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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 12. März)
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olkszeitung


Heidelberg, Mittwoch, den 7. März 1923

Nr. 66

MonatlichtSnschlictzl.
iaris».Mr.gM.-. Anzei«on<
c Die einspaltige Petitzeile
Dtx^°^en Raum M mm breit)
Neklamcanzeigen(74min
lenmÄ^bai,.—. BeiWiederholun-
tn.rNlatz n. Taris. Geheimmittel-
ue» finden teine Ausnahme.
^rs-ZeriW für die mMiliU VeOl!« ver WMezirke ßeitzelherg, WkesloS. KMeiA. Kppimev. WerSO. Mosbüch, Büchen, Melshelni, Zsrßerg, TMerbilchMeim n. Werlhelm

SeschSftrstunden 8—ö Uhr. Sprech-
stunden der Redaktion: II—IS Uhr.
Postscheck onto Karlsruhe Nr.SW77.
Lel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadische»
Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidel-
berg. Geschäftsstelle: Schröderftr.89.
Del.: KrpeditionLS7» u. Redak.WM.


TyitlilWSk WemWklki.
orientierter Seite erhalten wir folgende Zu-
r, ^te große«« Unternehmerorganisationen unter-
"Uen Riesenbüros zur Unterrichtung ihrer Mitglie-
- °>r Sieuerfragcn und zur Beeinflussung der bür-
^iüjcn Parteien bei der Steuergesetzgebung. Auch
bereffz eine gewaltige Literatur entstanden, aus
Ulan die Kunst der „Steuerersparnis" lernen
m'Ebenso wichtig sind die daraus bezüglichen
, iwdschrriben der Steuerauskunftsstellen der Un-
^"öhmcrverbände. Einem solcheit vertraulichen
bstdschrriben der Steuerausku-ustsstelle des Deut-
Großhandels vom 3. Dezember 1922 wollen
lwoi Hinweise entnehmen, die auch unsere Leser
. 2 Proben der „unerträglichen Besitzbelastnng" sehr
^Wsswrcn dürsten. Nach einem Hinweis auf die
^Weisung vor, Wertpapieren wird in dem Rund-
'Meibxn folgendes Beispiel angeftchrt:
„Der Steuerpflichtige besitzt 1 Million Bank-
Guthaben. Läßt er diese als Bankguthaben liegen,
w wird sie mil 1 Million zur VermSgeussteuer
'^'-d zur ZwangSanleibe mt-gesetzt. Konst er für
Million Norddeutsche Lloyd-Mtien, so erhält er
'^ersür (angenoinmen, daß die Aktien aus 1000
flehen) für 100 000 Mark noininal Attiem. Diese
werden jedoch „ u r mit dem Durchschniltskurs
"on 205, also mit 205 000 Mk. boivertet!
Augenoulanou, die Aktien stehen auf 1500, und
' Wust gleichfalls für >00 000 Mk. nominal, so
'«'Mül er einen Kredit von 500000 Mk. in An-
wruch. Die Aktien werden wiederum nur mit
"Hs, «iso mit zusammen 205 000 Mk. ans der Ak-
/Wfeite eingesetzt. Diesen 205 000 Mk. stehen auf
°er Passivseite 500 000 Mk. .Kredit gegenüber, die
>n doller Höhe abgcsetzt werden! Der Steuer-
^lsthlsg.? hat also trotz .seines Vermögensstandes
"vn i Million Mark überhaupt kein Vermögen zu
versteuern! Auch andere Schulden, z. B. Devisen,
werden zu ihrem vollen Betrage abgesetzt."
Ostrau ivird folgende Bemerkung angeknüpft:
„Diese Ersparnismöglichkeit ist derart eigen-
' -Og. daß mit einer Aenderung des Gesetzes ge-
wü7net werden muß. Das Reichsfinanzmiuiste-
. '''"t ist jedenfalls auf diese offensichtliche Lücke
"es Gesetzes aufmerksam gemacht worden."
t..^eit gefehlt! Das ReichSfirumMfinisterjum Val
„ e Aenderung der „eigenartigen Ersparnis-
>i>"^^chkeit" vorgcschlagen, weil die bürgerlichen
icm^ieu gar nicht daran denken, diese, die Speku-
ans Effekien und Dsvifcn so ungamein be-
^^iigeizvc Vorschrift mrfzichebon. Sie sind der
^weng, patz es nichts sclradet, »venu der Devisen-
viel schonender behandelt wird, als der
s>. "wwzcchler, der minderwertige Papiermark be
Ihr Verhalten entspricht der Meinung, daß
liw ^"urmbeit des Besitzes von Papiermark wirks
2tra.se verdient.
t>h„^"t anderer Hinweis in dem Rundschreiben ist
' Drills von großem Interesse. Es beißt nämlich:
. -.Vielfach ist dir Ansicht vcrtre-ten. daß Devisen
dem Kurse am Stichtage in die Bitarn cinzu
von seien. Das ist uuzutreftend. Für die Ein-
oaunenstener sind Devisen gemäß 8 33» E. St. G.,
d «Z shH Gegenstände des Betriebsvernlögens
^^delt, mit dem Anschaffungspreis cinzufetzen.
"w können >nit dem Tageskurs eingesetzt werden,
,^vn dieser niedriger ist. Der Sinn des 8 33a
2t. G. gebt dahin, daß noch nicht realisierte
^Winne «ficht zur Einkommensteuer hemngezogen
sollen. Für die Vermögenssteuer nnd
^^wgsabgabc gilt 8 25 des ZwaugsmrlcÄheg-e-
wonach der Durchschniitskurs am 30. Juni
und 1922 nraßgebend ist. plus der Passivseite
r Bilanz können dagogen die Devise» mangels
„ °erslautender gesetzlicher Vorschriften mit dem
ist aut Stichtage eingestellt werDen! Hiernach
. der Dollar sür die Vermögenssteuer und
Nu ^^Emnleihe auf der Aktivseite der Bilanz
,h ' den, Durchfchnittskurse, der 171 beträgt, auf
P assivseile, wen« die Wlanz den 30.
«voircher 1922 als Stichtag Hat, mit rund 8000
^Metzen!"
* »ach dieser Anweisung verfährt und somsi
!!i<h der Millioneneiukonuncu steuerfrei ist, macht
Hjy nicht etwa der Steuerhinterziehung sckml-
Gegenteil, er handelt genau nach dem
des Gesetzes und nach den Slbstchten der
der^ich^n Parteien als Gesetzgeber. Ein Antrag
Sozialdemokraten bei Beratung des Geldent
deZ Mllögesetzes, daß Devisen stets zum Kurswert
dgsh^Oanzlages einzusetzen sind, wurde avgelchnt,
^ber beschlosssn, daß Betriebe, die Devisen
Ug vlüssen, diese wie Waren, d. Y. wesentlich
D * ihrem Anschaffungswert einsetzen können,
kdtauf ^vjektivilät halber »vollen wir ausdrücklich
^ustnerkfam machen, daß das Rundschreiben
Vicht ui Dezember datiert. Es berücksichtigt aber
die e letzte Aenderung der Zwangsanleitze, durch
^V»az ^wapiere und ausländische Zahlungsmickel
Wh. ,-ohcr bewertet lverden, als es die Beispiele
Wirtz dem Prinzip der SleuerbevorMgung
Vig g„„'°vrch gar nichts, an dem Matz nur sehr wc-
wO hg,. vvert. Es bleibt noch immer so: Wer
^chgttz, Dollar in seinem Besitz und 11000 Dollar
«Lz "l hat, hat steuerlich nicht 89 000 Dollar oder
. wnm Mark Vermögen (31. Dezember 1922
cttva tzyoo) — sondern gar kein Vcrmö-
'-brauchl weder Zwangsanleche zu zeich-

net«, noch Vermögenssteuer zu zahlen. Das nennt
inan „Opfer des Besitzes".
Wohin steuern wir?
Das gewaltige Anwachsen der schwebenden
Schulden des Reiches, die in der zweiten Dekade
des Februar die Gesamlhöhe von 2 929,9 Milliar-
den oder fast 3 Billionen Mark erreicht haben, muß
gerade im, Hinblick auf den Abwehrkamps an der
Ruhr imd auf die Versuche einer Stützung der Mark
die größten Bedenken erwecken. Der Notenumlauf
der ReichSbank pflegt sich in gewissem Slbstaude de«
schwebenden Schulden anzupasson, da die Möglichkeit
einer Fundierung dieser Schulden durch langfristige
Anleihen nicht gegeben ist. Andererseits aber ver-
hindert das mangelhafte Funktionieren der Steuer-
cintreibung, insbesondere gegenüber dem Besitz,
daß ein Gleichgewicht im Reichsh anshalt hergeftellt
wird. Selbst wenn inan zu gibt, daß der Einfall
Frankreichs in das Ruhrgebiet die Lage sehr er-
schwert hat, wird man sich nicht verhehlen dürfen^
daß hier ein verhängnisvoller Schade« vorliegt.
Die Geldentwcrtuiig, die durch das Diktat von Ver-
sailles so gewaltig beschleunigt worden ist und in
den Drohungen Poincares in der Entwertung der
Valuta die kräftigste Stütze fand, hat ihre erste Ur-
sache in der verfehlten Krtegsfimm,-Politik.
Helfferich baute die Finanzwirtschaft des

O Berit«, 7. März. (Priv.-Tel.)
Der Kanzler hat gesprochen. Der ausführliche
Bericht zeigt d'iö Ergebnis und wird sicherlich alt
den Wünschen gerecht, die glauben durch den -Hin-
weis auf die un deutschen Volke einmütig verurteil-
te« Gewalttaten der Franzosen Eindruck auf die
Welt zu machen Ob dies eintreten wird, dürste
sas Echoi m Ausland — und hieraus kommt es
an und nicht auf unsere guten Wünsche — ja bald
zeigen. Im übrrgen hatte auch der S.P.D. recht,
wcrv'. er pestem telegraphierte, daß die Rede des
Kanzlers lau!» ocm entsprechen wird, was man im
Ausland und im Inland mst Grund ihrer Ankün-
digung erwartete Positiv war nur die Bemer-
kung, daß der Kanzler — wenn die Frage heran-
tritt — zu Verhandlungen, die dem deut-
schcn Volle dir Freiheit geben, bereit ist, dass er
es jedoch ablehnt, von sich aus Vorschläge zu
machen. Die Emwicitung wnv also weiterhin ihren
Lauf nehmen.
B
Sitzungsbericht.
Berlin, 6. März.
Die heutige Reichstagssitzung wurde durch
den Protest les Reichskanzlers Cuno gegen de»
französischen Einbruch ansgcsüllt.
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung mit estrem
Protest gegen die neuen Gewaltakte mrd gedenkt des
gestorbenen Botschafters Aba. Dr. Mäher.
Reichskanzler Cuno.
In den Morgenstunden des 3. März haben ohne
jedwede Ankündigung französische Truppen dorr
Rhein überschritten, das Hasengebiet, Zoll- und
Wcrstanlagen rou Mannheim besetzt und die
Herrschaft über den Hafen von Karlsruhe er-
griffen, die Etseiibahnwerkstätten und das Elektrizi-
tätswerk der hessischen Landeshauptstadt Darm-
stadt besetzt. Würde das irgendwo sonst unter zi-
vilisierten Staaten geschehe», so würde die Welf voll
der Entrüstung über solchen
FriedenSbruq
sein. (Sehr wahr.) Da es in Deutschland geschieht,
gilt cs als eiiK „kleine Erweiterung der RuhraMon",
keines besonderen Aufhebens wert. Dieser Rechts-
bruch reibt sich an den Einbrrrch an, den Frankreich
mit der Besetzung der Städte Offenburg und
Appeuweier beging. Die Verordnung gegen die
Eisenbahner ist Terror. Wohin hat die Konsequenz
dieser Dingc geführt? Zwischen den beiden Nach-
barvölkern, die wahrlich aller Kräfte bedürfen, um
Wunden zu heilen und ihre Wirtschaft zu ordnen,
ein Verhältiris gegenseitigen Auskommens zu schaf-
fen, ist ein Haß entstanden, den wieder abzutragen
eine uirgeheucrschwcre Aufgabe sein wird.
Ich halte es für erforderlich, die Dinge beim rechten
Namen zu neunen (sehr richtig!), weil weithin sicht-
bar ein W a r n u n g s si g n a l ausgesteckt werden
muß. (Sehr richtig!) Die letzten 7 Wochen sind an
unserem Volke nicht spurlos vorübergegangen. Es
sind Wochen gewesen, wie sie
niemals einem Kulturvolk
in FriedenSzsitm zugcmutet worden sind. Ein un-
ter den furchtbarsten Opfern aufgezwungener Friede,
um dessen Erfüllung unser Volk bis zurvölligen
Verarmung gebracht wird, wird von Frankreich
m it Füßen getrete u, ohne daß einer der zahl-
reichen Garanten auch nur den Finger rührt, um
das gemeinsame Werk zu schützen. (Lebhafte Zu-
stimmung.) Protests Mer Proteste gehen str die

Krieges auf die Hoffnung, daß der Gegner alles be-
zahlen würde. Eine imbegrenzte und tollkühne
Schulde «wirtschaft griff Platz. Und so kam es, daß
sich die Mark bereits entwerten mutzte, noch ehe das
Diktat von Versailles in Form von Barzahlungen
nsw. in Kraft trat. Jetzt befinden wir uns in einer
äh-Mchen Lage. Der Abwehrkampf an der Ruhr ist
mindestens auf wirtschaftlichem Gebiet Krieg. Ihn
nur durch Schulden zu finanzieren, heißt die Trieb-
kräfte der Geldentwertung auss neue zu Wecken.
Die fortdauernde Venu-ehrung der schwebenden
Schuld nnd des Notenumlaufs muß früher oder
später sich gegen den Stand der Mark wenden. Da-
rum kommt es jetzt darauf an, alles aufzubietcn, uni
Mindestens das Anwachsen her Schulden des Rei-
ches etwas einzufchrönken. Die bürgerlichen Poli-
tiker haben, wie die jetzigen Steuerdebatten zeigen,
die ganze Tragweite der jetzt zur Beratung stehen-
den Fragen noch nicht erkannt. Umso notwendiger
ist es, immer Widder darauf hinzuweiscn, daß wir
im Interesse des ganzen Volkes ein schärferes An-
zicljen der Steuerschraube, insbesondere gegenüber
dem Smhbesitz, unbedingt brauchen, wenn man nicht
in die alten Fehler wieder verfallen will, um in dem
Augenblick, wo vielleicht eimnal Die Zeit zu Bera-
tungen Mer Die weitere Gestattung des Reparation«
Problems gekommen ist, nicht doppelt geschwächt

Welt; sie weiden in Paris mit einem Hohn-
lächeln abgewicscn und werden von den anderen
Großmächten mit Achselzucken hingenommen,
als ginge dies alles die Welt nichts an. Ist es da
zu verwundern, wenn in unserem Volke Gefühle nm
sich greifen, die eine von dauernder Kränkung in
Ehre und Recht vereinsamte Volksseele mit kaum
erträglicher Spannung belasten? (Lebhafte
Zustimmung.) Soll diese Spannung
nicht zur Gefahr
wachsen, soll Recht im Völkerrecht nicht mm Kiuder-
spott und Widersinn werden, dann haben wir heute
lös Pflicht, erneut das Unrecht festzustellen und un-
serem Volk wie allen Völkern der Erde zu zeigen,
was an schwerem Unrecht täglich unter ihren Augen
nnd mit ihrer Duldung erneut geschieht und unser
eigenes Recht festzustellen, so klar und deutlich es
immer nur möglich ist und die Welt zu warnen,
daß Unrecht ans Unrecht nicht bis zur Unerträglich-
keit gelangen kann. Das ist nicht mit einer diplo-
matischen Note abgetan und duldet, wie die Dinge
liegen, k«in eu A u ffchub auch nur uin T a ge.
Siebeneiirhalb Wochen sind vergangen, seit franzö-
sische und belgische Truppen am 11. Januar in freies
deutsches Gebiet eindrangen. Es ist nützlich und
notwendig, die Welt an die Erklärung zu er-
innern, die die französische Regierung da-
mals abgab. Wegen der Unvollständigkeit
der deutschen. Erfüllung an Holz und Kohle
habe sie beschlossen, ein« aus Ingenieuren bestehende
Kommission ins Ruhrgebiet zu entsenden, nicht aber
denke sie gegenwärtig daran, zu einer militäri-
schenOPeration oder einer Besetzung politischer
Art zu schreiten. Ich habe die Pflicht, diesen am
9. Januar gegebenen Worten Frankreichs
die Wirklichkeit
gcgeuübcrzustellen und die Bilanz der 7s- Wo-
chen zu ziehen. Es sind 5 Divisionen Soldaten,
75 Tanks usf. da, Was die Ausweisungen
betrifft, so sind aus den: Bereiche der Rcichsposwer-
waltung 55 Beamte, der RcMsverkehrSverwaltung
71 Beamte, der Rcichsfinanzverwaltung 279 Beamte,
600 aus der Preußiicknn Gemeindeverwaltung und
über 700 Schupobeamte, aus der bayerischen Pfalz
seit dem 11. Januar 876, aus Baden 9 ausgewie-
sen und Vertrieben worden. Ans der Rc-ichsverkcbrs-
verwaltung sind 25, aus der Retchspostverwaltung
22, aus der Reichssiimnzverwaltung 26 Verur-
teilungen gemeldet, abgesehen von den Verur-
teilungen, die noch nicht zur Kenntnis gekommen
sind. Das Verfahren ist sür Mass enanw en-
dun g einfach genug: Die Tür geht auf, ein Offizier
und Gendarmen treten ein, verhaften den Beamten
und fort geht es ins Gefängnis. Es folgt eine rasche
Anklageerhebung vor dem Kriegsgericht. Kriegsrecht
mitten im Frieden und im Dienste „friedlicher Jn-
genicurkommissioncn"! Einwänden der Verteidiger
werden kurz erledigt, Beschlüsse und Urteile aus vor-
her gefertigten Niederschriften verlesen. Banken
wurden beschlagnahmt und in Geschäften die
Kassen geplündert, Bürgern auf der Straße das
Geld abgefordert. Kolbenstöße ersetzten die Quit-
tung. Auch gegen ganze Städte wandte sich der
Uebermut der «remden Soldateska. Die Bevölkerung
Wird in grausamster Weise behandelt. Ich erinnere
an Recklinghausen Herne, Gelsenkirchen, ruse das
Vorgehen gegen die Schupo ius Gedächtnis zurück.
Selbst vor Mord schreckten die Truppen nicht zu-
rück. So schossen in Oberhausen in der Nacht vom
20. zum 21. Februar zwei französische Soldaten in
der Nähe des Bahnhofs obue jede Veranlassung aus
z w e i S chutzP o! i z ist e n. Verletzt ist einer töD-
tich, der andere schwer verletzt. (Rufe: Uner-
hört!) Die Bluttaten in Bochum gm 22. und in
Oberhausen am 23. brachten drei Personen schwere

Verwundungen, zwei den Tod. Die Absicht ist
klar: Aushöhlung der Behörden, Entfernung unbe-
quemer Kräfte im Beamtentum, im politischen und
geistigen Leben, Einschüchterung der Einwohner. Mit
den Beamten teilen sich deshalb die Führer des
politischen Lebens, die Führer der Gewerk-
schaften, die Vertreter der freien öffentlichen
Meinung und der Presse in die Ebre der Be-
drückungen. Im Namen der Nation, in der die be-
rühmteste der Formulierungen der Menschen-
rechte stattfand (Lachen), der Nation, in der die
Freiheit der Presse vornehmlich gepredigt wurde,
im Namen eben dieser Nation wird das öffentliche
Wort versehmt, ist das Verbot der Zeitungen
nur Strafe o.rfür, daß sie die W a h r h e i t sagen?
So sieht die Passivseite der französisch-belgi-
schen Sieben-Wochcn-Bilanz 'm ihrem ersten und am
meisten belastenden Posten aus. Auch Frankreich
schämt sich ihr:r anscheinend Denn man wagt es
nicht, der Welt und deut eigenen Volk die Wahr-
heit zu sagen. Was Rcchtsvruch und Gewalt ge-
tan, soll eine lügnerische Propaganda ver-
decke». Deshalb heraus mit den Tatsachen des
RechtsbruÄes und der Greue> Und haben
die Ingenieure wenigstens zu den fehlenden Mengen
an Kohle n und Koks geholfen? Das Ge-
genteil ist der Fall. So ergibt auch diese Bilanz
eine Passivseite. Die französischen Ingenieure ha-
ben sich nicht einmal ihr Gehalt verdient. (Zustim-
mung.) Zu den«, was hierdurch sür Frankreich und
Belgien an Kohlen, Koks und Holz verloren ging,
treten hinzu d-ie Einbußcnan sonstigen Repa-
rationsleistungen, an Vieh, Maschinen, Wie-
deraufbaustosse, Chemikalien. Als dritter Posten auf
der Passivseite erscheint dann noch der ungeheure
Aufwand sür Entsendung und Unterhaltung der
Truppe n. So hat die französische Bilanz
keine Aktivseite.
Von 100 Hochöfen in Lothringen sind nur noch
20 in Betrieb, der Koksprcis in Frankreich ist
für den Mürz auf das Doppelte des Januar gestie-
gen. Heute sind 77—78 Franken notwendig, um ein
englisches Psune zu bekommen, gegenüber 66—67
Anfang Januar und 25 vor dem Krieg, so daß heute
schon dem franzöß-chen Rentner aus ein Drittel
der Kaufkraft seine Rente in der Weltparftät be
schränkt ist. Das AnleihcbedürfniS Frankreichs zur
Deckung der Kosten des Ruhrunternehmens wächst
täglich und die finanzielle Rechnung wird demnächst
den fran zö s if che n S te n c r z a h l e rn Präsen-
tiert werden und den französischen Rentnern. Hier-
gegen bekennen wir uns Henio erneut zum
passiven Widerstand
als der Waffe der Gewaltlosigkeit und des Sieges
im Kampfe gegen Unrecht nnd Gewalt. (Lebhafter
Beifall und Händeklatschen.) Und wir werden nicht
müde werden, dicken Widerstand weiter zu führen,
bis das Ziel er > eicht ist, das wir uns von An-
fang an gesetzt haben: kein Ziel des Diktates
oder -der Beherrschung, wobl aber das Ziel einer
freien, vernünftigen, ehrlicl»en, einen wahrhaften
Frieden sichcrstell. «den
Verständigung.
Wir wissen, auch dieser Kampf hat seine OPfe r und
in heißem Dank drücke» wir den Opfern die
Hand. Sie wissen daß ausländische Gefangenschaft
nicht erniedrigt, sondern, erhöht. Wir danken ihren
Frauen und Kindern und süblen uns c-i n s
mit ihnen, nicht tu aufwallcndem Gefühl allein, das
wertlos ist, wenn sich «ficht die T a t mit ibn« verbin-
det und wir versichern sie unvcrbriichlicbcr wirksamer
Gemeinschaft. In Politik und Wirtschaft baden
wir alles auf diesen Kampf und diese Gemein-
schaft eingestellt. An Kohlen, Rohstoffen nnd Auf-
trägen seblt cs vorerst nicht tm nnbesetzten Gebiet,
Obwohl die Besetzung schon in die achte Woche
echt und das ciahettlichr Wirtschaftsgebiet durch die
Zollinie am Rhein zerrissen ist, ist dem
Berfall der Mark mit Erfolg entgegengetreten
worde-n. Und wenn die Stützung der Mark
neben Schieben« und Spekulanten auch manchem in
ehrlichem Ringen stehenden Schuldlosen Schaden
brachte, so war Wine rücksichtslose Durchführung not-
wendig und wird weiterhin dnrchgesübrt. Von die-
ser Stelle richte ich an alle Besitzenden die ernsteste
Aufforderung, sich der Zeichnung der Geldan-
leihe nicht zu entziehen. (Veisall.) Im bedrohten
Gebiet haben Männer und Frauen aller Par-
teien sich längst die Hände gereicht im gemein-
samen Abwebrkampf. Neben der finanziellen Er-
füllung haben ww die Slbrüstung durchgrsüürt. Als
ich das drückend ichwere, mir vom Herrn Reichsprä-
sidenten angeborene Ann übernahm, war cs vor
allein deshalb, un: nach den Methoden des ehrlichen
Kaufmanns und Wirtschaftlers in offenen, loyalen
Verhandlungen und Feststellungen von Mann zu
Mann die Summe unserer Verpflichtun-
gen aus ein sür beide Teil: erträgliches und für
Deutschland erfüllbares Maß festzusetzen. Die Vor-
schläge, die wir sür die
Konferenz in London
machten, sollten uns diesen« Ziele näher bringen.
Wir haben für Part S dann n e u e Vorschläge aus-
gearbeitet und haben die Mächte in aller Form ge-
beten, diese Vvetchläge von uns schriftlich enrgegen-
zunehmen und sich von uns erläutern zu lassen. Das
waren Vorschläge, bei deren Annahme der sranzS-

dazustcPen.
_ _
Die Kanzlererllärung.
 
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