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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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Jahrgang

Nr. 47

Az«s»prei». BwnEch -tnschließl.
,^5'Nohii Mk. ISUt.—. Anzeigon»
vd»?: Di- cinsvalttg- Petilzeile
M.^-deren Raum (So mm breit)
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Bei Wiederholm»
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Heidelberg, Samstag, den 24. Februar 1923
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D- MclÄ^.. --LI- D-Uc ZSDi DWI WM WM. Druck II. Verlag der Unlcrbadischeu
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^lM A Tel.:«-cpcditiouW73u.Redar.A7S.


Annahme des Rotzesetzes.
Die Orgeschfrage. — Kommunistische Phantasien.

* Heidelberg, 24. Februar.
Der Reichstag nahm gestern das Notgesetzan,
nachdem ein großer Teil der gestrigen und noch viel
inehr der vorgestrigen Sitzung mit „kommunistischen
Einhüllungen" ausgesülll war. Wie schon ost nahen
die Kommunisten über geheime Konspiration'» et-
was läuteir hören, das sich dann als unrichtig her-
ousstcllte. Es sei deshalb gegenüber der kommu-
nistischen Behauptung von einer „sozialdemokratisch-
bürgerlichen Verschwörung" betont:
Vor kurzem hat eine Verständigung zwischen der
Reichsregierung und der preußiscktz'n Staatsregierung
zum Zwecke der Bekämpfung der imrerpolitischen
Beunruhigung durch die zahlreichen Selbstschuvorga
niiationen Platz gesunden. Es handelt sich um
Kantpfmaßnahmen der staatlichen Gewalt gegen die
faszistischcn Strömungen. Die „Rote Fahne" ver-
dreht die Sache in ihr Gegenteil um, und die
„S.A.Z." druckt den ganzen Schwindel in holder
Einfalt ab. Die Kommunisten möchten nun gern
ihre gange Wut an Severing, der ihnen bei der
Arbeiterschasr zu fest im Sattel sitzt, abladen. Tat-
sächlich hat eiire Sitzung, an der Severtng geinein-
sam mir dem General Seeckt teilgenommen Hal, über-
haupt nicht stattgesunden. Ebenso sand keine Sitzung
statt, an der Obcrpräsideuren gemeinsam mit dem
Reichsweyrministerium teilgenonnnen Hütten. Wohl
sand dagegen eine Sitzung der Oberprüfidentcn über
die DurchsUhrung der Ruhrbilfe statt. Weder stand
das Tbema „Selbstschutzverbände" auf der Tages-

ordnung, noch war irgend eine der zuständigen Stet
len der Reichs- oder preußischen Staatsregierung
anwesend.
Die ganze kommunistische Nachricht ist also wieder
einnial Schwindel, was »ns allerdings nicht bindern
wird, de» tatsächlichen Vorgängenbei den
S e lbstschu tzv erb ändc n und auch bei der
Reichswehr, über die Reichswehrminister Getzler
in der vorgestrigen Sitzung (wir verweisen aus den
Neichstagsbericbt in der gestrigen Nummer) nur
halbe Auskunft gab, größte Aufmerksamkeit zu
schenken. Denn so sehr die kommunistischen Behaup-
tungen über die Absichten der Reichswehr aus den
Fingern gesogen sind, so sehr haben wir auf Grund
der innen- und außenpolitischen Sitrmtion alle Ur-
sache, die Vorgänge genaucst zu verfolgen, damit wir
nicht außenpolitisch und innenpolitisch
in eine für die Existenz des Reiches und der Auf-
wärtsentwicklung unseres Volkes furrhibare Kala-
st r o p h e hineingeraten.
*
Sitzungsbericht.
* Berlin, 23. Februar.
Im Reichstag wird zunächst die Beratung des
Retchswehretats fortgesetzt.
Abg. Fröhlich (Komm.) erklärt: Der Wevr-
minister hat die Veröffentlichung der „Roten Fahne"
für unwahr erklärt, aber der größte Teil wird
durch eine Erklärung des preußischen Ministers des
Jimern bestätigt. Es steht fest, daß die Reichswehr
ihre überschüssigen Wassert direkt an die Orgesch-

Zkl KM W Lik MM
xr. Heidelberg, 24. Februar.
Der Versailler Vertrag hätte eine Klau-
sel enthalten sollen, daß j e d e r D c u t s ch e
verpflichtet sei, steh darüber zu infor-
mieren, was in der Welt vorgeht.
Spaß beiseite: eine solche Vertragsbestim-
mung wäre nützlicher gewesen als viele
andere. Die Unwissenheit, die in
Deutschland über die Dinge außerhalb
seiner Grenzen herrscht, ist erschüt-
terird. Die Deutschen leben in einem
luftleeren Raum. Sie machen sich fort-
während t a k l i s ch e r M i ß g r i s s e schul-
dig, die nur aus Ignoranz erklärt wer
den können. . . . Unglücklicherweise macht
Vic deutsche Presse auch in geistiger
Beziehung eine Periodedes Nieder-
gangs durch. . . . Beispiele, wie das
deutsche Publikum irregeführt
Wird: Ein Balkentitcl „Italien erklärt sich
gegen England", darunter eine Depesche,
daß ein Turiner Wtnkelblatt ein paar Aen
ßerungen gegen die englische Reparations-
politik zum Besten gibt. Das deutsche Va-
cuum ist sebr gefährlich. Der Deutsche siebt
niemals die wirklichen Tatsachen, sondern
nur s e i » e e i g e nc n H i r n g e s P i nst e.
(Daily Telegraph.")
Die nationalistische bürgerliche Presse scbwinunt
ch> Glück. Man schwelgt in Krafiausdrücken und
Illusionen. Just wie im Krieg. Genau so lärmend,
über auch genau so unwahr. Schreierische Reklame,
*Nik dem Brustton der Ueverzengnng vorgetragem
Rutz die Schwäche der Position verhüllen. Die Er
rignisse werden ins Grelle verzerrt. Schönfärberei
tt'llß das Bittere und Ungewisse verdecken. Unter
keinen Uinstäuden ein richtiges Bild zeichnen: dies
ist die klar erkennbare Parole des größten Teils der
sttirgerlichen Presse.
Die Irreführung der öffcntlichen Meinung ist be
keitS so weit vorgeschritten, daß sich der „Zei-
t b » gs v e r l a g", das amtliche Publikationsorgan
des Vereins deutscher Zeitungsverleger, in einem
»Gefährliche Feinde im Land" betitelten Ar ikel sebr
Eingehend mit den Gefahren beschäftigt, die der
dculscheu Abwebraktlon gegenüber dem französischen
istuhretnsall auS einer falschen Einstellung
der deutsche» Presse erwachsen könuew ins-
besondere auch int, allen jenen Ucbertrcibun
Sen, die sowohl hinsichtlich der Nachr i chhe n vom
Schauplatz des Kampfes, als auch in bezug aus die
Abschätzung der Erfolgs Möglichkeiten da
Und dort zutage treten und die von der mit einem
kiesigen materiellen und organisatorischen Apparat
arbeitenden franzSsischen Propaganda
llkradezu gefördert werden.
So teilt der „ZeitungSvertag" aus sicherer Quelle
bitt, Hatz die französische Propaganda eine gmize An
kiahs akzentfreier deutschsprecdender Age n
t c» ausgeschickt bat, zum Teil Ueberläuser aus der
Kricgszett, zum Teil Elsässer, die besonders jene
Propaganda betreiben, der die deutsche Leicht-
gläubigkeit schon so oft zum Opfer gefallen ist,
indem sie erfundene Greuelberichte aus der» besetzten
Gebiet in den fche Zeitungen einschmnggeln, um
Nachher nicht nur diese „Fülle", sondern damit zu-
Aetch wahre Tatsachenmeldunige» zu demen-
tieren. Ma» macht das beispielsweise so, daß
Wan in Meldungen über die Schandtaten der Fran-
tosen in Recklinghausen nach U e b e r tr e i b n n g e n
und völlig erfundene Greuelrawu einflicht. Dann
wird aus der französischen Presse konfe
r e n z in Essen, an der die zahlreichen ausländischen
Journalisten, im besetzten Gebiet tetlnebmen, aus
deutschen Blättern der verfälschte Berichs vorgelesen
»nd den fremden Journalisten gesagt: „Hier
kehen Sie, wie die Boches lügen. Zugleich
erklärt inan so die ganzen wahren Meldungen
Über die Vorgänge für b ö s a r t i g e E rf i n d u n -
Sen.
Das Blatt des Zeitungsverlegerveretns fährt
dann fort: „Wir warnen aber ebenso dringend vor
ienem leichtfertigen Optimismus, der
Sanz im Stil der schiech en Propaganda unserer
Hriegsleidensjabre schon wieder am Werke ist. Mit
»Durchhalten"-Phrasen aus dem Hin-
te r l a n d ist — das Bergarbeiterblatt an der Ruhr
bat xs deutlich genug gesagt —, nichts getan. Die
Zeitung darf nie und nimmer falsche Sieges-
Se w i tz b e i t zur Schau und ins Volk tragen. Sie
Wutz das Volk aufklüren über die Schwere des
Massiven Abwehrkampfes und ihm sagen, daß noch
diel Schweres zu erwarten ist. Die Zeitung
Stutz sich vor Hurra- und Pvrasenpatrio-
ttsmus in jeder Ueberschrifl hüten.
„Nie war Wahrheit, Beherrschung des
Portes und seiner dynamischen Wirkung, nie
war Selbstbesinnung des Zeitungsschreibers
notwendiger als heute. Auch wer falschen Op-
timismus aussät, wird Unheil ernten. Auch die
riegerische G e ste, die zugleich mit den abge-
ttiffeuen große» Worten schon wieder bemerkbar
wird, ist in der deutschen Presse der franzö st-
ich e» Propaganda hochwillkommen.
4wr alledem müssen sich die Zeitungen hüten, wenn
sie nicht den Widerstand durch Enttäuschungen ent-
näften und die Stellung des Feindes verstärken
Vollen."
Eigentlich sollten ja solche Warnungen über-
lässig sein. Denn auch die deutschen Naliona-

« Nckl»»» MIK«»»! I ll n IIIlW IWMIMW««, »1PWM
listen sollten wissen, daß nichts uns in Deutschland
während des Krieges mehr geschadet hat, als die
bewußte Irreführung iiber die tatsäch-
lichen Krastverhültnisse. Erinnern wir
uns, wie man im August 1914 der ja Pani-
s wen Botschaft begeisterte Ovationen brachte in der
Meinung, daß Japan zu »uferen Buildesgenossen
zu zählen sei. Ovationen in,dem Augenblick, da
Japan sich anfchtckw, seine Kriegserklärung an
Deutschland zu übermitteln. Erinnern wir uns, wie
man von Tag zu Tag daraus hoffte, datz die Ver-
einigten Staaten zugunsten Deutschlands in
den Weltkrieg eingreifen würden. Bis dann lang-
sam, Tropfen auf Tropfen, die Wahrheit durchflckerte,
daß Amerika alles andere als deutschfreundlich ge-
stimmt war. Rusen wir uns jerres Wort vom
ukrainischen Brotfricden ins Gedächtnis,
der uns unermeßliche Schütze von wettzem Mehl
bringen sollte, bis wir eines Tages merkten, datz
genau das Gegenteil eintrat und wir unser eigenes
Brot nach der Ukraine schicken mußten. Denken wir
an de» Hohn, mit dem die deutsche Presse die Rü-
stungen der englischen „Polizeiarmee" be-
gleitete, denken wir an das Wort von den Ame-
rikanern, die „nicht fliegen und schwimmen" köir-
nen, und wir haben eine kleine Auslese aus jener
verbrecherischen gewissenlose» Propaganda, die zu
einem guten Teil unseren Untergang besiegelte.
Aber die Alldeutsche» und ihre anstoßenden Sei-
tenflügel in der deutschen Presse habe» nichts ge-
lernt und werden nichts lernen, mag sich auch das
Unglück noch so sebr und noch so ost vor uns auf-
türmen. So kommt es, datz, von wenigen Aus-
nahmen abgesehen, es ver S o z i a l d e m o kra t t e,
die auch mir ihren Arbeitermassen die Hauptlast des
Abwehrkampfes trägt, verbleibt, den Kampf um
die Wahrheit, und damit den Kamps um
den Steg zu führen. Die sozialdemokra-
tische Presse lehnt jede Täuschung des Volkes
ab. NurWahrheitzreinsteWahrheit kann
uns retten. Jllusionsrauscb schafft jedoch, wie wir
leider nur zur Genüge erfahren, grausigsten Zusam-
menbruch.
So sehr auch die Wahrheit als unbedingte Vor-
aussetzung das innere Wabrhcitsgestthl und das
mutige Bekennerttrm hat —, so schwierig als gar
manche glauben, ist -er Weg '.richt. Eines verlangt
sic allerdings: der zur Wahrheit führende Weg mutz
konsequent begangen werden, mögen auch iwch
so viel einladende Seitenwege vorhanden sein. Jede
Abirrung führt wieder ins Gestrüpp. Der Weg der
Wahrheit aber führt, wenn auch manch hohe Hin-
dernisse zu beseitigen sind, wenn auch der Fuh ost
durch Dornen geritzt wird, ins Freie.
Außenpolitisch kann uns der Weg der
Wahrheit schon deshalb ,richt schwer fallen, da er
für ein wehrloses Volk, das wir auf Enientegebeitz
durch Waffenstillstands- und Friedcnsvertrag gewor-
den sind, die einzige Waffe darstellt, Wer das
es verfügt. Nur die Politik der Offenheit kann uns
vorwärts bringen. Deutschland mutz eine pazi-
fistische Politik treiben. Das müßten selbst
diejenigen Kreise einsehen, die ans Grund der bis-
herigen GeschiÄüsentwicklilng und ihrer persönlichen
Ueberzeugung eine Politik der militärischen Ansejn-
andersetzungcu vorziehen würden. Deutschland
braucht für eine ganze Reihe von Jahrzehnten der

Ruhe, der unbedingten Rübe zur Konsolidie-
rung seinor Wirtschaft und seiites Staa.es, aus den:
sich dann mechanisch ein starkes, wahrhaftes
R a ti o na l g e fü h l entwickeln wird, das Kraft
spendet, wenn sich die Polarität in der Konstellation
der Mächte einstmals zu seinen Gunsten verschoben
hat, auch in der Außenpolitik wieder eine aktiv do-
minierende Rolle zu spielen. Diese Erkenntnis in
sich aufzunehmen, müßte die oberste Psi ick» all jener
Kreise sein, die sich aus innerstem Gewissensdrang
heraus verantwortlich für den nationalen Gedanken
halten. Nur ans der Basis des Rechtgedankens
können wir all unsere Kämpfe — jede auch nur an-
deutungsweise Spielerei mit unserem Liliputaner-
heer sckstväckt mir unsere Position — führen, selbst
wenn vorerst kein Sieg die Arbeit krönt, ja
nur Niederlage an Niederlage sich zu reihen scheint.
Insbesondere mutz jedoch diese Position des Rechts-
prinzips gewahrt werden lm jetzigen Abwehr-
kamps Deutschlands gegenüber den kulturwivrigen
und barbarischen Eroberungsmcthodcn des poin
caröschen Frankreich. Mögen die Dinge im Rnhr
gebiet sich zum Guten oder zum Bösen entwickeln:
sicher ist, datz Frankretch an dieser seinen Namen
schändenden-Gewalttat schwer und auf lange Zeit
tragen wird infolge der Syntpathieabwendung der
Kulturländer von der einst so wcrtgeschätzten Zramle
Nation. Notwendig ist dazu allerdings, datz Deutsch-
land endlich — vielleicht hätte bei rechtzeitiger Ini-
tiative die Außenpolitik eine andere Wendung ge-
nommen — sich entschließt, durch eilt angemesse-
nes Reparativ ns angebot den französischen
Anklägern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Den französischen Gewaltplänen — ibr Streben geht
natürlich nach m ehr als nach Reparationen — wird
nur dadurch der Boden entzogen, daß Deutschland
bei baldigem Wiederaufbau des zerstörten
Nordfrankreich durch weitgehende Er-
füllungspolllik zeigt, daß es Willens ist, den
Zankapfel aus der Welt zu schaffen.
Wollen wir jedoch den Zankapfel aus der Welt
schassen, wollen wir ernsthaft weitgehende und da-
nttt erfolgreiche Ersüllungspolitik treiben, dann mutz
in der deutschen Innenpolitik der Streit um
die Erfüllungspolitik anshören, müssen sich alle
Kreise willig um die Regierung scharen, wenn diese
hierdurch dem deutschen Volke den Wegnach auf-
wärts bahnen will. Es muß aushören, daß
nationalistische Kreise der deutschen Regierung
den guten Willen zur Festigung der Nation ab
sprechen dürfen. Es muß aber auch aushönm, daß
unerhörte Bewucherung der notleidenden
Masten diesen die Möglichkeit nimmt, frohen Sinnes
am Leven der Nation teilzunebmen. Nicht minder
muß es aber auch aufhören, daß der sozial am schlech
testen gestellte Teil "stes deutschen Volkes den Haupt
teil der Steuerlasten trägt. Der Kampf um
die Wahrheit bedeutet in der deutschen Innenpolitik
— neben der Forderung nach Vertiefung des indi-
viduellen Wahrhaftigkeitsgesühls — die Verbreitung
und Verinnerlichung des Staatsbe-
wußtseins. Der Kamps um die Wahrheit be
deutet den Ausbau des deutschen Staates zur
wahren Volksgemeinschaft: ein Ziel, von
dem wir noch weit entfernt sind. Ob das deutsche
Volk, durch immer neuen Schaden klug geworden,
endlich entschlösse» ist, diesen Weg zu gehen?

verbände abgegeben hat. Hier handelt cs sich um
die Vorbereitung des S t u r z e s d e r R e P u b l! k.
An die Preußischen Oberpräsidenten sind Befehle er-
gangen zur Ausstellung von Stammrollen und über-
haupt die Vorbereitung für eine Mobi l m a ch u n g
zu treffen. Ist nicht Herr Remmelc in Heller
Aufregung darüber nach Berlin gekommen, datz ihm
Zumutungen gemacht worden sind, die ans die Ver-
anstaltung eines
Blutbades in Baden
hinauslaufen? Werbebureaus sind cingeleitet wor-
den. Bei den weiteren Aussührungen des Redners
kommt es zu erregten Zurufen der Rech-
ten; es wird den Kommunisten zugerusen, daß sie^
Landesverrat treiben und sich von Rußland -
bezahlen lassen. Das gibt zu erregten Antworten
Veranlassung und der Redner bemerkt, daß, wenn
man die Landesverräter suchen wolle, man sich bet
Herrn Mold en Hauer erkundigen solle, der im
Aussichtsrat des A n ! link o n z e r n s sitze und seine
Zustimmung zu dem Abtommcn mit Frankreich ge-
geben habe. Wolle man den Kampf gegen Poincarö,
erfolgreich führen, so müsse man innerpolitisch ge-
sichert sein.
Der Präsident schlägt jetzt mit dem Einvernehmen
des Aeltestenrates vor, die Beratung abzubre-1
ch e n. Es folgt die zweite Lesung des
Notgesetrcs.
Abg. Krätzig (Soz.): Um die Wirtschastsnot zu'
bekämpfen, muß durch richtige Organisation Arbeit
geschaffen und müssen die Mittel dazu durch ein«
schleunige Besteuerung der Sachwerte be-
schafft werden. Dann uruß durch entsprechende Matz-
nay men der W uch er m i t 8 eb eu s m t t te l n be-
kämpft werden. Die Schuld an den hohen Kar»
t o f f c r p r e i s c n tragen die Produzenten.
Ebenso ungerechtfertigt istderZuckerPreis. Die
Viehpreise sind auf eine unglaubliche Höhe ge-
trieben worderr, und man versteht nicht, wie die Re-
gierung die Ausfuürgenehmigims für hochwertiges
Zuchtvieh, noch dazu nach Polen und der Tschecho-
slowakei, hat ergehen lassen. Die Regierung soll sick
auch einmal nm die Vorgänge bei den Häute-
auktionen bekümmern, wo die Preise in der will-
kürlichsten Weise in die Höbe getrieben werden; di«
Häutcaukttonen sind vollkommen überflüssig, da die
Häute direkt an die Gerber unter Konttolle der Re-
gierung gebracht werden können. Man soll auch
endlich mit der systematischen Einsuhr von Ge-
sricrsleisch beginnen Die Bekämpfung der
Schlemmerlokale wird der Not des Volkes nicht ab«
Helsen, wenn nicht Hand in Hand damit eine Aktion
zur Stabilisierung der Währung geht.
Der Devisenhandel hat tu erster Linie jetzt den Zweck,
die Spesen der Banken zu decken. Warum bat man
mit der Senkung des Dollarkurses nicht scholl
früher begomwn?
Abg. Brubn (Din) becont, die Herabsetzung der
Polizeistunde auf 11 Uhr und ihre Wicderverlänge-
ncirg bis 12 Nbr ist nichts anderes als eine Schikane,
durch die vor allem das ehrbare Gastwirtsgewcrbe
geschädigt wird. In feinen weiteren Ausführungen
begründet der Redner einen deutsch nationalen An-
trag, der verlangt, datz für die Flüchtlinge aus dem
Ruhrgebiet die Wohnungen aller jener O stjudcn
'reigemacht tverden, die nach dem 1. Januar 1919
cingcwandcrt sind.
Abg. Dr. Bell (Ztr.) wendet sich «egen die
Auswüchse des Gaststättenwesens. Der deutsch-
nationale Antrag ist für uns unannehmbar.
Abg. Bartz (Komm.) stellt fest, daß gerade die
„Wahrheit" des Herrn Bruhn wie kaum ein anders
Matt Inserate enthält, die zum Besuch von Schlem-
inerlokalen oinladcn. Die Entrüstung des Herrn
Bruhn und seiner Freunde Wer Schlemmerei und
Wucher ist eine künstliche.
Reichsminister des Innern Oefcr nimmt gegen
den Antrag Bruhn Siellung. Der gegenwärtigen
Lage entspricht es nicht, die Einwanderung aus dem
Westen gegenüber der ans dem Osten zu bevorzugest
und gewissermaßen zu privilegieren.
Abg. Leutheußer (D. VP.) hält den Antrag
Bruhn für unannehmbar.
Der Antrag Bruhn wird gegen die Stimmen der
Dentschiiationalcn abgelehnt. Nack, kurzer weiterer
Debatte wird auf Antrag der Deulschnationaken im
tz <! des Artikels 1 die Bestimmung gestrichen wonach
derjenige, der sich sch-nidbast in einen die Zurech-
nungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand ver-
setzt, mit Gefängnis oder Geldstrafe belegt wird,
venu er in diesem Zustand eine strafbare Handlung
begebt.
Abgeletmt gegen die Demokraten, eines Teiles
des Zentrums und der Rechten wird ein Antrag
Brodaus (Dem.), daß zur Unterbringung der
Vertriebenen insbesondere die Wohn- und Geschäfts-
räume hevanzuziehen sind, die von solchen Auslän-
dern bewobnt und benutzt werden, welche seit der»
!. Januar 1919 in das Reichsgebiet singÄvandert
sind. Der Antrag würde, wie Minister Oeser in der
Debatte hervorgeboben hatte, bei dec Reichöregw-
rimg nicht auf grundsätzliche Bedenken stoßen, gehört
aber nach Auffassung des Ministers in die Ausfiih-
rungsbestimmungcn oder Anweisungen, nicht aber
in das Gesetz. Das Haus stellt hierauf die For-
derung des Antrages in Fori« einer Entschließung
an die Reichsregicrun«.
Das Gesetz wird hierauf sofort in der dritten Le-
sung gegen die Stimmen ver Kommunisten gen
 
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