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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 71 - Nr. 80 (24. März - 6. April)
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Die einspaltige Petitreile
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< Rcklanieanreigen(74n-n>
o°!.AMk. 8üg.-. BeiWiederhoiun.
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stunden derRedaktion: ll—IL Uhr.
il- ostscheilkonto Karlsruhe Nr.2Lö77
Lel.-Asr.: Vo lszeiiung Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadische«
Werlagsanstcur G. m. d. H., Heidel-
berg. Geschäftsstelle: Schröderfir.39.
Tel.: Expedition A7Ü u. Redak.287S.

Tam-Zelrung für die VerUligeDkvölkerMg öer Amtsbezirke Melbers, Wiesloch, Sinsheim, Wlngen, Verbuch, Mosbach, Tuchen, Abelsheim, Vorbera, TauberbiWssheim u. Wertheim
Jahrgang Heidelberg, Donnerstag, den 29. März 1923 Nr. 75

Berlin, 29. Mär;.


Wer will in Abrede stellen, so schreibt Genosse
^ar Q u a r ck - Frankfurt im neuesten Hest der
-Glocke", datz es durchaus im Wesen und Charakter
kdes nationalen Kapitals liegt, die Masse seiner
kleineren Landsleute sich mühselig in nationalen
Konflikten herumschlagen zu lassen und diese noch
^n schüren, während ein paar StuWcn jenseits der
grenze und der furchtbarsten nationalen Zusammen-
"äße schon das Konferenzzimmer behaglich durch-
formt und erleuchtet wird, in dem sich die Herren
^r Hochfinanz und der Schwerindustrie fern von
d(n schmutzigen Straßentumulten international ver-
eidigen wollen . . . Man mutzte sich scheuen, in
Deutschland und gerade im gegenwärtigen Augen-
oli« von solchen Dingen auch nur andeutungsweise
'» reden, wenn wir armen Dcutscln» nicht eben
b.ine Probe solcher bitteren Erfahrungen am
eigenen Leibe gemacht hätten.
Wie kommt es, datz die deutsche Presse aus der
französisch-deutschen Vereinbarung zwi-
lchen der Badischen Anilin- und Sodasabrik Lud-
wigshafen und der Pariser Regierung
chchtS Rechtes zu machen Weitz und bis jetzt kaum
"ehr als das Entschuldigungsgestammel der deut-
'chcn Kapitalisten wiedergegeben hat? Da stellt sich
*»s den französischen Kammerverhandlungen vom
und 7. Februar, die uns jetzt im stenographischen
Wortlaut des „Journal Officiel" vorltegen, heraus,
^aß der Vorvertrag wegen Verkaufs deutscher
^abrikgeheimiMe an Frankreich zwar im Jahre
I9j9 von dem französischen Wiederherstellungs-
"tinistcr Louchcur mit Ludwigshafen abgeschlossen,
ch'er dann mit Zustimmung der deutsche« chemischen
Industrie, wie sie sich im Ludwigshafener Riesen-
k'clrieb verkörpert, nicht weniger als zweimal bis
Wr jetzigen endlichen Genehmigung durch das sran-
^ilche Parlament verlängert worden ist.
Aus den Pariser Kammerverhandlungen erfährt
sUan weiter, welchen Riesenwcrt die militartstt -
e Negierung Frankreichs aus den Abschlutz und
-ie Ausführung legt. Die Patente hatte man näm-
bei der französischen Besetzung in Ludwigshafen
' ichchgnahmt und auf Grund einer bekannten Be-
''u -lung des Versailler Vertrags für sich in An-
! -uch -nehtnen können. Aber auch hier scheiterte die
^'otze brutale Gewalt, auf deren Fiasko wir jetzt im
?"il)rrevier hoffen. Es gelang nämlich nicht, wie
f französischen Parlament vom offiziellen Bericht-
lia- ^r ausdrücklich festgestellt wurde, mit den blo-
' - : Pa'enten auch nur ein einziges Kilo-
o ni m des Ludwigshafener Produktes zu erzeu-
ö ", obgleich man diesen Versuch mit allen möglichen
Mitteln, auch durch englische und amerikanische Fa-
^'Uken machen ltetz. Man hatte eben mit den Pa-
^n-en nicht zugleich die technischen Handgriffe und
»euchesten rauben können, die schließlich über die
Herstellung eines brauchbaren Produktes entschei-
.en. Darin, genau wie in den langjährigen Er-
Mrungen der Eisenbahner des Ruhrreviers, lag
^'-Stärke der deutschen Stellung.
Aber während die R u h r e i se nba h n c r das
schlimmste erdulden, um diese Stellung auszunutzen
zu verstärken — was tat das Ludwigshafener
»kapital? Es v e r ka u ft e für eine Summe, die in
französischen Kammer als „wenig beträchtlich"
^zeichnet wurde (immerhin sind es fünf Mtl-
'oncu Goldfranken, eine laufende Francs-
gebühr für das Kilogramm französischer Erzeugun-
gen und der Riesenvorteil, die volle Ausnutzung der
latente außerhalb Frankreichs wiederzuerlangen).
Die goldene Internationale hat eben ihre eigc-
'wn Handlnngsgesetzel Die Solidarität unter Mil-
tonüren ist stärker und zwingender, als die Gemetn-
chaft nist dem eigenen Volke. Und deshalb gibt das
"dwigshasener Kapital die entscheidende Geschick-
ehkeit seiner Techniker und Arbeiter ohne Bedenken
n den französischen Staat hin; es schickte sogar seine
putschen Angestellten und Proletarier in
9 roße Munitionsfabrik zu Tou-
^? "se, die nach dem Ludwigshafener Verfahren
ur eine Produktion von 100 Tonnen am Tage eiir-
rrtchtet wird und bekommt Ihre Reisekosten vom
^^ststschen Staat ersetzt. Nicht wahr, das ist ein
Weres Geschäft als der schwere Kampf im Ruhr-
-evier?
Wss NN FMkiE W?
Grund für die Besetzung von
Mannheim und Karlsruhe beseitigt,
san^r Rhetn-Herne-Kanal ist wieder
F yrbar, nachdem der gesunkene Kahn, der die
im^riüne versperrte, von einer Dortrechter Firma
'N>er gehoben ist.
einer dem deutschen Geschäftsträger in
dep "'n 3. März Wergebenen offiziellen Note
sch,^ ' n Z ö s isch e n Regierung bildete, so
kn- 1 die „Franks. Ztg.", die Besetzung der Ha-
st a r rBahnhochanlagen bei Mannheim,
t u n n > r " e, Darmstadt eine Vergel-
" st" a d ", e für die angeblich absichtliche
^aa<ü- """ Kähnen im Rhein-Herne-Kanal.
durch die Bemühungen eine« deutschen

Firma der Kanal wieder fahrbar ist, mutz es als
selbstverständliche Pflicht Frankreichs betrachtet Wer-
den, daß cs nunmehr auch die Mr Vergeltung be-
setzten Plätze wieder fr ei gibt.
Pfalz.
Ludwigshafen, 28. März. Von der fran-
zösischen Besatzungsbehörde wurden bei der Schnell-
pressenfabrik Mbert u. Co. in Frankenthal eine An-
zahl Motoren beschlagnahmt. Ms sie ab-
geholt werden sollten, verließen die Arbeiter und
Angestellten den Betrieb.
Verboten wurden die „Pfälz. Volksztg."
in Kaiserslautern, die „N eu e P s älz. L and e s-
zeitung" in Ludwigshafen mid der Kirch-
he imbolander Anzeiger" mit seinen vier
KopMättem.
Ruhr.
Paris, 28. März. Das Havasbureau meldet
aus Düffeldorf, daß die französische Behörde in
Düssetdorf ein geheimes deutsches Zoll-
bureau entdeckt habe. Dieses Bureau, so schreibt
Havas, umfaßte zwei Etagen eines Privat Hau-
ses in einer sehr belebten Straße. Die Franzosen
nahmen ein« Anzahl von Kaufleuten fest, die Zoll-

abgaben nicht an die französischen Behörden zah-
len wollten, sie vielmehr an das deutsche Zoll-
bureau zahlten. Gegen Ende des Tages verhaf-
tete man insgesamt 25 Beamte, die sich in dem
Geheimst»reau befanden.
Mainz, 28. März. Hier wurde eine weitere
Anzahl Personen ausgewiesen.
Dortmund, 28- März. In Dortmund und
Elberfeld haben große Kundgebungen stattgesunden.
In diesen Kundgebungen haben die deutschen
Frauen einen Aufruf an die Frauen aller Kultur-
völker gerichtet, in welchem sie gegen die französisch-
belgische Invasion feierlich protestieren.
Essen, 28. März. Der Verband der Bergar-
beiter Deutschlands, der G.'werkverein christlicher
Bergavbeiter, der Gswerkver.-in Hicsch-Duncker und
die polnische Berufsvereinigung erläßt einen Aufruf,
in denn es u. a. heißt:
„Kameraden! W ir b l e ib> e n f e st im TMveh
kampf für unser Recht und untere Freiheit, wir la?
sen uns weder durch Zuckerbrot, noch durch anderes
vom französischen Militarismus und Imperialis-
mus Mr Frohnarbeit zwingen. Der Widerstand
wtvd wie bisher mit Ruhe und Entschlossenheit
fortgesetzt werden, bis Frankreich von seiner
Gewaltpolitik Abstand nimnrt.

RAML
Das Echo der Rede v. RosenLergs.

* Heidelberg, 29. März.
Die Rede des deutschen Außenministers v. Ro -
senberg im Auswärtigen Ausschuß des Reichs-
tags hat, wie zu erwarten war, im Ausland kein
stärkeres Echo gesunden. Im Gegenteil! Aus der
französischen Presse dringen! immer weitergehende
Forderungen heraus. Die dem deutschen National-
gefühl zuwiderlaufende Forderung nach Internatio-
nalisierung der Rheinlande ist den französischen
Machthabern nicht einmal ausreichend. Man will
Nhmnland-Weftsalen ais säuerndes Pfand
bis zur restlosen Zahlung der Reparationen (d. h.
auf Nimmerleinstag) festhalten und in noch weiter-
gehender Sicherung auch nach Zahlung der Repa-
rationen den Gedanken der Internationalisierung
verwirklichen. So spielen die französischen Gewalt-
haber mit den Geschicken des Deutschen Reiches, for-
dern täglich das deutsche Nationalgefühl in haar-
sträubender Weise heraus. Kein Wunder, datz hier-
gegen das deutsche Volk sich in geschlossener Einheit
ausbäumen mutz. Es wird in Deutschland keine
Partei und keine Schicht geben, die auch nur irgend-
wie in eine Diskussion solcher französischer Maßlosig-
keiten eingehen könnte. Um so verhängnisvoller ist
es jedoch, wenn von deutschen Rationalisten versucht
wird, den einheitlich geführten p a s s i v en W td er-
stand zu einem aktiven zu gestalten. Die Pro-
pagierung des aktiven Widerstandes bedeutet gleich
den nationalistischen Putschplänen nichts anderes
als eine Unterstützung Frankreichs. Gelingt es
Frankreich, durch völkische Komplotte in Deutschland
einen Wirrwarr herzustellen, dann wird es ihm ein
Leichtes fein, seine Pläne auf Zerreißung Deutsch-
lands zu verwirklichen. Ebensosehr wird es ihm
aber auch möglich sein, sich freie Hände zu sichern,
wenn durch aktiven Widerstand die allmählich brüchig
geworden« Entente aufs neue — vergleiche das Ver-
halten des Wiener Kongresses gegenüber dem von
Elba zuriickkehrenden Napoleon — gegenüber
Deutschland zusammengeschweitzt wird. Frankreich
hat alle Ursache, schnell zu handeln. Als Beweis da-
für können die gestrigen Verhandlungen des eng-
lischen Unterhauses angesehen werden, aus denen
ein starkes Unbehagen über das Verhalten Frank-
reichs hervorgeht. So sehr man auch in England
immer noch die Notwendigkeit der englisch-französi-
schen Entente anerkennt und betont, so sehr ist man
mißgestimmt darüber, datz Frankreich immer uner-
sättlicher in seinen Forderungen wird. Das Hege-
monieverlangen Frankreichs auf dem Kontinent be-
gegnet immer stärkerem Mißbehagen. Man sicht es
in England ungern, daß Frankreich keinen gleich-
wertigen Partner vorftndet. Aus diesem Grunde
besteht in England eine starke Strömung, die sich
bemüht, Deutschland als gleichwertigen Faktor im
europäischen Siaatsleben zu erhalten. Dies klingt
aus vielen Stimmen englischer Staatsmänner her-
aus und in diesem Moment finden wir auch den
Urgrund der englischen Abneigung gegen die fran-
zösischrn Pläne auf Rheinland-Westfalen. Außer-
dem aber erkennt der Scharfsinn der englischen
Staatsmänner, daß die französischen Pläne in
Deutschland eine Revanchcstimmung schaffen müssen,
die sich eines Tages auslösen mutz.
Wollen wir in Deutschland von dieser Haltung
Englands Profitieren, so ist es Ausgabe der Reichs?
regierung, durch brauchbare Vorschläge hinsichtlich
der Reparationen die Wege zu ebnen. Leider ist in
dieser Hinsicht bisher noch nichts geschehen. Denn
mit dem Vortrag von Vorschlägen, die auf früheren
Konferenzen ad acta gelegt wurden, kommen leider
die Dinge nicht Weiler. Aktivität ist daher die
Forderung, die wir an die Neichsregierung erheben

müssen. Denn von alleine kommen wir aus der jetzi-
gen furchtbaren Situation nicht heraus.
Die Auffassung des Unterhauses.
London, 28. März. Im englischen Unter-
haus fand heute die angesagte Ruhrdebatie
statt. Llohd George sprach nicht, wie allgemein
erwartet wurde.
Schatzkanzler Baldwin erklärte, daß die über-
aus feste Entschlossenheit der Kampfparteien und be-
sonders die völlig ablehnende Haltung Frank-
reichs jeden englischen Schritt erschweren. Die
englische Regierung warte den richtigen pchchologt-
schen Augenblick für die Anbietung ihrer guten
Dienste ab. Eine Einmischung, bevor beide Kämp-
fende es wünschen, würde England seiner an sich
bedeutenden Macht zur schließlichen Lösung berau-
ben. England stehe mit beiden Parteien in engster
Verbindung. Der Moment werde kommen, wo eng-
lische Vorschläge oder sonst etwas, besonders die
Mitwirkung zur Regelung der Frage der alliierten
Schulden und der Reparationen, beiderseits er-
wünscht sei.
In der Debatte wurde allgemein eine ga: ötz « re
Aktivität verlangt. Die angekündigte liberale
Aktion bezüglich der Sicherheit Frankreichs unter-
blieb. An Stelle Lloyd Georges wies Grigg —
von Lloyd George ständig mit Beisallszeichen be-
gleitet — nach, datz Paris mit seinen Forderungen
bezüglich des Rheinlandes gänzlichautzerhalb
des Friedensvertrags stehe. Eine inter-
nationale Kontrolle der Rheingebtete würde eine
spätere Explosion des deutschen Nationalgefühls
unvermeidlich machen. Man müsse die eigene Mei-
nung in Zusammenhang mit den Dominions klären,
Weil man binnen wenigen Wochen handeln müsse.
Der konservative Exminister Worthington
Wünschte Veröffentlichung der englischen Augustvor-
schläge, die für Frankreich viel annehmbarer seien,
als der Januarplan.
Asquith forderte eine Erklärung über den vom
deutschen Außenminister v. Rosenberg erwähn-
ten deutschen Vorschlag und fragte, welche Schritte
die englische Regierung getan habe, um mit anderen
an der Ruhraktion unbeteiligten Alliierten Fühlung
zu nehmen. Auch Asquith stellte fest, datz der Frie-
densvertrag Frankreich bezüglich der Abrüstung und
Kontrolle ausreichend Sicherheit biete.
Baldwin beantwortete die Fraget» nicht. An-
geblich soll sie Mac Neill später in der Debatte be-
antworten.
Ramsey Macdonald verurteilte die englische
Politik des Schweigens und unterstrich die morali-
sche Verpflichtung Englands, Paris gegenüber die
Einhaltung des Friedeusvertrags zu verlangen.
Auslandsstimmungen.
Parts, 28. März. Die gestrige Erklärung des
Reichsministers Dr. Rosenberg hat hier infolge
des Zusammentreffens mit den Erk.ätungcn Poin-
carös in der Fiuanzkomnnssioa m.r ein gerin-
ges Echo gesunden. Die meisten Blatter haben sis
auf die Wiedergabe tendenziös zugcstrichener Aus-
züge beschränkt, in denen die positiven Vorschläge,
die der Minister- im Namen der deutschen Negierung
bekannt gegeben hat, fast ganz unterdrückt sind. Aus-
führlicher beschäftigt sich heute abend nur der
„T emps" mit den Erklärungen des Ministers; wie
zu erwarten war, in völlig ablehnendem Sinne.
London, 28. März. Die englische Auffassung
zur Rede v. Rosenbergs ist, daß die französische Re-
gierung heute den Vorschlag noch energischer ab-
lehnt als im letzten Sommer. Paris wird als
völlig unzulänglich betrachtet.

Die internationale Lage.
Um die deutsche Dollarunleihe.
Paris, 28. März. Der „Matin" berichtet über
das Ergebnis der Beratung des Finanzaus-
schusses der Rcparationskom Mission
wegen der französischen Einwendung gegen di,
deutsche Goldanleihe.
Der Ausschuß habe auf die heutige Frage, ol
das Reich das Recht habe, ohne Genehmigung der
Reparationskommission eine Anleihe aufzuneh-
men, einstimmig mit „Nein" geantwortet. Aus
die zweite Frage, ob die Reparationskommission das
Recht habe, auf Grund des Artikels 218 den Er-
trag der deutschen Anleihe als eine hypothekarische
Einnahme zugunsten der Reparationskom-
Mission anzuseherr, und ihre völlige oder teilweise
Uebermittelungzu verlangen, hatten der fran-
zösische und der italienische Vertreter mit „I a" und
ihre drei Kollegen, darunter der belgische Vertreter,
mit „Nein" geantwortet.
Auf die dritte Frage, ob die von dem Reiche ge-
leisteten Bürgschaften gültig seien, habe die
Reparationskommission mit Ausnahme des franzö-
sischen Vertreters geantwortet, datz die Reichs-
bank eine privateBank sei, und sie somit dem
Privilegium der Alliierten entgehe. Somit habe fit
die Bürgschaften anbieten können.
Sir John Bradburh und delaCroix sind
beauftragt worden, eine Note in diesem Sinne an
die Kriegslastenkommission abzusenden.
Berlin, 28. März. Die von der Reparations-
kommission der Kriegslastenkommisston in Paris
überreichte Note über die deutsche Goldanleihe ist
hier heute telegraphisch eingetroffeu.
Da nach Artikel 248 der gesamte Besitz und alle
Einnahmequellen des Reiches und der Einzelstaaten
sür die Bezahlung der Reparationen hasten, stellt die
Note der NeparationKkonrmission eine reine Rechts-
verwahrung dar, die zunächst wenigstens kaum ir-
gendwelche praktische Folgen haben dürfte. Jeden-
falls hat die Reparationskommission alle weitergehen-
den französischen Anträge, darunter den auf Be-
schlagnahme des Anleiheergebnisses, abgclehut.
Das unersättliche Frankreich.
Paris, 28. März. Achnlich wie vor einiget»
Tagen das „Echo de Paris" erklärt heute der „Ma-
lin", datz der Gedanke einer internationalen Kon-
trolle über das Rheinland Frankreich keine ge-
rrügende Sicherheit biete. Wenn Deutschland ent-
waffnet und die Reparationen gezahlt seien, könne
man vielleicht an ein« Internationalisierung des
Rheinlands denken, vorausgesetzt, das; bis dahin der
Völkerbund über ausreichende internationale Streit-
krüste verfüge, um das Land zu besetzen. Bis dahin
müsse Frankreich es vorziehcu, seine Sicherheit durch
seine eigenen Truppen zn schützen.
Italien verlangt ein Angebot.
Berlin, 28. März. Nach einem Bericht dcS
diplomatischen Mitarbeiters des „Daily Tele-
graph" soll der italienische Ministerpräsident M u s-
solini in der vorigen Woche bet der deutschen Re-
gierung Vorstellungen erhoben haben und ihr
geraten haben, den Alliierten ein konkretes An-
gebot in der Reparationsfrag« zu machen. An Ber-
liner amtlicher Stelle wird die Nachricht des
englischen Blattes inhaltlich nicht bestritten,
sondern nur erklärt, das; die Reichsrcgicrung wäh-
rend der ganzen Ruchrkrdse ebenso wie mit anderen
Regierungen auch mit italienischen Regierungsstel-
len dauernd in Fühlung gestanden habe.
Berlin, 28. März. Aus Rom ivird gemeldet;
Alle an die Rmn-Reife von Stinnes geknüpften
Meldungen von einer italienischen Vermittlung im
Ruhrkoirflikt sind unbegründet; weder suchte
Stinnes um eine solche Vermittlung nach, noch be-
stätigt sich die Londoner Radiomelduug von eine«
Initiative Mussolinis.
Möglicherweise zeitigt die Besprechung zwischen
Ja spar und Mussolini cine italienisch-belgi-
sche Annäherung im Ruhrkonflikt, die jedoch eng-
lischer- Mitwirkung bedürfte, um aktiv Hers
vorzutreten. Bisher ist nicht bemerkbar, datz Italien
seine abwartende Haltung änderte.
Das Eisenbahnabkommen.
Berlin, 28. März. Betreffs Durchführung deS
englisch-französischen Eisenbahnabkommens hat die
englische Regierung eine Note nach Berlin gerichtet.
Die deutsche Antwort befinde« sich in Vorbe-reitring.

Die gewitterschwangere europäische
Politik.
Die Kopenhagener Zeitung „Politiken"
schreibt: „Der Krieg, der im Jahre 1914 begann
und im Ich re 1918 durch einen Waffenstillstand un-
terbrochen wurde, ist wieder auf gelodert.
Die Bedingungen und Formen sind
andere als damals, aber der Krieg dauert noch
an und nichts deutet darauf hin, datz er aushören
wird. Im Gegenteil, die Perspektive, die sich bei
ganz nüchterner und realistischer Betrachtung eröff-
net, erinnert stark an Perioden wie den Dreißig-
jährigen Krieg und die Zeiten Napoleons.
Nun wird vielleicht der eine oder andere nach dem-
schwachen Strohhalm greisem wie cs die englischen
 
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