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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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»V'N: Die einspaltige Peiitzeil«
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j^^achlabn.Tarts. Seheimmitrel-
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Volkszeitung

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stunden der Redaktion: ll—IS Uhr.
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Tel.-Aor.:Volkszeit»ng Heidelberg.
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^es-Zeittrng U die WeMiHigeVeoSikermg der Amlsbezltte Melbers, Wleslsch, 6Mel«. Lsvlngea, EberbsH, Mosbach, Buches, Mlshelm, Borberg, rauberbWofsbelm s. WeMelm

5. Jahrgang Heidelberg, Mittwoch, den 28. Februar 1923 Nr. 30



SlklMl M WkiWnl.
Das Geldentwertungsgesetz.
Aus dem Reichstag wird uns geschrieben:
Seit einigen Wochen liegt dem Reichstag ein Ge-
setzentwurf über die Beriicksichrigung der Geldent-
wertung in den Sttuergcsetzcn vor. Er regelt vor
Mei» r>ie Tarife und Vesreiungsvorschrisren, die Be-
wertungsvorschriften, die Zahlung der Dienern und
lchliesrltch das Bankgeheimnis und den Depotzlvaug.
Der Grundgedanke des tssesetzentivurfes. die Geld-
knnvertung auch in der Steuergesetzgebung zu be-
Uicksiwtigrn, ist zlveffelloS richtig. Anders ist-schon
dec Weg zu beurteilen, den die Regierungsvorlage
Nr.schlägt. Theoretisch hat die Geldentwertung nach
du et Seiten hin gewirkt. Sie hat erstens den Steuer-
Wchtigen del astet, wo progressive Steuersätze
bestehen. Sie ha, aber zweitens den Sleucrpslich-
ügcu entlastet, und zwar vor allem durch die
verspätete Zahlung der Steuern in .völlig eniwerte-
'er Mark. Das; die Entlastung durch die Geldcnt-
berlnug »vescntlich stärker geworden ist als die Be-
litung, kann Wohl kaum ernsthaft in Abrede gestellt
vcvden. Es genügt ein Blick aus die Einnahmen des
-tt'ickcs, nm zu seben, dast der Anteil vor allem der
'^esttzstcuern in dem Maste abgenommen hat wie die
steldentivertung zunabm.
Marr hätte infolgedessen von denn Gesetzentwurf
der Regierung erwarten dürfen, das; er in erster Li-
b'e dafür sorgen würde, -dast die Benachteiligung des
Fiskus durch die Geldentivertung beseitigt wird.
Blatt dessen erweckt der Gesetzentwurf den Eindruck,
lls ob die Sorge über zu große Belastung des
Bteuerpflichtigen viel mehr den Ausschlag gegeben
-wt, als das Bestreben, den Fiskus zu schützen. Trotz-
fein ergab Vie Beratung des Gesetzentwurfs das in
den letzten Jahren gewohnte Bild. Das Bestreben
der Sozialdemokratie, den Entwurf zu verbessern
»>'.d somit das groste Steuernnrecht zu beseitigen
oder doch wenigstens zu mildern, das die Geldent-
wertung mit sich gebracht hat, sand kettle Gegenliebe
tzei den bürgerlichen Parteien. Im Gegenteil!
fchre Absickst war von vornherein rmd mit großer
Geschlossenheit mch Eirergic daraus gerichtet, den Ge-
etzeniwurs in icnen Teile» wesentlich abzuscktvÄ-
^en, ioo er dcur Schutze des Fislus und der Akgr-
-rettchoil dient. Diese gegeusStzlicken Auffassungen
üch die Beschlüsse der bürgerlicher» Parteien in der
?i-stcn Lesung des Ausschusses haben zu groben
Meinungsverschiedenheiten zwischen den bürgerlichen
Parteien und der Sozialdemokratie geführt.
Die Wichtigsten McinungAverfchiedetcheitcir be-
treffen vier Fragen: 1. die Bewertung des Betriebs-
dcrmö-gens bei der Einkommensteuer, des Vermögens
bei der Vermögenssteuer und der Zwangsanlciste
»Nid der Erbschaftssteuer: 2. die Frage des Tarifs
bet der Vermögenssteuer, der Zioangsanleihe und
der Evbschastssteucr; 3. die Stckenmg des Fiskus
b»r der vteldentwertung bei der Zahlung der
B'.euer», und 4. die Frage des Bautgebeimntsses
»nh des Depotzwanges.
Die wichtigste Frage bet allen direkten Steuern
'st die Frage, in welcher Weise die Bewertung des
Besitzes erfolgt. Hier ist von jeher dem Sackbesitz
die Möglichkeit weitgehender Steuererleichterungen
gegeben worden. Die Geldentwertung hat das in
einem gewaltigen Ausuwst verstärkt. Jo schneller
»ud größer -die Geldentwertung ivar, umso mehr
wurde von den Sachbesitzern die steuerliche Schonung
verlangt, weit die augenblicklichen Werte und Preise
Unnatürlich feien nud mit dem dauernden Wert
dicht in UchcretnstMimung ständen. Mit dieser Ar-
stumentatiou wird auch gegenwärtig versucht, den
Tcchbefitz bei der Vermögenssteuer, der Zwangsan-
leide und der Enuommensteurr nur mit einem Lä-
cherlich kleinen Bruchteil eines wirtlichen Wertes
einzuschätzen. Bef der Vermögenssteuer und der
ZivangKanlcibe sollen z. B. nach den Beschlüssen
erster Lesung Wertpapiere mit dem dreifachen
des bisberllgrn Satzes, andere Vermögcnsgegen-
stände mit dem doppelten bewertet werden. Was
das bei Wertpapieren bedeutet, zeigt die folgende
lieb erficht:

Aktienkurse am
Bish, vorgsschla-
gcner Steuer kur-
8.12.22
21.2.23
Kapag
7500
46500
561
1683
Aeutsch-Luremb.
18500
58500
1862
5586
-siannesmann
14500
5400
1396
4188
Deutsche Bank
5900
27000
512
1536
schlickert
10100
36250
960
2880
Zellstoff Waldhof
10200
29500
756
2268
Zusammen
667L0
251750
6047
18151

Aktienbesitzer würden demnach also nur mit etwa
Achtem Vierzehntel des wirklichen Werts zur Steuer-
pistung herangezogen werden. Roch schlimmer ist
°i'e Regelung bet landwirtschaftlichem Besitz, bezw.
mi gewerblichem Betriebsvermögen. Nach den Be-
weriungsrichtitnicn, die das Finanzministerium im
^ezenwer 4922 für die Vermögenssteuer und die
Zivangsantcihe erlassen hat, sind Grundstücke, die
dauernd land- oder forstwirtschaftlichen oder gärt-
dertscheu Zwecken dienen, mit dem Zehnfachen, ver-
»dchlete Grundstücke unter 18 Hektar (72 Morgen)
Grütze mit dem Achtfachen des Wchrbeitragswcrtes
, »' 3t. Dezember 1913 einzuschätzen. Der Wehrder
wgstvert ivar ein von» Besitzer selbst geschätzter -
tto viel zu niedrigerer — Ertragswert nach den
Reinerträgen der Jahre vor dem Kriege. Dureh-
chnitstich betrug der Wehrbeitragswert kaum die
^atife des gemeinen Wertes, d. h. des Preises, zu

dem das Grundstück damals verkauft werden konnte,
das war sein Goldwert. Von der Hälfte dieses
Goldwertes soll also das Zehnfache der Bewertung
zugrunde gelegt werde» für. eine Steuer, die in Pa-
piergeld in den Jahren 1923/1925 gezahlt werden
soll.
Die bürgerliche Mehrheit des" Ausschusses will
gnädigst eine Verdoppelung dieses Satzes zugestehen,
also das Zsvanzigfache. Die Preise der landwirt-
schaf-rlichen Erzeugnisse sind -aber Um das AM)fache,
die Preise für taiMvirtschwftliche Grundstücke um
das 2000—lOOOfache gestiegen. Günstigenfalls wird
also eilt Zweihundertstel des wirklichen Wertes be-
steuert. Die Sozialdemokratie verlangte für beweg-
liches nud unbewegliches Vermögen eine Verzehn-
fachung der bisherigen Sätze, also der Steuerkurse
für Wertpapiere und des Wehrbeitragswevtes für
landwirtschaftliche Gruiwstücke. Gewiß in anbei rächt
der gestiegenen Leistungsfähigkeit des Sachbesitzes
eine bescheidene Forderung. Trotzdem sand sie kei-
nerlei Gegenliebe.
Dafür wollen aber die bürgerlichen Parteien das,
was sie bei der Bewertung zugestehen, durch eine
Milderung des Tarifes wieder beseitigen. Nach
ihrem Vorschlag soll die Erhöhung der Beloertung
verbunden werden, eine ebensolche Milderung des
Tavifs. Das würde-bedeuten, daß ein Steuersatz
von 1 vom Tausend nicht bereits bei 500 000 Mark
zu zahlen ist, sondern erst bei 1599 000 Mark. Da
Wertpapiere, die mit 1500 000 Mark eingeschätzt
sind, in Wirklichkeit einen Wert von (1 500000
X14 ---) 21 Millionen haben, wären Betrüge bis zu
dieser Höhe völlig steuerfrei. Bei landwirtschaftli-
chem Besitz würden steuerfrei sein Beträge bis zu
1500 000 X MO — 300 Millionen Mark.
Die dritte groste MeinungsverfchiedeNheit besteht
über die Beschleunigung der Steuerzahlung. Die
bisherige Steuergesetzgebung enHicllt einen Anreiz
zur Vevspäteten Zahlung. Die Regierungsvorlage

Die Beratung
Berlin, 27. Februar.
In der heutigen R e i chs ta g s s i tzun g erfolgt
zunächst die zweite Lesung des Gesetzes betreffend
Aenderung über N o I st a >t d s m a st n a ü m c n zur
Unterstützung von Rentenempfängern der
Invaliden- und Angeskell tenvcrsicknrung. Nach dem
Beschluss des Reichsrats soll das Reich den Gemein-
den 90 Prozent der Unterstützungsbeiträge ersetzen.
Die Reichsregierung hat diesen Gesetzentwurf des
Reichsräts abgelehnt. Der Reichstagsausschutz emp-
fiehlt gleichfalls die Ablehnung der Vorlage, so
dast es also bet den bcstcbenden Bestimmungen
verbleiben würde, wonach das Reich 80.Prozent der
Kosten übernimmt und die Gemeinden 20 Prozent
übernehmen und dazu die Berwaltungsrosten. Der
KoMMtssiousbeschlust wird ange n o mmen.
Darauf wird die zweite Lesung des
Wehretals
fortgesetzt.
Abg. Ledebour (Eig. Off.) erklärt: Der Reichs-
kanzler, der die Interessen des Volkes in jeder Weise
wahrzurrehmen hat, hat sich schon durch seine Be-
merkung unmöglich gemacht, dast erst verhandelt wer-
den dürfe, wenn das Ruhrgebiet geräumt sei. Das
ist ja auch der Standpunkt der Deutfchnationalen
Bollspartei, und es gibt ztveifellos groste Parteien,
die mit der Möglichkeit ettres neuen Krieges
gegen Frankreich und dabei auf die Unter-
stützung der russischen Sowjetregierrmg rechnen. Das
ist aber nur ein Beweis politischcrVcrständ-
ni s lo si gkeit für die Zukunftsmöglichkeiten. Der
Weürmtnister hält ja jeden für verrückt, der an die
Möglichkeit eines Krieges gegen Frankreich glaubt,
aber die Tatsachen beweisen, dast er s e tn e i ge n e s
Wehrmi ntstcrium uichtin derHand Hal.
Das Proletariat mutz die Markst ergreifen und durch
eine Verständigung des internationalen Proletariats
must der Friede gesichert werden.
Abg. Künstler (Soz.):
Wir sind mit der letzten Rede des Webnninisters
sehr unzufrieden. Eine jeden Zweifel über die Be-
ziehungen der Reichswehr zu den nationa-
len Verbänden ausschlicstende Erklärung ist
bisher nickst erfolgt und wir erwarten sie noch von
ibm. Das ist er dem Volke schuldig. Mit allem
Nachdruck muh den nachgeordrleken Stellen erklärt
werden, dast sie sich bei Strafe nicht an verbotenen
Vereinigungen beteiligen dürfen. Was ist aus den
Untersuchungen herausgekommen? Bcwustt Wird
auf die Un 1 crgrabung der republikanischen Ge-
sinnung in der Beamtenschaft hingearbeitetz
Wir wollen keinen neuen Krieg und keine Kriegs-
vorbereitung. Wir wollen die
deutsch-französische Verständigung.
Für sie werden wir uns mit aller Energie einsetzen.
Ncichswehrminister Dr. Gehler: Es wird in
allen Lagern gesündigt. Es wird mit allen mög-
lichen Kriegsplänen gegen Frankreich von unverant-
wortlichen Leuten gehetzt, aber solche Leute gehören
auch zur Linken und deshalb sind auch Sie (zu
den Kommunisten) verantwortlich. Es ist eine
große Gefahr,
wenn dem deutschen Volk nicht nur von rechts
törichtes Zeug vorgeredet wird, sondern auch von

will die beschleunigte Zahlung durch Verzugszinsen
in Höbe von 10 Prozent pro Monat sichern. Bei
schnellerer Geldentwertung wenden Diese -Verzugs-
zinsen wirkungslos bleiben, weil Dann Die Verzugs-
zinsen immer noch viel niedrigerer sind als der Ge-
winn, Der aus der Nichtzahlung entsteht. Die So-
zialdenwkratie hat Deshalb Verzugszinsen in voller
Höhe Der Geldentwertung verlangt. Sie forderte
ferner zum Ausgleich für die gewaltige Milderung
der Steuerlast, die durch Die Geldentwertung des
Jahres 1922 herbei-gesührt wurde, einen nachträg-
lichen Zuschlag in Höhe der Geldentwertung, aber
mir für Die Sachwertbcsitzer, nicht für die Kleinrent-
ner und freien Berufe. Auch diese Altträge fanden
Vs: de» Bürgerlichen keine Gnade.
Gegen den Widerstand Der Sozialdemokratie ist
ferner die Beseitigung des Kundcuvcrzeichnisscs der
Banken beschlossen worden und die Aushebung des
Devotzwanges für alle Wertpapiere. Der unter
Führung der Banken lind Der demotraiisel-en Ver-
treter und unter Assistenz des Retchsbaukprästdemen
Hubenstein unternommene Vorstob auf völlige Be-
seitigung Der AuskunffspslicR Der Banken wurde
einstweilen noch wgewehrt.
Dieser kurze, keineswegs alle rmd nicht einmal
die schärfsten Mängel Des Gesetzes enthaltende
Uw erbt ick Mer Den Inhalt des Gesetzentwurfes und
die bisherigen Beschlüsse des Stsuerausscbusses des
Reichstages läßt erkennen, dah er nickst die „schwer-
sten Opfer Der Leistungsfähigei: enthält", die der
Reichskanzler Cuno wiederholt in Aussicht gestellt
hat. Für Die Sozialdemokraten ist, wenn cs bei den
Beschlüssen Der ersten Lesung verbleibt, die Stellung-
nadme klar vorgezeichnet. Sie kann einem Gesetz,
das den Besitz in der schärfsten Weise schont, das
inuenpollitisch und wirtschaftspolitisch sich gegen die
Massen des Volkes richtet, Weill es Dereu Opfer ver-
größert uttd Die Stützungsaktion der Mark stark ge-
fährdet, nicht die Zustimmung geben.


des Wehretats.
Arbeiterführer» Der Vorsitzende eines Betriebs-
rates in Feuerbach Hai zum Beispiel am 12.
Januar gesagt, daß der
Kommunistischen Partes
von Rußland in weitgehendem Maste Hilfe zu-
gesagt worden seil komme cs zur Aktion, so werde
Rußland mit seiner Roten Armee den deutschen und
den französischen Genossen zu Hilfe kommen; dann
Werde jede Regierung zum Teufel gjagt und die
Räterepublik errichtet werden. (Heiterkeit.) ES
ist aber vollkommen falsch, anzuneümeu, daß von
Rußland aus dem deutschen Proletariat irgend eine
nennenswerte Hilfe kommen könnte. Die ökonomi-
schen Verhältnisse schließen das a u s. Von sozial-
demokratischer Seite sind meine letzten Aus-
siihrungen als unbefriedigend bezeichnet wor-
den. Gewiß Hütte ich mehr sagen können (Hei-
terkeit und Zurufe links); ich bin aber der Auf
fassung, daß in kritischen Zetten ein verantwortlicher
Minister m » glich st wenig sagen soll. (Lebhafte
Zustimmung rechts.) Der Reichskanzler Ist
entschlossen, an seiner jetzigen Politik unter allen
Umstünden fr st zuhaltew Zu den angeblichen
Beziehungen zwischen der Reichswehr und den
Selvstfchutzorgarsisntioncn
habe ich nur erklärt, daß ich die Politische Lage
Deutschlands für
aufterordentlich ernst
ansehe und daß darum die verautwortticken Staats-
minister allen Anlaß hätten, die Augen aufzumachen,
damit sie nicht eines Tages vor Peinlichen Uebcr-
raschungen stünden. (Heiterkeit links und Zuruf: Be-
sonders der Reichstvehrminister!) Gerade aus diesem
Grunds habe ich mich mit dem Kollegen Minister
Severing zusammeugetau und mich mit ihm
dahin verständigt, daß wir jenen Bestrebungen in
engster gemeinsamer Arbeit mtgegeutreten wollen.
Ich habe mich bemüht, Abhilfe zu schassen. Die Or-
ganisationen selbst unterliegen den Vereinsrecht und
ihre Ueberwachung ist Sache der Polizei, tbre Ver-
folgung Sache der Gericht e. Meine Aufgabe kann
cs nur sein, dafür zu sorgen, daß keinerlei Berbin
düng der Reichswehr mit diesen Organisationen be-
steht. Das war der Zweck der Abmachungen zwi-
schen Mi niste- Severing und mir. Ueber die grund-
sätzliche Seite der Sache kann gar kein Zweifel sein:
Die Reichswehr kann und darf nur den ihr ge-
tetzlich zustchendcn Ausgaben: Schutz der Verfassung,
Schutz der Grenzen, Aufrechterhaltung von Ruhe
und Ordnung dienen, rmd zwar im Zusammenwirken
mit den verfassungsmäßig dazu berufenen Behör-
den. Ich habe meine Organe angewiesen, gegen
Zuwiderhandelnde mit aller Schärfe vorzu-
gehen. Wollen Sie (nach links) mich in meinen
Bemühungen unterstützen» so geben Sie mtr
das Material in Einzelsällen! Von zehn Sachen,
die auf diesem Gebiet au mich herankommen, sind
allerdings neun unwahr. Wenn wir aber diese
eine abstcllen und ein paar Mak ein krempel sta-
tuieren, dann werden wir bald zur Ruhe kommen!
Die Polizei allein kann die Republik nicht
retten, sondern nur durch die Entwicklung der ^repu-
blikanischen Tilgenden, von denen man so oft hören
kann, daß sie zur Zeit des preußischen Königtums
besonders entwickelt gewesen seien, wird die Repu-
blik in der kominnden schweren Zeit sich vor dem

Untergange retten können! (Lebhafter Beifall rechts
und in der Mitte.)
Abg. v. Dallwitz (D.N.): Wir sind überzeugt,
daß unsere nationalen Verbände nur vaterlän-
dischen Zwecken und dem Schutz von Besitz und
Ordnung dienen!
Nach einigen polemischen Ausführungen von Abg.
Frölich (Komm.) und Abg. Ledebour (E. Gr.),
in denen Ledcbour die Auffassung vertritt, dah die
Reichswehr abgeschafft werden müsse, schließt
die Besprechung.
Das Gehaltdes Ministers ivird bewilligt.
Eine Entschließung der Kom in uniste n, die u. a.
sofortige Entlassung des Generals v. Seeckt und die
Errichtung von Arbeiterwehren fordert, wird av-
gelehnt.
Bei den Ausgaben für das Sanitätsivcsc »
der Reichswehr erinnert Abg. Dr. Moses (Soz. an
die erschreckende
Zunahme der Selbstmorde im Heer
und in der Marine. Aus deut Jahre 1921 stünden
137 natürlichen Todesfällen innerhalb der Reichs-
wehr 105 Selbstmorde gegenüber; ähnlich sei das
Verhältnis im Jahre 1922. Die Sanitätsvcrwat-
tung müsse den Gründen dieser furchtbaren Er-
scheinung energisch »achgebcn. Nicht weniger als
dreizehn dieser Selbstmorde seien aus Gescblchts--
krankheiten zurückzufübren.
Nächste Sitzung: M ittwoch 2 Ubr.

Die Lage im Reich.
Drei Fragen an die Derrtsch-
Ntrtionalerr.
Es ist peinlich, einer politischen Partei, die an-
geblich überwiegend aus wohlerzogenen Leuten be-
steht, wiederholt sagen zu müssen, sie solle sich takt-
voller benehmen und nicht durch törichte Zudring-
lichkeit Unternehmungen stören, auf deren Gelingen
sie selbst den größten Wert legen muß. Es ist nun
bereits wiederholt und deutlich genug den Herren,
gegen die vor kurzem noch das Gesetz zum Schutze
der Republik geniacvt werden mußte, gesagt worden,
daß sie sich möglichst wenig in die Angelegenhetten
des Rubrkampses milchen sollten. Sie können es
ober anscheinend nickt lassen; sie wittern, so schreibt
Robert Breuer in der „Glocke", parteipolitische
Chancen, sie versuchten zu führen, wo sie bestenfalls
durch still«, dienstwillige Gefolgschaft Nutzen stifte»
könnten. Aus solcher vielleicht begreiflichen, aber
den deutschen Interessen durchaus schädlichen Gei-
stesverfassung heraus har die Presse dieser Herren
sogar die Frage gewagt: ob die Sozialdemokratie
den Rubrkamps auch bis zu dem Ziele, das Herrn
Helfserich wünschenswert und erreichbar scheint, zu
sichren gedenke.
Auf diese vorwitzige Frage sei mit einigen ande-
ren Fragen geantwortet:
1. Wieviel M i t g l i e de r der Deutschnationaleu
sieben in der Nubrsront?
2. Welcher Krast; ustrom kann den Ruür-
frontküutpsern durch die deuttckmationatcn Eisercr
werden?
3 Wieviel würde die Widerstandskraft der Mehr-
kämpfer gemindert werde»» wenn di« Deutsch-
nationalen den Kampf nicht mitmachcn wollten?
Wenn die Herren diese Fragen sachlich und ohne
Pbrascnaustvand beantworten, werden sie seben, wie
völlig bedeutungslos ihre Stellungnahme
kür den AuSgang des Rubrkampses ist. Ist dem aber
so, dann sollten sich die Herren ihrer sogenannten
guten Kinderstube erinnern und sich nicht wichtig
tun wo sie nicht das geringste helfen, vielmehr nur
stören rönnen. Wollen sich die Deutschuationalen
durchaus vaterländisch betätigen, so mögen sie mit
aller Energie auf die landwirtschaftliche
Produktion einwirken, daß diese restlos ihre
Pflicht tttt.
Das Reichsgericht bat das Revtstonsgesuck det
Staatsanwaltschaft Offenburg int Prozeß Kittin-
ger verworfen, so daß der Freispruch ansrccht er-
halten bleibt.
Der Rcichsrat stimmte der Dollaranleibe zu.

Republik Baden.
Nationalsozialistisches Führerturn.
Einen Begriff von den Nationalsozialisten gebe»,
folgende Interims der „Fränkischen Tagespost" au»
den „p o liti schc nL e h rj a l> re n eines natio-
u a l s o z i a l i st i s ch en Führers:
Unter den Führern der Nationalso-
zialisten in Nürnberg macht sich in letzter
Zeit ein gewisser Wolfgang Pretzl bemerk-
bar. Wer ist : Wolsgang Pretzl? Presst war
in jungen Jcinr-u Vorsitzender' eines christ-
lichen Jüuglingsvercins. Er bat dann später
des öfteren seine Gesinnung gewechselt, und als
die gelbc Bewegung sich tu Nürnberg bemerkbar
»nackte, finden wir ihn als hervorragendes Mit-
glied der gelben Werkveretnc. Dann war er wie-
der bei verschiedenen christlichen Organisationen.
Bei der Postverwallung, wo er als Störungssucher
tätig war, wurde er wegen Diebstahls mit
vierzehn Tagen Gef ä ngni S vestrast und
entlassen. Während des Krieges war
 
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