die Mächte heranzutreten.
Wir haben auch ein Interesse daran, datz dte fran-
zösische Priorität anerkannt wbrd. Ob wir
die zu trennende Ziffer leisten können, wird davon
abhängen, in welcher Höhe wir eine internatio -
naleAnlethe erhalten. Dazu tritt die Notwen-
digkeit von Garantien. Wir wünschen, daß in
dem deutschen Angebot den Sicherheitsbedin-
gungen Frankreichs Rechnung getragen werde.
Nach der Maßgabe dessen, was wir tun können,
wollen wir alles tun, um Frankreich die Furcht vor
uns zu benehmen. Wir sind ebensowenig wie
ein« andere Partei dafür zu haben, daß ein Teil des
RubrgebieteS an Frankreich in irgendeiner Form
abgetreten oder einer internationalen Verwaltung
ausgeliefert wird. Derartige Sicherheiten gewähren
wir nicht. Aber wir sind bereit, den
GotteSfriedenS-Bund
auf eine größere Zeit auszudehnen, sind bereit, auf
eine Kriegführung gegen die Ostmächte durch eine
Verbesserung der Ostgrenzen zu verzichten und die
Rheinland« zu ^entmilitarisieren. Die
beste Sicherung wäre aber die, datz Frankreich «ine
vernünftig« demokratische Politik zur
Stärkung der deutschen Republik triebe. Wir wün-
schen die endgültige Verständigung mit Frankreich
nicht aus einer besonderen Liebe für Frankreich her-
aus, sondern weil diese Verständigung der Schlüssel
zur Erhaltung des europäischen Friedens ist.
Deutsch sein heißt nicht, sich in die Rethen der
Deutschnationalen stellen, sondern nach bestem Wissen
und Gewissen den Interessen seiner Volksgenossen
dienen, und dte Befreiung der Volksgenossen nicht
von außen, sondern auch durch die Anstrengung von
tunen wollen. Wir fühlen uns als Glied einer
großen Völkergemeinschaft. Wtr sind international.
In diesem Völkerkonzert soll jeder ein Instrument
spielen, aber es soll einen Zusammenklang geben.
Das Proletariat Mer Länder hat das beste
Verständnis dafür und es stimmt Herrn Strese -
in a n n zu, wenn er unter seiner Forderung von der
Nichtbindung der wirtschaftlichen an die politischen
Grenzen etwas anderes versteht als die Forderung
nach der Bildung einer internationalen Montan-
trusts. Ein positives Angebot würde einen Schritt
zur friedlichen Verständigung bedeuten. (Lebhafter
Beifall bei den Sozialdemokraten >

Berlin, 19. April. (Letztes Telegr.) Das
ReichSkavtnett hat sich gestern abend kurz mit der
Stützungsaktion der Mark beschäftigt, Mer mit Rück-
sicht darauf, datz sich im Augenblick die Bewegung
am uMeetnflutzte« Devisenmarkt noch nicht über-
sehen läßt, von einer bestimmten Stellungnahme
abgesehen.
Berlin, 19. April. Di« T.U. telegraphiert »ns:
Die Reichsbank hat sich entschlossen, der Speku-
lation Raum zu geben, um im gegeben«»
Augenblick mit starker Hand «ntscheidend >in-
zugretfen. Die heut« in Erscheinung getreten« Maß-
nahme bedeutet keine Unterbrechung, son-
dern nur «ine andere Methode der Stützung. Na-
türlich ist diese Tatsache für alle jene Firmen, dte
Waren im Ausland« etnkaufen müssen, von aller-
grötzter Bedeutung.

Abg. Lauscher (Ztr.) weist auf die Verschär-
fung der Lage im Ruhrgebiet hin.
Staatssekretär v. Maltzahn wendet sich gegen
dte Ausweisung d«S Rrtchskommissariats.
Abg. Helfferich (D.N.) verlangt größtmög-
liche Aktivität, wöbet sie allerdings nicht durch aus-
sichtslose Geivaltstreiche geschädigt werden darf.
Wir müssen dnrchhalten, darin sind alle Parteien
einig. Bet der Stützungsaktion darf das Reichs-
battkgold nicht geschont werden.
Abg. Ledebour (wild) erklärt, daß Helfferich
di« gleiche va banque-PoMik wie im Kriege treibe.
Abg. Moldenhauer (Lil.VP.) lehnt einen
neutralen Rheinlandstaat ab.
Abg. Fröhlich (Komm.) betont, die Reichs-
bank habe versag!.
Damit ist dÄ Aussprache beendet. Der Auswär-
tige Etat wird mit starker Mehrheit gegen die Sum-
men der Kommunisten und der Ledebour-Grnpp«
bewilligt. Nächste Sitzung: Donnrrsiag. Tages-
ordnung: Reichswirtschastsetat.

Politische Uebersicht.
Prinz Max von Sachsen gegen die
nationalistische Hetze.
München, 18. April. Einer Darstellung der
„Münchener Post" Mer eine Versammlung des
Kartells pazifistischer Organisationen in München
entnehmen wir folgenden Bericht: Der Theologie-
professor an der Universität Freiburg in der Schweiz,
Prinz Max von Sachsen, ein Brüder des
früheren Königs von Dachsen, der seine Lebensauf-
gabe in dem Wirken für den allgemeinen Frieden
erblickt, sprach als Referent. Deine in freier Rede
vorgetragrnen Slusführungen, die zeitweise mit
ihrem hohen rednerischen Schivung die Versamm-
lung hinrissen, waren der ttefeinpsunden« Ausdruck
des Glaubens, daß einst der Dog kommen werde, an
dem Mer die: Köpfe der Staats lenke r und Regie-
rungen hinweg, über den trennenden Grenzen 1er
Länder hinweg, sich die Menschheit die
Hände reichen wird zu einem Bund dauernden
Friedens. Sie waren «ine wuchtige Abrechnung
mit der Gewallt, und mit den aus ihr geborenen
Kriegen, die di« Menschheit zerfleischen. Unter stür-
miischom Beifall vtef er, wer irgend die Menschheit
lieb hat, wer irgend für sein Volk Liebe enrpfindct,
müsse gegen den Krieg austrcten. Darum
könne man auch ohne weiteres den Vorwurf abwei-
sen, äls sei Gegnerschaft gegen den Krieg gleichbe-
deutend mit Mangel an Vaterlandsliebe.
Wer liebe denn am meisten sein Vaterland? Doch
der, der seinem Volke und seinem Lande das Gute
wünscht und in allem auf sein Bestes bedacht ist.
Könne es Vaterlandsliebe genannt werden, wenn
man «s ruhig in den Kauf nimmt, Millionen
sterben zu lassen uivd unribersetzbares Leid über
Völker- und Einzolschicksate zu bringen. Aus deni
Munde des Referenten, der selbst das priesterlich«
Kleid trägt, klang die Anklage doppelt schwer, daß
gerade die Vertreter der christlichen Lehre vielfach
sich von dem Gedanken des Friedens abwenden und
mit in den Chor jener oinstimnnen, die di« Aus-
einandersetzung mit Waffengewalt als «Mas ethisch
HoheS bezeichnen. Um zum Frieden zu kommen,
bedürf« es freilich eitler völligen Umstellung
unserer staatlichen und gesellschafMchen Verhältnisse.
Wtr müssen nach einer gesünderen und vernünfti-
geren Gesellschaftsordnung streben, wtr müssen das
umstürzen, was zur Verewigung der Kriege dient,
oder wir müssen es zum mindesten mildem, wenn
ivir es nicht bcseiEgen können. Vor allein müsse die
Natur des Sieatcs in dielen Stücken «ine andere
lWerden, der Staat selbst müsse eine andere Auffas-

sung von sich uM feinem Wesen bekommen, denn
der jetzige Gedanke vom Staat, datz er ein allmäch-
tiges Wesen ist, das kein Gesetz kennt als den Egois-
mus, müsse notwendig zum Kriege führen. IM
letzten Ziele müsse die Entstehung eines inter-
nationalen Gebildes erstrebt werden, in
dem die einzelnen Staaten ausgeh en. Der passive
Widerstand an der Ruhr, von dem zu hoffen fei,
datz er die Franzosen zwingt, mit Schimpf und
Schaub« abzuziehen, sei der schönste Triumph des
Frisdensgedankens, indem damit bewiesen werde,
daß «in Volk in Ruhe und mit friedlichen Mitteln
alle die Instrumente des Krieges: Tanks, Kanonen
und Säbel MerwiUden könne. Die Ausführungen
des Redners wurden mit stürmischem Beifall be-
dankt.
Eine Rede Scheidemanns.
Kassel, 18. April. In eitler großen Versamm-
lung sprach Schoidomann über di« Politische Lage.
Hierbei erklärt« er «. a.: Trotz der furchtbaren Lage
Deutschlands gibt es im Lande immer noch Leute,
dte sich über den Ernst der Lage Täu-
schungen hingeben. Darum trägt das System
der Lüge dte Schuld, das jetzt genau so wi« während
deS Krieges von gewissen Berliner Zentralstellen
unterhalten wird. Wir verlangen von der Regierung
Cuno eine aklivcPolitik. Wir haben nicht die
Absicht, den Nationalisten das Material für «ine
neue Dolchstoßlegende zu geben. Es kann
aber keiner Regierung gestattet sein, tu einer Zeitz
da das Volk seine besten Kräfte in einem Kampf
Passiver Abwehr «rschöpst, eine p a s s i v e P o lt i tk
zu betreiben. Wenn unser Abwehrkampf gegen
Frankreich nur Passiv sein kann, so muß zumindest
die Politik der Regierung aktiv s«in. Wir ver-
wehren der Regierung die Rolle jenes Pfarrers in
Björnsons „Uetzer di« Kraft" zu spielen, der in allen
Leiden verharrt und der auf ein großes Wunder
wartet. Dieses Wunder geschieht für uns nicht.
Uns hilft kein Gott rmd kein Mensch. Wir müssen
uns mit unserer Verslandeskrast selber Helsen.
Durch die Passivität der Regierung verstreicht kost-
bare Zeit und droht die Gefahr, datz sich die Entente
wieder verständigt und Frankreich und Belgien ge-
meinsam »fit England den Versuch unternehmen,
di« Ruhrkrise durch ein neues Ultimatum an Deutsch-
land zu lösen. Wir sehen, wenn Klarheit und
Wahrheit ihr« Herrschaft autrelen, die Möglichkeit,
das Ruhrabenteuer bald zu End« zu führen, ohne
jedoch dieses Ende unter allen Umständen zu wollen.
Die Regierung Cuno soll «inen Weg einschlagen, der
ciin« wirklich« Verständigung ermöglicht.
Und wenn kann unsere Gegner nicht mit uns ver-
handeln wollen, haben wir nichts verloren. Im
Gegenteil wird das deutsche Volk dann seinen Kampf
passiver Abwehr mit erhöhter Energie weiterführ«n.
Die Vcrständigungsmöglichketten werden heut« wie
während des Krieges von den Nationalisten sabo-
tiert. Die deutsche Arbeiterschaft ist die deutsche
Kerntruppe des Widerstandes gegen Frankreich, und
deshalb mutz ihre Einstellung zu der außenpolitischen
Kris« bei deren Lösung für die Regierung in aller-
erster Linie maßgebend srin.

Internationale Lage.
Wie Deutschland diskreditiert wird.
Aus Helsingsörs schreibt mau uns:
Den eifrigen Bemühungen deutscher Monar-
chistenkrckse, die deutsche Republik im Auslände zu
diskreditieren, reiht sich nun ei» neuer Versuch an,
die deutsche monarchistische Propaganda auch nach
Finnland zu übertragen. Wie aus HolsingsorS
gemdlidet wird, ist dort vor einigen Tagen eine
Gruppe deutscher Monarchisten mit dein Grasen v.
Goltz an der Spitze eiugetrosscn und zwar mit
der Absicht, eine großzügige monarchistische
Agitation in Finnland zu entfalten. Dieser
Besuch, der von keiner offiziellen Seite veranlaßt
wurde, hät begreiflicherweise in den Volksmassen
heftige Erregung und Empörung aus-
gelöst.
Das Asrttralovgan der filmischen Sozialdemo-
kratie „Strömen DvstaMemokraatt" protesSi-ert in
schärfster Waise gc-gen den Besuch der deutschen Mo-
narchisten, instzcsorderc gegen den des Grasen v. d.
Goltz, der als Leiter der deutschen „Strasexpedition"
im Fahre 1918 bei dem finnischen Volke in schlimm-
stem Rufe steht und als Verkörperung der blutigen
deutschen Swaliion gilt.
Der Protest der finnischen Sozialdemokratie, dein
sich auch breite Kickse des Klcinbauerntums und der
domokrarischen Bürgerschaft a»schließen, verdient in
Deutschland lebhafte Beachtung. Ist es denn wirk-
lich notwendig, datz zu einer Zeit, wo Deutschland
nm seine Existenz ringt, die Sympathien für die
deutsche Republik durch di« PropaWndarMen ab-
getakelter Generäle verringert werden?

Die internationale Kommission zur Ausbeutung
deutscher Patent« beschloß gestern, alle deutschen
Rechte an dem Patente Meißner, das für die
rakioelektrische Technik außerordentlich bedeutungs-
voll ist, denr deutsckren Urheber abzuerkennen und
französischen Bewerbern zu übertragen.
Die Reparationskommission beschloß in ihrer
gestrigen Sitzung, «in Schiedsgericht wegen der
deutschen Konzessionen in der Türkei und
in China einznsetzen.
 
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