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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 31 - Nr. 40 (6. Februar - 16. Februar)
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«!i 8N,—. Rel!amean,eigent74mm
brr,n Mk.Äiv.—. Bei Wieberholun-
Nachlaßn. Taris. Getzeiinmittsl»
"dzelgen finden feine Ausnahme,

Volkszeitung

Geschäfitstunden 8—ii l» hr Sprech-
hunden aer Redaktion: il—»z Uhr.
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Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberz.
Druck u. Verlag der Unterbadische»
Vcilaa-anstalt (S. m. b. H-, Heidel-
berg. tSeichäftsslelle: Schröderstr.ZS.
Tel.: LrpeoirionSM» u Redak. P7».

rkges-ZküMg für die mrMgeMMmW der AMZSezitte Zeideiderg, MsW. SNHeim. Kpvlngell, Verdch. MssöM, 'Men, Adelsheim, Norberg, MberMMeim u. MMeinr

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Heidelberg, Samstag, den 10. Februar 1923

ö. Jahrgang

Nr. 35

Eine kritische Stimme.
Anläßlich der mit dem Einbruch der
Franzosen in das badische Gebiet erfolgen-
den neuen Sanktionen macht der unter Lei-
tung des Gen. Dr. Ludwig Quessel
stehende „Hessische Volks freund"
in Darmstadt folgende Ausführungen:
Wer geneigt war, den gegen Poincares Pfänder-
deutlk unternommenen Abwehrkampf leicht zu neh-
'Nen, Wird schnell eines anderen belehrt worden
lein. Bisher ist noch jede Abwehrmatznahme der
deutschen Regierung durch neue Sanktionen der
Alliierten beantwortet worden. Wir sprechen
l>> diesem Zusamurenhang absichtlich nicht von
Frankreich und Belgien, gegen die allein unser Wirt-
schaftskrieg im Grunde gerichtet ist, sondern von den
Alliierten schlechthin, weil cs Vogelstraußpolitik
Kare, zu verkennen, daß hinter Frankreich und Bel-
llien auch Italien und teilweise selbst England slebt.
Die Einstellung der Kohlenlieferungen für Frank-
reich und Belgien ist von den Alliierten mit der
Kohle uzus uhrsperre beantwortet worden,
llegen die in der Reparationskommission allerdings
England gestimmt hat, die aber, wk in der franzö-
sisch-belgischen Verbalnote ausdrücklich hervorge-ho-
veu wird, „unter Mitwirkung der italie -
ischen Regierung" über uns verhängt worden ist.
Die Koh-lenzustchrsperre, deren furchtbare Wirkungen
für das unbesetzte Deutschland sich freilich erst nach
einigen Wochen zeigen werden, ist also eine Saul-
Eon, hinter der nicht nur Frankreich und Belgien,
sondern bedauerlicherweise auch Italien steht.
Wie die Einstellung der Kohlenlieferungen nicht
Nur Frankreich und Belgien, sondern auch Italien
Segen uns mobil machte, so bat jetzt die Einstellung
des internationalen Schnellzugverkehrs Paris—
München-Bukarest und Paris—Prag, die insoweit
lügen den Versailler Vertrag verstößt, als dieser uns
Er Ar ikel 367 verpflichtet, in, europäischen Durch-
llangs-verkevr die Züge und Wagen, die aus dem
Eilbiet der alliierten Möchte kommen, mit einer
Schnelligkeit Weikrzubeförddru, die mindestens der-
E'nigen unserer besten D-Züge auf denselben Strecken
ch.-cbkonrmt, auch England gegen uns aus
don Plan gebracht. Diese wenig erfreuliche Tatsache
ergibt sich daraus, daß gegen die Einstellung des
ilk ornationalen Schnell zugverkcbrs -Paris—Mstu-
chen -Bukarest und Paris-Prag nicht nur eins fran-
zösische, sondern auch ein« Note der interalliierten
Nbeinwudskomnnksion, in der auch England ver-
taten ist, dem Reicbskabinett Cuno-Becker zugegan-
llen ist. Mag auch England unseren Verstoß gegen
den Versailler Vertrag, der in der Einstellung der
international««»» DZugverkehrS liegen soll, als nicht
ko schwer ansehen, um eine so scharfe Bestrafung
Deutschlands, wie sie die Eiirbezievung von Offen-
bürg „ird Appenweier in den Bnickeirkopf Kehl dan-
Eellt, zu reü)tfertigen, so bleibt aber immerhin doch
öer unerfreuliche Umstand bestehen, daß auch die
^Mische Regierung diese Maßnahme des
Acichskabinetts Cmio-Decker nicht billigt. We-
nigstens nmß nmn dies solange annehmen, als nicht
kststebt, daß der Vertreter Englands in der alltier-
ien Siheinlandkommission die Streichung der intrr-
'ua tonalen D-Züge im deutschen Fahrplan gutge-
kfttzen hat.
So begreiflich es auch ist, daß in Deutschland ein
Schrei der Empörung gegen die Sanktionen der
Alliierten erschallt, daß das deutsttn Volk diese so-
^uarmtcn Strafmaßnahmen einfach als brutale
Gewaltakte ernpfitidet, so darf der Politiker doch
'"cht vergessen, daß die Grundlage der auswärtigen
Politik leider noch nienmls das Recht, sondern immer
isie Gewalt gewesen ist. Und heute gilt dieS mehr,
As jr. Das Wesen einer guten auswärtigen
Politik besteht eben darin, Volk und Land vor
Eielvaltakten zu schützen, sei es durch Bünd-
nisse mit anderen Staaten, sei es durch kluges
Entgegenkommen gegenüber der gegnerischen
Macht. Das war BiSmarcks Politik nach
I8?i, Deutschland gegenüber Frankreich, das er
"üch nach dessen Niederlage im deutsch-französischen
^N«g imnwr sehr sürchere, nicht nur durch
Bündnisse mit Oesterreich, Rußland und Italien,
"sichern auch durch außerordentlich weites
tgegenko n,»n e n gegenüber dem französischen
^'sivcrialisnms zu schützen verstand, indem er
Ae französisch^ Kolonialpolitik gegenüber England
" iveitgehendem Matze unterstützte.
Unz will scheinen, daß die R e g i e r u n g Cuno-
E, ° ck« r in diesen, Ubwehrkaurpf von den, Geist
^lsnrärckischer Außenpolitik sehr weit
-si t fernt ist. Mehr zu sagen ist uns tn einer
wo Deutschlands Arveikr, Angestellte und Be-
so schwer um das nationale Selbstbestim-
. wigsrecht des deutschen Volkes kämpfen müssen,
ich» erlaubt. Immerhin bleibt es die Aufgabe
er Presse, das Volk darüber aufzuklärcn, tviedie
"sie in Wahrheit liegen. Bei der Strei-
k '"8 der internationalen V-Züge in, deutschen F-ahr-
„ sisi liegen dick aber so, daß nicht nur Frankreich
d d Belgiern sondern auch England und Italien
's" Herausforderung der Alliierten, einen
r "sivß gegen /en Versailler Vertrag sehen. So be-
'sit diese Maßregel als Zugsperre uns Dem scheu
lg;,?si^tracht der schwierigen Koh-lenlagc Denksch-
yss cuch scheinen mag, so bleibt doch die Frage
Noh das Ministerium Cuno-Becker wirklich gut
Vitts klug beraten war, als es eine Maßregel cr-
si- die selbst England als einen Vorstoß gegen

den Versailler Vertrag anzusehen scheint und die
es dazu bestimmte, sich gegen uns zu wenden und
Frankreich wieder einmal sreie Hand zu einer
neuen, scharfen Sanktion, d. h. zur Neubesetzung
Offenburgs und Appenweiers zu geben.

Vom besetzten Baden.
Achern, S. Febr. Aus dem Bezirk Offenburg
wird uns geschrieben: Am 6. Februar, vormittags
>410 Uhr, kamen in Zell-Weierbach bei Offenburg
zwei französische Soldaten mit einem zweirädrigen,
mit zwei Pferden bespannten Wagen zu einem 51
Jahre alten Landwirt. Einer von ihnen begab sich
in das Haus und verlangte „Gartenseld". Der Sol-
dat verlangte sonst kein deutsches Wort. Was er
mit dem Gartenfeld meinte und wollte,, konnte der
Mann nicht verstehen. Da faßte ihn der Soldat am
Arm, zog ihn gegen die Tür und sagte: „Alla hopp!"
Er ließ ihn dann wieder los, holte seins Brieftasche
hervor und zeigte Geld. In der Meinung, der Sol-
dat wolle Geld, holte der Landwirt einen Hundert-
markschein, den er dem Soldaten geben wollte. Der
nahm den Schein nicht, sondern führte den Mann
hinaus auf den Hof. Die Tochter des Landwirts
holte von der Straße drei Ortseinwohner, die nun
feststellten, daß der Soldat Kartoffeln wollte. Der
Landwirt holte nun einen Kübel Kartoffeln heraus,
die er selbst in den Wagen leeren mußte, dabei er-
klärte er, sein Haushalt sei acht Personen start, wes-
halb er nicht mehr Kartoffeln abgeben könne. Das
nützt« aber nichts. Die Soldaten gingen mit dem
Landwirt, nachdem bereits der zweite Kübel ausge-
leert war, in den Keller. Als nun auch die drei
Ortseinwohner meinten, es feien doch genug Kartof-
feln ivsggenommen, zog einer der Soldaten seine Pi-
stole, faßte den Landwirt am Arm und jagte die drei
Zeugen zum Hofe hinaus. Nun mußte der Land-
wirt insgesamt etwa zwei Zentner Kartoffeln auf
den Wagen bringen, wofür er schließlich den Betrag
von 1000 Mk. und dann noch 200 Mk. erhielt.
Die inzwischen wieder aufgehobene Verhaftung
des Oberpostsekretärs Frey mrd des Redakteurs
Liibke vollzog sich auch unter Beschimpfung durch
die Offiziere und Mannschaften. Dabei erklärte der
Offizier, der die Verhafteten einem Verhör unterzog
und sie schließlich wieder srei ließ» er werde ihnen bei
noclnnaligem Vorkommen ihrer „Vergehen" Ohr-
feigen und Fußtritte verabreichen.
Offenburg, 9. Febr. Die Lage hat wider
Erwarten eine Verschärfung erfahren. Di« Besat-
zung lebrtt nach wie vor nicht nur die Zurückziehmlg
der französischen Posten von den öffentlichen Gebäu-
den ab, sondern hat auch den Nachtverkehr von 8 Uhr
abends bis 5 Uhr morgens neuerlich verboten. Ei-
senbahn und Postverkehr ruhen nach w»e vor voll-
kommen.
Um Rhein und Ruhr.
Verschärfung.
Paris, 8. Febr. Am Qual d'Orsay wurde
heute abend bestätigst daß die belgische Re-
gierung die von Frankreich angewandte Methode im
Ruhrgebiet für unwirksam halt« >uü> dies der
französischen Regierung mt geieilt habe. Gegenwär-
tig sind belgisch-französische Verhandlungen im
Gange zwecks Erzielung eines einheitlichen Vor-
gehens. Belgien empfindet die französische
Methode, wie hier versichert wird, als zu wenig
energisch und hat eine Reihe wettererschar-
fer Maßnahmen wirtschaftlicher Art vorge-
schlagen. Am Qual d'Orsay wird betonst daß auch
der Kammeraussämfs für die auswärtigen Ange-
legenheiten bei Poimare im Sinne größerer
Energie bei Durchführung der Aktton im Ruhr-
gebiet vorstellig geworden sei.
Essen, 9. Febr. Verschiedentlich wird eine
weiter« Beschlagnahme von Kohlsnzügen
a,meldest Der Postbetrieb im Bezirk Essen
leidet weiterhin stark unsr den unsachgemäßen Ein-
griffen der Franzosen. In Duisburg - Weiderich
wurde das T e l eg r a p h en a in t nach der Entfer-
nung der deutschen Beamten besetzt.
Essen, 8. Febr. Di« neue Störung des Eisen-
bahnbetriebs, die durch den Vormarschder Fran-
zosen nach Wanne und Gelsenkirchen vormittags
eingetreten ist, zeigt bereits ihre Folgen. Der Eisen-
bahnverkehr nach Wanne und Herne ist von Esset»
aus unterbrochen und der Schnellzug, der vom
Rhein ans jetzt von Essen aus über Bremen nach
Hamburg geführt werden soll, ist von Len Fran-
zosen in Wanna angehakren worden.
Das Gebot der Stunde.
Welche Stimmung im besetzten Gebiet ge-
genüber der Negierung Cuno herrscht, geht treffend
aus dein Schluß eines Artikels „Was Cuno bisher
getan?" in unserem Düsseldorfer Parteiblau her-
vor:
Es wird weiter gewurschtelt- Mit „he-
roisch: " wilhelminischer Geste steht Cuno dem
gewaltigen Geschehen in» Ruhrgebiet gegenüber.
Er redet und schreibt au „stin Volk", läßt fröh-
liche stimmungsmachende Siegesnachrichten aus

dem Ruhrgebiet plätschern und hosst mit gefalteten
Händen zu Gott, „daß dieser doch alles zum besten
lenken wird. Diese „fröhliche Passivität" ist bei-
nahe überwältigend, dieses behäbig« Hände-in-
den-Schoß-Legen rührend, diese ganze haltlose
JllnsstonsPoMik ist für das hungernde Volk aber
so gefährlich, daß wir um' des Volkes willen unsre
Stimme erheben und von der Negierung Cuno
Rechenschaft fordern müssen, für das, was
sie in des Volkes großer Gefahr getan hat und
Weiler noch zu Mn gedenkst
Weil wir nicht wollen, daß der Abwehrwille der
Arbeiterschaft an der ungehemmten Ausplünde-
rungsgier deutscher Patrioten zerbricht, wett wir
nicht »vollen, daß die deutsche Negierung aus Rück-
sicht auf innerpolitischc nationalistische Stimmun-
gen außenpolitisch tatenlos bleibt, weil wir nicht
wollen, daß die politische Kraft des passiven Wider-
standes nutzlos vertan wird, darum warnen wir
vor einer Neuauflage der Politik der Phrase nnd
rufen die volksparteiliche Regierung zur Tat auf.
Es hat keinen-Zweck, zu bestreiten, daß in der
Welt der Eindruck herrscht, di« deutschen besitzenden
Klassen betrügen den eigene»» Staat um die schul-
digen Steuern und sie suchen diese Betrngspolitik
auch außenpolitisch gegen die Entente anzuwenden!
Der Reichskanzler nmß damit den Anfang maclpen,
indem er in aller Oeffvnttichkeit ein umfassendes
deutsches Angebot entwickelt, unerbittlich den deut
sehen Kapitalisten klarmachst daß die Hingabe der ei-
nen Hälfte ihre« Vermögens notwendig ist, um die
andre Hälfte und damit den Bestand des Reiches zu
retten. Das wäre eine politisch« Tat und das so-
fortige Einbringen von entsprechenden Gesetzesvor-
lagen wäre ein« -staatsmännische Handlung.
Wir zweifeln keinen Augenblick, daß für Poin-
earö und die französische Schwerindustrie „Reali-
täten" nur die dauernde Besetzung des Ruhrgebiets
barstellen. Da aber die dauernde Besetzung des Ruhr-
gebiets durch Franzosen und Belgier die deutsch«
ReparationSfSbigkeit zerstören »nutz und iwerdtes
die Gefahr der Vernichtung des Ruhrgebiets in Auf-
ständen naherückt, die Raublust der Militaristen in
den Randstaaten des Ostens geweckt unv damit dir
Möglichkeit eines neuen Weltkrieges entfesselt wird,
so ziveifeln Wir ebensowenig, das; England, Ameri-
ka, Italien und außerdem die Neutralen einer Bal-
kanisterzms Europas, wie --s das gewalttätige Frank
reich will, «»rtgegenwirkeu werden. Die Vorbeding-
ungen für deren Einwirkcn auf das wildgewordene
Frankreich nmß aber Deutschland schaffen. Der pas-
sive Widerstand der Bergarbeiter im Ruhr-
gebiet wird nur dann in politischg Kraft umgewan-
delt, iuenn di« deuffche Regierung, der Reichstag und
di« Mehrheit des deutschen Volkes klar zu erkennen
geben, daß Deutschland dir Konsequenzen aus dem
Verlust« des Weltkrieges zu ziehen hast d. h., daß
es sich bereit erklärst vis zur Grenze seiner Leistungs-
fähigkeit Reparationen zu bezahlen, aber nicht un-
ter dem ständigen Drucke von Bajonetten. Die ganze
Welt »nutz den Eindruck gewinnen, daß Deutschland
ans der Schuldhaft frei arbeiten und frei
raufen will. Die Wett mutz überzeugt werden,
daß der Widerstand an der Ruhr nur geleistet wird,
weil das deutsch« Volk fürchtet, daß ibn» diese Mög-
lichkeit genommen werden soll.
So allein wird Frieden!
Neue Gewalttaten.
Z wcibrücken, 8. Febr. »ssester» nachmittag
kurz vor 2 Uhr erschienen au» Hauptportal des
Land- und Amtsgerichtsgefängnisses
Zweibrücken, das eine große Anzahl Straf- und
Untcrsuchimgsgefangene der Bezirke Pirmasens mid
Zweibrüchen enthält, ein nnlttärisches Aufgebot und
eine Reihe Geitdarmerie- nnd Jnfanterieosfiziere,
um das Gebände zu requirieren. Nachdem entspre-
chende Befehle schon vor einigen Tagen argaugen
waren, dhur vollzogen wolden zu seim fanden an-
schließend an die mttitärischs Besetzung erneu e Ver-
handlungen mit der deutschen StrasvoMvockungs-
behördg statt, die das Ergebnis hatten, daß ein auf
5 Uhr nachmittags befristeter Räumungsbefebl e r -
neut erging. Die Beamtenschaft lohnte eimnütig
eine Mithilfe bei der Requirierung ab und erklärte,
nur der Gewalt weüben zu »vollen. Die Räu-
mung wurde daraufhin gewaltsnm voll-
zog« n.
Wiesbaden, 9. Febr. Forstmeister Reiß
ans Mitteldich wurde von dm» Franzosen ausgc-
wiesen.
Oberzollinspettor Selig, derzeitiger Leiter des
Hanptzollamtes Wiesbaden, ist hem« morgen a u s-
gewiesen worden, nachdem dieses Schicksal den
eigentlichen Leiter des Amtes, Zolldirektor Hor-
nickol, nnd seinen ersten Stellvertreter, Zollamtmmm
Wicdach. bereits früher getroffen hat.
Mainz, 8. Febr. Ein Einwohner aus Mo »n -
hach, der mit seiner Frau morgens auf dem Wege
nach Mainz war, wurde in der Nähe der Tennis-
plätze am Große»» Sand von einer französischen
Radfahrerpatrouille angehalten. Während
man den Mann sesthielt und mit den» Revolver be-
drohte, versuchten zwei Soldaten die Frau zu ver-
gewaltigen. Ans die Hilferufe eilten Lewe
herbei, woraufhin die Soldaten schleunigst davon-
fuhren.
Bingen, 9. Mbr. Der Bürgerinei st« r
von Bingen, Reff, ist heute nacht 3 Uhr ohne An-
gabe von Gründen von Len Franzose»» ans den»

Bett heraus verhaftet und mit unbekannten» Ziel
weggeführt worden.
Bad Ems, 9. Febr. Von der französischen
Besatznngsbehörde sind heute der Buchdruckereibe-
sitzer Fritz S o m mer (Verlag der „Emser Zeitung"
und der „Diezer Zeitung") sowie der Zchri fr-
lei ter dieser Blätter, Narben' Bruchhäuser,
nebst ihren Familie»» ausgewiesem worden.

Kurze Meldungen.
Reichskanzler a. D. Dr. Wirth ist zur Zeit mit
den Vorbereitungen zu einer Reise durch dis
Bereinigten Staaten beschäftigt, um ver-
schiodeuen Einladungen zu entsprechen, die wegen
politischer Vorträge aus einer Reihe größe-
rer Städte der Union, besonders solchen mit starker
deutsch-amerikanischer Bevölkerung, an ihn ergangen
sind. Die Reise trägt einen streng Privaten
Charakter.
Der russische Volkskommissar für auswärtige An-
gelegenheiten ist gestern von Lansamre in Berli »r
eingetroffen und wird mit dem Außenminister Ro-
senberg Rücksprache haben.
Die Vorbereitung der englische»» Thronrede macht
Schwierigkeiten. In der Nuhrfrage bestehen
Meinungsverschiedenheiten unter den Minister»» über
die Art, in der die britische Neuttatitüt umschrieben
werden solle. Ein Teil der Regierung, unv zwar
keineswegs ein unbedeutender Teil, ist tief enttäuscht
darüber, wie die Entente sich answirkt.
Ein Dementi. .Die B. Z. am Mi.tag hört zu den
angeblichen Versuchen der italienischen und
der Prager Regierung, zwischen Deutschland
und Frankreich zu v e r mi i te l n, voi» Negierungs-
seite, daß der Reichsregierung bisher weder
von italienischer noch von tschecho-slowakischer Seit«
irgendwelche Vermttttuugsvorschläge zugsgangen
sind.

Vabanque-Politik.
Die kritischen Stimmen gegenüber der Politik
von Luno-BeÄer »netzreu sich immer mehr. In
allen Parteilagern sangen die Einsichligeu an, die
Gefährlichkeit der Politik des „Kabinetts der Ar-
beit" mit drin Manu der Vorschußlorbeeren an der
Spitze eiuzukeheu. Ms »vetteren Bei «rag hierzu
registrieren wir folgende Ausführungen von „Mo-
rus" iu der „W e l tb ü b n e":
Als das Kabinett Cuno die „Politik" der Pas-
siven Resistenz einleitete, konnte man über die Zweck-
mäßigkeit dicser Politik streiten. Immerhin war
nickst ausgeschlossen, Latz der deufche Widerstand
tatkräftige Unterstützung im Ausland fin-
den würde. Drei Möglichkeiten schienen sich zu
bie-ten. Einmal die Hilfe Amerikas. Als Curro,
der Hapag Kanzler, ein homo novuz ftoilinensis, tu
die Wilhelmsrraße einzog,'bildete»» seine einzige«
politischen Aktiva die angeblich w guten „Beziehun-
gen zi» Amerika". Aber »n-an siebt, daß die Freund-
schaft des jung«» Harrinran nochnich 1 genügt, um
erfolgreich Weltpolitik treiben zu können. Die zweite,
berechtigtere Hoffnung war England. Bouar
Law halte in Paris die „ir-mture corckisle" mtt
Frankreich vollzöge»» — warum soll « es fetzt nicht
eine entente corciiaie »ntt Deutschland eingeh-em?
Mb«r der Großindustrielle Bonar Law zog vor,
der'-engliscben Industrie die Gewinne zu sichern, die
ihr infolge der Ruhrtnvasion, vorerst wenigstens, aus
den» gesteigerten Kohten-Export nach Deutschland
und Frankreich zuslleßen. Auch die zweite Hoffnung
ettvieS sich also als trügerisch (wobei übrigens noch
nicht klargestellt ist, ob mnser Londoner Bot-
schafter seine Regierung über die Hal uug Eng
lands im Fall Les französischen Einmarsches so
schlecht unterrichtet Hal, oder ob Herr v. Rose n
berg es besser wisse,» wollte). Die dritte, schwach«
Möglichkeit war das Eingreifen der Interna-
tionale. Daß rnan im Kabwett Cuno sich allzu-
viel von einer Aktion der Zweiten, zweieindalbten
oder gar der dritten Internationale versprach und
auf einen Generalstreik irr den Ententcländern rech
nete, nehme ich, zugunsten unserer Regierung, nicht
an. So törichten Illusionen durste sich kaum eine
Arbeitervegierung Hingaben, geschweige denn eine
Unternebmerreglerung.
Die deutsche Regierung und der Teil des deut-
schen Volkes, der sich aus eine der drei Möglichkeiten
gespitzt batte, halten also geirrt. Jetzt kams
darauf an, sich möglichst rasch nnd schmerz tos auf
die neue politische Situation nmzustellen.
Aber nichts dergleichen ist in den drei Wo-
chen, die nun seit dem Einmarsch der französische«
Truppen vergangen sind, geschehen. Nehmen »vir
selbst den für uns günsttgsten Fall an: es würde
uns wirklich gelingen, die Ru-hrkohle nach wie vor
ins unbesetzte Deutschland zu transportieren: der
französische Zollgürtel würde sich als untauglich zur
Blockierung erweisen; Frankreich würde nicht mehr,
sondern weniger Kohle aus den» Ruhrgebiet erhalten
als. vor dem Einmarsch. Ja, glaubt Leun ein voll-
sinniger Mensch in Deutschland oder in» Ausland,
daß daun die fr a n z ö s i s ch e n T ru P p c n sang-
und klanglos hinziehen würden, vonwanne »r
sie gekommen sind? Glaubt ein Men sch, daß
Frankreich diese „Schmach" ertragen würde, daß es
nicht alles daransctzen würde, die mttlnu-
gcne „S-änMcm" durch neue, schärfere M a n -
»r a b me ngu ersetzen? Oder glaub, man, daß da»
 
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