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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 1 - Nr. 10 (2. Januar - 12. Januar)
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Tages-Zeitung siir die werMige Bevölkerung der Amtsbezirke öeidekberg. Wiesloch. Sinsheim, Kvvingeu. Eberbach. Mosbach. Bachen. Adelsheim, Borberg, Tanberbiichossheim n. Wertheim
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E». Jahrgang Heidelberg, Freitag, den 5. Januar 1923 Nr. 4
— —---

AWlO Ser AN MM.

Paris, 4. Jan. Die Konferenz ist
beendet. Dio englischen Delegierten
werde» morgen früh nach England zurück-
reisen.
Vor Aufhebung der Sitzung gab Bo-
tt a r Latu seiner unveriinderltchen
Freundschaft für das französische Volk
Ausdruck. Poincare beantwortete seine
Erklär» »g mit der Versicherung seiner u n -
veränderlichen Shmpathte für
England.
»
gr. Heidelberg, 5. Januar.
Das Verhängnis Europas scheint sich zu beschleu-
nigen. Mit Gewalt soll anscheinend der kultur-
iragenbste Kontinent der Welt ruiniert werden.
Jahrzehntelang mutzten wir beobachten, wie unter
der Aegtde der Wassenrüstnngen, der Kriegssansaren
und des politischen Mißtrauens die europäische Si-
iuaüou sturmreif für eilten Krieg gemacht
ivurde, in den dann durch Verhängnis, Ungcschick-
iichkeiten und Fehler die europäischen Staatsmänner
'M Juli—August 1914 richtig hineinstolperten. Im
Krieg wurde dann den Völkern Europas gesagt, es
äcltc den letzten Krieg der Menschheit
auszufechten, dessen Ende den Sieg derFrei -
dett und der Völkerversöhnung krönen
'Nüsse. Und das Wilson-Programm schien
wahrlich danach angetan, die Menschheit einem er-
habenen Zeitalter cntgegenznfiihrcn. Sobald jedoch
die Mittelmächte infolge ihrer wahnwitzigen Kräfte-
überschätzung militärisch, politisch und wirtschaftlich
Zerschmettert am Boden lagen, flog das Evangelium
der neuen Welt einem Fetzen Papier gleich in den
Dfrn und Poincare — der ziviltragende Epigone
Militarisch-oorussischer Hcrocngestalten — entwarf
lein Diktat von Versailles. Die Verewigung
des Krieges wurde geschaffen. Statt der Epoche der
Versöhnung und des friedlichen Aufbaues wurde
eine Aera der Konflikte cingeleitet, bei dem ein Kon-
stikt mechanisch immer wieder einen neuen erzeugt
So schleppen wir uns nun seit Jahren von Konfe-
renz zu Konferenz, obne das; es gelungen ist, eine
Wirkliche Reinigung der Atmosphäre zu vollziehen.
Derweil hat sich jedoch die L a g e i n D e u ts ch -
'and dermaßen verschlimmert, daß der Druck ge-
radezu unhaltbar geworden ist. Die Politische
Situation hat durch die französische Einschnürung
den nationalistischen Hetzern in Deutschland — die
Chauvinisten arbeiten sich immer gegenseitig in die
, Hände — Verstärkung ihrer Anhängerschaft gebracht,
trotzdem sich jeder einsichtige deutsche Bürger sagen
Müßte, daß damit den Franzosen die Hasen in die
Ställe getrieben werden. Wirtschaftlich sind wir je-
doch so sehr erschöpft, das; Hunger und Elend
immer weitere Kreise erfaßt, daß Katastrophenstim-
mung immer mehr um sich greift. Dieser Zustand
der Zerrüttung wurde auch im Ausland bekannt.
Vor allem in England. Es hatte daher, nachdem die
neulichen Londoner Verhandlungen kein Ergebnis
brachten, der englische Ministerpräsident Bonar
L a w der Pariser Konferenz ein Programm vorge-
legt, das nach englischer Auffassung den Franzosen
sicherer Geld von Deutschland gebracht Hütte, und
dabei Deutschland gleichzeitig die Möglichkeit eines
Wiederaufstiegs gegeben Hütte. Poincare will
jedoch von alledem nichts wissen. Er will die Aus --
e j n a n d e rr e i ß un g Deutschlands. Alles
andere ist ihm nebensächlich. Kein Wunder, daß ihm
da der deutsche Friedensvorschlag nicht behaar, der
zudem von der Regierung Cunos diplomatisch un-
geschickt vorgelegt wurde und durch seine Begrenzung
auf 30 Jahre von vornherein Mißtrauen erzeugen
mutzte. Infolge dieser französischen Sabotagepolitik
ist die Pariser Konferenz nunmehr gescheitert. Eng-
land ist kein Freund einer Hegemonie Frankreichs in
Europa. Poincare will aber mit allen Mitteln sei-
nen Willen und seine Politik durchsetzen.
Was aber nun? Es wäre gefährlich für uns,
wenn wir auf Englands Hilfe für Deutschland zu
sehr bauen würden, so sehr auch England aus ego-
istischen Interessen heraus den französischen Plänen
feindlich sein mutz. Viel mehr Aufmerksamkeit haben
wir den französischen Absichten beizumes-
sen, die nunmehr ohne Rücksicht auf England auf
ihre Rheinbund ziele loszusteueru versuchen
werden. Wir stehen daher vor einer ernsten, sehr
ernsten Situation. Eine Situation, die vor allem
dadurch erschwert wird, daß innerpolitisch die von
Bahern her geführte nationalsozialistische
Bewegungmit einem selbständigen Wittelsbach-
Bahern im Hintergrund, den französischen Plänen
indirekt in die Hände arbeitet. Die neue Reich s'-
regierun g.-'C unos, die bisher leider nicht all-
zuviel Glück gehabt hat, hat daher alle Hände voll
zu tun, um die schwere Gefahr, die unserer
nationalen Existenz droht, abzuwehre». Sie
wird dabei, alle staatspositiv denkenden Deutschen
hinter sich haben, wenn sie auf dem Wege einer völ-
te r versöhnen den Politik — dies ist der
einzige Weg — die Gefahr zu bannen sucht. Weg-
sührer wird uns hierbei die Idee des Rechtes
sein, an die wir trotz allem glauben. Der Leidens-
weg des deutschen Volkes ist ein harter. Er wird

jedoch, dies beweist die Menschyettsgeicyceyke, nach
aufwärts führen, so hart auch die Schwierig-
keiten sind. Denn kein Volk ist verloren, das an
sich selbst glaubt.
Wie es kam-
Paris, 4. Jan. Wie der Abbruch der Konfe-
renz zustande kam, zeigen am besten die Musterungen
der englischen Blätter, die sich mit Schärfe gegen die
Friedenssabotage Frankreichs wenden. Die „Daily
M a i l" schreibt, die Pariser Konferenz scheine dazu
verurteilt zu sein, ohne irgend eine Einigung abzu-
schlictzen. Obwohl gestern nachmittag die Ansprachen
von Poincarö, Theunis und Bonar Law
gehalten wurden, wäre es ganz klar, das; nicht die
geringste Aussicht auf eine Versöhnung des britisch ',
und des französischen Standpunktes miteinander be-
steht und da weder Bonar Law noch Poincare von
ihrer bisherigen Haltung zurücklreten wollen, gilt
es für nutzlos, die Konferenz sortzufetzen. Heute
nachmittag um 3 Uhr wird eine formelle Sitzung
stattsinden, in der der italienische Vertreter
Marquis della Torretta Bemerkungen über die Hal
tung Italiens machen wird. Einige technische Be
merkungeu von englischer und französischer Seite
werden hinzugefügt werden. Wahrscheinlich werden
Bonar Law, Sir Philipp Lloyd Greanre und
der übrige Teil der englischen Abordnung heute
abend nach London zurück lehren. Man kann
nicht behaupten, daß dieser Abbruch der Konferenz
irgend cinx Uebcrraschung bedeutet. Es war gestern
vormittag nach dem Kabinettsrat im Elysee und den
Erklärungen Poincares klar, datz kein anderes
Ergebnis zu erwarten ist. Fernerhin führt das
genannte Blatt aus, Poincare sei überzeugt, datz
eine Einigung mit England im Augenblick
nicht möglich sei und daß er seine Versprechun-
gen an das französische Volk ausführen mutz und
zu einer sofortigen selbständigen Aktion schreiten
mutz. Poincare wird in seiner Haltung durch die
Meinnngskundgebungen von Senatoren und Abge-
ordneten sehr bestärkt, da in diesen Kreisen die eng-
lischen Vorschläge als vollständig unannehmbar an-
gesehen werden.
Londo n, 4. Jan.- „Daily Mai l" berichtet,
daß sich Bonar Law gestern geweigert
habe, de» französischen Reparationsplan in Betracht
zu ziehen und da Poincare es abgelehnt habe, die
britischen Vorschläge zu erörtern, sei es wahrschein-
lich, daß die Pariser Konferenz heute nachmittag,
ohne ein Abkommen zu erzielen, auseinander-
gehen werde. Frankreich werde seinen
Plan, nach dem 15. Januar allein gegen Deutsch-
land'zu handeln, ausführ en. Man erwartet,
das; die britische Delegation heute abend aus Paris
nach London abfahren wird. Gleich nach ihrer Rück-
kehr wird eine K ab i n e tt s s itz u ng etnberufen
werden, um die vollkommen neue europäische poli-
tische Lage, die entstanden sei, zu erwägen.
R o m, 4. Jan. Die gesamte rö mi s ch e P r e s i e
lehnt den englischen Plan ab. Die „Jdea Ra-
ztonalc" beglückwünscht Mussolini dazu, datz er nicht
nach Paris ging. Das englischeProjekt, das
ebensowohl in Berlin als in London entstanden
sein könnte, sei unannehmbar und könnte nicht
einmal die Grundlage einer Erörterung geben. Auch
der „Corriere d'Jtalia" steht ein sicheres
Scheitern der Verhandlungen voraus. Mit sei-
nem unglaubwürdigen Projekt habe England eine
Mauer zwischen sich und seine Alliierten gezogen.
Frankreichs Sabotagepolitik.
Die französische Sabotagepolitik, die bekanntlich
die Konferenz nunmehr zum Scheitern brachte, wird
durch folgenden Artikel unseres außenpolitischen Mit-
arbeiters scharf beleuchtet:
Seit Jahren wartet die Welt auf eine Lösung
der internationalen Schuldcuverpflichtungeir, die end„
lich die Grundlage für den gemeinsamen Wiederauf-
bau Europas und für die gemeinsame Ueberwtndung
der Kriegssolgen schafft. Ministerkonferenzen und
Zusammenkünfte von Sachverständigen sollten dazu
beitragen, die Gesamtheit dieser Fragen zu klären.
Es liegen Ergebnisse dieser Beratungen vor, die die
Hoffnung zuließen, datz man in Paris zu einer Ver-
ständigung kommen würde. Die neuen Vorschläge
Poincares aber setzen sich über alles, was in dieser
Richtung gearbeitet wurde, hinweg und verlangen
eine Verschärfung anstatt eine Erleichterung des Lon-
doner Zahlungsplans, nnter dessen Herrschaft der
Dollar auf 9000 gestiegen und deutsche Minister zu
Tode gehetzt worden sind.
Die dringendste Frage für Deutschland war die
Erreichung eines Moratoriums, das zunächst
einmal die Voraussetzungen für die Abmessung sei-
ner eigenen Leistungsfähigkeit, für die Stabilisierung
der Mark und für die Balancierung des Haushalts
bringen sollte. Die französischen Vorschläge sprechen
von einem Moratorium, verschärfen aber in Wirklich-
keit die jetzt geltenden Zahlungen. Denn an ihre
Stelle sollen die P rod u k t iv e n P fä nder treten,
die anstatt bisher 720 Millionen Goldmark eine Mil-
liarde Goldmark der deutscheu Wirtschaft abzapfen
wollen. Daneben aber sollen die Sach-
leistungen, die Ausgleichszahlungen

und vor allem die unproduktiven Kosten derNhein-
landbesatzung wie bisher bestehen bleiben.
Wetter wird aber von Deutschland verlangt, daß es
Ausländsanleihen und mit ihrer Hilfe die Repara-
tionsschulden noch während des Moratoriums ab-
decken soll. Alle Sachverständiaen-Gutachten. die
»verein,simMend eine Entlastung Deutschlands von
den Reparationen fordern, ehe eine Ausländsan-
leihe überhaupt als möglich erachtet wurde, haben
also auf den französischen Ministerpräsidenten kei-
nen Eindruck gemacht.
Nachdem so der Zahlungsplan zunächst ver-
schärft werden soll, erklärt man sich bereit, die 32
Milliarden Goldmark Schatzbonds, de-
ren Gegenwert Deutschland der Entente noch schul-
det, deren Bezahlung aber niemals amtlich ins Auge
gefaßt worden ist, zu stretchen, wenn auch die
übrigen Alliierten sich mit dieser Annullierung ein-
verstanden erklären. Eine „derartige „Erleichterung"
kann natürlich für Deutschland niemals wirksam wer-
den, nachdem es schon unter der Last der Zahlung
für die vorberechttgten 50 Milliarden Goldmark Re-
parationsschuldeu zusammen geb roch en ist.
Die Frage lautet: Wie wird dieser Teil der deutschen
Zahlungspflicht abgcmildert und auf ein erträgliches
Matz gebracht? Poincare tröstet mit Schlösser«, die
im Monde liegen.
lieber alle diese Fragen ließe sich reden. Denn
was Poincare jetzt fachlich verlangt, sind ja schlictz-
lich Forderungen, die durch Verhandlungen auf ein
vernünftiges Maß gebracht werden könnten, wenn
nur auch Frankreichs guter Wille zu einer
Verständigung verkennbar Wäre. An dieser grund-
legenden Voraussetzung fehlt es jedoch gänzlich. Das
Programm der deutschen Finanzkontrolle, Art und
Konstruktion der Pfänder und die Eingriffe in die
deutsche Souveränität sind derart schroff, datz eine
Brücke zwischen den gegensätzlichen Anschauungen
nicht erkennbar wird. Zur Sicherstellung der Sach-
lteserungen werden Kohlen und Holz, wie andere
zum Wiederaufbau geeignete Materialien, nicht der
Form nach, aber sachlich nach allen Regeln mili -
täri scher Requisitionskunst beschlag-
nahmt. Ein interalliiertes Jngenieurkomitee soll das
Recht erhalten, die Tätigkeit des Kohlensyndikates
und der deutschen Kohlentransporte zu überwachen
und Befehle zu erteilen. In ähnlicher Weise will mau

erhöhen, um die Lieferungen an Holz für den Wie-
deraufbau heranszupresscn. Für die übrigen Sach-
lieferungen verlangt man schlankweg das Recht der
Requisitionen sowohl im Rheinland wie im Ruhr-
gebiet. Zur Sicherstellung der Geldlieferungen ist
ein ganzes System von Beschlagnahmungen deut-
scher Einnahmen aufgestellt. Eine Ueberwachung der
deutschen Ausfuhr, eine Beschlagnahme der Zollein-
nahmen int Rheinland und im Ruhrgebiet, eine Er-
hebung der Zölle im westlichen Deutschland, eine
Beschlagnahme der Kohlensteuer, die in einem Teil
sogar von den Zechenbesitzeru in fremden Devisen
bcigetrieben werden soll — also diese Maßnahmen
sollen zur Sicherstellung der französischen Ansprüche
dienen. Aber nicht nur auf den Westen Deutsch-
lands, der für die Reparationen durch die verschärfte
Ueberwachung des Rührgebietes noch mehr als bis-
her ausgepumpt werden soll, erstrecken sich die rigo-
rosen Massnahmen, die der französische Vorschlag per
langt. Auch gegenüber dem Reiche werden Beding-
ungen aufgestellt, die von vornherein als unerfüll-
bar anzusehen sind. Zunächst ist es undenkbar, ei-
nen Stavilisierungsplau anszuarbeiten und durch-
zuführen, wenn vorher die Voraussetzungen dafür
beseitigt werden. Das gleiche gilt für die Balan-
cierung des Reichshausbalts. Ueber alles Matz
aber hinaus schießen die Kontrollbestimmungen, die
zugleich dem Reiche und den Ländern diktatorisch
zugemutet Werden sollen. Der Garantieaus-
schutz, der nach Berlin übersiedeln soll, würde das
Recht erhalten, jede Ausgabe zu streichen und jede
Erhöhung zum Zwecke der Erfüllung der Reparn-
tionslastcn vorzuschreiben. Sogar die Autonomie
der Reichsbank — jener fragwürdige Erfolg der bis-
herigen englischen Reparationspolttik — soll dem
Diktat des Garansickomitees Weichen. Jeder Wider-
stand dagegen soll als vorsätzliche Verschlang ange-
sehen werden und automatisch die Sanktionen in
Kraft setzen.
Während also bisher die Reparatiouslommission
zuständig war, um Sankttonen erlassen zu können,
und wenn sie bisher auch an die Meinung der Re-
gierung gebunden war, soll in Zukunft nicht nur die-
se, sondern auch die Rheinlandkommission und die
Jngenteurkommission, ein Stab untergeordneter
Staatsbeamter, verfügen, daß Essen und Bochum
besetzt werden, datz das gesamte besetzte Gebiet durch
eine Zolltnte vom Reiche getrennt wird und daß die
Besatzung der Rheinlande um ein halbes Dutzend
Jahre verlängert wird! Aus dieser Bestimmung
spricht die Katastrophenpolit» der französischen Re-
gierung in einer Weise, die an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig läßt.
Die letzten Sitzungen.
Paris, 4. Jan. Aus der Konferenzrede deS
belgischen Ministerprpräfidenten Theunis ist
bemerkenswert, daß er zu beweise» suchte, Deutsch-
land habe alles getan, um sich selbst von seiner
angeblichen Armut zu überzeugen, das; es aber in
Wirklichkeit durchaus leistuugsf ä b i g fei.
Theunis warnte vor der gcgenwSrtigcw-RUHS-
regieruug, die vollständig von der Schwerindustrie

beherrscht werde. Seine Rede klang aus in der Bitte,
nicht an Belgiens Priorität zu rütteln.
Paris, 4. Jan. Die dritte Sitzung der inter-
alliierten Konferenz hat um 3 Uhr begonnen. Bo-
nar Law hat die gestern begonnene Erwideruitg
auf die Krim Poincarös an seinem Plan zu Ende
geführt und den englischen Standpunkt in einem
den Konferenzteilnehmern überreichten Memo-
randum nochmals schriftlich nicdcrgelegt. Daß,
von geringfügigen Konzessionen abgesehen, die eng-
lische Regierung ihr Programm in vollem Um-
fan g a u f r e ch t e r h ä l t, geht aus einer offiziösen
Reutermeldung hervor, in der es heißt, die Haltung
der englischen Delegation habe seit gestern keinerlei
Aenderung erfahren. Die Alliierten müßten sich ent-
scheiden zwischen dem französischen Plan, der zwar
sofortige, aber geringfügige Zahlungen
Deutschlands zum Ergebnis habe, und dem eng-
lischen Vorschlag einer definitiven Regelung des
Reparationsproblems, der allerdings nicht unmittel-
bar, sondern erst später ein Maximum deutscher
Leistungen verbürge.
Rach Bonar Law sprach zunächst Marchese della
Torretta, der im Namen Mussolinis, mit dem
leit gestern ein reger Depeschenwcchsel stattgcfunden
hat, der Konferenz einen K o m p ro m i tz v o r-
schlag unterbreitete. Nach Mitteilungen, deren
Nachprüfung im Augenblick unmöglich ist, soll dieser
VermitU.uugsversuch mehr nach der Seite des fran-
zösischen Plans orientiert sein und vor allein de»
größten Teil der von Frankreich verlangten Pfän-
der aufrechterhalten. Nach dem der Pariser Kon-
ferenz vorgelegten italienischen Revara-
ttonsplan soll Deutschlands Schuld herabgesetzt
und ferner ein Moratorium von zwei Jahre»
gegen Pfänder gewährt werden. Deutschland
soll in kürzester Frist eine Anleihe von drei Mil-
liarden Goldmark abschltetzen, von denen ein Teil
zur Stabilisierung der Mark und der deutschen Wirt-
schaft verwendet werden soll.
Nach der ursprünglichen Tagesordnung sollte da-
nach erneut Poincare zu Wort kommen und im
Anschluß daran über den belgischen Antrag ab ge-
stimmt werden, das französische Programm zu>
Grundlage der weiteren Diskussion zu machen. Den«
kam jedoch BonarLaw zuvor, indem er das Ver-
langen stellte, datz die Konferenz sich zunächst zu dem
Memorandum uiedergelegten englischen
Standpunkt äußern soll. Die Beratungen wur-
den darauf auf eine Stunde unterbrochen.
Parts, 4. Jan. (Priv.-Tcl. der „Jrkf. Ztg.">
Zu der heutigen letzten Sitzung der Interalliierte»»
Konferenz ist noch nachzutragen, datz Poincare den
italienischen Vermittlungsvorfchlag
als Grundlage für die weitere Diskussion an-
genommen jedoch aufs neue jede Debatte über
den englischen Vorschlag, sowie über das
neue vor» Bonar Law überreichte Memorandum a b -
gelehnt hat. Die Unterbrechung der Sitzung ist
daraufhin auf Antrag Bonar Laws beschlossen wor-
den, der die Pause benützte, um sich vor der endgül-
tigen Entscheidung nochmals mit seinen Minister-
kollegen in London in Verbindung zu setzen. AlS
die Delegierten nm 5.30 Uhr erneut znsammeutraten,
stand es bereits außer Zweifel, datz die Kon-
ferenz mit einem Bruch zu Ende gehet
würde.
Weiterbestand der Entente.
An französischer amtlicher Stelle wird er-
klärt, die italienische und die belgische
Delegation würden Paris nicht verlassen sonder»
morgen die Beratungen mit der französischen Dele-
gation fortsetzcn.
Poincare und Bonar Law stellen in
öffentlichen Erklärungen fest, datz reie Entente
cordialc trotz des negative» Ausgangs fortbcsteht.
Die englische Erklärung lautet:
„Die Regierung Sr. Majestät ist nach sek» ge-
nauer Prüfung der französischen Vorschläge
zu dem Beschluß /»gelangt,^daß diese Vorschläge
im Falle ihrer Ausführung den erstrebten Zweck
nicht erfüllen würden, sondern im Gegen
teil eine vernichtende Wirkung aus die wirt-
schaftliche Lage Europas ausübcn würden
Die Regierung Sr. Majestät kann deshalb an de»
Ausführung dieser Vorschläge nicht teil-
netz men, noch die Verantwortung dafür
übernehmen. Die Regierung Sr. Majestät gib«
aber der Versicherung Ausdruck, daß trotz
des nicht überbrückbaren Gegensatzes i» den Auf«
fasfungen die freundschaftliche» Ge-
fühle nicht nur von der englischen Regierung,
sondern aus ves englischen Volkes für Frankreich
unverändert fortbestehc n."
Die französche Erklärung stellt i» ähn«
liche» Wendungen den Gegensatz zwischen Frank-
reich und England in der ReparatiouSsiagr fest und
schließt mit der Versicherung, daß trotz dieses We«
gensatzes die freundfchattrichru und herzlichen Ge-
fühle nicht nur der französischen Reg-erunq, sonder»
auch vcs französischen xwttes csic England fort-
bestehe»

den Hskzfchlag der StratK. und Kowmunalforstenjitt seinem
 
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