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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 12. März)
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5» Jahrgang

Heidelberg, Samstag, den 10. März 1923

Nr. 59

S«schSftsstundrn8—svhr. Epreth»
Kunden der Redaktion: 11—IL UA
ilostsä,e.ikon!o Karlrruhc Nr. 22 578»
Trl.-Aü r.: Volkszeitung Heidelberg.
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berg. Geschäftsstelle: Schröocrstr.3»
Tel.: Lrpeduu>n2V70 u. Redal.W77,

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Schwere Steuerkämpfe im Reichstag.

Bürgerblock gegen Sozialdemokratie.

c» Berlin. 1V. März.
Unser Berliner Bureau telegraphiert uns:
Die Reichstagsvcrhandlungrn vom Freitag Ver-
benen die Aufmerksamkeit des ganzen Bolles. Der
Gegensatz zwischen der Sozialdemokratie, die in die-
kr Not des Landes den Besitz bis zur Grenze des
Möglichen heranziehen will und zwischen den bür-
«erlichcn Parteien, die auch jetzt noch den Besitz
lchonen wollen, prallte hart auseinander. Erst glaub-
en die bürgerlichen Parteien, wie namentlich aus
den Reden des anmassenden Herrn Hclsferich hcrvor-
ising, unsere Opposition leicht nehmen zu können. Je
"«ehr aber die Stunde vorrückte, je deutlicher die
Neven unserer Genossen Soldmann - Franken u.
Dr. Her tz, die unsere Dache ausgezeichnet führten,
bürden, umso nervöser gebürdete sich der bürgerliche
Block. Allmählich schienen die bürgerlichen Parteien
rinzusehen, dass es doch eins bedeutende innen- und
aussenpolitische Gefahr ist, jetzt eine Steuerpolitik der
Besitzbegünstigung zu treiben. Zu deutlich erkennt
das arbeitende Voll, wieviel mehr es durch Stenern
belastet ist als der Besitz. Unsere Fraktion bean-
tragte zu ihren Verbesserungsantrügen namentliche
Abstimmung. Dreimal mutzte namentlich abgestimmt
werden, und jedesmal fielen die sozialdemokratischen
Antrüge mit etwa 187 Stimmen der Bürgerlichen
argen 119 Stimmen der sozialistischen Parteien.
Dann entwickelte Genosse Dr.-Hertz mit grosser
-nchlunde die unendlichen Schwächen des Gesetzes
» der Bewertung der Vermögen. Er warf den bür-
'erlichen Parteien vor, datz sie die Geldentwertung
nur dort wirklich in Rücksicht stellen, wo sie zum
Namm der Steuerzahler, aber nicht dort, wo sie zum
Schaden der Steuerpflichtigen ausschlage. Das gelte
'Missverständlich nur für die Besitzstenern, denn bei
der Lohnsteuer wirke sich ja die Geldentwertung voll
'"m Schaden der Besteuerten aus. Zahlenmässig
wies Gen. Hertz nach, datz die Besitzer von Effekten
brir zu etwa einem Zehntel des wahren Wertes ihrer
Kapiere herangezogen werden. Mit vollem Recht
pachte er darauf aufmerksam, datz dies gerade die
Kleinrentner sehr benachteilige, die als Besitzer fest-
verzinslicher Papiere den vollen Wert ihres Ver-
mögens besteuern müssten. Auch die Landwirte vcr-
>'-Urnen nur einen kleinen Bruchteil des wahren
Oeries von Grund und Boden. In wuchtigen Wor-
'M erklärte der sozialdemokratische Redner weiter den
^treten dasitzenden bürgerlichen Abgeordneten, datz
ihre Steuerpolitik di« Republik untergrabe und den
BSiderstaud Deutschlands an der Ruhr schwäche. Lei-
ter war dieser Appell an die politische und nationale
Einsicht der bürgerlichen Parteien vergebens. Denn
sozialdemokratischen VerschiirfungSanträgc zu den
Bewertungsauträgen wurden von allen bürgerlichen
Barteten abgrlrhnt,
Sitzungsbericht.
Berlin, S. März.
Arrgssichts der wichtigen Abstinrmnngen über
^teuerfragen ist der Reichstag gut besucht.
Zur Körperschastssteuer schltigr der Aus-
guss vor, diese um 15 Prozent der Beträge zu er-
höhen, die als Gewinnanteile irgendwelcher Art ver-
gilt werden. Während der Dauer der Nichterhcbung
Kapitalertragsteuer soll diese Erhöhung 25 Proz.
Miragen. Deulschnattonale und Volksparici wün-
'Hen diese Bestimmung eingeschränkt.
ES folgt die Beratung der Vermögens-
tue r, wofür der Tarif alle 3 Jahre gesetzlich fest-
Alegf werden soll. Die steuerfreienGrenzen
vi« Vermögen, die die Regierungsvorlage
200 000 Ml. festsetzt, will der Ausschuss aus
i'bgsso Mark erhöhen. Die Sozial de mokra--
. d N beantragen Wiederherstellung der Regierungs-
"Uage. Ebenso will der Ausschuss bei der Zwangs-
dleihe die Freigrenze aus 400 000 Mk. erhöhen und
L' Kompromissantrag aller bürgerlichen Parteien
ui vio Frist zur Erklärung vom 31. März auf den
April verlängere

Abg. Soldmann (Soz.):
r< Die steuerfreie Grenze für den Grundbesitz erhöht
infolge der dem Grundbesitz besonders günstigen
/r, cnnngsvorschriften auf 30—40 Millionen Mark.
d^bh.'Hört, hört! links.) Die Negierung wollte mit
fen ? Vorlage ein Werk sozialer Gerechtigkeit schaf-
sj,' "der die Mehrheit des Ausschusses hat es so
g^iieriehiot, dass die Geldsackinteressen ansschlag-
sind. Das Stcuercinkommcn aus den Steu-
er Lohn- und Gehaltsempfängern machte im

Dezember v. I. bereits 84 Prozent des Gesamt-
steueraufkommens aus. Die aus dem Januar d. I.
vorliegenden Angaben besagen, datz sich dieser Pro-
zentsatz bei einzelnen Finanzämtern auf 88 Prozent
und im Februar sogar ans 94 Prozent erhöht hat.
(Leby. Hört, hört! links.) Für den Besitz besonders
günstige Neuerungen hat die Ausschutzmehrheit bet
der Zwangsanleihe beschlossen. Die anständigen
Leute, die bereits In gutem Geld ihre Einzahlungen
gemacht haben, sind schwer benachteiligt.
Abg. Helsferich (D.N.) wendet sich gegen die
sozialdemokratische Behauptung, dass der Ausschuss
den Besitz begünstige.

Abg. K e inath (Dem.) erklärt ebenfalls die Be-
hauptung einer Begünstigung des Besitzes für falsch.
In namentlicher Abstimmung wurde dann
der sozialdemokratische Antrag mit 183 gegen 145
Stimmen abgelehnt und der Ausschutzan-
t r a g a n g e n o m m e n. Ebenso wurden in nament-
lichen Abstimmungen die Anträge der Sozialdemo-
kraten auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage
der Zwangsanleihe mit 187 gegen 149 und zum
Erbschastssteuergesetz mit 192 gegen 148 Stimmen
ab gelehnt und die A u s s ch u tz fa s s un g an-
genommen. Auch die Bestimmungen zum Renn-
wett- und L o tte ri e g e s e tz, zum Wechselstem-

Wims «I kilik WmillliW.
Ein Echo auf die Kanzlerrede.

Halsstarrig.
Paris, S. März. Herr Potncare hat heilte
nachmittag im auswärtigen Ausschuss der
Kammer sein vor drei Wochen abgebrochenes Ex-
pose über die Aussenpolitik Frankreichs fortgesetzt.
Er hat sich dabei nach den, soeben auSgrgebencn
amtlichen Kommunique sehr eingehend über die
Ruvrfrage ausgesprochen und alle damit zu-
samurenhängenden Probleme behandelt. Er hat
zum Schluss die bereits früher abgegebene Erklä-
rung wiederholt, dass Frankreich keine Ver-
mittlung annehme und jeden Versuch indirekter
Verhandlungen zurückweise» werde. Wenn
Deutschland sich jedoch über die Lage klar geworden
sei, könne Frankreich bereit sein, offizielle deut-
sche Vorschläge entgegcnzunehmr» und zu vrüfen-
Aus keinen Fall aber werde die französische
Regierung ergriffene Pfänder und Sicherheiten ge-
gen leere Versprechungen aus der Hand geben.'
Ruhr.
Der weitere Vormarsch.
Bochum, 9. März. Die Verlegung der
Grenze des besetzten Ruhrgcbietcs um 3 Kilo-
meter östlich von Derne (Strecke Lünen-Dort-
mund) und die Besetzung der nördlich davon
gelegen?» drei Schächte der Zeche „Preussen"
ist sehr zu beachten, zumal da auch Truppcnbswe-
k-ungen am Anfang der Strecke Lünen-Süd Berg-
kamern-Weree, also in Richtung Hamm gemeldet
werden. In diesem Raum liegt eine ganze Anzahl
Kohlenzechen, deren Förderung zurzeit noch
dem unbesetzten Deutschland zukommt
Zur Lage.
Dortmund, 8. März. (Eig. Ber.) Der besetzt
gewesene Bahnhof Dortmund ist von den
Franzosen wieder freigegeven worden. Die
D-Züge Berlin-Köln und Hamburg-Köln werden
nur noch bis Hamm gefahren. Bon dort aus müssen
die Reisenden die einzelnen Lokal bzw. Pendrlzttgc
benutzen. In Hückeswagen ist die Wuppcrbahn-Brücke
während des Tages durch Posten besetzt. An einigen
Kontroll- bzw. Uebergangsstellen ins unbesetzte Ge-
biet haben die Franzosen Schilder cmgebrachl, deren
Aufschrift die Erhebung einer z c b n p ro z en i i-
gen Zollabgabe ankündigt. In Vorhalle sind
57 Eisenbahner zur sofortigen Räumung
ihrer Wohnung bzw. bereits aus ihren Wohnungen
ausgcwiesen worben. Im Wuppertal setzen die
Franzosen ihre Werbearbeit bei ehemaligen Eisen-
babnbediensteten, besonders Schlossern und Heizern,
fort. Geboten werden 80 Fransen täglich und freie
Verpflegung. In Dortmund ist ein Teil der
brüte morgen au der Besetzung beteiligten Truppen
wieder abgerücki. Das Rathaus ist wieder geräumt.
Der heute vormittag inhaftierte Rcgicruitgsmt Dr.
Kielhorn ist wieder auf freien Fuss gesetzt. Die
Schutzpoltzeibeamten sind bet Bracke! ins unbesetzte
Gebiet abgescboben worden. 15 Polizeiofsiziere, dar-
unter der Kommandeur, befinden sich noch in Haft.
In Lünen ist die Besetzungszone um 3 Kilometer
nach Osten verlegt. In das dort neubesetzte Gebiet
fallen die Schachtaulagen 1 bis 3 der Zeche Preussen.
Die Hilfsaktion.
Berlin, 9. März. Die Hilfsaktion unserer
dänischen Genossen zugunsten der Arbeiterkinder
des Ruhrgebietes hat insofern eine Ausdehnung
erfahren, als anstatt der ursprünglich in Aussicht ge-
nommenen 1000 Kinder jetzt 2000 Kinder auf
die Dauer von drei Monaten in Dänemark unter-
gebracht werden sollen.
Wie der „Soz. Parlamentsdienst" zuverlässig er-
fährt, hat Herr Poincare die dänische Regierung
wissen lassen, dass Frankreich die Ausnahme deutscher
Kinder in Dänemark, gerade nicht als ein Zeichen

Von Neutralität betrachten könne. Armer Poincarö!
Berlin, 9. März. Der Reichs rat geneh-
migte ein« Vorlage der Neichsregierung, den Be-
amten im besetzteil Gebiet eins besondere
Zulage (Rhein- und Ruhrzulage) zu geben, die in
der gleichen Höhe gezahlt werden soll, wie die ört-
lichen Sonderzuschläge. Ausserdem soll die Be-
satzungszulage verdoppelt werden. Der
neue Sonderzuschlag wird auch für die Landgebiete
Elberfeld, Barmen und Hagen Geltung haben
Mannheim.
Die Bedeutung der Rheinau.
Mannheim, 9. März. Die Rheiuau-
hafenanlagen sind im Gegensatz zu dem am
3. März besetzten alten Mannheimer Hafengebiet
privat und dienen vor allem der in Rheinau an-
gesiedelten Industrie. Die rechtsrheinische Anlege-
stelle der Favre bei Atrip wird von 30 französischen
Soldaten mit Zwei Maschinengewehren besetzt ge-
halten. Etwa 50 Mann französische Infanterie ha-
ben im Elektrizitätswerk Rheinau den Speisesaal
beschlagnahmt, jedoch in den Betrieb nicht eingc-
grissen. Drei bis vier französische Offiziere sind in
das Zollamt Rheinau eingedrungen und ha-
ben die Beamten aufgesordert, sich bis morgen früh
zu entscheide», ob sie unter französischem Befehl ar-
beiten wollen. Andernfalls würde morgen das Zoll-
amt von französischen Zollbeamten übernommen
werden. Bei der weiteren Besetzung Mannheimer
Gebietes durch die Franzosen handelt es sich ebenso
wie bei der am 3. März erfolgten Besetzung des
alten Mannheimer Hafen-gebietes um eine milt
tä rische Aktion mit wirtschaftlichen
Zielen. Dadurch, dass die Franzosen den auf der
Strecke Mannheim-Karlsruhe liegenden Güterbahn-
hof Rheinau in die Hand bekommen haben, ist es
ihnen möglich, den gesamten Eisenbahngüterverkehr
der Rheinauüäscn an der Einmündung in die Haupt
linie zu unterbinden. Sie schnüren damit das
gesamte Rv e in a u h a se n geb i e t ab, das
dadurch ebenso Ivie das alte Mannheimer Hafen-
gebiet in die französische Rbeinzollinie einbezogen
wird. Der Vorort R h eina n, der südlichst« der
Mannheimer Vororte, liegt etwa 9 Kilometer vom
Zentrum der Stadt Mannheim entfernt. Di« Rhein-
auhäfen umfassen vier grosse Hafenbecken
An einem dieser Hafenbecken, dem sog. Thyssen-
Hafen, befindet sich eine Niederlassung der Firma
Thyssen in Mülycim-Ruhr; dieses Becken dieni
in erster Linie als Kohlennmschlagsplatz. In Rhein-
au befinden sich grosse Jndustriewerkk, n. a. viele
chemische Werke und di« Snnlichl A.-G. Inwieweit
di-e Industrie in Rheinau von der Besetzung betroffen
wird, kann noch nicht gesagt werden. In den Be-
trieb des Elektrizitätswerkes haben die Franzosen
bis jetzt noch nicht eingegriffen. Am Güierbahnhos
Rheinau ist der Güterverkehr von den Fran
zosen gesperrt worden.
Im Gegensatz zu einer Meldung des Wolfsichen
TelegraphenburcauS ist der Vorort Rheinau
von den Franzosen noch nicht besetzt worden. Auch
das Elektrizitätswerk und sonstige industriell« Bc
triebe sind bis jetzt nicht behelligt worden.
Mannheim, 9. März. Bis Freitag abent
hatte sich die Lage im Rheinau-Hafengebiet nichi
geändert. Der Bahnbetrieb im Rheinauer
.Hasengebiet ruht vollständig. Die ausgestellten
Posten üben eine strenge Kontrolle. Die
Ausfuhr aus dem gesamten Mannheimer besetz-
ten Hasengebiet in das altbesetzte Gebiet (Pfalz usw.)
ist nach einer Mitteilung der Mannheimer Handels-
kammer ebenso wie aus dem unbesetzten Deutschland
ohne Formalitäten oder Zahlung gestattet. Je-
doch wird !m ersten Falle das freie Passieren
der Postenkette im Hafen beim Verbringen der Ware
nach Ludwigshafen von -einem Passierschein der
französischen Zollverwaltung abhängig gemacht. Der
Bahnverkehr mit Frankfurt und Schwetzingen
ist, wie erneut betont sei, bisher in keiner W eis e
gestört worden

Pelgcsetz, Kapiialverkehrssteuergesetz, Aktienanteik-
fteuergesetz und Versichcrnngssteuergesetz wurden in
der Ausschusssassung angenommen.
Es folgte di« Aussprache über die im Artikel 2
der Vorlage enthaltenen Vorschriften über die Ver-
mögensbewertung.
Abg. Dr. Hertz (Soz.):
Bei den Bewertungsvorschristen für die Ein-
kommensteuer handelt es sich um die Bewertung der
Vorräte am Jahresschluss und Der Absetzun-
gen für Abnutzungen. Die Regierung wollte die
Anschasfungswerte zugrunde legen. Unser Antrag
fordert, datz die wirklichen Werte am Jah-
rcsfchluss der Bewertung zugrunde gelegt werden.
Der Ausschuß hat aber eine Sonderregelung be-
schlossen, gegen die wir die grössten Bedenken gei-
lend zu machen haben. Es sollen nach den Ans-
schutzbeschtüssen Die Bestände an Waren und Vor-
räten zu zwei Dritteln mit -dem Wert am Schluss
des Wirtschaftsjahres abzüglich 60 Proz. bewertet
werden. Diese Regelung bedeutet eine steuerl'ichr
Begünstigung der leistungsfähigen Kreise. ,Es ist
ja bekannt, dass der Steuerausschntz sich von den
Wünschen der Syndici hat leiten lassen. Von den
steuerlichen Opfern des Besitzes ist wenig bekannt
geworden. Die Ausschussbeschlüsse berücksichtigen
die GoZdentwerlung nur zum Schaden des Fiskus.
Die Bewertung der Devisen und Banknoten leistet
der DovisenLamsterei Vorschub. Noch schlimmer ist
die Begünstigung des land- und forstwirtschaflt.
Besitzes bei Der Erbschaftssteuer. Nie hat eine
solche Nasfi'chrung der Ocffentlichkett stattgefuuden
wie bei der Zw-angsanlcibe mit der Bewertung der
Wertpapiere. Welch ungeheure Wertsteigerung ha-
ben z. B. die Aktien der Hapag erfahren. Der
Kampf an der Ruhr zeigt, dass auf den Schulter»
Der Arbeiter und Angestellten der deutsche S aal
ruht. Wenn die besitzenden Klassen sich Dam aüe"
entgegenstellcn, wenn sie keine Opfer bringen, dt
arbeitendan Klassen aber immer mehr belasten wo«
len, dann wird das verhängnisvoll werden. (LelH
Beifall links.)
Abg. Helsferich widerspricht den sozialdemo«
kratifchen Anträgen bezüglich Einschätzung nach de»
Marktpreisen abzüglich gewissen Prozentsätzen.
Abg. Hey bemann (Komm.) verwahrt sich ge-
gen den Vorwurf der Vaterlandslosigkeit.
Die sozialdemokratischen Anträge zu den Bewer-
tungsvorschriften werden von den bürgerlichen Par-
teien abgelehnt.
Gen. Hermann Müller-Franken «Märte ft»
Auftrag der sozialdemokratischen Fraktion, dass sie
angesichts der Ablehnung der sozialdemokratische«
Anträge die politische Verantwortung siir diese Be-
schlüsse ablehnen müsse. Es ist diese Ablehnung bei
sozialdemokratischen Anträge eine Begünstigung der
Devisenspekulation, eine Gefährdung der StützungS,
aktion und somit eine schwere wirtschaftliche nutz
politische Gefahr. In Opposition verlässt hierauf dis
sozialdemokratische Fraktion de» Saal. Der a!S
Horchposten zurückgeblieben« Gen. Hermann Müller-
Franken bezweifelt hiernach d!-e Beschlussfähigkeit des
Hauses, die durch einen Hammelsprung fcstgestellt
wird.
In der neuen Sitzung beanft-agl Abg. Koens«
(Komm.) die Absetzung des Stenergesetzes von d-L
Tagesordnung. Abg. Helsferich (D.N.) -ean-runr
ebenfalls di« Vertagung, da die Erklärung der so;
demokratischen Partei ans einem Missverständnis ve-
rnhe. Dieser Antrag wird angenommen. Nach einet
GeschäftsordnungSdebalte wird ein Jnilia'.wantrag
über Anlegung gesetzlicher Reserven bei AkttengcseS-
schaften in Dollarschatzanweisungen des Reiches de-
battelos genebirrigt.
Nächste Sitzung Montag 2 Ubr.
Freie Wirtschaft und
Verbrauchertum.
"-Heidelberg, 10. März 1923.
Sicherlich ist jeder Mecsch insofern Verbrauchs^
als er Nahrungs- und Genutzmfttdl sowie Bedarfs-
artikel konsumiert. Daraus aber zu folgern, dass
aus t.c,sei unbedingten Notwendigkeit und unerläss-
lichen Voraussetzung jeder menschlichen Existenz
die Gleichartigkeit der „zwei Nationen" jeder kapiia-
Mischen Gesellschaft sich von selbst ergibt, erzeugt
einen der unhciilvollsten Trugschlüsse vulgären Dem
kens. Seine Existenz verdankt dieser Trugschluss
der mangelnden begrifflichen Scheidung dcr allge-
meinen wirlschastlichen Konsumtion in persönlich?
und technische Konsumtion, die nur cu Zweckcn de?
Produktion dient. Sowie diese SchUdung borge,
nommen wird, ist der Interessengegensatz zwischen
Produzenten und Konsumenten ediseni. Es cr,
scheint dann eine überwiegende Masse der am Ver-
brauch der Lebens- und Bedarfsartikel Jnttre-Her-
ten gegenüber der Minderheit der sie erzeugenden
oder mit ihnen handelnden. Am schärfsten hebt sich
dieser Gegensatz hervor bei der Vclrncinung tcl
Lage der Arbeiter und AngestclUcn in Jndnstriej
 
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