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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 21 - Nr. 30 (25. Januar - 5. Februar)
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6« Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 30. Januar 1923

Nr. 25

Teschästrstunden 8—S Uhr. Sprech-
stunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
PoMchecklonto Karlsruhe Nr.W77.
Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen
Verlagsaustalt G. m. b. H., Heidel-
berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.SS.
Test: «xveditionS87H u.Redak.LgTZ.

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M MM lll MA«.
München, 29. Jan. Die Hitlerbanden
^bcn gesiegt. Die bayerische Negierung, die am
«Men Samsrag sich d<n Anschcin gab, als ob sie
M entschlossen sei, den Herausforderungen und Dro-
"chgen zu begegnen, den Gesetzen des Staates und
."er Staatsautorität auch bei den Leuten des natio-
^Mtischen Terrors Geltung zu verschaffen -— diese
Legierung hat die schmählichste Nieo'er-
^8e erlitten, die je einer Regierung bereitet wor-
ist. Der Staats Minister und mit diktatorischen
E»llmachten ausgerüstete „Generalstaatsiommissar"
"t. Schw e v er, der am Samstag mittag noch mit
Motzer Geste .rttärte, es gebe in dem Kampfe, den
"'e Hitlcitciuc den Gesetzen und der verfassungs-
mässigen Regierung des Staats augeMndigt, für die
^aatsregsiruug kein Zurückwcichen, ja nicht einmal
Kompromiß, dieser Herr, der die „L ösung der
Httlerfrage", als die Borbedingung der
^cutonalen Einheitsfront, iiksbesondere fiir die
schwer bedrohte Pfalz erklärt batte, hat sich bereits
chn Samstag abend zu einem „Kompromiß bereit
suchen lassen, das in Wirklichkeit und insbesondere
'"l Hinblick aus die am Tage vorher mit Hitler ge-
ehrten Verhandlungen die völlige Unterwerfung
der Regierung unter den Terror der Faszistenban-
°en bedeutete.

Es konnte für die Herren Generalstaatskommissar
Dr. Schweyer und Polizeipräsident Nortz kein
Zweifel bestehen, daß Herr Hitler, der ihnen am
Treitag noch die offene Drohung ins Gesicht geschleu-
st hatte, di« verbotenen Veranstaltungen wür-
doch abgehallen und die „rote Welle" des Na-
"^rralismus werde über das Land Hinwegsehen, sich
^cht tm geringsten mn die wenigen Einschränkungen
Innern würden, di« nach diesen Zugesiändmffcn
ichrig blieben. DaS elementarste Gefühl für die
^iaatsautorität, di« diese Herren sonst stän-
.°st kn Munde führen, Härte sie veranlassen müssen,
, des, sechst das geringste Zugeständnis abzulebncn,
chi-M.gr die von Sitter ausgesprochenen Drohungen
"s^st tu aller Norm zurück genommen werden.
, Der schmabliche Nnrfall der Negierung ist na-
'ch von den Faszisten so bewertet und beantwortet
ch«A>en, wie er cs verdiente. Dies Men wir an. dem
r^us gemeldeten Verlauf der Sonntags-
Kundgebungen Man sei deshalb aufrichtig
istrd gestehe unumwunden ein, das; man sich mit der
^UZen Aufmachung des „Ausnahmezustandes" eine
, sigey c nerl iche Blamage zugczogen bat u.
stttn Gespött ganz Europas geworden ist.
Wer aber ist als schuldig dafür auzusvrcchcn,
chch es ilberhaupt zu solchen Zuständen in Bayern
^kommen ist, tote sie jetzt sestgcstellt werden müssen?
„Allgemeine Zeitung" gibt daraus eine unseres
Erachtens durch aus zutreffende Antwort in folgen -
"ist Aussührungen:
„Bei der Klärung dieser „Schuldsragc" aber
A'schciuen die offiziellen und nach außen hin vcr-
ststtwortlichen Führer der Nationalsozialistische»
Partei trotz der widerlichen Formen, in denen sic
Aren Haß- und Hcpkamps führen, verhältnismäßig
viel weniger belastet ms jene zahlreichen an-
deren Politiker, welche der Bewegung durch ihre
offenen und versteckten Sympattsiebeweise erst zu
der traurigen Bedeutung verholsen Haven. Die-
!er Vorwurf gilt in gleicher Weise einem großen
Dell der rechtsstehenden Presse, die sich gerade in
den letzten Wochen in lächerlicher Beweihrauche
chstg eines Mannes wie Hitler sauer nicht mehr
stenng tun konnte, wie den früheren und heutigen
Inhabern hoher und höchster Staatsnmtcr, ange-
saitge» von den Herren v. Kah r, Pöhncr und
ihren politischen Freunden bis herauf zum gegen-
wärtigen Innenminister und zum Minisicrpräsi
denten. Nun Hal bat Herr v. Knilling für seine
ststd seiner Vorgänger Duldsamkeit die Oui.t-
iuug erhalten von de» „von slammneder Vater-
landsliebe geleiten Idealisten" vom Hakenkreuz!"

... Wir haben dieser Feststellung nichts biuzuzu-
ffffZeu. Nur daß die letzten zwei Tage zur Schuld
, r frühe rett iloch den Beweis erbracht Haven, daß
Avrswcgs eine Umkehr der als verhängnisvoll er-
lesenen Politik stattfindcn, sondern ganz im alten
^hrwasser tveiterg.wurstcli werden wird.
Wenn auch am Sonntag kein größerer Zusam-
"chstoß erfolgte, bleibt doch die faszistische Gefahr
„?terrt. Es ist Wohl kaum anzunehmcn, daß die
''^fristen den gegenwärtigen Augenblick für beion-
günstig hielten, i>r den Endkampf um ihre letz-
Ziele einzulreten. Sie können, fo wenig Poli-
,'He Intelligenz sie auch besitzen, nicht darüber im
Geisel fein, daß eine pulfchistischc Aktion ihrerseits
^ gegenwärtigen ZeitpunM bei der großen Masse
deutschen Volkes als eine unmittelbare
„^ierstützung der Politik Poincares
''"Vfnndon und dem entschlossensten Widerstand be-
^Uen würde.
. Darunk, zweifellos nur darum haben sie
verzichtet, Putsch, zu dem sie ent-
k'^ssen sind und der zweifellos bis ins einzelne
jst, dnrchz-uführen. Nicht aus Furcht
h der Regierung, sondern aus Furchtvordem
" Aschen Volke hat man den Putsch vertagt
stch damit begnügt, die Regierung zur Unter-
ffstng M zwingen. Und darum ist der „ord-

nungsmäßige" Verlaus der Münchener Faszisten-
parade nicht eine Beruhigung für die Zu-
kunft. Die Drohung gesteht weiter, und so-
wohl die.Reichsregierung wie die Regierungen der
übrigen Länder haben die dringende Pflicht,
dieser Drohung nun, nachdem selbst die bayerische
Regierung die Staatsfeindlichkeit der Faszisten hat
fcststellen müssen, mit alle n Mitteln zu be-
gegnen.
*
Kein Rücktritt Schrveyers.
M ü n chen, 29. Jan. Die in nationalsozialtstt--
schem Fahrwasser schwimmenden „Münchener
Neuesten Nachrichten" unternehmen einen
äußerst starken Vorstoß gegen die Staatsregierung
und verlangen den Rücktritt des bayerischen
Innenministers Dr. Schweyer.
Die „Münchener Post" erfährt jedoch dazu,
daß die Meldung der „M. N. N." vom Rücktritt
Dr. Schwcyers „vollkommen unwahr" sei.
Zu den Verhaftungen in Gera.
wird gemeldet, daß dort am Freitag373Roß-
b a ch - L e u t e, die sich auf dem Wege nach Mün-
chen befanden, aus dem Zuge heraus von starken
Poltzeikrästen verhaftet wurden. Unter den Ver-
hafteten befinden sich 4 0 O sfi z ie re, darunter der
früher in der Thüringer Landespolizei tätig ge-
wesene Hcmpancmn Sampel. Eine Anzahl Rotz-
bach Leute war mit Pistolen, Revolvern und
Gummiknüppeln ausgerüstet, außerdem tru-
gen ste Slbzeichrn mit Stahlhelm, Hakenkreuz und
Maschinengewehr. Sämtliche Leute wurden erst in
der Geraer Kaserne interniert, daun nachts
nach Leipzig abgeschoben. Das thüringische
S/aatsministertnm hat infolge des Vorfalls auf
Grund des Art. 48 IV der Reichsverfassung den
Belagerungszustand über den Stadt- und
Landkreis Gera verhängst Der dcntschvöMsche W-
gcordnete v. Gräfe hat gegen die Fcsthalttnrg sei-
ner Parteifreunde in Gera beim Reichskanzler Pro-
test eingelegt.
In N ü r n berg lief Samstag nachmittag gegen
3 Ubr ein Zug nach Münaren ein, der einen Trupp
Nattoualsozinlisteu mit sich führte. Di« Elsen
babncr des Nürnberger Bahnhofes
weigerten sich, den Zug weiterzusühren. Die Na-
tionalsozialisten mußten daher den Zug
verlasse n.

M MilM UVWOOIM.
Die Einkreisung Vollendet.
Essen, 29. Jan. Die Einkreisung des
Ruhrgebiets ist jetzt vollkommen durch ge-
führt. Die Truppen haben die vorläufig festge-
setzten Punkte des Halbkreises erreicht, dessen Sehne
der Rhein bildet und der im Osten Hörde und
L U n e n im Bogen einscblicßt. Wohl hat der Wi-
derstand der Eisenbahner und Arbeiter die Pläne
behindert, aber die Franzosen hatten Zeit genug
zu ihrer Ausführung. Der Verkehr ist twch un-
beschränkt, doch ist mit Sicherheit sehr bald eine
Verschlimmerung der Lage zu erwarten. In
unterrichteten Kreisen bezeichnet man
die Nacht zum 1. Februar
als Zeitpunkt fiir das Inkrafttreten wirtschaft-
licher Zwangsmaßnahmen. Dieser Zeit-
punkt ist mit Rücksicht auf die mit Sicherheit er-
wartete Nichtzahlung der am 31. Januar fälli-
gen <M> Millionen Goldmark Reparationsschuld an-
zunehrnen.
Was daun mit der Kohle geschehen so«, ist
völlig ungewiß. Es ist bei der ungeheuren
Menge täglicher Förderung u nmögli ch, die Koh-
len lange auf die Halden zu schütten. Der Streik
ist nur als allerletztes Mittel zu denken. Die Be-
völkerung will di« ungeheure Verantwortung fiir die
unausbleiblichen Folgen eines Streiks nicht auf sich
nehmen. Auch der passive Widerstand der ge-
werbetreibenden Bevölkerung ist ein zwei-
schneidiges Schwert, denn die Franzosen haben schon
gestern erklärt, daß sie sich Maßnahmen Vorbe-
halten, wenn wieder Geschäftsleute nicht an An-
gehörige der fremden Truppen verkaufen wollen,
behaupten auch, daß Eisenbahner durch Sa-
botage, Unbrauchbarmachung von Weichen, Dreh-
scheiben nnd Lokomotiven versucht batten, den Ver-
kehr lahmzulegen, und daß die Bahnhöfe Düsseldorf
und Aachen mit Absicht so verstopft seien, daß jeder
Güterverkehr unmöglich ist. Die Franzosen drohen
mit strenger Strafe jedem, der bei Sabotagearbeiten
betroffen wird.
Gelänge es nicht, die Täter zu entdecket^ so wür-
den die Vorgesetzten bestraft, von ihren
Posten entfernt und durch französische Beamte ersetzt
werden. Die deutschen Eisenbahner bestreiten jede
Sabotage und sichren die Unfälle und die Verstop-
fung der Bahnhöfe auf die Eingriffe der
Franzosen zurück. In der gestrigen Konferenz
des Pressechefs mit Vertretern der ausländischen
Presse wurde auf Slnfrage offiziell zugestanden, daß
ein großer Teil der LothringerHochöfen aus
Mangel an Ruhrkoks stillgelegt werden mußte.

Der Verkehrsrückgang.
Essen, 29. Jan. Insgesamt sind bis jetzt 3 6
Wichtige Bahnhöfe stillgelegt, darunter
Krefeld, Cleve, Düren, Düsseldorf, Oberhausen,
Duisburg, Machen. Damit-ist aber nicht nur der
Verkehr in westlicher Richtung gestört, sondern
auch der von Süden nach Norden durch den bereits
siilliegendeu Streifen unterbrochen. Dazu kommt
noch die Lahmlegung der wichtigen Strecke Kob-
lenz—Bonn. Die Wagengestellung im
Kohlenrevier begegnet heute schon ernsten
Schwierigkeiten, weil leere Wagen nicht zu-
rückkehren. Verlangt wurden heute von den Zechen
.11009 Wagen, von denen aber nur 7000 gestellt wer-
den konnten. Unter diesen Umständen wird der
Kohlenversand täglich geringer werden
und in wenigen Tagen völligstill stehen.
Neue Ausweisungen.
Essen, 29. Jan. Die französische Behörde ver-
öffentlicht eine Kundgebung, in der es heißt:
Die französischen und belgischen Militär-
behörden werden von heute ab alle deut-
sch e n B e a m t e n, die ihren Befehlen nicht nach-
kommen und sich ihnen entgegensetzen, sofort
verhaften, jedoch nicht bestrafen, sondern ohne
Verzug au sw eisen.
Damit ist auch heute sofort begonnen wor-
den. In aller Frühe gegen 4 Uhr wurde der Posttat
Tschauder in Hörde von den Franzosen ver-
haftet und im Automobil weggefahren. Im Laufe
des Vormittags ist auch der Oberbürgermeister
Hamm aus Recklinghausen ausgewiesen.
In Aachen ist der Belagerungszustand ver-
schärft worden.
Französische Eisenbahner kommen.
München, 29. Ja». Wie die „Münchener
Neuesten Nachrichten" erfahren, haben die Franzosen
ungefähr 90» Mann französisches Eisen-
bahn V e r s o n a l in die Pfalz geschickt und auf
mehrere Stetten verteilt. ES sott sich nicht in den
Dienst einmtschen, sondern vorläufig nur beob-
achten.
Eine nene Bluttat.
Trier, 29. Jan. Am Samstag ist ein aus

Die bedrohten Waldbestände.
Essen, 29. Dez. (Meldung unseres Spezial-
korrefpondcnicn.) Von der Gewalttnatzuahme der
französischen Regierung, die im besetzten Gebiet ge-
legenen deutschen Staats- und Gemeindeforsten zu
beschlagnabmcn, werden ausgedehnte und äußerst
wertvolle Waldbestände betroffen. Allein die
Fläche der Staats forsten, -ganz abgesehen
also von den gerade im Rheinland sehr zahlreichen
Gemeindeforsten, beläuft sich im besetzten Gebiet aus
rund 271500 Hektar. Davon entfallen ans Preu-
ßen rund 140 000 Hektar, auf Bayern rund 150000
Hektar, Hessen rund 100 00» Hektar und Olden-
burg 6500 Hektar. Das Nationalvermögen,
das in diesen Forsten steckt, gebt bei dem heutigen
Wert des Holzes in die Billionen Papier-
m ark. Bei den in Frage kommenden Waldvestän-
den handelt es sich in der Hauptsache um Fichteiv-
und Buchenwälder, deren Holz für Industrie und
Wirtschaft, besonders für die Papier- und Zellstosf-
fabrikatioir, aber auch siir alle übrigen holzverarbei-
tende Industrien und Gewerbe von größter Bedeu-
tung ist, so wird ganz besonders die ländliche Be-
völkeruirg der Hunsrück- und Etsel-Dörser getroffen,
die fast ausschließlich vom Wald und von Waldar-
beit zu leben gezwungen ist.
Zur Lage.
Der „S o z i a ld em o trat > i ch c Parla-
ment Sdicnst äußert sich ;ur gegenwärtigen
Lage wie folgt:
Unter den weltpolitischen Ereignissen der letzten
Tage sind vier Punkte hervorzuheben: Die
amerikanische BesaWngsbebörde hat den Brük-
kenkopf Koblenz nach Abzug der amerikanischen
Truppen endgülitig an Frankreich übergeben.
Damit hat sich die Regierung der Bereinigten Staa-
ten demonstrativ von den Ereignissen in Europa
abgewandt. Deutschland kann diese Geste, mag
sie auch einen deutlichen Stachel gegen Frankreich
tragen, nur bedauern. Je größer der Machtbereich
Frankreichs im Rheinland, desto ungünstiger ist die
Lage für Deutschland, desto schwerer sind die Leiden
unserer Volksgenossen am Rhein.
England wird sich dem amerikanischen Schritt
nicht ansch lieben. Die englischen Besatzungs-
truppen bleiben im Kölner Brückenkopf. Das ist
der Entschluß des englischen Kabinetts, nachdem die
oberste englische Gerichtsbehörde offiziell den Ein-
marsch in das Ruhrgebiet als einen französischen
Vertragsbruch bezeichnet hat. Wir haben den
Entscheid der englischen Gerichte bereits gewürdigt.
Eine politische Rückwirkung wird er, tote jetzt
festgestellt werden kann, vorläusig nicht ausüben.
Die N e p ar a t i o n s ko m m i s s io n, in der
der Vertreter Englands nur noch eine passive Rolle
spielt, hat das Moratoriumsgesuch Deutsch-
lands abgelehnt. Damit tritt der Londoner
Zahlungsplan wieder in Kraft. Deutschland
hat also bis zum 31. Jamcar 3 Billionen Pa -

-jAner Wirtschaft tzerausttcbender Arbeiter von einem
Marokkaner erschossen worden. Die Erregung
der Bevölkerung ist sehr groß.

Piermark zu entrichten, obwohl die Repara-
ttonskommisston selbst die Zahlungsunfähigkeit
Deutschlands sestgestellt hat.
Man darf gespannt sein, welche Maßnahmen
Frankreich nun ergreifen wird, wenn cs sich heraus-
gestellt haben wird, daß dem deutschen Reich nicht
genug technische Mittel zur Verfügung stehen, um
die 3 Billionen Papiermark zu drucken und zu
transportieren.
Bezüglich der Ruhrbesetzung wird man da-
mit rechnen müssen, daß Frankreich zunächst
viele Fehlschläge zu verzeichnen hat, daß im
Laufe der Zeit sich aber ernstere Wirkungen
Herausstellen werden. Den Abwehrkampf nicht ins
Chaotische ausmünden zu lassen, wird eine
ernste Aufgabe sein. Was wir bisher im Ruhrgebiet
sahen, ' war lediglich Vokpostengeplänkel.
Je intensiver die Abschnürung gelingt, desto
größer müssen die Gefahren der Reichscinheit wer-
den. Es kommt also darauf an, das Tempo zu ver-
zögern. Augenblicklich liegen die Dinge so, daß der
französische Frank parallel mit der deutschen Wäh-
rung sinkt und daß die lothringischn Industrie
an sängt leer zu lausen, wett ihr die Koks- und
Kohlenzufuhr aus dem Ruhrgebiet fehlt. Durch die
passive Resistenz lassen sich gute Erfolge er-
zielen.
Kim Mms m smWimg
Der „Vorwäts" warm in einem Leitartikel
vor den Gefahren des nationalistischen Treibens und
der sich breit machenden Hurrastsinmung, ft, dem er
u. a. schreibt:
Es Hilst nichts, den Kops jetzt in den Sand zu
stecken und sich außen- und innenpolitisch irgend-
welchen Illusionen yinzugevcn. Die Lage ist so
furchtbar ernst, daß nur klare Erkenntnis der
Dinge dem deutschen Proletariat die Kraft und die
Fähigkeit geben kann, die Kämpfe siegreich auszu-
fechten, die ihm durch die Verschärfung der europä-
ischen Krise aufgezwungen worden sind. Ein großer
Teil der deutschen Presse Hai mit einer Leichtfer-
tigkeit, die an ihre Haltung wäbrend der Kriegs-
jabre erinnert, eine H u r r a sti m mu n g erzeugt,
die nicht mir den Blick weiter Volkskreise gegenüber
dem Ernst der Lage getrübt, sondern auch gefähr-
liche und in idren Nachwirkungen vielleicht ver-
hängnisvolle nattonalistisckie Untersttömungen
hervorgebracht bat. Diesem Treiben gegenüber hal-
ten wir es für unsere Pflicht, mit besonderem Nach-
druck darauf hinzuweisen, daß das deutsche Volk in
seiner Gesamtheit erst am Anfang einer schweren
Leidensperiode steht nnd daß die Deutsche Republik
von außen nnd von innen Gefabren ausgesetzt ist,
die ihre Existenz auf das schwerste bedrohen.
Als die deutschen Soldaten vier Jahre lang in
den Schützengräben blutettn, waren es die Herren
der deutschen Schwerindustrie, die von der Er-
oberung der Erzgruben von Longwy nnd BrieY
träumten, um das Monopol eines denffcheir Mon-
tanttusts in Europa aufzurichten. Heute ist dieser
Plan — mir in umgekehrter Richtung — von der
französischen Schwerindnstfte ausgenommen
worden, und die Macky dieser Gruvpe, verbunden
mit den Bestrebungen der miteinander rivalisieren-
den Gruppen des internationalen Oelkapitals und
Mit der überwältigenden Macht des auf seine»
Schuldschein pochenden amerikanischen Finanzkapi-
tals ist es, die die eigentlichen Linien der europäi-
schen Politik bestimmt.
Gegenüber dem AusbreUungsdrang der franzö-
sischen Schwerindustrie, die offensichtlich di« Politik
Frankreichs dirigiert, ist die Haltung der deut-
sch e n A rb e i 1 e r k l a s s e Mar und eindeutig. Wie
sie den Erobernngsdrang der annexionistischen Wirt-
schaftsverbände Deutschlands wäbrend des
Krieges bekämpft und gezügelt hat, so bekämpft sie
heute den Einbruch der französischen Stahl-
könige in das deutsche Wirtschaftsgebiet. Sie tut
das nicht im Interesse des deutseben Grubenkapi-
talS, nicht im Interesse der Herren Ssinnes, Thyssen,
Klöckner usw., zu denen sie nach wie vor in heftigem
Klassengegensatz steht, sie tut das vielmehr im Inter-
esse ihrer eigenen Zukunft, im Interesse der Erhal-
ckmg der Bodenschätze Deutschlands für das arbei-
tende Volk, im Interesse der Verteidigung des deut-
schen Wirtschaftsgebietes und der Einheit der deut-
schen Republik, die verloren gehen würde, wenn es
einerseits Poincarö und anderseits seinen deuisch-
nat-ionalen Bundesgenossen, die begeistert ibr „Gott
erhalle uns PoincarS" rufen, gelingen würde, den
deutschen Staat in seine Bestandteile auszulösen.
Man kann mit Fug und Recht von den Sünden
nnd Versohlungen des deutschen Großkapi-
tals sprechen, dessen kurzsichtige, egoistische Politik
ein gerüttelt Maß von Sch uld an der Ver-
schärfung der außenpolitischen Lage wie an der Ver-
elendung der arbeitenden Massen in Deutschland
trägt. Die deutsche Sozialdemokratie denkt keinen
Augenblick daran, ihren Kamps gegen die Mächte
des Kapitalismus abzuschwächen oder gar einznstel-
len. Sie hat es abgelehnt, sich mit jenen Ele-
menten in eine „nationale Einheitsfront" zu stellen,
deren Bestreben einzig und allein darauf gerichtet ist.
durch die Auspeitschung des Nationalismus ibce
eigenen Sünden vergessen zu machen.
In dieser Stunde ergebt daher unser Ruf an
das i n t e r nationale Proletariat. Und
ebenso ergeht unser Ruf an das deutsche Pro-
 
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